Suchergebnisse für ‘spiegel online’

Funkes Thüringen-Rückzug, Chinas Mediensperre, Globuli-Abmahner

1. Print first
(taz.de, Anne Fromm)
Die Funke Mediengruppe ist einer der marktbeherrschenden Verlage für Regionalzeitungen. Besonders deutlich wird dies in Thüringen. Dort besitzt der Konzern die drei größten Zeitungen “Thüringer Allgemeine”, “Thüringische Landeszeitung” und “Ostthüringer Zeitung”. Das Quasi-Monopol hat seine Tücken, denn Funke will nun massiv sparen und reduzieren. “taz”-Medienredakteurin Anne Fromm ist besorgt: “Wenn die Funke-Zeitungen wegfallen oder zumindest viel weniger gelesen werden, weil sie nur noch digital zu haben sind, dann entsteht in weiten Teilen des Bundeslandes das, was sie in den USA “Nachrichtenwüste” nennen. Und das in dem Bundesland, wo der NSU seine Wurzeln hat. Wo die Höcke-AfD drei Monate vor der Landtagswahl in Umfragen mit gut 20 Prozent drittstärkste Partei ist. Wo Sozialforscher seit Jahren ein Verfestigen rassistischer Tendenzen bei rund der Hälfte der Bevölkerung beobachten.”

2. Heather Mills bekommt wegen Abhörskandal Entschädigung zugesprochen
(spiegel.de)
In Großbritannien haben Journalisten jahrelang Promis abgehört, darunter Heather Mills, früheres Model und Ex-Frau von Paul McCartney. Nun hat Mills nach eigener Aussage gemeinsam mit anderen Opfern “die höchste Entschädigungssumme in einem Fall von Verleumdung durch Medien erreicht, die jemals in der britischen Rechtsgeschichte verhängt wurde”.

3. China blockiert deutsche Medien
(deutschlandfunk.de, Isabelle Klein, Audio: 5:49 Minuten)
China sperre im Internet immer mehr deutschsprachige Inhalte, darunter “Spiegel Online”, “Tagesschau”, “FAZ”, “SZ” und ZDF (ZDF.de und auch heute.de scheinen allerdings doch in China abrufbar zu sein). Markus Pfalzgraf, China-Korrespondent der ARD, vermutet dahinter den Versuch der chinesischen Regierung, die Proteste in Hongkong kleinzuhalten.

4. Ein Text zieht falsche Schlussfolgerungen aus von Menschen produzierter CO2-Menge
(correctiv.org, Nina Breher)
In den Sozialen Medien zirkuliert ein Text, der belegen soll, dass es keinen menschengemachten Klimawandel gibt. Das Problem: Die im Text genannte Quelle gibt es nicht, und auch der Rest der Anekdote — einschließlich der Schlussfolgerungen — stimmt nicht, wie “Correctiv” im Faktencheck feststellt.

5. Arzneimittelhersteller schickt Anwaltsschreiben zum konstruktiven Austausch
(journalist-magazin.de, René Martens)
Wie könnte man als Homöopathie-Hersteller reagieren, wenn jemand behaupten würde, die Homöopathie habe über den Placebo-Effekt hinaus keine Wirkung? Ein kleiner Tipp: Typische Reaktionen wären ignorieren oder diskutieren. Ein mächtiger Globuli-Fabrikant hat sich für die dritte Variante entschieden und schüchtert Homöopathie-Kritiker per Anwaltsschreiben ein.

6. Böses Internet? Vom Verschwinden von Humor-Institutionen
(dwdl.de, Miguel Robitzky)
“DWDL”-Zeichner Miguel Robitzky reagiert auf den Aus des “MAD”-Magazins und dem Karikaturen-Ausstieg der “New York Times”: “Es müssen von Verlagen und Redaktionen Geschäftsmodelle für professionelle komische Kunst gefunden werden, die ausschließlich online stattfinden oder zumindest analoge wie digitale Medien gleichzeitig bedienen. Formate, die an das Tempo der heutigen Zeit angepasst sind, die das Internet nicht als Konkurrenz und Miesmacher, sondern als Chance und Teil von sich verstehen und nicht bloß geklaute Tweets auf Tafeln abschreiben, um sie dann auf Instagram zu posten. Sonst enden wir noch wie die CDU und das kann nun wirklich keiner wollen!”

Seelische Hornhaut der “Kronen Zeitung”, Jürgs-Nachruf, Velerkultur

1. Presserat rügt “Krone” wegen erfundenen Interviews mit Witwe
(derstandard.at)
Sie muss zentimeterdick sein, die seelische Hornhaut bei der österreichischen “Kronen Zeitung”. Dort hat man in Zusammenhang mit dem Todesfall eines Kärntner Gastronomen nicht nur ein unverpixeltes Familienfoto samt minderjähriger Tochter veröffentlicht. Nein, man hat auch noch ein erfundenes Interview mit der Witwe zusammenfantasiert. Nachdem es eine Rüge vom Presserat gab, versicherte der “Kronen”-Chef, man werde in Zukunft “noch behutsamer und vorsichtiger vorgehen”. “Noch” …

2. Pierre M. Krause: “Auch ein Auslacher ist ein Lacher”
(dwdl.de, Kevin Hennings)
“DWDL” hat sich mit dem TV-Moderator Pierre M. Krause über dessen Late-Night-Format (“Pierre M. Krause Show”), einen potenziellen Senderwechsel und die Notwendigkeit einer täglichen Late-Night unterhalten.
Tipp: Wem Krauses sehenswerte SWR3-Latenight bislang entgangen ist: In der ARD-Mediathek gibt es einige der vergangenen Sendungen.

3. 7500 Zeichen am Tag
(sueddeutsche.de, Hans Leyendecker)
Ende vergangener Woche ist der Journalist Michael Jürgs nach einer schweren Krebserkrankung im Alter von 74 Jahren verstorben. Jürgs war ein journalistischer Frühstarter und schon mit 23 Feuilleton-Chef bei der Münchner “Abendzeitung”. Stationen bei “Tempo” und “Stern” folgten. Daneben schrieb Jürgs einige Sachbücher und Biografien (unter anderem den Bestseller “Der Fall Romy Schneider”) und moderierte die NDR-Talkshow. Hans Leyendecker erinnert an einen bemerkenswerten Journalisten und Publizisten.
Weiterer Tipp: Jürgs gab “Zapp” 2013 ein Interview über die “Zukunft des Journalismus”. Hintergrund war der Verkauf verschiedener Springer-Regionalzeitungen an die Funke Mediengruppe.

