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Niveau ist keine Hautcreme

“Brigitte Woman”, das “Magazin für Frauen über 40”, widmet sich in seiner aktuellen Ausgabe einer ganz besonderen Farbe:

Ein Blau geht um die Welt. Die Welt ist bunt. Aber es gibt da ein blaues Kosmetikprodukt, das findet man in nahezu jedem Land der Erde — und an den merkwürdigsten Plätzen. Eine Geschichte in Bildern.

Ein “blaues Kosmetikprodukt”, also. Oder auch eine “bekannte Kosmetikmarke”, die mehr als 500 Produkte herstellt, “die alle den blau-weißen Markennamen tragen”.

Die Fotostrecke ist nicht als “Anzeige” oder “Sonderveröffentlichung” gekennzeichnet und trägt auch sonst keine Kennzeichnung, hinter der man einen Euphemismus für einen bezahlten Inhalt vermuten könnte. Sie wird vollständig als redaktioneller Inhalt präsentiert und auch im Inhaltsverzeichnis wie andere Beiträge angekündigt — als “Nivea-Blau: Eine Farbe reist um die Welt” auf Seite 40.

Auf acht Seiten zeigt die vermeintlich redaktionelle Fotostrecke zum Thema Blau Nivea-Werbungen und -Produkte aus aller Welt:

Drei der Fotos stammen direkt aus der Pressestelle des Kosmetikkonzerns Beiersdorf.

PS: Am Ende der Fotostrecke weist die Redaktion von “Brigitte Woman” darauf hin, dass die geneigte Leserin im Internet “noch mehr blaue Infos und viele Tipps zur Hautpflege” finden könne. Dieser “große Pflegecoach für schöne Haut” auf brigitte.de ist “powered by Nivea”, was man aber wohl auch nicht mit Werbung verwechseln darf, denn zwischen “Wellness-Tipps” und “entspannenden Bade-Ritualen” gibt es tatsächlich noch die eine oder andere Anzeige, die auch als solche gekennzeichnet ist:

Der große Pflegecoach für schöne Haut

Mit Dank an Birgit H.

Wenn alle Deichmänner brechen

Was sehen wir hier?

Werbung für Deichmann?

Nur fast. Es handelt sich das Making-Of der neuen Werbekampagne des Schuhhändlers, das aber wie redaktioneller Inhalt auf abendblatt.de steht, schön eingebunden in die Meldung, dass Cindy Crawford für Deichmann wirbt. (Falls Sie sich fragen, ob das überhaupt eine Nachricht ist: Anscheinend schon — und nicht zum ersten Mal.)

Eingeordnet wird das nicht unter “Werbung” und auch nicht unter “Berichterstattung über Werbung”. Sondern so:

Nachrichten: Aus aller Welt: Leute

So richtig angebracht ist das Making-Of-Video eigentlich nur an einem Ort: Im “trendblog” auf deichmann.com.

Mit Dank an die Hinweisgeberin.

Die Geschäftswelt ist nicht genug

Sie wussten das sicher schon, aber: “Alle werden fündig bei Saturn auf der Wilferdinger Höhe in Pforzheim.” So erklärt es die “Pforzheimer Zeitung” in einem Video auf ihrer Internetseite.

Die gleiche Sprecherin, die sonst für die Redaktion Bilder von Volksfesten kommentiert, preist diesmal die Vorteile des Elektronikmarkts an: Die Lage (“verkehrsgünstig”), die 150 Parkplätze (“für Kunden kostenlos”), die Preise (“dauerhaft tief”), das Angebot (“faszinierende Produktvielfalt in großer Auswahl”).

Dass es sich bei dem Beitrag eigentlich nicht um einen redaktionellen Inhalt handeln kann, wird spätestens klar, wenn die Sprecherin plötzlich in die erste Person wechselt:

Wir waren der erste Saturn-Markt in Baden-Württemberg, seit über zehn Jahren sind wir mit mehr als 60 Fachkräften für unsere Kunden da.

