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“Bild” will keine Toten in anderen Medien sehen

Bild.de scheint ehrlich fassunglos:

Das Geschäft mit der toten Whitney Houston († 48) kennt keine Skrupel! Das US-Magazin “National Enquirer” hat jetzt ein Foto der Sängerin im offenen Sarg veröffentlicht.

In Frieden ruhen… Das kann Whitney Houston wohl vorerst nicht!

Bild.de zitiert eine Twitter-Userin, die den Verkäufer des Fotos als “niederträchtigen, verdorbenen, skrupellosen Untermensch” bezeichnet, und den Promi-Blogger Perez Hilton, der die Veröffentlichung “geschmacklos, unsensibel und morbide” nennt.

Bild.de ist der Online-Ableger des Blattes, das am 27. Juni 2009 auf der Titelseite mit einem riesigen Foto aufgemacht hatte, auf dem Michael Jackson auf einer Trage liegend und an Beatmungsgeräte angeschlossen zu sehen war. Die Schlagzeile lautete: “Hier verliert er den Kampf um sein Leben”.

Bild.de selbst brachte wenig später ein computergeneriertes Bild eines entstellten Michael Jackson ohne Haare, unter dem stand: “so in etwa könnte Jackson bei der Obduktion ausgesehen haben”. Beide Veröffentlichungen wurden als “unangemessen sensationell” vom Presserat gerügt.

Im Vergleich dazu ist das Foto von Whitney Houston im offenen Sarg harmlos — schon weil sie natürlich eigens dafür hergerichtet worden war, angesehen zu werden (wenn auch mutmaßlich nicht von der Weltöffentlichkeit). Wie Bild.de selbst schreibt, zeigt das Foto die Sängerin “mit sorgfältigem Make-up, hochgesteckten Haaren, in einem violetten Kleid und goldenen Schuhen”.

Skrupellos das Sterben eines Prominenten ausschlachten. Und anderen vorwerfen, skrupellos den Tod eines Prominenten auszuschlachten. Das ist die ganz spezielle doppelte Skrupellosigkeit von “Bild”.

Mit Dank an Simon.

AFP  

AFP sieht Sterne

Nachdem die meisten Journalisten inzwischen einigermaßen begriffen haben, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte kein “EU-Gericht” ist, können wir uns dem nächsten Thema der Medienerziehung widmen: Hollywood.

Der “Walk of Fame” besteht aus mehr als 2.400 Terrazzo-Sternen, mit denen verdiente Persönlichkeiten der Unterhaltungsindustrie ausgezeichnet werden. Hand- und Fußabdrücke werden traditionell in der Umgebung des Kinos “Grauman’s Chinese Theatre” hinterlassen und haben – neben der vergleichbaren Ehre und der räumlichen Nähe – nichts mit dem “Walk of Fame” zu tun.

(BILDblog vom 21. Februar 2011)

Das muss man nicht wissen, aber es ist vielleicht hilfreich, wenn man als Reporter über eines von beiden berichten soll.

Die Agentur AFP hat es trotzdem probiert:

Rund zweieinhalb Jahre nach seinem Tod hat US-Popstar Michael Jackson einen Stern auf dem berühmten Walk of Fame erhalten. Jacksons Kinder Paris, Prince und Blanket verewigten am Donnerstag bei der Zeremonie mit Schuhen und den berühmten perlenbesetzten Handschuhen ihres Vaters dessen Fuß- und Handabdrücke im Zement auf dem Hollywood Boulevard im kalifornischen Los Angeles.

Ja, die zwei Sätze mit “Stern” und “Fuß- und Handabdrücke im Zement” stehen da direkt hintereinander. Nein, das scheint bei AFP niemand gewundert zu haben.

Schon am 6. Januar hatte die Agentur verkündet:

PARIS, PRINCE und BLANKET, Michael Jacksons Kinder, wollen dafür sorgen, dass ihr Vater rund zweieinhalb Jahre nach seinem Tod einen Stern auf dem berühmten Walk of Fame erhält. Mit Hilfe von Schuhen und der berühmten Handschuhe des King of Pop werden sie bei der Zeremonie am 26. Januar dessen Fuß- und Handabdrücke im Zement auf dem Hollywood Boulevard verewigen, teilten die Organisatoren mit.

Jetzt schafft AFP es sogar, in einem Video noch einen Schritt weiter zu gehen:

Während Jacksons Kinder mit betonverschmierten Händen zu sehen sind, sagt der Off-Sprecher “ein Stern für Michael Jackson”.

