Suchergebnisse für ‘redaktioneller Inhalt’

Neues armes Deutschland, Sein Name: Yannic Hendricks, Netflix-Codes

1. So kann es nicht weitergehen
(spiegel.de, Sascha Lobo)
“Spiegel Online”-Kolumnist Sascha Lobo macht es wütend, auf welche Weise viele Medien über Themen wie Brexit, Donald Trump oder die AfD berichteten: “Der Aufstieg der autoritären Kräfte weltweit wäre ohne Medien nicht möglich gewesen, und zwar sowohl sozialer wie redaktioneller Medien. Die Verantwortung für eine weitere Stärkung der Rechten, Rechtsextremen, Autoritären liegt zum guten Teil bei ebendiesen Medien.” Diese tappten in immer die gleichen Fallen: False Balance, Agenda Cutting und strukturelle Verharmlosung.

2. Armes Deutschland
(taz.de, Anne Fromm)
Um die linke Tageszeitung “neues deutschland” steht es bereits seit vielen Jahren schlecht, doch jetzt scheint die Lage ernst wie nie zuvor. Anne Fromm nimmt sich in der “taz” Raum und Zeit, um etwas von der Geschichte und der komplizierte Struktur des “nd” zu erzählen und die aktuellen Schwierigkeiten zu erklären.

3. BuzzFeed News darf den Namen von Abtreibungsgegner Yannic Hendricks weiterhin nennen
(buzzfeed.com, Juliane Loeffler)
Das Landgericht Düsseldorf hat eine Klage des Abtreibungsgegners Yannic Hendricks gegen “BuzzFeed News Deutschland” zurückgewiesen. Das Internetportal hatte den Namen des Mannes genannt, der viele Ärztinnen und Ärzte angezeigt hat, die auf ihrer Website angeben, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Hendricks wollte anonym bleiben und ging mit einer Unterlassungserklärung gegen die Namensnennung vor. Nun wurde der Antrag abgelehnt. “BuzzFeed News” hat die gesamte Urteilsbegründung in den Beitrag eingebettet. Ob es zu einem Berufungsverfahren kommt, sei derzeit noch offen.

4. Facebook investiert 300 Millionen Dollar in Journalismus
(heise.de, Andreas Wilkens)
300 Millionen US-Dollar will Facebook in den kommenden drei Jahren in Nachrichtenprogramme, Partnerschaften und Inhalte investieren, “mit einem großen Schwerpunkt auf Lokalnachrichten”. Dazu werde man mit Nachrichtenorganisationen zusammenarbeiten und diese mit Produkt- und Technikteams vernetzen, um bereits in einer frühen Phase der Produktentwicklung “den Bedürfnissen der Menschen auf Facebook besser gerecht zu werden”. Schließlich wolle man Verleger “nicht von uns abhängig machen, sondern unterstützen”.

5. Islamismus-Experte auf Abwegen
(faktenfinder.tagesschau.de, Volker Siefert)
Hat der Frankfurter Journalist Shams Ul-Haq, wie von ihm behauptet, undercover in mehr als 100 Moscheen die Radikalisierung von Muslimen aufgedeckt? Der ARD-“Faktenfinder” ist skeptisch und verweist auf die Widersprüche, in die sich Shams Ul-Haq verstrickt habe.

6. Ich will doch nur einen Film sehen!
(faz.net, Julia Bähr)
Die “FAZ”-Redakteurin Julia Bähr spricht vielen Netflix-Zuschauern aus dem Herzen, wenn sie die Nutzerführung des Streamingportals als “katastrophal” bezeichnet. Doch sie hat ein Gegenmittel parat: Die im Internet kursierenden Listen, mit deren Hilfe man das System überlisten kann.

Das wird man ja wohl noch zeigen dürfen!

Die “Bild”-Medien trommeln heute mal wieder kräftig in eigener Sache.

“Das bringt nur BILD”, so lautet der Slogan der großen PR-Kampagne, deren ganzer Wahnsinn sich schon an diesem Video erahnen lässt:

Die Kampagne findet, wie der Axel-Springer-Verlag verkündet:

auf allen analogen und digitalen Kanälen statt. Sie beinhaltet Print- und Online-Motive, Out-of-Home-Plakate und -Kurzvideos, einen Kino- und TV-Spot sowie verschiedene Funk-Spots.

Und auf redaktioneller Ebene das hier:

Eine (nicht ganz neue) Aktion, mit der das Blatt heute viel Aufmerksamkeit erregt hat. „Bild“ schreibt:

Wir wollen damit zeigen, wie wichtig Fotos im Journalismus sind. Und dass es sich lohnt, jeden Tag um das beste Foto zu kämpfen!

Denn Fotos können beweisen, was Mächtige verstecken wollen. Sie wecken Emotionen in uns. Sie zeigen schöne Momente, aber auch grausame. Sie lassen uns mit anderen Menschen mitfühlen. (…)

Darum steht BILD immer wieder für die Veröffentlichung umstrittener Fotos ein – oft gegen harte Widerstände. Die Welt muss die Wahrheit sehen, um sich zu verändern.

So etwas sagen die Menschen von „Bild“ gern, wenn es um die „Veröffentlichung umstrittener Fotos“ geht. Man müsse die Wahrheit „ungeschönt“ zeigen, man müsse die Geschichten und Gesichter der Opfer (und Täter) abbilden, um „die Tragik“ eines Ereignisses „fassbar“ zu machen.

In den meisten Fällen geht es dann aber nicht um solche Fotos, die „Bild“ in dem Artikel als Beispiele anführt — das des Mädchens, das im Vietnamkrieg vor einer Napalm-Wolke flieht und das des ertrunkenen Flüchtlingsjungen am Strand von Bodrum, bei denen es tatsächlich nachvollziehbare Gründe für eine Veröffentlichung gibt –, sondern um Fotos, die nicht als Symbolbilder um die Welt gegangen sind. Fotos, auf denen Menschen hilflos sind oder trauern oder sterben, Fotos von Menschen, die Schlimmes getan haben oder die nur zufällig Teil eines tragischen Geschehens wurden, über das die „Bild“-Zeitung unbedingt unverpixelt berichten muss.

Solche Fotos:

Oder solche:

Oder solche:

So sieht der Umgang mit „umstrittenen Fotos“ bei der „Bild“-Zeitung tagtäglich aus: „Mutig“ und „ungeschönt“, trotz all der „harten Widerstände“ durch den politisch korrekten Verpixelungswahn dieser Gutjournalisten. Alles im Sinne der „Wahrheit“. Und letztlich im Sinne der „Schwachen“, wie „Bild“-Online-Chef Julian Reichelt erklärt:

Diese BILD-Ausgabe ohne Fotos ist eine Verneigung vor der Kraft der Fotos. Ohne Fotos wäre die Welt noch ignoranter, wären die Schwachen verloren, unsichtbar. Ohne Fotos blieben viele Verbrechen nicht nur ungesühnt – sie würden nicht einmal erinnert. Fotos sind der Aufschrei der Welt.