Aufmerksame Zuschauer hätten ahnen können, dass das Video “Saturn – die Kompetenz in Pforzheim” gar nicht als redaktioneller Inhalt gedacht war. Gut, es stand in der Rubrik “Aktuelles” zwischen Berichten über Tierheime und Fußgängerzonen, aber man konnte es doch sehen:

Aus der Geschäftswelt

Wir haben bei der “Pforzheimer Zeitung” nachgefragt, welchen Hintergrund die leicht unbeholfenen Werbefilmchen haben, die in der Rubrik “Aus der Geschäftswelt” zu sehen sind und mit bloßem Auge nur durch einen Schriftzug (und plumpeste Unternehmensanpreisung) von redaktionellen Inhalten zu unterscheiden sind.

Die Redaktion bezeichnete die Videos als “PR-Anzeigen in Bewegtbildern”, als “Imagefilme” für lokale Unternehmen, die auch selbst die Texte verfassen.

Allerdings, das räumte auch die “Pforzheimer Zeitung” überraschend deutlich ein, müsste das Video eigentlich als Anzeige deklariert werden. Auch sei es ein Fehler, dass das Werbevideo von Saturn (übrigens auch Kooperationspartner der “PZ” bei einer “Playstation-WM”) unter “Aktuelles” einsortiert worden sei — ein Fehler, der auch schon beim Werbevideo fürs Autohaus Gerstel (dessen Besucher “viel Lob” für den neuen Opel Meriva “übrig hatten”) unterlaufen war. Man werde das auf alle Fälle ändern.

Scheint aber eine zeitaufwendigere Sache zu sein.

Mit Dank an Marcel.

6 vor 9

1. “Graeter hinter Gittern”
(sz-magazin.sueddeutsche.de, Michael Graeter)
Klaschreporter Michael Graeter erzählt von seinen 239 Tagen im Knast: “Mein Kerkerkollege war ein Schwarzer, der stundenlang über die große Chance sprach, die Barack Obama für Amerika darstelle. Sonst war die einzige Kurzweil die Essensausgabe.”

2. “Wer ist Schuld an Rosamunde Pilcher?”
(taz.de, Jörg Thadeusz)
Ein Brief von Jörg Thadeusz: “Nein, ich habe keine Erklärung, warum 200.000 Menschen Mario Barth nicht nur im Fernsehen lieben, sondern auch noch im Olympiastadion zujubeln wollen. Ich weiß nicht, was bei denen schief läuft, aber ich kann es gewiss nicht ändern.”

3. “Sehr lustig, WDR”
(meedia.de, Alexander Becker)
Gestern, halb zehn Uhr morgens in Deutschland: Der WDR verschickt eine Pressemitteilung mit dem Vermerk “!!! Sperrfrist beachten!!!”. Gleichzeitig wird diese genau so auf wdr.de veröffentlicht. (“Unter Journalisten gelten die PR-Arbeiter der Öffentlich-Rechtlichen-Sender oft als ein wenig trottelig.”)

4. “PR Online”
(coffeeandtv.de, Lukas)
RP Online macht eine Bildergalerie mit Pressebildern eines Biers der Marke Bitburger und behauptet, das sei redaktioneller Inhalt. Bloggerin und stv. Chefredakteurin von RP Online, Franziska Bluhm, dazu: “[E]s handelt sich bei dem Text weder um Werbung, Promotion oder einen anderen als Anzeigen zu kennzeichnenden Inhalt. Ein Erlebnis im Supermarkt und das Erscheinen der Pressemitteilung haben unseren Redakteur veranlasst, eine Geschichte dazu zu schreiben.”

5. “Arabisches Ramadan-Fernsehen testet gesellschaftliche Schranken”
(nzz.ch, Usahma Felix Darrah)
“Zu Beginn dieses Ramadans waren viele Araber schockiert, als ein prominenter Kleriker in Saudiarabien erklärte, angesichts der ‘frevelhaften’ Sendungen mancher Satellitenkanäle sei es zulässig, die Eigentümer der TV-Netzwerke zu töten.”