Und zu den Bildern des noch feuchten Betons mit den frischen Abdrücken darin erklärt er ungerührt: “Der Stern von Michael Jackson liegt in der Nähe der Sterne von Hollywoodlegenden wie Marilyn Monroe, Humphrey Bogart und Bette Davis.” Man muss schon sehr ahnungslos sein, um so einen Clip zu veröffentlichen.

Der AFP-Unsinn steht jetzt etwa bei der “Frankfurter Rundschau”, dem “Donaukurier” und dem ORF online.

Bei “Welt Online” haben sie immerhin irgendwann gemerkt, dass das mit dem Stern ziemlicher Unsinn ist, faseln aber immer noch vom “Walk of Fame”. Einen klaren Schnitt hat “Spiegel Online” vollzogen und den AFP-Text durch eine treffende dpa-Meldung ersetzt.

Den Stern auf dem tatsächlichen “Walk of Fame” hat Michael Jackson übrigens schon 1984 bekommen.

Mit Dank an Basti, Simon P., Dennis M. und AW.

Nachtrag, 19.55 Uhr: So “klar” wie von uns behauptet war der Schnitt bei “Spiegel Online” leider doch nicht: Zwar ist die dort verwendete dpa-Meldung richtig, aber “Spiegel Online” hat auch einen fehlerhaften AFP-Absatz stehen lassen:

Der Stern des King of Pop befindet sich in Nachbarschaft zu den Sternen von Filmlegenden wie Marilyn Monroe, Humphrey Bogart und Bette Davis. (…)

AFP selbst hat unterdessen um 19.17 Uhr eine Berichtigung verschickt:

+++ Berichtigung: Durchgehend heißt es nun richtig, dass Jackson nicht mit einem Stern auf dem Walk of Fame, sondern mit Hand- und Fußabdrücken auf dem Hollywood Boulevard geehrt wurde. +++

2. Nachtrag, 28. Januar: AFP hat das Video bei YouTube entfernt. Dafür hat sich “Bild” heute auf den “Walk of Fame” verlaufen:

In den (Hand)schuhen des Vaters!
Los Angeles. Für die Ehrung von Michael Jackson (verstorben 50) auf dem "Walk of Fame" nahm Tochter Paris (13) seine berühmten Pailletten-Handschuhe und verewigte den Abdruck auf dem Hollywood Boulevard. "Walk of Fame": Paris verewigt die Handschuhe ihres toten Vaters Michael Jackson

Sterben live

Vor zwei Jahren wurde “Bild” vom Presserat wegen “unangemessen sensationeller” Berichterstattung zum Tod von Michael Jackson gerügt. Zu der Überschrift “Hier verliert er den Kampf um sein Leben” zeigte die Zeitung damals ein riesiges Foto, auf dem Jackson auf einer Trage liegend und an Beatmungsgeräte angeschlossen zu sehen war. Da dadurch bei Lesern der Eindruck entstehe, einem Menschen unmittelbar beim Sterben zuzusehen, sah der Beschwerdeausschuss darin einen Verstoß gegen die Menschenwürde (BILDblog berichtete).

Hat die Rüge gefruchtet? Nun, das mit dem “beim Sterben zusehen” scheint immer noch spannend genug zu sein, um es auf der Startseite von Bild.de so anzuteasern:

FEUER IM FLUCHTMOBIL Hier verbrennen zwei Bankräuber

Im gut bebilderten Artikel heißt es:

Das Feuer lodert aus dem Dach des Wohnmobils, im Innenraum liegen zwei Bankräuber. Unklar, ob die beiden Männer schon tot sind, als das Feuer ausbricht, oder ob sie Opfer der Flammen werden.

Fehlen nur noch Chips und Bier …

Mit Dank an Christian S.

Ein Tag am Boulevard

Ehrgeizig sind sie ja, das muss man den Autoren des Panorama-Ressorts von “Spiegel Online” lassen. Anders lässt sich nämlich kaum erklären, warum sie es wagen, sich mit den Schmutz- und Tränenprofis von “Bild”, “Bunte” & Co. zu messen.