Und wer meint, die „Bild“-Zeitung mache die Opfer eines Unglücks oder Verbrechens zum zweiten Mal zu Opfern, wenn sie irgendwo private Fotos von ihnen auftreibt oder Fotos, auf denen sie blutüberströmt auf der Straße liegen, und diese dann groß und unverpixelt und ohne Erlaubnis abdruckt, der irrt natürlich gewaltig:

Immer wieder – auch jetzt – hören wir die Forderung, Fotos gar nicht oder nur verpixelt zu zeigen, weil sie menschliches Leid zu drastisch dokumentieren, weil sie Menschen „ihre Würde nehmen“ würden.

Dieses Argument übersieht immer wieder den wichtigsten Punkt: Nicht das Foto stellt die würdelose Situation her, sondern der Krieg oder die Ignoranz der Politik oder unsere Feigheit davor einzuschreiten. Das Foto dokumentiert bloß die Welt. Die Welt ist nicht verpixelt. Wir haben kein Recht darauf, es uns leicht zu machen, wenn Unrecht geschieht. Wir müssen uns zwingen hinzusehen. Der Schmerz, den wir beim Anblick von Leid empfinden, hat nicht das leiseste Recht, sich gleichzumachen oder auch nur zu vergleichen mit dem Schmerz der Abgebildeten.

Der Gedanke, dass auch die Abgebildeten Rechte haben, das Recht am eigenen Bild zum Beispiel, und dass eine Verletzung dieser Rechte ebenfalls Schmerz auslösen kann, ist Julian Reichelt bei seiner Argumentation wohl nicht gekommen, aber er hat ja auch schon genug damit zu tun, sich ständig um die Angehörigen der Abgebildeten zu sorgen:

Das twitterte der Bild.de-Chef vor ein paar Wochen, kurz nachdem die Leiche eines entführten und ermordeten Mädchens entdeckt worden war.

Und weil Reichelt und sein Team den Angehörigen mit einer möglichst unverpixelten Berichterstattung ja im Grunde nur helfen, dokumentieren sie seither akribisch die grausamen Details des Verbrechens, zeigen die Fotos, auf denen das Mädchen in einem Leichensack weggetragen wird, veröffentlichten ihre Todesanzeige und mehrere Fotos von ihrer Beerdigung, fotografierten ihr Grab aus verschiedenen Perspektiven und präsentieren konsequent in jedem Artikel mindestens ein Bild von ihr ohne jede Unkenntlichmachung, „mutig“ und „ungeschönt“ eben, denn es geht ja um die Wahrheit und darum, das Leid „fassbar“ zu machen.

Fotos von Verbrechensopfern, von Leichen, von Menschen, die ums Überleben kämpfen, die von Geiselnehmern oder Vergewaltigern erniedrigt werden, all das zeigt die Zeitung, aber schließlich ist sie ja auch der Chor des Lebens!

So wie es in der griechischen Tragödie des Chors bedarf, der das, was der Zuschauer sieht, beweint, braucht das Leben, braucht das Land jemanden, der es beklagt und besingt.

BILD ist dieser Chor.

… trällert Alexander von Schönburg heute in seinem Beitrag zur „Bild“-Eigen-PR-Kampagne, in dem er vor allem den „einzigartigen Erfolg“ von “Bild” besingt.

BILD zielt nicht nur auf den Verstand, sondern tiefer. Aufs Herz.

Insofern hat BILD die Kernidee seines Gründers doch bewahrt. Er schuf eine Zeitung, die unmittelbarer mit dem Leser kommuniziert.

Ein Beispiel:

Jede Zeitung der Welt druckte das Foto von Willy Brandts historischem Kniefall 1970 in Warschau. Aber nur in BILD wurde beschrieben, wie ihm Tränen in die Augen schossen.

Gut, und in der “Süddeutschen Zeitung”.

Ein Alleinstellungsmerkmal gab’s damals aber dennoch: Nur der damalige Chefredakteur von „Bild“ polterte kurz nach dem Kniefall:


Aber das erwähnt Alexander von Schönburg in seiner „Bild“-Hymne natürlich genauso wenig wie die spätere Verwendung des Kniefall-Fotos durch “Bild” – und hebt stattdessen zum großen, schleimigen Finale an:

Durch ihre Zeilen gibt BILD den Fotos emotionale Kraft. Aber ohne diese Fotos ist BILD nicht mehr BILD.

BILD ist täglich erlebte Geschichte. Weil sie Geschichte fühlbar macht.

Und weil Mitfühlen so ziemlich das Menschlichste ist, dessen wir fähig sind, ist BILD eben in allererster Linie vor allem das – menschlich.

Aus der Veröffentlichung von Leichenfotos einen Beleg für die eigene “Menschlichkeit” zu basteln — stimmt: Das bringt tatsächlich nicht jeder.

Mit Dank an alle Hinweisgeber!

Siehe auch: Die Bild zeigt keine Fotos — wie schön! (Jonas Jansen auf medium.com)

shz.de  

Diät-Journalismus

Das da oben sind Natali, Birte, Sabine, Angela und Jennifer. Sie sind Leserinnen des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlages (sh:z), und sie testen für uns “fitmio”.

Das ist nett von ihnen, auch wenn es scheint, dass das Ergebnis schon vorab feststeht. Über dem Bericht der Tester heißt es nämlich:

fitmio ist das erste wissenschaftlich fundierte Online-Coaching-Programm, das alltagstauglich ist und nachhaltig wirkt — ohne Diät, stattdessen mit viel Genuss und leckeren Rezepten.

Das deckt sich zufällig mit dem Urteil, das auch “fitmio” über “fitmio” fällt:

Das erste intelligente Abnehm- und Fitness-Coaching im Internet. (…) auf Basis wissenschaftlicher Forschung und dennoch einfach und alltagstauglich. (…) ohne Diät, dafür aber mit leckeren Rezepten.

Die unabhängigen Berichterstatter vom sh:z jedenfalls sind sehr angetan von dem kostenpflichtigen Abnehmangebot. Im Aufruf schrieb die Redaktion:

FLENSBURG | Sie fühlen sich zurzeit nicht wohl mit Ihrem Körper? Sie wollen die Frühjahrsmüdigkeit abschütteln und wieder fitter werden? Dann testen Sie fitmio. Das moderne Online-Trainingsprogramm begleitet Sie zwölf Wochen lang mit täglichen Trainingsanweisungen, Rezepten für eine optimale Ernährung und sorgt mit ständiger Motivation fürs Durchhalten.