6. “Verschlossene Verlagstüren”
(tagesspiegel.de, Christian Meier)
Das Zeitungsgeschäft erwartet keine neuen Mitarbeiter, der Grund sind die einbrechenden Anzeigenumsätze: “Schon jetzt ist klar, dass die Anzeigenumsätze vieler Zeitungen und Zeitschriften hinter denen des Vorjahres zurückbleiben werden. Ein Verlagsmanager, der nicht mit Namen genannt werden möchte, spricht von einem ‘katastrophalen’ zweiten Halbjahr.”

Gestern Freibier!

Nicht, dass jemand der “Bild”-Zeitung nachsagt, sie trenne nicht ordentlich zwischen Werbung und redaktionellen Inhalten. Das hier zum Beispiel in der “Bild”-Zeitung von gestern war Werbung:

Und das hier war redaktioneller Inhalt:

Und die Unterscheidung ist ganz leicht. Werbung ist das, über dem “Anzeige” steht:

Und wenn Ihnen das ein bisschen inkonsequent erscheint, müssen wir antworten: Nein, das ist für “Bild” total konsequent.

Für Geld verzichtet Bild.de auf Kritik

Heute spielen wir das beliebte “Sesamstraßen”-Spiel “Eins von diesen Dingen ist nicht wie die anderen”. Und wir spielen es mit der aktuellen Kino-Programmvorschau von Bild.de, in der uns “Bild.T-Online sagt, was top oder flop ist”:

Na? Welcher Anreißer ist anders als die anderen?

Kleiner Tipp: Hinter fünf dieser Ankündigungen sagt uns tatsächlich ein Journalist von “Bild” oder Bild.T-Online, ob der Film top oder flop ist. Hinter einer sagt es uns die Werbeabteilung des Filmverleihs (Überraschung: Sie findet ihn top).

Auflösung: Hinter Nummer 5, “Bierfest”, steckt kein redaktioneller Inhalt, sondern eine Anzeige. Und auf der Seite, auf die man nach einem Klick kommt, steht dann auch mehrmals klein das Wort “Anzeige” (was allerdings nicht ausreicht, um der gesetzlich vorgeschriebenen Trennung von Werbung und redaktionellem Inhalt genüge zu tun, wie Bild.de bereits zweimal von Gerichten nachdrücklich erklärt wurde). Abgesehen davon ist die Seite aber exakt wie eine redaktionelle Bild.de-Kinokritik gestaltet. Sogar der Smiley, der das Urteil zusammenfasst, ist identisch. Zum Vergleich: Redaktioneller Bild.de-Smiley (oben), bezahlter Werbesmiley (unten).

Und jetzt zum Vergleich, der Smiley, den die gedruckte “Bild”-Zeitung dem Film “Bierfest” gegeben hat:

Aha: Auf Bild.de steht in der redaktionellen Übersicht über die Neustarts der Woche anstelle der kritischen Besprechung aus “Bild” also ein teilweise als Artikel getarnter bezahlter Jubel-Text des Filmverleihs.

Und die Startseite von Bild.de sieht übrigens aktuell so aus:

Vielen Dank an Florian M. für den sachdienlichen Hinweis.

Werbedurchfall bei Bild.de (3)

Langsam wird es bizarr.

Die Startseite des “Spiele”-Ressorts bei Bild.de, die am Wochenende plötzlich vollständig (und vermutlich zutreffend) als Werbung gekennzeichnet war, präsentiert sich heute wieder als redaktioneller Inhalt. Die beiden kleinen Worte “Anzeige”, die rechts oben und unten standen, sind ersatzlos verschwunden:

Danke an Thorsten L.!

Nachtrag, 16.05 Uhr. Die Entscheidung, ob über einer Seite “Anzeige” steht oder nicht, wird bei Bild.de nun offenbar nach dem gleichen Prinzip getroffen wie die, ob jemand anonymisiert wird und welche Altersangabe er hinter seinen Namen bekommt: zufällig. Aktuell ist die Startseite des Spiele-Ressorts wieder komplett als Werbung markiert.

(Fortsetzung hier.)