4. “Der Satiriker darf erst mal alles”
(spiegel.de, Elisa von Hof)
Dominik Bauer ist Teil des Karikaturisten-Duos “Hauck und Bauer” und dort für den nicht-zeichnerischen Part zuständig. Im Gespräch mit “Spiegel Online” geht es um den Karikaturen-Ausstieg der “New York Times”, die Bedeutung der Sozialen Medien, Shitstorms und Beifall von der falschen Seite.

5. Hinterzimmer-Politik
(uebermedien.de, Andreas Püttmann)
“Übermedien” fragt regelmäßig nach dem persönlichen “Hasswort”. Für den Politikwissenschaftler und freien Publizisten Andreas Püttmann ist es der Begriff von der “Hinterzimmer-Politik”.

6. Wir sind das Medienmagazin “journalist” und haben auf unserem Juli-Cover das Wort “Journalismus” falsch geschrieben. Argh.
(twitter.com/journ_online)
Kein Medium ist vor Rechtschreibfehlern oder unglücklichen Formulierungen gefeit. Das Medienmagazin “journalist” atmet den Schmerz über einen Lapsus weg, indem es auf Twitter die Kolleginnen und Kollegen nach ähnlichen Schnitzern fragt. Die Ergebnisse sind teilweise ganz lustig und zugleich beruhigend. Schließlich machen wir alle mal einen Veler.

Facebooks Moderatoren-Hölle, Liebeserklärung, Schnüffelverlage

1. Liebeserklärung an einen geschundenen Beruf
(journalist-magazin.de, Thomas Hauser)
In einer bemerkenswerten Rede macht Thomas Hauser, Herausgeber der “Badischen Zeitung”, dem Journalismus einerseits eine Liebeserklärung, spart andererseits nicht mit Tadel: “Der Superlativ ist die Sprachform der Marktschreier in Marketing und Propaganda. Wer jede Maus als Elefanten beschreibt, hat für den großen Dickhäuter keine Worte mehr. Was ist das für ein Land, in dem Springers “Bild” das meistzitierte Medium ist, ihr Verleger als BDZV-Präsident die Branche ermahnt, sich selbst aber einen großen amerikanischen Finanzinvestor ins Haus holt und in dem der Philosoph Peter Sloterdijk vom Magazin “Cicero” zum einflussreichsten Intellektuellen des Jahres 2018 ausgerufen wird — streng wissenschaftlich ermittelt, versteht sich.”

2. Facebooks Moderatoren-Hölle in Florida
(spiegel.de, Patrick Beuth)
Im amerikanischen Magazin “The Verge” berichten ehemalige Facebook-Moderatoren von ihrer Arbeit. Nicht nur die Arbeitsbedingungen seien verheerend, auch die psychische Beanspruchung sei gewaltig.
Weiterer Tipp: “The Verge” hat eine dreizehnminütige Videoreportage zu dem Fall veröffentlicht. Der Warnhinweis zu Beginn steht dort übrigens nicht ohne Grund. Es ist teilweise schwer zu ertragen, was die Facebook-Moderatoren erzählen: Inside the traumatic life of a Facebook moderator (“The Verge”/Youtube, Video: 13:32 Minuten).

3. Eine Wahl ohne Auswahl
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
Bei einer Wahl hat man die Wahl, oder? Nun ja, das mag in den allermeisten Fällen zutreffen, bei der Wahl des NDR-Intendanten gilt diese Regel allerdings nicht. Boris Rosenkranz berichtet von einem intransparenten und problematischen Verfahren, das einer dringenden Reform bedarf.

4. Nachrichten aus der WG-Küche
(deutschlandfunk.de, Anh Tran, Audio: 5:30 Minuten)
Volontärinnen des Bayerischen Rundfunks haben ein neues Nachrichtenformat für Instagram entwickelt und dort schon mehr als 40.000 Follower gewinnen können. Helene, Sophie und Ann-Kathrin hatten die Idee zur “News-WG”. Gedreht wird nicht im Studio, sondern in der Wohnung. Der “Deutschlandfunk” hat mit Ann-Kathrin Wetter gesprochen, die als Redakteurin zuständig ist für die Wohngemeinschaft mit Nachrichtenwert.

5. Verlage!
(konstantinklein.com)
Konstantin Klein hat mit einem Tool untersucht, wie Medienseiten mittels sogenannten Trackern ihre Besucher überwachen. Bei “Spiegel Online” sind gar 65 dieser Digitalschnüffler im Einsatz. Klein kommentiert: “Ihr seht also, Zeitungs- und Zeitschriftenverlage, warum ich euer Gejammer über die bösen, bösen Datensammler von der anderen Seite des Atlantik zumindest scheinheilig finde. Und ihr solltet sehen, warum in Zeiten der Datensammelwut der Einsatz von Trackblockern nichts als Notwehr derer ist, die auf ihre Daten aufpassen und sie nicht jedem in die Hand drücken wollen.”

6. Podcasts des Monats
(sueddeutsche.de)
Genau passend zum Wochenende stellt die “Süddeutsche” eine Auswahl hörenswerter Podcasts vor. Dabei ist etwas aus dem Schlagerkosmos, ein fiktionales Format, ein Reisepodcast, etwas Literarisches und ein Format über psychologische Phänomene.

Das rechte Auge, Mit “Bento” auf Kaffeefahrt, Heiles Kunstwerk

1. “Eine gewisse Sprachlosigkeit”
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers)
Es ist schwierig: Journalismus soll nicht vorverurteilen, entsprechend umsichtig und verantwortungsvoll muss in Fällen von Verdachtsberichterstattung vorgegangen werden. Medien täten sich mit Berichten über Rechtsextremismus jedoch besonders schwer, so der ehemalige “Spiegel”-Kolumnist Georg Diez: “Das ist eine deutsche Pathologie, denke ich: Es darf nicht sein, was ist.”
Weiterer Lesetipp: Kritik am Verfassungsschutz: Warum bleibt die NSU-Akte 120 Jahre unter Verschluss? (t-online.de, Lars Wienand).

2. Sagt mal, @bento_de, meint ihr das eigentlich ernst?
(twitter.com/PaulBartmuss)
Der Journalist Paul Bartmuss ist über einen “Bento”-Beitrag gestolpert, der einer Art digitaler Kaffeefahrt gleicht: “Sagt mal, @bento_de, meint ihr das eigentlich ernst? Einen “Artikel” mit 29 (!) Affiliate-Links zu @amazonDE zuzuklatschen und das am Ende als Journalismus zu verkaufen? Geht es @SPIEGELONLINE wirklich finanziell so schlecht?”