Und später hieß es in einem Artikel:

Das Online-Fitnessprogramm “fitmio” macht den Frühling sportlich und gesund. (…)

Der Frühling beginnt und der Winterspeck muss weg. Dabei hilft das Online-Fitnessprogramm “fitmio”. (…) “fitmio” beruht auf den drei Säulen des Erfolgs — Ernährung, Bewegung und Motivation. Das “fitmio”-Programm wurde bewusst nicht als Diät konzipiert — damit das Durchhalten über die zwölf Wochen im Alltag leichter fällt.

Und schließlich:

fitmio begleitet die Testerinnen mit hochwertigen Rezepten, Workout- und Motivationsvideos wie auch Tipps für die Umsetzung im Alltag und wöchentlichen Erfolgsmessungen.

Verfolgen Sie hier, was unsere Testpersonen auf Ihrem Weg erleben, oder starten Sie gleich selbst Ihr 12 Wochen fitmio-Programm.

Tjaha, oder starten Sie das doch gleich selbst! Damit tun Sie auch dem Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag etwas Gutes, denn der bekommt dann, was da nicht steht, aber shz.de-Chefredakteur Joachim Dreykluft uns auf Nachfrage bestätigt, eine Provision von “fitmio”.

Die Aktion mit den Leser-Testern sei aber “von der Redaktion initiierter Inhalt”, der “inhaltlich nicht beeinflusst wird”. Der Geschäftspartner zahle “weder für den Test noch für Erwähnung” — aber eben für jeden auf diesem Weg gewonnenen Kunden.

Bis zur Anfrage von BILDblog gab es keine Kennzeichnung, die darauf hinwies, dass der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag ein kommerzielles Interesse daran hat, Bekanntheit und Attraktivität der Marke des Diätprogramms zu steigern. Die entsprechenden Texte waren als redaktionelle Berichte präsentiert.

Inzwischen steht über der Themen-Seite das Wort “Anzeige”; auch die Ankündigungs-Artikel wurden nachträglich entsprechend markiert. Dreykluft erklärt das damit, dass man in diesem Geschäftsfeld (“Native Advertising”) noch viel experimentiere: “Wichtig ist uns dabei, transparent zu halten, was bezahlter Inhalt ist und was redaktioneller.” Die Anfrage von BILDblog sei Anlass gewesen, “im konkreten Fall nachzusteuern”.

hna.de  

Niveau ist keine Hautcreme (5)

Auf den ersten Blick ist es ein ganz normaler Artikel, der am vergangenen Donnerstag auf hna.de, dem Online-Auftritt der “Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen Zeitung” erschienen ist:Morgens ruckzuck fertig: Wecken Sie Ihr Zeitsparpotential!

Auch inhaltlich bleibt es größtenteils eher belangharmlos. So erfährt der Leser etwa, dass er morgens Zeit sparen könne, indem er “Kajal statt Eyeliner” benutzt (lässt sich schneller auftragen) oder “sich schon am Vorabend für ein Outfit entscheidet und es bereit legt”. Soso!

Interessant wird’s aber unter der Zwischenüberschrift “Multitalente im Multitasking”. Dort heißt es:

Wer statt Tagescreme, Sonnenschutz, Abdeckstift, Make-up & Co. eine sogenannte “BB Cream” wie zum Beispiel die neue NIVEA BB Cream 5-in-1 verwendet, spart damit morgens im Bad wertvolle Minuten! Die Trendhautpflege von NIVEA ist nämlich ein wahres Multitalent: Sie glättet das Hautbild, verfeinert die Poren, deckt kleine Schönheitsmakel ab, perfektioniert den Teint, versorgt die Haut lang anhaltend mit Feuchtigkeit und schützt sie gleichzeitig mit LSF 10 vor lichtbedingter, vorzeitiger Hautalterung. BB Cream ist die perfekte, wirkungsvolle Tagespflege mit Multitaskingfaktor!

Zur Erinnerung: Dieser Text steht als “Meldung” im redaktionellen Teil von hna.de – optisch aufgemacht wie jeder andere Artikel und ohne jegliche Werbekennzeichnung.

Oder besser: So stand er da. Vier Tage lang. Am Sonntag fragten wir dann bei der Redaktion der “HNA” nach, warum eine solche Werbebotschaft ohne Kennzeichnung im redaktionellen Teil veröffentlicht wird. Wenige Stunden später sah der Artikel plötzlich so aus:Anzeige: Morgens ruckzuck fertig: Wecken Sie Ihr Zeitsparpotential!

Farblich abgehoben und mit dem deutlichen Hinweis “Anzeige”.

Der Artikel hatte in den Tagen davor zeitweise sogar auf der Startseite gestanden — ohne besondere Kennzeichnung. Die Redakteure bei hna.de haben also offenbar bis zu unserer Nachfrage entweder tagelang nicht bemerkt, dass ein PR-Text im redaktionellen Teil steht, oder sie haben ihn absichtlich so dort platziert. Was schlimmer ist, dürfen Sie selbst entscheiden.

Nun könnte man natürlich sagen: Ups, kann ja mal passieren. Klar, könnte man — wenn es denn mal passiert wäre. Allerdings war das bei weitem nicht der erste Artikel auf hna.de, in dem massiv für Nivea geworben wurde. Denn die Marke taucht dort seit Monaten immer wieder im vermeintlich redaktionellen Teil auf. Und wie.

Los ging es am 6. August 2011 mit diesem “Interview mit Dr. Henrike Neuhoff, die seit 2009 das Labor NIVEA VISAGE der Produktentwicklung leitet”:

Neue Pflegeserie von Nivea - Was ist das Besondere an Pure & Natural?

Die Fragen klangen etwa so:

Welche Philosophie steht denn eigentlich hinter Pure & Natural?

Die Antworten so:

Bei NIVEA versuchen wir schon seit Jahrzehnten, nachhaltige Pflege auf so schonende und natürliche Weise wie möglich zu formulieren. So verwenden wir natürliche Pflanzenwirkstoffe in unseren Cremes und setzen bewusst Stoffe ein, die schon in der Natur oder in der Haut vorkommen, wie z.B. körpereigenes CoEnzym Q10. Mit Pure & Natural gehen wir noch einen Schritt weiter. Die Inhaltstoffe der Pure & Natural Serie sind zu 95% natürlich oder natürlichen Ursprungs. (…)

Kaum verwunderlich also, dass dieser Text (in einer minimal anderen Version) woanders unter der Rubrik “Anzeige” zu finden ist. Bei hna.de hingegen steht er im redaktionellen Teil.

