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Handke, Hamburg, VDZ

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Die Logik der Beschwichtigung”
(perlentaucher.de, Thierry Chervel)
Thierry Chervel fragt sich, warum niemand die Namen der zwei “Bild”-Journalisten nennt, “die vom iranischen Regime mit Spionagevorwürfen ins Gefängnis gesteckt wurden, weil sie über die drohende Steinigung Sakineh Ashtianis berichten wollten”. “Erst nachdem die Journalisten im iranischen Fernsehen präsentiert worden waren, bestätigte die Bild, dass es sich um Journalisten ihres Blattes handelt.”

2. “Über Etappenjournalismus”
(malteherwig.com)
Malte Herwig, Autor einer kürzlich erschienenen Peter-Handke-Biografie, kommentiert eine Rezension von Lothar Müller in der “Süddeutschen Zeitung”: “Sich selbst nicht auf 10km an einen Handke heranzutrauen, aber nachträglich vom Schreibtisch aus Gerüchte zu Fakten zu erklären und diejenigen, die diese Fakten recherchiert haben, als mutlos abzutun – das zeugt natürlich von ganz besonders großem journalistischen Selbstbewußtsein.”

3. “Antwort richtig, Frage falsch”
(tagesanzeiger.ch, Rico Bandle)
Zwei von elf Fragen der am Mittwoch im Schweizer Fernsehen ausgestrahlten Quizshow “Traders” beinhalteten Fehler.

4. “Was hast du getan, Google?”
(wissenslogs.de, Anatol Stefanowitsch)
Der verpixelte Start von Google Street View in Deutschland ist für Anatol Stefanowitsch “wie ein Schlag vor den Kopf”: “Google hätte das Getöse deutscher Politiker unberührt ignorieren und Street View unbeschädigt ans Netz gehen lassen können. Bei einem Reingewinn von bislang sechs Milliarden Dollar allein im laufenden Jahr hätte man es darauf ankommen lassen sollen, von erzürnten Häuslebauern in der Vorstadt — und in den Innenstädten — verklagt zu werden. Und dann wäre die Entscheidung über die Grenzen der Privatsphäre dort getroffen worden, wo sie hingehört — vor Gericht.”

5. “Abschiedsbrief: Hamburg, keine Perle”
(netzfundbuero.de, Tom Hillenbrand)
Tom Hillenbrand schreibt zu seinem Wegzug nach München einen Brief an Hamburg: “Früher rümpftest Du über Düsseldorf und München die Nase, weil die sich immer so aufgedonnert haben. Heute hast Du selber nichts anderes mehr im Kopf als die Frage, wie Du die Blicke anderer auf Dich ziehen kannst. Protzig bist Du geworden, prunksüchtig und oberflächlich.”

6. “Das lassen wir uns nicht bieten!”
(dondahlmann.de)
Ein satirischer Bericht von der Tagung des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger VDZ.

Was du nicht willst, was man dir google …

Wenn ein Boulevardmedium von einer “peinlichen Bordell-Panne” schreibt, bringt man das vielleicht nicht unbedingt direkt mit dem heute in Deutschland gestarteten “Street View”-Dienst von Google in Zusammenhang. Doch genau so ist es laut Bild.de, dem Zentralorgan der StreetViewVerdammung:

Screenshot: Bild.de

Sagen Sie nicht, der Mann auf dem Street-View-Screenshot sei ja wohl unkenntlich gemacht: “BILD hat diese Fotos massiv verfremdet”.

Dieses und sechs andere Fotos, die den Weg des Street-View-Autos vorbei an dem Bordell “in einer deutschen Großstadt” dokumentieren, bis schließlich …

Eingang noch da, Mann plötzlich weg. Ob er tatsächlich ins Bordell ging, bleibt unklar

Bild.de ist deshalb ernsthaft erzürnt:

Fatal: Die Gesichter von zwei vermeintlichen Freudenmädchen sind von Google unkenntlich gemacht. Das Gesicht des Mannes ist aber teilweise deutlich von der Seite zu sehen. Bild.de hat diese Szene unkenntlich gemacht.

Es stimmt: Auf einigen der Bilder bei Street View ist der Mann unverpixelt im Halbprofil zu sehen. Eine Position, mit der sich viele Angeklagte, die “Bild” vor Gericht fotografiert hat, wohl schon zufrieden geben würden.

Aber es heizt natürlich die Street-View-Panikmache an, wenn man jetzt schon Gefahr läuft, dass der Puffbesuch öffentlich gemacht wird.