3. Nach Berichterstattung: Donald Trump wirft New York Times Landesverrat vor
(netzpolitik.org, Markus Beckedahl)
Donald Trump hat die “New York Times” auf gewohnt trumpeske Weise beschimpft und ihr Landesverrat vorgeworfen. Das ist insofern bemerkenswert, als dass in den USA auf Landesverrat die Todesstrafe steht. Markus Beckedahl kommentiert den Fall und erinnert an ein ähnliches Geschehen in Deutschland. Vor gar nicht so langer Zeit hatte nämlich der damalige Verfassungsschutzpräsident, Hans-Georg Maaßen, versucht, mit ähnlicher Argumentation die netzpolitik.org-Macher mundtot zu machen.
Weiterer Lesetipp: Auf der CNN-Website reagiert Chefredakteur Chris Cillizza auf Donald Trumps jüngstes Interview beim Fernsehsender ABC. Er hat sich dazu 78 besonders bemerkenswerte Aussagen herausgesucht, die er mit viel Süffisanz und Galgenhumor kommentiert: The 78 wildest lines in Donald Trump’s epic ABC interview .

4. Mit Podcasts die eigene Bibliothek bereichern
(inkladde.blog, Nicola Wessinghage)
Es gibt mittlerweile einige Podcasts zum Thema Lesen und Literatur. Nicola Wessinghage hat sich durch das Angebot gehört und stellt ihre fünf Favoriten vor.

5. WhatsApp will Newsletter kicken
(taz.de, Lilly Schlagnitweit)
WhatsApp wird nicht nur zum Austausch von privaten Nachrichten, sondern auch zum Versand von Newslettern benutzt. Doch mit Letzterem könnte bald Schluss sein: Das Unternehmen will den massenhaften Versand von Nachrichten unterbinden und begründet dies unter anderem mit der Verbreitung von Fehlinformationen zu politischen Zwecken. Die Entscheidung hat aber auch einen wirtschaftlichen Aspekt: WhatsApp will Unternehmen zur “WhatsApp Business App” rüberlotsen.

6. Kunstmesse dementiert Zerstörung von Kunstwerk durch Dreijährige
(spiegel.de)
Es war eine Meldung ganz nach dem Geschmack von “Bild”: “So schnell kann es passieren: Auf der “Art Basel”, wo bis zu 20 Millionen Dollar teure Gemälde verkauft werden, wo angesichts Tausender Kunstwerke höchste Sicherheitsstufe gilt, hat am Wochenende ein Kleinkind ein 50 000 Euro teures Kunstwerk zerstört!” Auch “Spiegel Online” berichtet darüber (und bezog sich dabei auf “Bild”). Das Problem: An der Geschichte scheint wenig bis gar nichts dran zu sein.

Lästige Prozesswelle, Klöckner-Video wohl Schleichwerbung, Todes-Drama!

1. Euros für Ärzte: CORRECTIV wehrt sich gegen Prozesswelle
(correctiv.org, Frederik Richter)
Es ist wahrlich eine verrückte Geschichte, die der stellvertretende “Correctiv”-Chef Frederik Richter erzählt. Ein Berliner Anwalt überziehe “Correctiv” und “Spiegel Online” wegen der Datenbank “Euros für Ärzte” mit einer beispiellosen Prozesswelle. Mit jedem der nahezu identischen Schriftsätze trete er irgendwo in Deutschland vor Gericht an und kassiere eine Niederlage. Es gäbe bereits 53 Urteile für “Correctiv” und 83 Urteile für “Spiegel Online”. Was sich unsinnig anhört, kann aus der Sicht des Anwalts jedoch sinnvoll sein: Er kassiert jedesmal nicht nur eine Niederlage, sondern auch das Geld seiner Mandanten beziehungsweise das ihrer Versicherungen. Für die betroffenen Redaktionen gestaltet sich die Sache jedoch weitaus weniger attraktiv, denn neben der vielen Arbeit besteht ein erhebliches finanzielles Risiko.

2. Niemand sieht Dein YouTube-Video
(heise.de, Daniel AJ Sokolov)
Nach den Erhebungen der Video- und Musiksuchmaschine Pex würden nur 0,64 Prozent aller Youtube-Videos mehr als 100.000 Zugriffe erreichen. Diese seien jedoch für mehr als vier Fünftel des Traffics verantwortlich. Daniel AJ Sokolov konstatiert: “Mehr als 99 Prozent aller gehosteten Videos könnte YouTube theoretisch löschen, ohne nennenswerte Umsatzeinbußen zu erleiden — denn diese Videos schaut sowieso fast niemand an.”

3. Bundesweit Razzien wegen Hasskommentaren im Internet
(zeit.de)
Anlässlich des dritten Aktionstags zur Bekämpfung von Hasspostings (das Bundeskriminalamt (BKA) spricht vom vierten Aktionstag) ist die Polizei in 13 Bundesländern gegen Hasskommentierer vorgegangen, hat Wohnungen durchsucht und Verdächtige vernommen. Laut BKA ließen sich 77 Prozent der Hasspostings dem rechtsextremen Spektrum zuordnen, 14 Prozent entsprängen unterschiedlichen Ideologien und neun Prozent würden aus dem linksextremen Milieu stammen.

4. Wendepunkt am Buchmarkt 2018: Verlage und Buchhandlungen entwickeln erfolgreich Wege zum Leser
(boersenverein.de)
Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels blickt auf ein positives Jahr 2018 zurück. Die Zahl der Buchkäufer sei erstmals seit 2012 wieder gestiegen. Die Branche habe vergangenes Jahr ihren Umsatz gehalten und sei mit Zuwächsen ins Jahr 2019 gestartet. Der stationäre Buchhandel sei immer noch für rund 47 Prozent Buchverkäufe verantwortlich. Den stärksten Umsatzzuwachs habe es bei Sachbüchern gegeben (+5,5 Prozent).

5. “Sie hätte das Posting als Werbung kennzeichnen müssen”
(deutschlandfunk.de, Sebastian Wellendorf)
Kurz nachdem die Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner ihr umstrittenes Nestlé-Video veröffentlichte, tauchte die Frage auf, ob es sich dabei um Werbung beziehungsweise Schleichwerbung handele. Der “Deutschlandfunk” hat dazu den Medienanwalt Christian Solmecke nach dessen Einschätzung befragt: “Es gibt zwar unterschiedliche Urteile der verschiedenen Gerichte zum Thema Schleichwerbung, aber hier hat sich Frau Klöckner ausnahmslos positiv zugunsten eines Unternehmens ausgesprochen, und da muss man auch, gerade wenn man die Influencer-Urteile der letzten Monate ins Kalkül zielt, sagen, ja, sie hätte das Posting als Werbung kennzeichnen müssen.”