Ebenso wie dieser, am 30. September 2011 erschienene Text:

Energie tanken in der Spätsommerzeit

Jetzt ist die ideale Jahreszeit, um die Haut zu regenerieren, bevor sie sich auf neuen Stress einstellen muss: den Wechsel zwischen klirrender Kälte und trockener Heizungsluft. Was die Haut nun also unbedingt benötigt, ist Energie. Die erhält sie durch Q10. (…)

Seine Premiere in der Hautpflege feierte der Inhaltsstoff Q10 1998, als NIVEA ihn erstmals für eine Pflegeserie einsetzte. Dem Original kann man vertrauen: Mit der Q10-Pflege von NIVEA lässt sich der natürliche Verlust von Q10 nachweislich effektiv ausgleichen. Die Haut wirkt länger jung und strahlend. Auch den Körper verwöhnt die Q10-Pflege: Die Haut wird gestrafft und geschmeidiger.

Dazu ein passendes Gewinnspiel:

Gewinnspiel: Tageslicht und Energie tanken

Auch die Haut benötigt Energie. Die erhält sie durch den Energiespender Q10. (…)

Deshalb verlost die HNA Gesundheitsredaktion gemeinsam mit NIVEA zwei Tageslichtleuchten von Philipps und zwei Produktpakete der NIVEA Q10 Pflegeserie. (…)

Das NIVEA Q10-Programm umfasst eine komplette Pflege-Serie für Gesicht und Körper. Bereits bestehende Fältchen werden gemildert, der Entstehung neuer Falten wird vorgebeugt. Denn das wertvolle Coenzym Q10 unterstützt den Zellstoffwechsel der Haut und regt dadurch den Zellschutz und die Zellregeneration an. Als Antioxidans neutralisiert Q10 zudem DNA-schädigende freie Radikale. Den Körper verwöhnt die Body Lotion Q10plus mit ihrem Geheimnis für eine spürbar straffere Haut.

Am 18. November 2011 folgte dieser Artikel:

Stets unterwegs und trotzdem immer gepflegt

Sie haben Berufe, von denen kleine Jungen träumen. Ihr Arbeitsalltag bringt Verantwortung und gleichzeitig Spaß mit sich. Piloten, Trucker, Djs (…). So unterschiedlich die Berufe sind, so verschieden sind die Männer, die sie ausüben. Dementsprechend muss auch die individuelle Hautpflege völlig unterschiedliche Ansprüche erfüllen. Und für jede Herausforderung gibt es das passende Pflegeprodukt.

Und jetzt raten Sie mal, von welcher Marke. Richtig.

Für Piloten:

Die revitalisierende Gesichtspflege Q10 von NIVEA FOR MEN füllt die Energie-Depots von müder und gestresster Haut schnell und lang anhaltend wieder auf. Die Haut fühlt sich rund um die Uhr entspannt an und strotzt vor Energie.

Für DJs:

Einen Frische-Kick bekommt das Gesicht mit dem NIVEA FOR MEN Cool Kick Arctic Freeze Feuchtigkeitsgel. Die leichte Gel- Pflege mit Freeze Cooling Agents und Guarana vitalisiert und erfrischt sofort und versorgt die Haut mit Feuchtigkeit.

Für Snowboard-Lehrer:

Zuverlässigen Schutz gegen die Einflüsse der Natur bietet die NIVEA FOR MEN Sensitive Gesichtspflege. Ihre extra milde Active Comfort System Pflegeformel mit natürlicher Kamille, Vitamin E und UVA & UVB-Filtern erhöht schrittweise die Widerstandsfähigkeit der Haut. Die Haut wird beruhigt, vor Irritationen geschützt und intensiv mit Feuchtigkeit versorgt.

Für Trucker:

Der NIVEA FOR MEN Double Action After Shave Balsam erfüllt dank seiner schnell einziehenden Formel mit dem hauteigenen Coenzym Q10 und Kamille gleich zwei Aufgaben auf einmal: Er beruhigt die gestresste Haut nach der Rasur und gibt ihr zusätzlich einen Energie- und Feuchtigkeitsschub – mit 24h Wirksamkeit. Ergebnis: Die Haut fühlt sich beruhigt und revitalisiert an.

Passend dazu am selben Tag dieses “Interview”:Interview: Männerhaut ist anders

“Experte Dr. Jens Schulz, Leiter der Produktentwicklung Nivea for men” sagt darin zum Beispiel:

Nivea hat die sich ändernden Bedürfnisse der Männer sofort erkannt und war mit seiner Sparte Nivea for men als Trendsetter von Anfang an mit dabei. (…)

Doch in Studien ergründeten die Beiersdorf-Hautforscher mit modernsten Messmethoden die geschlechts-typischen Merkmale (…)

Die richtigen Pflegeprodukte lösen die Probleme der strapazierten Haut schnell und zuverlässig. Nivea for men bietet mit den Sensitive Produkten eine Pflegeserie speziell für empfindliche Haut. Um die Widerstandsfähigkeit der Haut schrittweise zu erhöhen und ihre intensive Versorgung mit Feuchtigkeit zu gewährleisten, empfiehlt sich die Anwendung des Nivea for men Sensitive Hydro Gels mit natürlicher Kamille und Aloe Vera als tägliche Gesichtspflege. Es zieht schnell ein, ohne fettige Rückstände zu hinterlassen. Während der Rasur pflegt dann das Nivea for men Sensitive Rasiergel mit Kamille und Vitamin E die sensible Haut optimal und beugt Hautirritationen vor. (…)

Grundsätzlich ist Hautpflege auch bei Männern Typsache. Allgemein legen sie Wert auf pflegende Texturen, die sich gut verteilen lassen, wenig fetten und besonders schnell einziehen. Außerdem sollen sie einen männlichen Duft haben. Dieser Wunsch wurde in allen Pflegeprodukten von Nivea for men realisiert.

Am 1. Dezember dann mal wieder ein Gewinnspiel:

Gewinnen und Pflegen: NIVEA-Kulturtasche für Ihn

Besonders Männer mit Berufen, die die Haut stark beanspruchen, etwa Piloten, DJs oder Trucker, brauchen eine besondere Pflege. Deshalb verlost die Gesundheit&Pflege-Redaktion der HNA gemeinsam mit NIVEA zehn Jogi Löw-Kulturtaschen samt Inhalt.

Die Weihnachtsgeschenkpackungen sind gefüllt mit den speziell für die Männerhaut entwickelten Pflegeprodukten von NIVEA FOR MEN. Im Mild Set sorgen das After Shave Mild, das Rasiergel Mild und die Dusche Muscle Relax für ein rundum gepflegtes Erscheinungsbild und ein angenehmes Hautgefühl.

Ein paar Monate später, am 12. April 2012, erschien dieser Text samt Illustrationen:

Gesichtsgymnastik: Anti-Ageing ohne Creme

Die NIVEA Haut-Expertin Nora Mohra hat sieben Übungen für einen schönen Hals, eine straffe Gesichts- und Augenpartie und klare Lippenkonturen zusammengestellt. (…)

Für alle, denen ihre bisherige Anti-Age-Pflege zu reichhaltig war, hat NIVEA die Q10 plus Anti-Falten Porenverfeinernde Pflege speziell für die Bedürfnisse von Frauen ab 30 mit Mischhaut entwickelt. Die innovative Formel mit Q10, Kreatin und einem Algenextrakt vereint die bekannte Anti-Falten-Wirkung aller NIVEA Q10 plus Produkte in einer leichten Gel-Creme, die intensiv Feuchtigkeit spendet ohne zu fetten.