Bild.de und die Schleichwerbung

Vor drei Wochen baten wir Mathias Döpfner, den Vorstandsvorsitzenden der Axel Springer AG, um eine Erklärung, warum er öffentlich die Vermischung von redaktionellen und kommerziellen Inhalten “brandgefährlich” nennt, genau diese Vermischung aber das Geschäftsmodell der Springer-Tochter Bild.T-Online zu sein scheint. Unser zentrales Beispiel war der Erotik-Bereich von Bild.de, in dem journalistische Inhalte nicht von Werbung zu unterscheiden waren.

Seitdem hat sich in diesem Bereich von Bild.de etwas geändert. Genau genommen ist dies hinzugekommen:

Konzernsprecherin Edda Fels sagt, das habe nichts mit unserem Offenen Brief zu tun, auf den wir im übrigen keine Antwort erwarten sollten. Sie sagt außerdem, sie wolle nicht auf unsere konkreten Beispiele eingehen, aber einige grundsätzliche Dinge klären: Obwohl die Internetfirma Bild.T-Online AG nur eine 63-Prozent-Tochter des Springer-Konzerns sei, fühle sie sich den “publizistischen Richtlinien” Springers mitsamt dem Trennungsgebot von Redaktion und Werbung verpflichtet. Andererseits müsse man auch dem speziellen Nutzungsverhalten im Internet Rechnung tragen. Hier würden andere “Spielregeln” gelten, was aber keine Ausrede zu einer Vermischung von Redaktion und Werbung darstellen solle.

Das ist vage, es gibt aber auch Konkreteres: Am 20. September gab die Axel Springer AG bekannt, man habe die Organisationsstruktur von Bild.T-Online so geändert, dass sie “noch stärker” eine “konsequente Trennung von Redaktion und werblichen Inhalten” reflektiere. Das soll nach den Worten von Fels auch beinhalten, dass es nun keine Bild.de-Redakteure mehr gibt, die sowohl werbliche als auch redaktionelle Texte schreiben. Die “technische Umsetzung” der neuen Richtlinien für die Trennung von Redaktion und Werbung sei aber schwierig, und es könne noch einige Zeit dauern, bis sie vollständig sei.

Fakt ist: Anders als noch vor zwei Wochen lässt einen das Erotik-Portal von Bild.de nicht mehr in dem Glauben, es gehe hier um irgendwie geartete redaktionelle Inhalte. Fakt ist auch: Noch sind lange nicht alle werblichen Links wie vorgeschrieben (und angeblich angestrebt) als solche gekennzeichnet.

Dass Bild.de, wie es aussieht, gerade ein bisschen mehr Wert auf eine Trennung von Redaktion und Werbung legt, soll auch mit dem neuen Vorstandsvorsitzenden zusammenhängen: Gregor Stemmle, der von “Bild” kommt, führt seit 1. Juni das Unternehmen. Und auch das Urteil des Berliner Landgerichtes gegen einen typischen Schleichwerbefall bei Bild.de dürfte eine Rolle spielen. Schließlich ist die Trennung nicht nur guter Stil, sondern gesetzlich vorgeschrieben.

Und wir fassen zusammen: Falls Mathias Döpfner es ernst meint mit seiner Warnung vor der “brandgefährlichen” Vermischung kommerzieller und redaktioneller Inhalte, ist das offenbar nicht nur ein Appell an andere, sondern nicht zuletzt auch an sein eigenes Haus.

PS: Aktuell informiert Bild.de über eine finnische Studie, wonach “ungerechte Chefs” angeblich das Leben verkürzen. Zum Thema hat Bild.de einen Kasten “Ihr Recht” mit vier Links eingebaut (Ausriss links). Die ersten beiden sind reine Werbelinks, der dritte führt zu einem offensichtlich durch kommerzielle Interessen desselben Werbepartners inspirierten redaktionellen Beitrag, der vierte zu einem redaktionellen Text. Zu unterscheiden sind sie nicht.

Nachtrag, 1. November. Vier Tage lang hatte der lustig gemischte Werbe-Redaktions-Kasten auf der Seite gestanden. Am Tag, nachdem wir darüber berichteten, ist er entfernt worden. Wenn der Weg zu einem Online-Angebot Bild.de, das dem Gesetz und den behaupteten eigenen Ansprüchen genügt, darüber führt, dass erst jeder einzelne Verstoß öffentlich gemacht werden muss, wird es ein langer Weg.