6. “Neue Post”: Schwerer Abschied von Roland Hag
(uebermedien.de, Mats Schönauer & Boris Rosenkranz, Video: 4:14 Minuten)
Todes-Drama bei der “Neuen Post”! Chefredakteur Roland Hag verlässt das Blatt. Sterben damit nun auch all die Lügen- und Quatschgeschichten, mit denen die Leserinnen und Leser 25 Millionen Mal im Jahr hinters Licht geführt werden? Keiner kann darauf eine schönere Antwort geben als Mats Schönauer und Boris Rosenkranz in diesem Video. Überaus gut angelegte vier Minuten vor dem Start ins Wochenende.

Selbstkritikloser “Stern”, (K)ein Bluttest, Selbstentblößung der @AKK

1. Tag der versuchten Selbstkritik beim “Stern”
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
“Wir öffnen heute unsere Türen für Sie! Blicken Sie hinter die Kulissen der “stern”-Redaktion und des wichtigsten deutschen Journalistenpreises.” Das hat sich Boris Rosenkranz nicht zweimal sagen lassen, zumal es bei der Veranstaltung “auch selbstkritisch” zugehen sollte. Nun: “Das mit der Selbstkritik ist ein feiner Anspruch, würde er sich nicht hauptsächlich auf Lippenbekenntnisse beschränken.” Rosenkranz begegnet im Hamburger Verlagshaus von Gruner + Jahr nicht nur allerlei salbadernder Branchengrößen, sondern auch Promis wie Til Schweiger und Atze Schröder. Was die Sache nicht unbedingt besser gemacht hat.

2. Versprochener Bluttest existiert gar nicht
(sueddeutsche.de, Christina Berndt & Frederik Obermaier)
Wenn es denn gestimmt hätte, wäre es eine Sensation gewesen: Forscher der Uniklinik Heidelberg erklärten im Februar, sie hätten einen Bluttest zur Erkennung von Brustkrebs entwickelt. Nun stellt sich heraus, dass der vor allem von “Bild” bejubelte Bluttest gar nicht existierte.
Siehe dazu auch: Heidelberger Brustkrebs-Skandal: Es hört nicht auf (riffreporter.de, Jan-Martin Wiarda).
Und unseren Beitrag: “Bild”, Kai Diekmann und der Wunder-Krebstest (bildblog.de, Ben Hoffmann).

3. Die Selbstentblößung der @AKK
(spiegel.de, Stefan Kuzmany)
Bei den Europawahlen hat die CDU Verluste hinnehmen müssen, die sie auch auf das Videostatement einiger bekannter Youtuber zurückführt. Nun hat die CDU-Vorsitzende in einer verquasten Stellungnahme die Einführung von “Regeln” gegen derartige “Meinungsmache” gefordert. Der Leiter des “Spiegel Online”-Hauptstadtbüros Stefan Kuzmany kommt in seinem Kommentar zu folgendem Resümee: “Es bleibt der verheerende Eindruck, die CDU-Vorsitzende wolle den Bürgern den Mund verbieten. Es bleibt die bittere Erkenntnis, dass die Frau mit der Ambition auf das mächtigste Amt des Landes keine Widerrede vertragen kann.”

4. CSU will Parteizeitschrift einstellen
(zeit.de)
Nach 65 Jahren soll bald Schluss sein: Die CSU will ihre traditionsreiche Parteizeitung, den “Bayernkurier”, einstellen. Der zukünftige Schwerpunkt in der Kommunikation soll im Digitalen liegen, so CSU-Generalsekretär Markus Blume.

5. BVerfG: Verpflichtung zur Entsperrung des Facebook-Accounts der Partei “Der III. Weg”
(urheberrecht.org)
Das Bundesverfassungsgericht hat Facebook per einstweiliger Anordnung gezwungen, die Seite der Partei Der III. Weg bis zur Feststellung des amtlichen Endergebnisses der Europawahl zu entsperren. Vorausgegangen war ein umstrittener Beitrag auf der Seite.

6. Relotius-Aufdecker mit NR-Leuchtturmpreis geehrt
(dwdl.de, Timo Niemeier)
“Spiegel”-Journalist Juan Moreno hatte es nicht leicht, als er seinen Vorgesetzten von seinem Verdacht gegenüber seinem damals gefeierten Kollegen Claas Relotius berichtete. Nun ist er dafür vom Netzwerk Recherche mit dem Leuchtturm-Preis ausgezeichnet worden: “Juan Moreno hat seinen journalistischen Kompass und seine Unabhängigkeit beispielhaft bewiesen. Er hat hartnäckig und mutig gegen Widerstände im eigenen Haus recherchiert und dabei viel riskiert — um schließlich zu enthüllen, was lange niemand wahrhaben wollte”, so die Vorsitzende der Journalistenvereinigung.

Der Klick heiligt die Mittel

Herzlich Willkommen zu unserer spannenden Entdeckungsreise durch die Rotlichtmilieus der deutschen Klick-Industrie! Wir gehen an die Orte, an denen für Klicks alles gemacht wird. Nach einigen Abstechern in den Westen verschlägt es uns heute mal in den Süden. Genauer: nach München.

Merkur.de, die Online-Seite des “Münchner Merkur”, ist eines der erfolgreichsten News-Portale des Landes. Gut 70 Millionen Visits verzeichnet die Seite pro Monat, damit gehört sie zu den Top 10 der besucherstärksten Nachrichtenportale, liegt oft sogar vor Seiten wie Süddeutsche.de, Stern.de, RTL.de oder FAZ.net:

Medium Visits im April 2019
1. Bild.de 427.691.776
2. Spiegel Online 251.339.088
3. Upday 190.994.183
4. Focus Online 184.522.143
5. n-tv.de 142.683.268
6. Welt 120.681.764
7. Funke Medien NRW 72.311.095
8. Zeit Online 68.332.153
9. Merkur.de 67.354.570
10. DuMont Newsnet 65.558.438
11. Stern.de 63.872.828
12. RTL.de 59.734.317
13. Süddeutsche.de 58.826.504
14. FAZ.net 57.227.517
15. tz 49.835.599

(Quelle: IVW via “Meedia”; in den Monaten davor sah es ähnlich aus.)

Wie Merkur.de das schafft, wollen wir an zwei Beispielen vom Wochenende zeigen. (Wir haben sie willkürlich rausgepickt, man könnte auch so gut wie jeden anderen Artikel nehmen.)