Der gleiche Text ist im Internet auch an anderer Stelle zu finden, dort heißt es: “Text & Illustration: Beiersdorf” – bei hna.de gibt es keinen solchen Hinweis.

Ähnlich verhält es sich mit folgendem Text, der am 21. Juni 2012 erschien:

Eine gute Nacht zum Tag des Schlafes

NIVEA erklärt zum Tag des Schlafs, warum gut schlafen für die Haut so wichtig ist und wie man sie bei der Regeneration optimal unterstützt. (…)

Wie man der Haut helfen kann, sich in der Nacht optimal zu regenerieren, das weiß Sepideh Reshad, Leiterin Produktentwicklung Face Care bei Beiersdorf.

Auf einer anderen Internetseite trägt der Artikel (dort zusätzlich mit den Fragen “Was ist das Besondere an der NIVEA Visage Pure & Natural Regenerierenden Nachtpflege?” und “Wie bereite ich meine Haut auf das nächtliche Beautyprogramm vor?”) den Hinweis “Text: Beiersdorf”. Bei hna.de nicht.

Am 26. September 2012 ein weiteres “Interview”:

Reden ist Silber, Berührungen sind Gold

NIVEA hat in einem Experteninterview mit der Diplom-Psychologin Iris Nowacki die Bedeutung von Berührungen in der Schwangerschaft, in der Erziehung und der Familie genauer beleuchtet.

Zwei Tage später nochmal ein Gewinnspiel:

Gewinnen und gut ausschauen: Nach dem Feiern muss Mann sich pflegen

Das Oktoberfest ist in vollem Gange. Dass Mann ordentlich feiern kann und am nächsten Tag trotzdem wieder fit ist, dafür sorgt die Q10-Pflege-Serie von Nivea for Men. Deshalb verlost die HNA gemeinsam mit Nivea for Men zehn Pflegesets, die müde Männerhaut nach langen Nächten fit machen.

Und am 17. Oktober 2012 wieder ein “Interview”:

Es muss rasiert werden: "Ohne-Bart-Tag" am 18. Oktober

Männer, es muss rasiert werden! Zum “Ohne-Bart-Tag” verrät Dr. Jens Schulz, Produktentwickler bei NIVEA FOR MEN, die besten Tipps für eine perfekte Rasur.

Auch dieser Text taucht auf anderen Plattformen auf, dort heißt es dann: “Quelle: NIVEA FOR MEN” oder “Text: Beiersdorf/NIVEA”. Bei hna.de fehlt ein solcher Hinweis.

Nur mal zum Vergleich: Die Ankündigung einer Informationsveranstaltung zum Thema “Hüfterkrankungen” ist ganz klar als “Anzeige gekennzeichnet:

Anzeige: Informationsveranstaltung zu Hüftgelenkprothese

Vielleicht liegt es an den besonders cleveren Marketingleuten des Beiersdorf-Konzerns, vielleicht werden die Journalisten beim Gedanken an die blaue Dose wehmütig an ihre Kindheit erinnert und veröffentlichen deshalb alles, was von Nivea reinkommt. Wir wissen es nicht, aber es ist bemerkenswert, wie großzügig einige Medien über die gebotene Trennung zwischen Redaktion und Werbung hinwegsehen, wenn es um Nivea geht (BILDblog berichtete schon mehrfach).

Alle oben aufgeführten Artikel sind im redaktionellen Teil von hna.de erschienen, optisch aufgemacht wie jeder andere redaktionelle Beitrag. Lediglich am Ende einiger Texte steht das Kürzel “nh” — das steht in der Regel für “nicht honoriert” und wird sonst eigentlich bei Fotos verwendet.

Wir haben den “HNA”-Chefredakteur Horst Seidenfaden gefragt, welche dieser Texte von Nivea bzw. der Firma Beiersdorf selbst produziert und wie stark sie redaktionell bearbeitet wurden. Wir haben auch gefragt, ob es mit den journalistischen Grundsätzen der “HNA” vereinbar ist, solche Werbetexte ohne Kennzeichnung (oder wenn, dann lediglich mit dem unüblichen und kaum bekannten Kürzel “nh”) im redaktionellen Teil zu veröffentlichen und ob Nivea die einzige Marke ist, von der regelmäßig solche PR-Texte übernommen werden.

Er wollte uns keine dieser Fragen beantworten.

Mit Dank auch an Jens-Uwe H.

Nachtrag, 17.32 Uhr: Über den Artikeln sowie in den Unterbereichen der Rubrik “Magazin” steht seit gerade ein “redaktioneller Hinweis”:

Dieses Sonderthema im Magazin-Bereich wird von der Redaktion des HNA RD Media Pools betreut. Hier lesen Sie neben eigenen Texten der RD-Media-Redakteure auch Agentur- und Public Relations (PR)-Texte. Die Magazin-Artikel haben nichts mit den redaktionellen Beiträgen der Nachrichtenredaktionen zu tun.

Mutti, ich bin im Buch!

Vermutlich sind letztlich Bastian Sick und die Süddeutsche Verlagsgesellschaft schuld. Schließlich war es vor einigen Jahren die Idee des SZ-Verlags gewesen, das Verlagsbudget mit der 100-teiligen “Süddeutsche Zeitung Bibliothek” aufzustocken. Und schließlich war es Bastian Sick gewesen, der Autor der oberlehrerhaften “Spiegel Online”-Kolumne zu sprachlichen und grammatikalischen Schludrigkeiten, der die Sammlung, Ordnung und Kommentierung von Leserzuschriften zur Marktreife geführt hatte. Man muss dem Respekt zollen: Den Lesern ihre eigenen Einsendungen kostenpflichtig anzudrehen, das muss man ja auch erst einmal schaffen.

Aber wie dem auch sein mag, die Verknüpfung und Perfektion beider Ideen darf sich “Spiegel Online” auf die Fahnen schreiben.