Apropos:

Der vermeintliche Puffgänger, den “Bild” vor zwei Jahren unverpixelt zeigte, war allerdings psychisch krank.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Nachtrag, 19. November: Google hat reagiert und den Mann deutlich(er) anonymisiert.

Das Pornokino des 21. Jahrhunderts

Neulich ist in “Bild am Sonntag” und auf Bild.de ein Artikel erschienen, in dem sich Autorin Beate Krämer frei nach dem Motto “Denk doch mal nur einer an die armen Kinder” über YouTube und die verdorbenen Jugendsender VIVA, MTV beklagte:

Das aktuelle Kinderprogramm Christina Aguilera zwischen zwei Frauenschenkeln, Beyonce mit gespreizten Beinen, Lady Gaga im kinky Domina-Look. Die Pop-Videos, die rund um die Uhr in den Jugendsendern Viva, MTV und auf Youtube laufen, zeigen Bilder, die es früher nur im Pornokino gab.

Krämer schreibt etwa über ein Video mit Christina Aguilera:

Sie trägt Knapptrikot, Peitsche, Bondagefesseln, im Mund einen Knebel mit Strass besetzt, es gibt angedeuteten Gruppensex, Frauen lecken sich ab, Hand im Schritt, Wet-Look-Dancing, gespreizte Schenkel… In Musikvideos geht es immer eindeutiger um Sex und Gewalt.

Bondagefesseln, angedeuteter Gruppensex, Frauen lecken sich ab, gespreizte Schenkel — und das alles ohne Altersbeschränkung und sogar “rund um die Uhr”? Das ist ja unfassbar. Wo gibt’s denn sowas?

Um diese Frage zu beantworten, hilft vielleicht ein Szenewechsel nach Neuburg im Landkreis Nordwestmecklenburg: Dort wurde der Verwaltungschef des Amtes Neuburg suspendiert, weil er laut “Lübecker Nachrichten” “im Dienst Pornos im Internet betrachtet haben” soll.

Und wie illustriert “LN-Online” diese Nachricht? Mit einem vermutlich in der eigenen Redaktion geschossenen Symbolbild:

Neuburg: Porno-Vorwürfe - Verwaltungschef suspendiert Ein Mann schaut auf seinem Büro-Computer eine Erotik-Internet-Seite an (gestellte Szene).

Moment mal! Kommt uns diese “Erotik-Internet-Seite” nicht irgendwie bekannt vor? Vielleicht mal ein wenig ranzoomen:

Screenshot: Bild.de

Richtig. Auch wenn das Logo verpixelt wurde, handelt es sich hierbei eindeutig um die Startseite von “Bild.de Erotik” (unser Screenshot wurde am 26. August angefertigt):

Bild Erotik

Und so ganz Unrecht hat “LN-Online” nicht damit, die Erotikseite von Bild.de symbolisch für Internetpornos stehen zu lassen. Denn all das, was “Bild am Sonntag” an Viva, MTV und YouTube als Dinge “die es früher nur im Pornokino gab” kritisiert, können sich Kinder und Jugendliche ab 0 Jahren auch ganz bequem auf Bild.de holen.

Mit Dank an Swen W.

Traumschiffe, Kulturjournalisten, Street View

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Wie das Fernsehen der Kreuzfahrtindustrie verfiel”
(faz-community.faz.net, Peer Schader)
Peer Schader schreibt zur Begeisterung öffentlich-rechtlicher TV-Sender für Kreuzfahrtschiffe. “Die Veranstalter von Safarireisen und Arktisexpeditionen müssen grün sein vor Neid. In jedem Fall steht die Fülle der Sendungen, die sich mit dem Thema beschäftigen, in keinem Verhältnis zu dessen tatsächlicher Bedeutung.”

2. “Traumschiff, ahoi!”
(klatschkritik.blog.de, Antje Tiefenthal)
Und nochmals Schiffe: Antje Tiefenthal vergleicht die Informationen verschiedener Zeitschriften zu den Reisekosten, der Urlaubsbegleitung und der Crewgröße eines Luxus-Yacht-Aufenthalts von Heidi Klum und Familie.

3. “Eine Frage des Gehalts”
(faz.net, Michael Hanfeld)
Michael Hanfeld kommentiert die transparent gemachten Gehälter der Intendanten öffentlich-rechtlicher Sender. “Das sind mitnichten geringe Summen, vor allem, wenn man zum Vergleich das Jahreseinkommen der Bundeskanzlerin heranzieht, das sich auf 199.000 Euro beläuft. Das ist mitnichten übertrieben viel, schaut man auf die Spitzeneinkünfte in großen Fernseh- und Medienkonzernen oder etwa auch darauf, was der Chef der britischen BBC einkassiert – stolze 800.000 Pfund pro Jahr.”