Ein aktueller Artikel etwa, den “Spiegel Online” aus der britischen “Daily Mail” zweitverwertet (das ist so üblich) und mit einer elfteiligen Fotostrecke (Titel: “Einmal Ersatzteillager und zurück”) angereichert hat, dreht sich um das amerikanische “Reality-TV-Sternchen” Heidi Montag. Ihre Berühmtheit rührt hauptsächlich daher, dass sie an nur einem Tag zehn Schönheitsoperationen über sich ergehen ließ. Und genau unter diesem operierten Körper leidet sie inzwischen:

Ich möchte nicht, dass meine Nase abfällt wie die von Michael Jackson.

Und was fällt “Spiegel Online” dazu ein?
Nasen-Erosion: Heidi Montag fürchtet Michael Jacksons Schicksal

Und:

So ist das mit Ersatzteilen – manche halten, andere nicht. Heidi Montag, Reality-TV-Sternchen, unterzog sich einer körperlichen Generalüberholung und ließ zehn Schönheits-OPs an einem Tag durchführen. Nun bereut sie den Schritt: Die Nase bröckelt, und das Silikon bereitet Unannehmlichkeiten.

Dass zu Michael Jacksons Schicksal deutlich mehr gehört als die Angst vor dem Verlust der Nase, weiß man spätestens seit letztem Jahr. Außerdem sind es Schmuddelmedien wie “Spiegel Online”, wo zu Heidi Montags Schönheitsoperationen in diesem Jahr bereits neun Artikel (Klickstrecken inklusive) erschienen sind, für die sich Frauen unters Messer legen.

Apropos ziemlich viel von irgendetwas an nur einem Tag: In einem anderen aktuellen Artikel zur Tattoo-Künstlerin Kat von D, die in Deutschland vor allem deshalb bekannt ist, weil sie die Neue von Sandra Bullocks Ex ist, kann man unter der launigen Überschrift “Jesse James’ Neue faselt von großer Liebe” lesen:

Sie ist 28, arbeitet als Tattoo-Künstlerin und nennt sich Weltrekordlerin, seit sie sich im Dezember 2007 binnen 24 Stunden 400 Tätowierungen stechen ließ.

Tatsächlich war es aber genau andersherum: Kat von D ließ sich nicht stechen, sondern stach selbst binnen 24 Stunden 400 Tätowierungen an verschiedenen Personen. Weltrekordlerin wiederum kann sie sich schon lange nicht mehr nennen, denn ihr Rekord wurde seitdem schon mehrfach gebrochen.

Vermutlich haben sich die Autoren hier vom deutschen Wikipedia-Eintrag zu Kat von D verwirren lassen. Dort heißt es:

Am 14. Dezember 2007 setzte sie mit 400 Tattoos innerhalb von 24 Stunden den Weltrekord.

Was soll man sagen? Die Anpassung des “Spiegel Online”-Panoramaressorts an andere Boulevardmedien scheint zu funktionieren — zumindest, was Niveau und Recherche angeht.

Mit Dank an Nina.

Nachtrag, 7. September: “Spiegel Online” hat den Artikel über Kat von D zum Teil korrigiert:

In einer früheren Version des Artikels hieß es, dass sich die Tattoo-Künstlerin Kat von D. Weltrekordlerin nennt, weil sie sich im Dezember 2007 binnen 24 Stunden 400 Tätowierungen stechen ließ. Korrekt ist, dass Kat von D. innerhalb von 24 Stunden 400 Tattoos gestochen hat und sie sich deshalb Weltrekordlerin nennen darf. Wir haben den Text entsprechend korrigiert.

Bild  

Mathias Döpfners Zwischenruf

Es kommt einigermaßen selten vor, dass sich Mathias Döpfner, der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG, in der “Bild”-Zeitung zu Wort meldet. Es bedarf schon einer besonderen Gelegenheit: Der Tod Michael Jacksons beispielsweise oder die Entscheidung des Papstes, einen Bischof in die Kirche zurückgeholt zu haben, der den Holocaust leugnet, (BILDblog berichtete). Heute ist wieder so ein seltener Tag.

Doch von Anfang an: Nachdem bekannt geworden war, dass der deutschen Bundesregierung eine CD-Rom zum Kauf angeboten wurde, die gestohlene Daten von 1500 mutmaßlichen Steuerhinterziehern enthält, forderte “Bild” am Montag lautstark:

Kauft Euch die reichen Steuer-Betrüger!

“Bild”-Kolumnist Hugo Müller-Vogg riet: “Kaufen, aber schnell!”, und Wirtschaftschef Oliver Santen feierte die “klare Botschaft von Merkel”.