Am Samstag, genau drei Monate nach dem Verschwinden der 15-jährigen Rebecca aus Berlin, lockte Merkur.de mit einer “Sensation” auf die Seite:

Rebecca Reusch vermisst: Eltern veröffentlichen trauriges Statement - Was für eine Sensation

Im Artikel geht es um einen Brief der Eltern, den RTL.de veröffentlicht hatte. Merkur.de schreibt:

Seit genau drei Monaten fehlt von der 15-jährigen Rebecca aus Berlin jede Spur. Nun veröffentlichte ihre Familie einen bewegenden Brief über RTL. Darin beschreiben die Eltern ihren unvorstellbaren Schmerz. “Wir sind verloren in unserer Angst und jeden Tag schwindet die Hoffnung, dich jemals wiederzusehen. Wir sind erstarrt in unserer Trauer, alles verhärtet sich innerlich in uns und doch funktionieren wir jeden Tag”, zitiert der TV-Sender die Eltern des vermissten Mädchens. Obwohl Bernd und Brigitte Reusch von Anfang an die Öffentlichkeit nutzten, um die Suche nach ihrer Tochter am Leben zu erhalten, berichten sie nun von dramatische Erlebnissen mit Unbekannten.

“Wir stehen am Fenster starren hinaus und denken jetzt… jetzt musst du doch kommen, doch stattdessen fahren die Autos ganz langsam an unserem Haus vorbei und schauen zu uns rüber… rüber zu Eltern, die trauern. Was für eine Sensation!”

Die Eltern schreiben also, dass ihnen die Sensationalisierung ihrer Trauer zu viel wird. Und daraus — daraus — wird die Überschrift:

Eltern veröffentlichen trauriges Statement – “Was für eine Sensation”

Das ist auf so vielen Ebenen gemein, da hätte selbst “Bild” Mühe mitzuhalten.

Bemerkenswert ist auch die schiere Masse. Der Rebecca-Artikel ist nur einer von etlichen; seit Monaten führt Merkur.de zu dem Fall einen “Nachrichten”-Ticker, für den jeder Instagram-Post von Angehörigen, jedes Gerücht und jede Spekulation mit einem eigenen Beitrag gewürdigt wird. Kleiner Auszug der vergangenen Wochen:




















Fast täglich lockt Merkur.de so mit neuen Sensationsüberschriften auf seinen Rebecca-“News”-Ticker, und oft gehören die Artikel dann tagelang zu den meistgeklickten des Ressorts.

Zum Thema Clickbaiting sagte der Chefredakteur von Merkur.de vor einigen Monaten auf Nachfrage von “Übermedien”:

Ich finde ‘Clickbait’-Überschriften super. Journalisten, die es schaffen, mit guten Zeilen Leser in ihre Texte zu ziehen, beherrschen ihr Handwerk. Was aber nie passieren darf, ist eine Produktenttäuschung: Die Erwartung, die ich in Überschriften wecke, muss im Text auch erfüllt werden. Wird die Erwartungshaltung erfüllt, spricht nichts dagegen, dass Autoren einen Spannungsbogen aufbauen, der im Leser das Gefühl weckt, unbedingt diesen Text lesen zu müssen.

Okay, schauen wir uns einen anderen Artikel an, ebenfalls am Wochenende erschienen:

Wahnsinn in Hamburg - Drama bei illegalem Autorennen: Für Mercedes-Fahrer endet Raserei verheerend

Verheerend. Drama. Wahnsinn. Welche Erwartung wird da geweckt? Verletzte? Tote? Explosionen? Vielleicht werden wir aus dem Teaser schlauer:

Zwei Autofahrer halten an einer roten Ampel in Hamburg. Dann geben sie im Mercedes und Peugeot Gas. Das illegale Autorennen nimmt jedoch ein verheerendes Ende.  - Zwei Autofahrer lieferten sich im Mercedes und Peugeot ein illegales Rennen in Hamburg - Es kam zu wilden Szenen auf Hamburgs Straßen - Für einen der bedien Duellanten endete das illegale Rennen im Unglück

“Für einen” der beiden endete es also “im Unglück”. Also ein Toter? Schwerverletzter? Lesen wir weiter:

Zwei Autos halten an einer roten Ampel. Die beiden Fahrer blicken sich an, dann sind sie sich einig - und geben Vollgas. Für einen der beiden endet die Raserei im Unglück. Am Mittwoch (15. Mai) lieferten sich zwei Autofahrer in Hamburg-Ottensen nach Angaben der Polizei mutmaßlich ein illegales Autorennen zwischen einem Mercedes und einem Peugeot. Schon in der Behringstraße in Hamburg fuhren die beiden Autofahrer, ein 65-Jähriger und ein 28-jähriger Mann stadteinwärts nebeneinander her. Währenddessen müssen sie die Entscheidung getroffen haben, sich zu duellieren - bei höchster Geschwindigkeit. Als dann beide Autofahrer an einer roten Ampel an der Kreuzung Friedensallee in Hamburg halten mussten, bereiteten sich die Fahrer vom Mercedes und Peugeot auf ihr Duell vor. Das illegale Rennen startete bei Grün, beide Fahrer beschleunigten stark. Dem 28-jährigen Peugeot-Fahrer gelang es, sich an einer Fahrbahnverengung mit seinem Auto vor der Mercedes C-Klasse des 65-Jährigen einzufädeln, wie die Polizei Hamburg mitteilt. Der Mercedes-Fahrer versuchte dann den vor ihm fahrenden 28-Jährigen zu überholen - mit Erfolg. Nach mehreren Versuchen zog er am Peugeot vorbei. Dann der Schock! Beim Wiedereinscheren schnitt der 65-jährige Mann mit seinem Mercedes den Peugeot, es kam zur Berührung - mit verheerenden Folgen.

Uh, jetzt aber! Ach nee, zuerst noch ein Link zum Schwesterportal:

... es kam zur Berührung - mit verheerenden Folgen.  Auch ein Unfall auf der Autobahn A2 bei Braunschweig hatte schreckliche Folgen für einen Lkw-Fahrer, wie nordbuzz.de berichtet. [Zwischenüberschrift: Hamburg: Unfall bei illegalem Rennen - Mercedes kracht in Auto]  Durch die Kollision drehte sich der Mercedes auf der Straße in Hamburg und stieß gegen ein am Fahrbahnrand geparktes Auto. An allen beteiligten Fahrzeugen entstand nach Angaben der Polizei ein Sachschaden.  Durch den Unfall wurde immerhin niemand verletzt. Die beiden Unfallbeteiligten aus dem Mercedes und Peugeot konnten nach erfolgter Unfallaufnahme durch die Polizei Hamburg ihren Weg mit ihren Autos fortsetzen. Die weiteren Ermittlungen übernahm der Verkehrsermittlungsdienst West (VD 22) in Hamburg.  Vor Gericht muss sich derzeit ein Mann verantworten, der seiner Nachbarin in Hamburg die Kehle durchgeschnitten hat. Das berichtet nordbuzz.de.