Wer nämlich beispielsweise in dieser Woche den Beitrag “Schräge Schilder – Vorsicht, Laternenmast von achtern” auf “Spiegel Online” las, der bekam als Dienstleistung am Leser sogleich eine freundliche Serviceleistung des Spiegel Verlages mitgeliefert — in Form eines kleinen Kastens, der nicht nur auf das Buch “Schräge Schilder” in der Edition “Spiegel Online” verweist, sondern auch einen ganz besonders freundlichen Link direkt zum Spiegel-Shop beinhaltete:

Spiegel-Online-Buchtipp: Schräge Schilder

Weil man aber so einen kleinen Kasten schnell mal übersieht, waren die Damen und Herren bei “Spiegel Online” so nett und haben auch in der Bildergalerie zum zugehörigen Text einen dezenten Hinweis auf das bestimmt sehr lustige Buch versteckt:

Mehr als 150 der schrägsten aller Schilder — Im Spiegel Shop und im Handel erhältlich

Dieses Prinzip ist bei “Spiegel Online” weder ein Einzelfall noch neu. Im Spiegel-Shop finden sich insgesamt immerhin 18 Titel, die Inhalte von “Spiegel Online” in Buchform zusammenfassen und die entsprechend bequem direkt auf der Plattform selbst beworben werden können – und da sind drei “Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod”-Spiele sowie die zehn Hörbücher mit “Spiegel Online”-Inhalten noch nicht einmal eingerechnet.

Bereits im April wurde beispielsweise auf ähnliche Weise das ebenfalls “bequem im Spiegel-Shop” zu bestellende Buch “Sorry, wir haben die Landebahn verfehlt” angepriesen. Ein Buch, das nach Angaben von “Spiegel Online” “die lustigsten Flugzeug-Erlebnisse von Spiegel Online-Lesern” versammelt.

Eine erkennbare Unterscheidung zwischen Werbung und redaktionellem Beitrag war auch damals nicht auszumachen. Auf der Startseite wurde das “Thema” selbst angekündigt, samt einer redaktioneller “Themenseite”, die überraschenderweise den selben Titel wie das Buch trug:

Kurioses aus dem Cockpit: "Ihr Ankunft-Gate ist auch Ihr Absturz-Gate". In der Luft sind Pilotenversprecher manchmal gar nicht lustig. Aber nach der Landung... - ein SPIEGEL-ONLINE-Buch über kuriose Cockpit-Ansagen provozierte Leser zur Dokumentation neuer Höhenflüge. Wie würde es Ihnen gehen, wenn Sie hören: "Liebe Fluggäste, gerade kam es zum Totalabsturz"?

Auf der Beitragsseite selbst war dann ein freundlicher Hinweis auf das Buch zu sehen, der direktemang zum Spiegel-Shop führte:

Die lustigsten Flugzeug-Erlebnisse von SPIEGEL-ONLINE-Lesern - jetzt auch als Buch und Hörbuch!

Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis im Spiegel-Shop auch die schlauesten Kommentare zu allen Themen der “Spiegel Online”-Foren zum Kauf angeboten werden werden. Aber keine Sorge, Sie werden davon erfahren — die kritischen Reporter von “Spiegel Online” werden mit Sicherheit eine Themenseite anlegen und ausführlich berichten. Wie das gute Journalisten eben tun.

Mit Dank auch an Kristian S.

Keine Zensur. Redigatur.

Die Werbewoche hat heute einen guten Tag mit mehreren lesenswerten Beiträgen: Christoph Keese äussert sich zur Zensurdebatte vom Mai, Markus Knöpfli zählt Gratisleser auf der Strasse und Oliver Fahrni erklärt die Medienökologie. Da verweisen wir doch gerne mal gesondert drauf.

– In einem langen Wocheninterview kommt Christoph Keese, Chefredakteur von Welt Online und Welt am Sonntag, nochmals auf das im Mai 2007 gelöschte Posting von Welt am Sonntag-Kommentarchef Alan Posener zurück. Er, der gemäss Werbewoche “als Artist zwischen Print und Online” tanzt, sagt nun dazu:

Ja, ich habe ihn vom Netz genommen, weil ich ihn für unveröffentlichbar hielt. Das aber ist keine Zensur, sondern Redigatur – ein normaler redaktioneller Vorgang. Wesensmerkmal des Bloggens ist, dass der Blogger niemanden fragt, bevor er sendet. Wir hatten – es gibt mittlerweilen ein Fachwort dafür – Brand-Blogs auf der Seite, also Blogs, die unter der Dachmarke Welt.de laufen. Solche Brandblogs müssen aber zur Marke passen. Den fraglichen Text hätte ich in der Zeitung nicht gedruckt – nicht, weil er Diekmann kritisierte, sondern weil er sprachlich und argumentativ nicht unserem Niveau entsprach. Deswegen konnte der Text auch nicht online erscheinen. Übrigens haben wir eine lebhafte, durchaus kritische Debatte über Diekmanns Buch in Zeitung und Internet geführt, aber eben in der Art und Weise, wie eine Qualitätszeitung das tun sollte.

Der Aufschrei damals war gross, aber dass Alan Posener Ende Oktober in drei Teilen einen neuen Versuch gewagt hat (oder dazu verknurrt wurde), Kai Diekmanns Werk auseinanderzunehmen, hat kaum jemand gemerkt (wahrscheinlich, weil niemand Welt Online liest – die können sogar ihr Design überarbeiten, ohne dass es jemand beachten würde…).

Read On…

“Bild” verbreitet “Bild”-Meldung falsch

Schon eigenartig: Da verbreiten gleich mehrere Nachrichtenagenturen unter Berufung auf “Bild” eine Falschmeldung — und in “Bild” selbst steht’s richtig?!

So geschehen heute Nacht:

Gegen 1.40 Uhr meldete Reuters:

Blatt — EU will im Kampf gegen Terror Internet-Suche überwachen

Gegen 2.50 Uhr meldete AFP:

Bild: EU will Internet-Suche überwachen

Und gegen 8.55 Uhr klapperte AP hinterher und meldete:

EU will laut Bericht Internetsuche überwachen

Alle drei Agenturen berufen sich auf “Informationen der ‘Bild-Zeitung'” — und berichten in teilweise fast identischen Formulierungen:

Wer mittels einer Suchmaschine nach “gefährlichen Wörtern” wie “Bombe”, “Völkermord” oder “Terrorismus” forsche, solle überwacht werden.
(Hier zitiert nach AFP.)

Die AFP-Meldung endet sogar mit den Worten: “Der Beitrag lag AFP vorab in redaktioneller Fassung vor.”

“Bild”-Vorabmeldungsente
 
EU will Internet-Suche überwachen
 
Hamburg. Im Kampf gegen den internationalen Terrorismus will die EU-Kommission künftig die Internet-Suche überwachen. Wer mittels einer Suchmaschine, z. B. mit Google, nach “gefährlichen Wörtern” wie “Bombe”, “Völkermord” oder “Terrorismus” forscht, soll überwacht werden. Das berichtet die BILD-Zeitung (Donnerstagausgabe) unter Bezug auf den deutschen EU-Abgeordneten Alexander Alvaro (FDP).