4. Interview mit Norbert Bolz
(journalist.de, Christina Lissmann)
Norbert Bolz kritisiert politisierende Kulturjournalisten: “Eine intelligente Romanrezension könnte sehr viel mehr über die Gesellschaft Deutschlands heute sagen als ein dritter Aufguss irgendeiner Antikapitalismuskritik auf Seite eins des Feuilletons.”

5. “Streetview für Deutschland längst online”
(taz.de, Johanna Kleinschrot)
Ein zukünftiges Google Street View löst Wellen der Empörung aus. Derweil ist der Konkurrent sightwalk.de längst mit Bildern online. So findet sich Dorin Popa (nice-bastard.blogspot.com) dort “mal schön verpixelt, mal aber auch nicht gepixelt”.

6. “Ich bin gegen Google Street View und das zeige ich! Auf GoogleMaps!”
(spreeblick.com, Philipp Jahner)

“Schwein” nicht länger tatverdächtig

Hat dieses Schwein den Mann an der A5 ermordet?

Unter dieser Überschrift berichtete “Bild” vor zehn Tagen über einen Mann, der verdächtigt wurde, einen Mann auf einem Autobahnparkplatz erschossen zu haben. “Schwein” nannte ihn die Zeitung, weil er sich mal bei einer öffentlichen Veranstaltung in einem Schweinchen-Kostüm hatte fotografieren lassen (BILDblog berichtete).

Gestern gab das Polizeipräsidium Südhessen bekannt, dass der Mann und ein weiterer Tatverdächtiger aus der Untersuchungshaft entlassen wurden. Der dringende Tatverdacht habe sich bei weiteren polizeilichen Ermittlungen nicht bestätigt. Und das, obwohl die Beweislage “laut Fahndern erdrückend” gewesen sei, wie Bild.de damals berichtete.

Und obwohl Bild.de heute im dpa-Newsticker über die Freilassung der zwei nicht näher genannten Männer berichtet, wird diese Meldung nicht mit dem Ursprungsartikel in Zusammenhang gesetzt, der unverändert online ist. Zwar ist das Foto des Mannes dort – anders als in der gedruckten “Bild” – verpixelt, aber dafür stehen dort so viele Informationen über den Mann (Beruf, Familienstand, Ehrenämter und Hobbies), dass es für sein Umfeld ein Leichtes sein dürfte, ihn zu identifizieren.

Mit Dank an spot.

Böses Street-View-Bild ist kein Street-View-Bild

Vor einer Woche machte Bild.de einen “kurzen Test” des Straßenfotodienstes “Google Street View” und fand heraus: “Die Aufregung über mangelnden Datenschutz ist berechtigt”!

Zwar löscht Google angeblich Autokennzeichen und Gesichter automatisch, Häuser auf Wunsch. Doch die Datenschutz-Software hat sichtbare Schwächen!

Auf vielen Bildern, die Street View online zeigt, tauchen erkennbare Gesichter, sogar von Kindern auf. (…) Von Datenschutz kann da nicht die Rede sein.

Beispiel Paris: Google zeigt Bilder vom Kindern beim Eislaufen vor dem Pariser Rathaus. Das Gesicht eines Mädchens ist gut erkennbar.

Über die doppelte Ironie, dass ausgerechnet Bild.de sich um den Schutz der Privatsphäre der Menschen sorgt und andererseits selbst die gefundenen Fotos unverpixelt zeigt, hatten wir schon berichtet.

Aber es gibt ein größeres Problem mit der Geschichte: Das Foto ist gar nicht aus Street View.

Google hat uns auf Anfrage bestätigt, was angesichts der Perspektive des Fotos (die Google-Kamera fotografiert von einer deutlich höheren Position) nahe lag: Es handelt sich bei dem Bild nicht um eine Street-View-Aufnahme.

Das Foto stammt anscheinend von jemandem namens Niklas Jakobsen, der es offenbar vor zwei Jahren aufgenommen und bei Flickr hochgeladen hat.

Warum Bild.de mit einem Foto, das gar nicht von Google Street View stammt, den angeblich fehlenden Datenschutz bei Google Street View anprangert, wissen wir nicht.

Mit großem Dank an Alexander H.!

Nachtrag, 11.15 Uhr. Das ist originell: Bild.de hat das falsche Foto entfernt, aber den Text, der sich darauf bezieht, unverändert gelassen.