Verheerend. Drama. Weil sich das Auto drehte und gegen ein anderes Auto stieß. Wahnsinn. Und am Ende einfach noch den Kehle-Durchschneider rein, ist ja eh alles egal.

Und damit beenden wir unsere kleine Reise in den klickgeilen Süden, schaut auch nächstes Mal wieder rein, wenn es heißt: Es sah aus wie Journalismus, aber was dann geschah, hat uns tief getroffen.

Boris Palmer: Den Rassismus beim Namen nennen

Ist Rassismus weniger schlimm, wenn er von einem Grünen-Politiker kommt? Oder sind die meisten Medien der Ansicht, dass es sich bei Palmer in Wahrheit ja gar nicht um Rassismus handeln kann, weil er eben Palmer ist? Der provoziert nun mal gern. Der übertreibt es halt manchmal. Das ist ungefähr das, was deutschen Medien gerade zu Boris Palmers rassistischem Post über eine Bildcollage der Deutschen Bahn einfällt. Und nicht etwa, dass es ein rassistischer Post ist.

Muss man tatsächlich noch darüber diskutieren, ob eine Aussage rassistisch ist, die Hautfarbe per se mit “andere Herkunft” gleichsetzt? Oder dass es nicht-weiße Menschen sind, die in Werbung und Medien eklatant unterrepräsentiert sind? Und dass man weißen Menschen keinen Schaden zufügt, wenn sie einmal nicht in der Mehrheit sind? Ist es tatsächlich erklärungsbedürftig, dass man Menschen rassistisch angreift, wenn man faktisch eine Hautfarbe als erwünscht darstellt und andere nur, wenn sie unter einer Art Obergrenze verschwinden? Muss es immer so weit kommen, dass einer der direkt Angegriffenen sich persönlich zu Wort meldet, bis überhaupt über Rassismus gesprochen werden kann?

Bevor Sternekoch Nelson Müller sich persönlich diskriminiert und „tief bestürzt“ durch Palmers „rassistisch anmutende Äußerungen“ zeigte, stellte “Spiegel Online” die ganze Sache noch auf eine Stufe zu Palmers Frotzeleien gegen die Hauptstadt: “Palmer hatte in der Vergangenheit immer wieder für Kontroversen gesorgt. So sagte er beispielsweise über die Bundeshauptstadt Berlin: ‚Wenn ich dort ankomme, denke ich immer: ‘Vorsicht, Sie verlassen den funktionierenden Teil Deutschlands'”.

All das, was Theaterautor, Blogger und Marketingexperte Johannes Kram schon so gemacht hat, würde nicht in diese Box passen. Deswegen hier unvollständig und im Schnelldurchlauf: Nicht nur, aber auch wegen seiner Medien-Kampagne ist Guildo Horn zum “Eurovision Song Contest” gekommen. In seinem neuen Buch “Ich hab ja nichts gegen Schwule, aber” prangert er die “schrecklich nette Homophobie” auch in den Medien an. Für seinen “Nollendorfblog” bekam er eine Nominierung für den “Grimme Online Award”, er selbst erhielt 2018 den Tolerantia Award. Und mit “Seite Eins — Theaterstück für einen Mann und ein Smartphone” hat er Boulevard-Kritik auf die Bühne gebracht. Dafür ein herzliches Dankeschön vom BILDblog.

So sieht das Fazit in fast allen Berichten aus: Der will doch nur spielen, einen raushauen. Kann sein. Aber ist das so wichtig, warum Palmer das macht? Ist es nicht viel wichtiger, was er da macht? Warum fällt es deutschen Medien so schwer, das zu benennen? Warum taucht das Wort Rassismus so gut wie nicht auf? Und wenn, dann fast nur als der Vorwurf seiner Gegner, also derer, denen Palmer sowieso suspekt ist? So, als ob das eigentliche Problem eines solchen Posts das ist, wer parteipolitisch davon gerade profitiert? So, als ob die eigentliche Nachricht ein Streit unter Politikern ist und nicht die Tatsache, dass da gerade ein Politiker Menschen mit nicht-weißer Hautfarbe abspricht, Deutsche Wirklichkeit zu repräsentieren. Oder zumindest nicht, wenn es zu viele davon sind.

Über “Bild” braucht man in der ganzen Sache eigentlich gar nicht reden. Muss man aber trotzdem. Natürlich nutzen die Leute von “Bild” auch dieses Ereignis, um die Messlatte für Rassismus noch weiter nach unten zu ziehen. „Boris ist eine eitle Krawallnudel aber kein Rassist. Und die Deutschen haben nicht zu 80 Prozent Migrationshintergrund. Können wir uns darauf einigen?“, twittert Nikolaus Blome. Rassistisches doch mal eben so sagen zu wollen und gleichzeitig damit durchzukommen, kein Rassist zu sein, ist seit gestern noch salonfähiger geworden. In “Bild” hatte Blome zuvor sogar die Sichtbarkeit von Nicht-Weißen in der öffentlichen Wahrnehmung selbst zum Problem erklärt, wenn diese nicht der tatsächlichen Repräsentanz in der Bevölkerung entspricht: „Der Kampf gegen alltägliche Diskriminierung ist auch in Deutschland längst nicht gewonnen. Traurig, aber wahr. Doch mit einseitigem Überbetonen ist auch niemandem gedient. Das wirkt nur lächerlich.“ Nicht die Regel, in der People of Colour fast immer unterrepräsentiert sind, machen also Rassismus, sondern die eine Ausnahme, in der das nicht so ist. Mit dieser Logik schafft sich “Bild” eine lupenreine Rassismus-Formel, da jeder Versuch, Rassismus dadurch zu bekämpfen, immer öfter auch nicht-weiße Menschen sichtbar zu machen, dadurch skandalisiert werden kann, dass es hier eine Art Bevorzugung gäbe.