Der Abgeordnete kritisierte das Vorhaben. Er sagte der BILD-Zeitung: “Ein verrückter Plan, der die Einfallslosigkeit der Kommission offenbart. Wer im Internet nach solchen Begriffen sucht, ist noch lange kein Terrorist.”
(zitiert im Wortlaut)

Erstaunlich also, dass selbst der von “Bild” in der Vorabmeldung (siehe Kasten) zitierte EU-Abgeordnete der FDP, Alexander Alvaro, uns gegenüber betont, die Behauptung, die EU wolle Suchmaschinen(nutzer) überwachen, gehe “an dem sowieso schon recht hanebüchenen Vorschlag der EU-Kommission völlig vorbei.” Der EU-Kommissar Franco Frattini habe vorgeschlagen, Menschen an der Nutzung oder Suche gefährlicher Wörter zu hindern. Überwacht werden solle aber niemand.

Erstaunlich auch, dass in der heutigen “Bild”-Zeitung ohnehin etwas ganz anderes steht. Kein Wort davon, dass die EU Suchanfragen oder -abfrager überwachen wolle. Vielmehr heißt es dort (irreführend, aber nicht völlig falsch) in einer 14-zeiligen Meldung auf Seite 2:

"EU will Wörter-Abfrage im Internet kontrollieren"

Die EU-Kommission will (…) die Internet-Abfrage “gefährlicher Wörter” wie “Bombe”, “Völkermord” und “Terrorismus” kontrollieren. (…)

Doof für “Bild” ist die Sache trotzdem, weil sich die falsche Vorab-Version (“Wer … forscht, soll überwacht werden.”) inzwischen unter Bezugnahme auf “Bild” in vielen Medien wiederfindet.

Peinlich für die Agenturen (insbesondere Reuters) ist zudem: Die vermeintliche “Bild”-News ist gar keine. Dass der EU-Kommissar Frattini innerhalb der EU die Internetsuche nach Bombenbauanleitungen und den Zugang zu entsprechenden Seiten von den Internetprovidern blockieren lassen wolle*, hatte Reuters bereits vor zweieinhalb Wochen ausführlich gemeldet.

*) Inzwischen hat AFP auch mit Frattini gesprochen und zitiert ihn unter der Überschrift “Frattini dementiert Bericht zur EU-Überwachung von Internetsuche” mit den Worten: “Ich beabsichtige überhaupt nicht, mögliche Internetrecherchen der Bürgerinnen und Bürger einzuschränken.” Laut AFP erwäge er aber, Webseiten sperren zu lassen, die illegale Inhalte wie etwa Anleitungen für den Bau von Bomben enthielten — allerdings nur dann, wenn eine “konkrete Gefahr” bestehe: “Nur dann, wenn es um eindeutig terroristische Zwecke geht, kann die Technik helfen, die Nutzer dieser Webseiten zu identifizieren.”

“Bild”-Sprecher Tobias Fröhlich sagte uns auf Anfrage (und unter Verweis auf Frattinis Aussagen gegenüber AFP), man erkenne zwischen “Bild”-Vorabmeldung und “Bild”-Bericht “keine Diskrepanz”.

Nachtrag, 15.40 Uhr: Über die Verwirrungen rund um die vorab verbreitete “Falschmeldung” von “Bild” berichtet auch Zeit.de und resümiert: “Unfreiwillig hat die ‘Bild’-Zeitung für die Freiheit im Internet gekämpft.”

“Bild”-WM-Knaller explodiert mit Verspätung

Deutschland vor einem Jahr. Erinnern Sie sich? Wir waren schwarz-rot-geil, wegen der Hitze wollten alle einander nur noch duzen, und die “Bild”-Zeitung machte mit dem Angebot auf, für 99 Cent bei Lidl ein “köstliches Grafenwalder Premium-Pils”, “eine große Tüte knackige Erdnuß-Flips” und eine Deutschland-Fahne zu bekommen. “WM-Knaller” hieß es. Alle waren ganz besoffen vor Glück, und der Presserat erklärte Beschwerden über die Aktion, die Verbraucherschützer einen “besonders krassen Fall von unlauterer Werbung” nannten, kurzerhand für “offensichtlich unbegründet”.

Doch auch der geilste Sommer endet irgendwann, und ein hartnäckiger Beschwerdeführer legte beim Presserat Widerspruch gegen die Entscheidung ein. Er wies das Gremium auf diverse rechtsgültige Urteile in Sachen Schleichwerbung hin und erwähnte das Schleichwerbungsverbot im Gesetz. Eine relevante Täuschung liege bereits vor, wenn dem Leser eine entgeltliche Anzeige als redaktioneller Beitrag präsentiert werde, argumentierte er; Anzeigen müssten sich in Stil und Aufmachung von redaktionellen Beiträgen absetzen.

Das muss den Presserat irgendwie beeindruckt haben. Es wurde Herbst, und der Beschwerdeausschuss beschloss, die Sache zu behandeln. Es wurde Winter, und der Beschwerdeausschuss beschloss, die Sache doch lieber an das Plenum des Presserates abzugeben. Es wurde Frühling, und das Plenum des Presserates beschloss, die Beschwerde wieder an den Beschwerdeausschuss zurückzugeben.

Und nun ist es wieder Sommer, und der Beschwerdeausschuss hat sich zu einer Entscheidung durchgerungen. Sie ist einstimmig gefallen und lautet: “Bild” hat mit der Veröffentlichung gegen die Ziffern 6 und 7 des Pressekodex verstoßen.

Nach Meinung des Gremiums gerät im vorliegenden Fall das Ansehen der Presse (Ziffer 6 des Pressekodex) in Gefahr, wenn eine werbliche Veröffentlichung, die redaktionell gestaltet ist, den redaktionellen Aufmacher auf der Titelseite ersetzt. Der Leser erwartet dort weder einen Eigenmarketingbeitrag noch Werbung.

Dadurch, dass an einer Stelle, an der sonst redaktionell berichtet wird, ein Eigenmarketingbeitrag veröffentlicht wurde, wird zudem die in Ziffer 7 des Pressekodex geforderte klare Trennung von Werbung und Redaktion aufgehoben.

Eine klare Kennzeichnung als “Anzeige” habe gefehlt.

Noch im Jahr 2004, als “Bild” mit Lidl in ähnlicher redaktioneller Aufmachung wie den “WM-Knaller” auf Seite eins einen “Sommer-Knaller” anbot (“Doppelschlecken” / “Heute Eis für alle — Eins kaufen, eins geschenkt!”), hatte der Presserat anders entschieden. Damals urteilte das Gremium, es sei “klar erkennbar, dass es sich bei dem Beitrag nicht um eine redaktionelle Berichterstattung, sondern um reine Werbung handelt”.

Weil der Presserat jetzt von der “bisherigen Spruchpraxis” abwich, konnte er wegen der “WM-Knaller”-Schleichwerbung keine Rüge, sondern nur einen “Hinweis” aussprechen.