Gut erkennbar im Internet

Zu den inoffiziellen Einstellungsvoraussetzungen bei “Bild” und Bild.de gehört eine ausgeprägte Ironieblindheit — also die Fähigkeit, das eigene Tun nicht mit dem, was man an anderen kritisiert, in Verbindung zu setzen. Anders könnten klassische “Bild”-Schlagzeilen im Stil von: “Diese schlimmen Fotos wollen wir nie wieder sehen” gar nicht entstehen.

Bild.de führt den Effekt aktuell mit einer Geschichte über angebliche Datenschutz-Mängel bei “Google Street View” vor. Ein “kurzer BILD.de-Test” habe bewiesen, dass auf den Straßenaufnahmen, die Google für das Online-Projekt anfertigt, viele Gesichter von Passanten nicht verpixelt wurden. Nun kann man es schon ironisch finden, dass ausgerechnet der Online-Ableger von “Bild” für das Recht am eigenen Bild kämpft, das die Zeitung sonst wie kaum jemand mit Füßen tritt.

Aber wie prangert man am besten an, dass da einfach wildfremde Menschen für jeden erkennbar gezeigt werden, ohne jede Unkenntlichmachung? Man zeigt sie, für jeden erkennbar, ohne jede Unkenntlichmachung:

Straßenszene aus London, das Gesicht des Passanten im Vordergrund (links) ist gut erkennbar, es wurde wie viele andere nicht gepixelt

Dieses Foto aus Google Street View zeigt Eisläufer vor dem Pariser Rathaus. Das Gesicht eines Kindes ist gut erkennbar

Darauf muss man erst mal kommen. Dann ist es auch kein weiter Weg mehr zu solchen Ergebnissen:

Witzige Straßenszene aus Google Street View Paris: Beide Gesichter sind gut erkennbar und nicht gepixelt

Mit Dank auch an Daniel V.

Selbstauslöser

Natürlich kann man dem Vorhaben von Google, für seinen “Streetview” ganze Straßenzüge inklusive Autos und Personen abzufotografieren, skeptisch gegenüberstehen.

Natürlich kann man als Zeitung über die datenschutzrechtlichen Bedenken berichten, die es rund um “Google Streetview” gibt, ganz so, wie es die “Neue Westfälische” getan hat.

Natürlich kann man unter ein Foto eines “Streetview”-Kamerawagens inmitten anderer Autos so eine leicht selbstgerechte* Bildunterschrift setzen, wie es die “Neue Westfälische” getan hat:

Die Kameras für die Google-Fotos sind auf Autos installiert, die die Straßen abfahren. Im Gegensatz zur Zeitung, die sie pixelt, sind Kennzeichen im "Street View" voll zu sehen.

Nur sollte man sich dann ganz sicher sein, dass die verdammten Kennzeichen auf dem Foto oberhalb dieser Bildunterschrift auch verpixelt sind:

Unverpixelte Kennzeichen bei der "Neuen Westfälischen"

*) Und falsche, denn Google verpixelt Gesichter und Autokennzeichen von sich aus.

Mit Dank an ker0zene und Peter G.

Nachtrag 24. Januar: Seit gestern hat die “Neue Westfälische” die Nummernschilder anonymisiert.

BKA? Da könnte ja jeder bitten! (2)

Am Dienstag griff das Bundeskriminalamt zu einer harten Maßnahme, mit der es aber schon einmal erfolgreich gewesen war: Nachdem es in den Besitz von kinderpornographischen Videos gekommen war, gab das BKA ein Foto des mutmaßlichen Kinderschänders an die Medien heraus und veröffentlichte eine Fahndung nach dem Unbekannten. Dabei stufte die Behörde den Fall nicht nur als “normale” Fahndung ein, sondern bewertete den Mann als eine der “meistgesuchten Personen”.

Einen Tag darauf meldeten die Medien, die durch die Veröffentlichung der Fahndung und des Fotos fleißig an der Fahndung mitgewirkt hatten, stolz einen Erfolg: Der Mann wurde festgenommen. “Die Handschellen klickten”, titelte beispielsweise sueddeutsche.de, während “Welt Online” in der Überschrift auf eine Unschuldsvermutung praktischerweise gleich verzichtete und meldete: “Kinderschänder nach Fahndung gefasst”.

Und zudem im Text berichtete:

Am Mittwoch bat das BKA die Medien, die veröffentlichten Videos, Bilder und Stimmproben nicht weiter zu verwenden und aus allen Internetportalen zu entfernen.