Wo “Bild” offen Rassismus schürt, fällt es anderen Medien schwer, Rassismus überhaupt zu benennen. Ist der Rassismus in der Geschichte etwa so abwegig? Oder so unwichtig? Oder ist das Eis einfach zu dünn, wenn man über Rassismus schreiben muss? „Palmer hat offenbar ein Problem damit, dass vier der fünf Bilder keine Nord- oder Mitteleuropäer zeigen, sondern Menschen mit dunkleren Hautfarben“, meint etwa “RP Online”, so, als ob es keine Nord- oder Mitteleuropäer mit dunkler Hautfarbe gebe.

„Ob Enteignung, Erziehung von Zuwanderern oder Multikulti-Werbekampagnen – Boris Palmer provoziert. Das Tübinger Stadtoberhaupt sucht Streit. Meist sehr zum Leidwesen seiner Partei“, beginnt heute.de seinen Bericht und kommt bis zum Ende kein einziges mal auf die Idee, dass das eigentliche Leid die Minderheiten trifft, die die Opfer seiner Ausgrenzungen sind.

Wieso steht eigentlich bei der rassistischen Entgleisung eines AfD-Politikers die rassistische Entgleisung im Vordergrund der Berichterstattung, während es hier bei einem Grünen-Politiker vor allem die — wie suggeriert wird — überbändige Reaktion darauf ist? Lautete die Durchschnittsüberschrift damals „Gauland beleidigt Boateng“, heißt es heute „Shitstorm gegen Boris Palmer“. Der Arme. Meinetwegen will er nur spielen. Meintewegen will er nur provozieren. Aber ganz offensichlich will er eben rassistisch spielen und provozieren. Was muss Palmer eigentlich noch alles machen, dass er von deutschen Medien endlich als Rassist wahrgenommen wird?

Missliebige Missbrauchs-Doku, Mächtige InfluencerInnen, Filter-Omen

1. Arte nimmt Missbrauchs-Doku aus dem Programm
(sueddeutsche.de, Benjamin Emonts)
Der Fernsehsender Arte musste eine vielbeachtete Dokumentation über Missbrauch in der katholischen Kirche (“Gottes missbrauchte Dienerinnen”) aus der Mediathek nehmen. Der Grund: Eine Person habe sich nach Angaben des Senders in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt gefühlt und eine einstweilige Verfügung erwirkt. Arte hält die Entscheidung für falsch und prüft die rechtlichen Möglichkeiten.
Weiterer Lesetipp: Matthias Drobinski hat den Film über sexuelle Gewalt gegen Nonnen für Süddeutsche.de rezensiert. Der Film habe Schwächen, doch die Stärke des Films überwiege: “Das Schweigen ist gebrochen.”

2. Neue gegen alte Mediengeneration
(taz.de, Anne Fromm)
Der Komikerin Enissa Amani passte eine Kritik bei “Spiegel Online” nicht, und so keilte sie auf ihren Social-Media-Kanälen heftig gegen die Verfasserin aus. Der öffentlich ausgetragene Streit zeigt auch die neuen Machtverhältnisse. Heutzutage haben InfluencerInnen dank hunderttausender treuer Fans viele Möglichkeiten, sich zu wehren. Amani konstruierte gar einen Kampf gegen die “Mächtigen”, zu denen sie “Spiegel Online” und “Bild” zählt. “taz”-Redakteurin Anne Fromm kommentiert: “Da tönt eine Form der Elitenkritik, die man sonst eher aus der rechten Ecke kennt. Allerdings sind “die da oben” und “wir hier unten” eben nicht mehr so leicht voneinander zu trennen, wenn man, wie Amani, bei Instagram über eine halbe Million Menschen erreicht.”
Siehe dazu auch: Am längeren Hebel (sueddeutsche.de, Quentin Lichtblau).

3. Ende einer Trolljagd – Compact-Magazin scheitert am BGH mit Nichtzulassungsbeschwerde
(kanzleikompa.de, Markus Kompa)
Für Rechtsanwalt Markus Kompa und seinen Mandanten Richard Gutjahr war 2017 ein aufreibendes Jahr: Journalist Gutjahr war ins Visier einiger besonders bösartiger und hartnäckiger Verschwörungstheoretiker geraten, mit ziemlich unangenehmen Folgen für sich und seine Familie. Nun gelang ein wichtiger juristischer Sieg gegen den Verlag des rechtsdrehenden und verschwörerischen “Compact”-Magazins, der von Kompa und Gutjahr in zwei Instanzen erfolgreich verklagt worden war. Weil das OLG Köln hiergegen keine Revision zuließ, habe der Verlag Beschwerde beim Bundesgerichtshof erhoben. Diese sei vergangene Woche vom 6. Zivilsenat des BGH als unbegründet abgewiesen worden. Ein teurer Spaß für das “Compact”-Magazin, so Kompa: “Dieser Rechtsstreit kostet die Gegenseite damit rund 25.000,- €.”

4. Netzwelt-Newsletter: Nach den Anschlägen
(spiegel.de, Sonja Peteranderl)
Nach den Terroranschlägen in Sri Lanka mit mehr als 300 Toten verhängte die Regierung eine Netzsperre und blockierte unter anderem Facebook, WhatsApp, Instagram und YouTube. Der Grund: Man wolle die Verbreitung von Hass und Falschnachrichten eindämmen. Die Blockade wurde im Netz von vielen Menschen positiv aufgenommen und gelobt. Sonja Peteranderl kommentiert: “Dass die Blockade so viel Zustimmung erhält, entspringt dem Gefühl der Ohnmacht, das sich nach globalen Hasskampagnen und live ins Netz übertragenen Anschlägen wie in Christchurch verbreitet hat. Es gibt aber keine einfache Lösung gegen Gewalt. Statt Netzwerke abzuschalten, müssen sie zu einer stärkeren Moderation des Hasses gezwungen werden. Und das bedeutet eben viel Aufwand, Arbeit und Frust, für Konzerne, Regierungen und die Zivilgesellschaft.”

5. Die Geschichten hinter der Forschung erzählen
(deutschlandfunk.de, Annika Schneider, Audio: 5:10 Minuten)
Beim “Deutschlandfunk” geht es um das Wissenschaftsmagazin “Science Notes”, das vor einem Jahr mit einer Startauflage von 5.000 Stück auf den Markt kam. Die Klaus-Tschira-Stiftung fördere das Magazin für mindestens zwei weitere Ausgaben. Annika Schneider ist äußerst angetan von Inhalten und Aufmachung: “‘Science Notes’ ist ein Designheft, das nicht nur zum Schmökern auf dem Sofa einlädt, sondern sich auch auf dem Couchtisch gut macht. Das dicke Papier zieren stilvolle Grafiken und außergewöhnliche Schriftarten. So will die Redaktion eine Brücke aus dem wissenschaftlichen Elfenbeinturm mitten in die Gesellschaft schlagen.”