Die Pressestelle der Axel-Springer-AG hat die Öffentlichkeit im vergangenen Jahr in einer Pressemitteilung informiert, dass die Beschwerde gegen die “Bild”-Lidl-WM-Aktion als “offensichtlich unbegründet” zurückgewiesen worden sei. Die Information, dass der Presserat sein Urteil jetzt revidiert hat, scheint nicht ganz so dringlich zu sein.

Billiger geht’s nicht

So wie rechts sah gestern die Titelseite der “Bild”-Zeitung aus. In ihrem Aufmacherartikel warb sie für ein Angebot des einschlägig bekannten Discounters Lidl: Man solle in eine der “über 2600 Lidl-Filialen” gehen und einen Coupon aus der “Bild”-Zeitung an der Kasse abgeben, dann werde man für 99 Cent einen Six-Pack “köstliches Grafenwalder Premium-Pils”, “eine große Tüte knackige Erdnuß-Flips” und eine Deutschland-Fahne bekommen.

Die Tageszeitung “taz” stellte daraufhin eine naheliegende Frage: Muss man über eine solche Anzeige nicht “Anzeige” schreiben? Sie bekam unterschiedliche Antworten:

Volker Nickel, Geschäftsführer des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft, sagte, ja, das Wort “Anzeige” fehle.

Carel Mohn, Sprecher des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, sagte, Springer verstoße zur Gewinnmaximierung bewusst gegen das Gesetz — das sei ein “besonders krasser Fall von unlauterer Werbung”.

Tobias Fröhlich, Sprecher der “Bild”-Zeitung, sagte, hier werde gegen gar nichts verstoßen — das sei “eine Aktion der Zeitung für ihre Leser mit einem Partner und als solche klar erkennbar”.

Nur als was die Aktion klar erkennbar sei, als Werbung, als redaktioneller Beitrag oder als lustige Mischform, scheint der “Bild”-Sprecher der “taz” nicht gesagt zu haben.

Danke an Franz T. und viele andere!

Nachtrag, 27.7.2006: Der Presserat teilt die Einschätzung der Verbraucherzentralen und der Werbewirtschaft nicht. Wie man in einer Pressemitteilung der Axel Springer AG nachlesen kann, hat der Presserat “drei Beschwerden gegen BILD als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen”. In der uns vorliegenden Begründung heißt es, mit der der Lidl/”Bild”-Aktion werde der “Grundsatz der klaren Trennung von Werbung und Redaktion nicht verletzt”. Laut Presserat handelt es sich vielmehr um zulässiges “Eigenmarketing”.

Mit Dank an Tobias F. für den Hinweis.

Mit “Bild”-Schlagzeilen Versicherungen verkaufen

Und da die “Bild”-Zeitung auch heute wieder erhebliche redaktionelle Energie auf ihre zunehmend groteske Renten-Lügen-Kampagne verwendet, stellt sich wieder einmal und immer drängender die Frage: Warum machen die das? Um sich als Kämpfer für den kleinen Mann darzustellen und die Auflage zu steigern?

Nicht nur.

Alles spricht dafür, dass die “Bild”-Kampagne den Verkauf privater Rentenversicherungen ankurbeln soll. Besonders deutlich wird die Vermischung redaktioneller und werblicher Inhalte heute im Online-Angebot von “Bild”. Dort stehen im Artikel “Rente ist nicht sicher: Müssen wir uns wirklich so belügen lassen?”, der von der gedruckten “Bild”-Zeitung übernommen wurde, vier Kästen, die “Mehr zum Thema” versprechen (siehe Ausriss):

Der erste “Mehr zum Thema”-Kasten (“Fragen an Experten: Müssen wir uns wirklich so belügen lassen?”) führt tatsächlich zu weiteren redaktionellen Inhalten aus der “Bild” von heute: vier Zitate von Experten zum Thema.

Der zweite “Mehr zum Thema”-Kasten (“Egal ob Single oder Familie — das gibt’s vom Staat dazu”) führt tatsächlich zu einer entsprechenden Service-Tabelle — allerdings von der Allianz, die auch private Rentenversicherungen verkauft und ein “Partner” von Bild.T-Online ist. Es handelt sich dabei um eine Anzeige.

Der dritte “Mehr zum Thema”-Kasten (“Hier können Sie Ihre Riester-Rente berechnen”) führt unerwarteterweise direkt zum Internetangebot der Allianz. Dort heißt es: “Berechnen Sie mit dem RiesterRente Rechner Ihre ganz persönliche Allianz RiesterRente.” Das Unternehmen vermischt den landläufigen Namen für eine staatlich geförderte Form der freiwilligen Rentenversicherung (“Riester-Rente”) mit dem Namen für ein eigenes Angebot (“Allianz RiesterRente”). Diese “Allianz RiesterRente” hatte vor wenigen Monaten noch einen anderen Markennamen: Sie hieß “VolksRente” und war ein gemeinsames Angebot von Allianz und Bild.T-Online.

Der vierte “Mehr zum Thema”-Kasten schließlich trägt den Titel “Was Sie über Ihre Riester-Rente wissen müssen!” und ist der beste von allen. Wer auf ihn klickt, kommt zu einem Pop-Up mit 7 Fragen zum Thema. Alles deutet darauf hin, dass es sich hier um ein redaktionelles Angebot handelt: Das Pop-Up sieht aus wie die redaktionellen Pop-Ups bei Bild.de, es trägt das Logo von Bild.de, in der Titelzeile steht “Bild.T-Online.de”, es gibt kein Logo eines Versicherungsunternehmen und keinen Link zu irgendeiner Verkaufsseite. Was es allerdings gibt, sind Fragen und Antworten wie diese:

Erhalten auch Hausfrauen bzw. -männer die vollen Zulagen?

Ja, wenn der berufstätige Ehepartner eine Allianz Riester Rente hat, kann auch der — nicht berufstätige — Ehegatte einen eigenen Vertrag abschließen.

Oder diese:

Wie bekomme ich die Förderung?

Das ist für Sie ganz einfach: Es genügt eine Bevollmächtigung, alles weitere erledigt Ihr Fachmann von der Allianz oder der Dresdner Bank für Sie.

Und der Artikel, in den all das eingepasst ist, trägt — wie gesagt — die Überschrift: “Müssen wir uns wirklich so belügen lassen?”
 
Nachtrag, 14 Uhr: Bild.de hat die “Mehr zum Thema”-Kästen, die nicht auf redaktionelle Seiten, sondern auf diverse Werbeseiten verlinkten, aus dem “Bild”-Artikel entfernt. Stattdessen wurde ein neuer Kasten eingefügt, der auf eine (dem Bild.de-Layout allerdings recht ähnliche) Allianz-Anzeige verlinkt, und der Kasten selbst mit dem Wort “Anzeige” überschrieben (siehe Ausriss).

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