Offener Brief an Dr. Mathias Döpfner

Berlin, den 10. Oktober 2005

Herrn Dr. Mathias Döpfner
Axel Springer AG
Axel-Springer-Straße 65
10888 Berlin

Sehr geehrter Herr Dr. Döpfner,

in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa haben Sie in der vergangenen Woche die Vermischung kommerzieller und redaktioneller Inhalte “brandgefährlich” genannt. Sie sagten, Medien, die die Grenzen aufweichten, drohten sich damit selbst den Ast abzusägen. Sie plädierten für eine “sehr strikte” Trennung.

Herr Döpfner, kennen Sie das Internetangebot von Bild.T-Online? Es handelt sich dabei um ein Joint Venture, an dem das von Ihnen geführte Unternehmen Axel Springer 63 Prozent der Anteile hält. Es gibt dort eine Rubrik namens “Erotik”, die sich in ihrer Aufmachung in keiner Weise von Rubriken wie “Nachrichten” oder “Sport” unterscheidet. Die einzelnen Menüpunkte sind wie redaktionelle Menüpunkte gestaltet; die einzelnen Teaser in diesem Ressort sehen exakt so aus wie Teaser, die in anderen Ressorts zu redaktionellen Beiträgen führen.

Der “Aufmacher” im Ressort Erotik heißt aktuell (10. Oktober, 21 Uhr): “Richtig dicke Möpse! Dicke HUPEN”. Ein Klick führt zum gleichnamigen Angebot der Firma Telecall unter der Adresse “sexdate.de”, das unter anderem “heißen Livesex” verspricht.

Der im Stil eines Artikelanreißers gestaltete Teaser daneben zeigt eine Frau, die unter der Überschrift “Das Privatcam-Portal” verspricht: “Ich schenk’ Dir bis zu 40 Euro!” Ein Klick führt zum Angebot “Sex and the Web” der Schweizer Firma Aximus, die unter anderem “aufwendig produzierte Erotikfilme in der Hardcore-Version: ungeschnitten und unzensiert” verkauft.

Der scheinbar redaktionelle Teaser darunter lockt mit einer “Neuen Erotik-Videothek: XXX-Movies — 40.000 Filme online”. Er führt zu einem kostenpflichtigen Angebot von Telecall.
Wer auf den Teaser “Nur ein Klick zum Seitensprung” klickt, bleibt zunächst auf den Seiten von Bild.T-Online. In der Aufmachung eines redaktionellen Artikels heißt es dort: “Weil’s so schön anonym ist… Seitensprung bei Bild.T-Online! (…) Mit dem neuen Seitensprung-Service auf Bild.T-Online geht’s jetzt ganz einfach, sicher und unbemerkt!” Das Wort “Werbung” oder “Anzeige” steht nicht auf dieser Seite. Auch nicht über dem Link, mit dem man “zu deinem Seitensprung” kommt. Er führt zum kostenpflichtigen Angebot flirtpub.de der Firma Bosner Onlineservice.

Der Teaser mit den Worten “Neue Reality-Serie: Frauen ab 30 wollen mehr” führt zur “Babeslounge.de” mit kostenpflichtigen Videos. Wer auf “Brandaktuell: Bundesweite Kontaktanzeigen” klickt, gelangt zur “Erotik-Online-Zeitung” “Ladies.de”, deren “Topmeldung” aktuell lautet: “Am 11. Oktober Gang-Bang mit Kyra Shade”.

Die weiteren “Überschriften”, die im redaktionellen “Erotik”-Ressort von Bild.T-Online zu finden sind, führen unter anderem zu den sämtlich kostenpflichtigen Angeboten “stripfun.com”, “Lesbenspecial Chrissy & Mia” (Beate Uhse), “Sex Trainingskamp” und “videodevil.de”. Die redaktionell wirkende “Seitensprung-Suche”, bei der der Nutzer eingeben kann, ob er männlich oder weiblich ist, einen Mann oder eine Frau sucht und er Wert auf ein Bild legt — sie führt ebenfalls zu flirtpub.de.