6. Omen für EU-Urheberrechtsreform: Uploadfilter sperren Mueller-Bericht
(heise.de, Martin Holland)
Uploadfilter des Webportals Scribd, einer Art YouTube für Dokumente, sperrten den gemeinfreien Abschlussbericht des US-Sonderermittlers Mueller. Kritiker sehen dies als weiteren Beweis für die Fehleranfälligkeit von Uploadfiltern, die nach der EU-Urheberrechtsreform bald notwendig sein dürften.

Wütende Komikerin, “Society-Expertin”, Dagobert und “Bild”

1. Die Angst vor Echokammern ist übertrieben. Ein Rückblick auf den Wahlkampf 2017 im Netz
(netzpolitik.org, Wolf J. Schünemann & Stefan Steiger & Fritz Kliche)
Forscher der Universität Hildesheim haben den Online-Wahlkampf 2017 unter die Lupe genommen und die Echokammer-Hypothese überprüft. Dazu haben sie 2,9 Millionen Facebook-Posts analysiert. Ihr Resümee: Im Gegensatz zu den USA sei das Echokammer-Phänomen hierzulande nur gering bis gar nicht ausgebildet. Auch für die kommenden Europawahlen sei nichts anderes zu erwarten. Da sich die Medienberichterstattung und Parteienkommunikation in EU-Wahlkämpfen in nationalen Bahnen bewege, gäbe es jedoch ein anderes Problem: den “strukturellen Nationalismus”.
Weiterer Lesetipp: Wie die EU gegen Falschnachrichten kämpft (deutschlandfunkkultur.de, Nico Schmidt & Michael Kreil).

2. Sibylle Weischenberg: Mit der Glaskugel im Kopf der Stars
(dwdl.de, Hans Hoff)
Im ARD-Magazin “Brisant” erscheint regelmäßig eine “Society-Expertin” namens Sibylle Weischenberg, die augenscheinlich Zugang zu den Stars dieser Welt und deren privaten Geschichten hat. Hans Hoff kommentiert auf die ihm eigene ironische Weise: “Nun gibt es böse Zungen, die Sibylle Weischenberg unterstellen, sie könne all das, was sie da von sich gebe, gar nicht wissen, weil die jeweiligen Stars nicht mit ihr geredet hätten, dass sie vielmehr immer dann zum Einsatz komme, wenn “Brisant” der direkte Zugang zu den Prominenten versperrt bleibe und die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich presserechtlich gegen breitgetretenen Quark zur Wehr setzen, eher gering ausfällt. Die verkennen natürlich, dass Sibylle Weischenberg nicht mit jemandem reden muss, um zu wissen, was sie weiß. Sie weiß das einfach, und als Top-Journalistin, die sie natürlich ist, hält sie ihre bisweilen auch telepathisch angezapften Quellen natürlich geheim.”

3. Hauptsache: Gendern
(jetzt.de)
Das Onlinemagazin “Jetzt” widmet sich in einem Themenschwerpunkt der geschlechtergerechten Sprache. Welche Formen der gendersensiblen Sprache gibt es?, Warum ist geschlechtergerechte Sprache so verhasst? und Was müssen sich Studierende von Gender Studies so alles anhören? (Spoiler: “Keine echte Wissenschaft, alle lesbisch und ideologisch versaut.”)

4. Journalistin macht sich über Enissa Amani lustig – deren Fans starten eine Insta-Hetzjagd
(watson.de, Philip Buchen)
Trash-TV-Edelfeder Anja Rützel hat über die Verleihung der About-You-Awards geschrieben und dabei nicht mit Spott und Kritik an den Veranstaltern und auftretenden Influencern gespart. Der von ihr ebenfalls erwähnten “Comedienne” und “Standup-Künstlerin” Enissa Amani gefiel das gar nicht, und so ließ diese ihrem Ärger auf Instagram freien Lauf. Mit unangenehmen Folgen für Rützel, denn einige von Amanis Followern (Gesamtzahl: 500.000) fluteten Rützels Profil mit Beleidigungen. Dies war jedoch nur der Beginn der Eskalation: Die gekränkte Komikerin, die nicht Komikerin genannt werden will, legte weiter nach und beschimpft ihre Kritikerin unter anderem (unzutreffend) als Nazi-Steigbügelhalterin.

5. Ein Waldspaziergang zum Lesen
(deutschlandfunk.de, Sebastian Wellendorf)
Promigestützte Celebrity-Titel scheinen die neue kaufmännische Hoffnung des Verlags Gruner + Jahr zu sein: Ob Barbara Schönebergers “Barbara”, Joko Winterscheidts “JWD”, Guido Maria Kretschmers “Guido” oder Eckhard von Hirschhausens “Stern Gesund leben”. Nun legt der Verlag ein weiteres Promi-Magazin auf. Diesmal “Wohllebens Welt”, benannt nach dem Bestseller Autor Peter Wohlleben (unter anderem “Das geheime Leben der Bäume”). Sebastian Wellendorf fasst den Inhalt wie folgt zusammen: “Wohllebens Welt ist in seiner Heile-Welt- beziehungsweise Heile-Naturdarstellung eine Art flauschige Kuscheldecke für den gehfaulen Outdoorfan. Bilder und Texte von den Problemen der Natur, Monokulturen, Überdüngung, Artenschwund sucht man hier vergeblich.”

6. “Ich bin ja wie ein Zombie durch die Gegend gelaufen”
(spiegel.de, Martin Pfaffenzeller)
“Spiegel Online” hat sich mit Arno Funke zum Interview getroffen, der vor 25 Jahren als Bomben und Brandsätze legender Kaufhaus-Erpresser “Dagobert” Berühmtheit erlangte. Vor allem Funkes technischen Basteleien, die gescheiterten Geldübergaben und sein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei hatten damals für viel mediale Aufmerksamkeit gesorgt. Schließlich wurde Funke geschnappt und wegen schwerer räuberischer Erpressung zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt. Als er nach sechs Jahren wegen guter Führung vorzeitig entlassen wurde, habe vor der Anstalt eine “Bild”-Reporterin auf ihn gelauert, so Funke: “Am nächsten Tag erschien ein großes Foto und die Überschrift: “Designerkleidung, Markenfahrrad und teure Markenschuhe — woher hat er das Geld?” Dabei hatte ich das Rad für 50 Mark vom Schrotthändler und die Schuhe aus dem Quelle-Katalog, die Jacke von C&A.”

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