Gelesen hat den Text in der Redaktion allerdings anscheinend wohl niemand, denn auch jetzt noch prangt das Foto bei “Welt Online” unverpixelt in voller Breite im Fahndungsartikel, bei sueddeutsche.de auch im Artikel über die “erfolgreiche Fahndung”. Auf Bild.de kann man den (nicht mehr) Gesuchten sowohl auf einem Foto, als auch im Bewegtbild ansehen — ebenso wie übrigens immer noch einen mutmaßlichen und inzwischen gefassten Kinderschänder auf Videoaufnahmen, um deren Entfernung das BKA schon vor über einem Monat gebeten hatte.

Was allerdings noch viel gravierender ist: Der Mann ist wegen der Videos, wegen derer er nun für einen Tag zu einer der “meistgesuchten Personen” wurde, längst verurteilt worden. 1994 war er zweieinhalb Jahre in einer psychiatrischen Klinik; heute lebt er in einer Einrichtung für betreutes Wohnen — und hat sich seit seiner Verurteilung vor 15 Jahren nichts mehr zuschulden kommen. Das BKA hat inzwischen auch offiziell bestätigt, was (ausgerechnet) Bild.de schon im Laufe des Nachmittags berichtet hatte. Wenn das kein Grund ist, die Fotos des Mannes besonders schnell und gründlich aus dem eigenen Archiv zu entfernen, was dann?

Und das vermeintlich seriöse Internetangebot der “Süddeutschen Zeitung” verlinkt immer noch auf seiner Startseite den Artikel mit dem unverpixelten Foto des Mannes und der Dachzeile “erfolgreiche Fahndung”. Der Hinweis, dass es diese Fahndung des BKA nie und nimmer hätte geben dürfen und es sich vielmehr um einen gravierenden Fehler des BKA gehandelt hat, findet sich nur klein und versteckt im automatisch von Agenturen befüllten “Newsticker”.

Das BKA hingegen müsste allmählich wissen, dass seine Bitte, Fahndungsbilder wieder zu entfernen, von den Medien ignoriert werden. Was sie einmal haben, das behalten sie auch und zeigen es für immer. Das ist nicht neu.

Mit Dank an Martin S., Armin E. und JB!

Nachtrag, 17.9., 10.06 Uhr: Sueddeutsche.de berichtet inzwischen ebenfalls über die Fahndungspanne. Muss man erwähnen, dass das Foto weiterhin zu sehen ist?

Blick, Brost, Mexiko

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Drogendealer auf Street View ist ein unschuldiger Wirt”
(tagesanzeiger.ch, Ruedi Baumann)
Die Boulevardzeitung “Blick” entdeckt bei der Suche nach unverpixelten Personen auf Google Street View einen “obskuren Typ mit roter Baseballmütze” und macht aus ihm kurzerhand einen Drogendealer. Tatsächlich handelt es sich um einen lokalen Wirt, der Gutscheine verteilt, um neue Gäste zu gewinnen.

2. Interview mit Ulrich Tilgner
(persoenlich.com, Matthias Ackeret)
Nahost-Korrespondent Ulrich Tilgner erklärt nochmals, warum er nicht mehr für das ZDF arbeitet: “Wenn deutsche Soldaten als Aufbauhelfer dargestellt werden sollen und viele Kolleginnen und Kollegen sich den PR-Bemühungen zum Beispiel des Bundesverteidigungsministeriums in Berlin nicht widersetzen können, wird es besonders schwierig, über Afghanistan ausgewogen zu berichten.”

3. “Wie der Chefreporter von ‘Bild’ tickt”
(epd.de, Ulrike Steglich)
Der “Evangelische Pressedienst” schreibt über den “Familienflüsterer” und “Bild”-Chefreporter Hauke Brost.

4. “Die Verfolgung von Journalisten in Mexiko”
(dradio.de, Peter B. Schumann)
“Viele Zeitungen verzichten inzwischen darauf, Artikel oder Fotos namentlich zu kennzeichnen, und kleinere Blätter haben sich sogar entschieden, überhaupt nicht mehr über das organisierte Verbrechen zu berichten.”

5. “Frühstück mit Zeitung”
(arlesheimreloaded.ch, Manfred Messmer)
Manfred Messmer über Journalisten in den Zeitungsverlagen: “Sie unterliegen dem fundamentalen Irrtum, dass die technische Revolution, die sie in den letzten Jahren durchlebt haben, aus ihnen Newsleute gemacht habe, die sich auf der Höhe der Entwicklung bewegen. Doch ihre Arbeitsmethoden und Arbeitsabläufe sind immer noch dieselben wie vor zwanzig Jahren, als ich aus dem Journalismus ausgestiegen bin.”

6. “Top 10 Lies Newspaper Execs are Telling Themselves”
(simsblog.typepad.com, englisch)
10 Lügen, die sich die Verantwortlichen bei den Zeitungen erzählen.

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