Keiner der genannten Teaser und Artikel ist an irgendeiner Stelle auf Bild.T-Online mit den Worten “Anzeige”, “Werbung”, “Shop” o.ä. gekennzeichnet. Es gibt bei Bild.T-Online keine Trennung von redaktionellen und werblichen Inhalten. Einige Werbelinks sind zwar mit dem Wort “Anzeige” gekennzeichnet. Das führt allerdings dazu, dass die vielen Werbelinks, die nicht mit dem Wort “Anzeige” gekennzeichnet sind, in ihrer Gestaltung noch irreführender sind.

Beim “Erotik”-Ressort handelt es sich übrigens, anders als bei der Rubrik “Shopping”, nicht um ein reines Werbeportal. Einige der redaktionell gestalteten Teaser führen nicht zu kommerziellen Angeboten, sondern tatsächlich zu redaktionellen Texten, etwa über Themen wie “Welche Sex-Pille soll man(n) nehmen?” oder: “Was Männer im Bett wirklich wollen”. Ähnlich vollständig ist die Vermischung im Ressort “Singles”, das gerade eine redaktionell gestaltete “neue Serie” über “Sexy Singles” begonnen hat, hinter der sich in Wahrheit Werbung für “Friendscout24” verbirgt. Auch hier gibt es keine Möglichkeit, Werbung und Redaktion voneinander zu unterscheiden.

Auf den Seiten, mit denen der “Verband Deutscher Zeitschriftenverleger” (VDZ) für “Crossmedia”-Werbung wirbt, finden sich unter anderem die Kampagnen “Kochbuch für Deutschland” und “Küche für Deutschland” von Bild.T-Online mit jeweils einem Werbepartner. Dort wird als einer der Vorteile dieser Aktionen genannt:

“Aktionen für Deutschland” werden im Stil redaktioneller Beiträge erklärt und beworben.

In der “Animation der Kampagnenmechanik” wird die Grenzen verwischende Technik detailliert demonstriert. Zum Angebot gehört ein “Online-Special mit eigener Subnavigation” — gemeint ist ein Menüpunkt in der Seitennavigation, der nicht als Anzeige gekennzeichnet ist, sondern wie ein Menüpunkt aussieht, der zu redaktionellen Angeboten führt. Als Teil der Werbekampagne führte Bild.de (im redaktionellen Teil) ein “Gewinnspiel” durch, bei dem die Bild.T-Online-Leser in einem “großen Foto-Wettbewerb” “Deutschlands schönstes Küchengirl” wählten.

In der Demonstration, wie für das “Kochbuch für Deutschland” geworben werden konnte, ist von der “Anbindung an redaktionell gestaltete, werbliche Artikel zum Thema” die Rede. Das Internetportal Bild.T-Online verwischt also nicht nur die Grenzen zwischen redaktionellen und werblichen Artikeln, sondern wirbt auch noch damit, dass und wie es die Grenzen verwischt.

Herr Döpfner, weil wir gerne glauben wollen, dass es sich bei Ihren Aussagen vergangene Woche gegenüber dpa nicht nur um wohlfeile Worte handelt, die keine Bedeutung für die tatsächliche Arbeit in der Axel Springer AG haben, möchten wir Sie fragen:

  • Gilt der Trennungsgrundsatz von Werbung und Redaktion, der auch in den “journalistischen Leitlinien” von Axel Springer festgelegt ist, nicht für Online-Angebote?
  • Inwiefern entsprechen die oben geschilderten Beispiele Ihrer Vorstellung davon, wie Werbung und Redaktion “sehr strikt” getrennt werden?
  • Wie lässt es sich mit Ihren Vorgaben vereinbaren, dass bei Bild.T-Online nicht nur einzelne Werbebotschaften nicht als Werbung gekennzeichnet sind, sondern anscheinend ganze Bereiche des Angebotes auf einer systematischen Verwechselbarkeit von werblichen und redaktionellen Botschaften aufgebaut sind?

Mit freundlichen Grüßen
BILDblog.de

“Bild” schrumpft sein TV-Angebot, KI-Pornos, “Mieses Medien-Spiel”

1. 80 Stellen betroffen: Bild TV stellt tägliche Live-Strecken ein
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
Was sich vor zwei Wochen bereits abzeichnete (“Bild” will TV-Angebot schrumpfen, spiegel.de), werde nun laut dem Branchendienst “Medieninsider” (nur mit Abo lesbar) zur Gewissheit: Der Springer-Konzern verabschiedet sich anscheinend von seinem Plan, mit “Bild TV” einen Nachrichtensender zu etablieren. Der Ausstieg aus dem Live-Betrieb soll schätzungsweise 80 Personen und deren Stellen betreffen. Der Deutsche Journalisten-Verband hat bereits mit einer Pressemitteilung reagiert und fordert einen sozialverträglichen Stellenabbau: “Springer muss seiner Verantwortung als Arbeitgeber gerecht werden und den betroffenen Kolleginnen und Kollegen alternative Arbeitsplätze im Konzern anbieten”.

2. “Spiegel” nimmt mehrere Beiträge von der Webseite
(tagesspiegel.de, Kurt Sagatz)
Der “Spiegel” habe nach eigenen Angaben mehrere Beiträge zum Todesfall eines fünfjährigen syrischen Flüchtlingsmädchens vorläufig von der eigenen Website entfernt. Stattdessen ist dort ein redaktioneller Hinweis zu lesen: “Mittlerweile gibt es Zweifel an der bisherigen Schilderung der damaligen Geschehnisse. Wir haben daher mehrere Beiträge zu diesem Thema vorläufig von unserer Website entfernt. Wir überprüfen unsere Berichterstattung und entscheiden nach Abschluss der Recherchen, ob die Beiträge gegebenenfalls in korrigierter und aktualisierter Form erneut veröffentlicht werden.”

3. Juso-Vorsitzende und weitere Politikerinnen fordern Vorgehen gegen KI-Pornos
(spiegel.de, Max Hoppenstedt)
Deepfake-Pornografie ist laut Wikipedia ein “Pornografie-Segment, das das durch Computer berechnete Einfügen von Gesichtern realer Personen in pornografische Bilder oder Filme zum Inhalt hat”. Opfer von derartigen Videofälschungen sind oftmals Politikerinnen und Prominente. Wie Max Hoppenstedt berichtet, hätten sich Betroffene an Digitalminister Volker Wissing gewandt und Maßnahmen gegen die Fakes gefordert.

Bildblog unterstuetzen

4. Das miese Medien-Spiel mit der Fußball-WM
(georgstreiter.de)
“Zwölf Jahre nach der skandalösen Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft nach Katar am 2. Dezember 2010 entdecken die Medien, dass die Vergabe ein Skandal war. Dabei ist die Skandal-WM auch ein Medien-Skandal. Vor allem ein öffentlich-rechtlicher.” Georg Streiter über das “miese Medien-Spiel” mit der Fußball-WM.

5. Denkfabriken – nicht immer unabhängig
(deutschlandfunk.de, Annika Schneider, Audio: 2:50 Minuten)
Denkfabriken beziehzungsweise Thinktanks werden in Medien überraschend oft als Quellen zitiert. Dabei bleibe oft unklar, wie neutral sie wirklich sind und vom wem sie finanziert werden. Es reiche daher nicht, den Namen einer Denkfabrik zu nennen. In der Berichterstattung müsse klar werden, für welche Interessengruppen die jeweilige Organisation stehe, so Annika Schneider im Deutschlandfunk.

6. Social-Media-Benimmkolumne: Wie man sich unmöglich macht – Nonmentions und Snitchtagging
(54books.de, Franziska Reuter)
Franziska Reuter erklärt zwei Kommunikationsphänomene, die typischerweise auf Social Media anzutreffen sind: Die sogenannten Nonmentions und das sogenannte Snitchtagging. Unterhaltsam, anschaulich und lehrreich beschrieben.

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