Kurzum: Die Bundesregierung kauft zum zweiten Mal “Hehlerware”, um Steuerhinterzieher zu enttarnen, und “Bild” findet das seit zwei Tagen gut. Mathias Döpfner findet das schlecht — ja, gefährlich.

Oder wie er es selbst in seinem “Bild”-Kommentar formuliert:

Die Bundesregierung kauft zum zweiten Mal Hehlerware, um Steuerhinterzieher zu enttarnen. BILD findet das seit zwei Tagen gut. Ich finde das schlecht – ja, gefährlich.

Der Staat darf Recht nicht brechen!Bleibt die Frage, ob Döpfners Kommentar nur eine Meinungsäußerung im neuen Meinungspluralismus von “Bild” ist oder hier der Vorstandsvorsitzende eines Medienkonzerns nach Belieben in die redaktionelle Unabhängigkeit einer seiner Zeitungen eingreift. Die Antwort dürfte “Bild” schon morgen liefern.

Axel Springer, Alena Gerber, René Walter

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Geschäftsmodell für Journalisten: Blogger abmahnen”
(netzpolitik.org, markus)
Blogger Philipp erhält eine Abmahnung in der Höhe von 2155 Euro von einem von einer Journalistin beauftragten Anwalt. Im Gemeinschaftsblog nomnomnom.de zitierte er drei Absätze aus einer Kolumne mit neun Absätzen. Markus meint: “Solche Fälle sollten bei nicht-kommerziellen Zwecken nicht zu solchen Abmahnungen führen.”

2. “Wie die Stasi den Medienkonzern Springer ausspähte”
(ardmediathek.de, Video, 44 Minuten)
Sehenswerter Film von Tilman Jens über die Ausspähung des Axel-Springer-Verlags von der DDR-Staatssicherheit. Der Film hat eine vom Springer-Konzern in Auftrag gegebene und von einem unabhängigen Forscherteam der FU-Berlin erarbeitete Studie als Grundlage, klärt auf über die Herkunft der Parole “Enteignet Springer” und zeigt die Ausmasse der Überwachung des DDR-Feinds auf. Axel Springer war offenbar so wichtig, dass Ende der 60er-Jahre ein 10 Millionen Ostmark teurer Propagandafilm gegen ihn produziert wurde, in dem er unter anderem als impotenter Alkoholiker dargestellt wird.

3. “So spannte ‘Bild’ die SVP vor den Busen”
(20min.ch, Marius Egger)
Um die zum Verlag gehörende Website usgang.tv ins Gespräch zu bringen, bringt “Bild” Schweizer Rechtspolitiker dazu, ihre Vorurteile über Deutsche in der Schweiz auf die bisher kaum beachtete Moderatorin der Sendung zu lenken. Von Erich Hess entlockte “Bild” diese Aussage über Alena Gerber: “Sie ist grundsätzlich eine ganz schöne Frau, aber man merkt eine deutsche Arroganz dahinter.”

4. “Gab’s in der DDR ein Kultmagazin?”
(medien-mittweida.de, Ellen Schaller)
“Wer glaubt, dass es in der DDR nur politische Presse zu lesen gab, der liegt falsch. ‘Das Magazin’ überzeugte mit Reportagen, Kurzgeschichten, Umfragen und Kunstdrucken.”

5. “Interview mit René Walter”
(cicero.de, Constantin Magnis)
Kurzweiliges und unterhaltsames Gespräch mit dem Blogger von nerdcore.de, René Walter. Seine Informationen bezieht er mit einem Feedreader: “Ich hab einen recht rigiden Zeitplan, morgens ein bis zwei Stunden, abends ein bis zwei Stunden. Tagsüber behalte ich die Seite im Auge, falls was wirklich Wichtiges passiert, wenn Michael Jackson stirbt oder so.”

6. “Kommas – Welche Regeln muss ein Online-Redakteur kennen?”
(text-gold.de)
Eine kurze Auffrischung der Kommaregeln. Wichtiger Tipp am Schluss: “Um welchen Kommasetzungsfall es auch geht: Sie sollten stets Kommas während des Schreibens setzen und nicht nachträglich einfügen.”

Bild  

Von Außerirdischen und Unterirdischem

Man kennt das von Kindern, wenn sie sich hinstellen und mit “Komm doch! Komm doch!”-Rufen provozieren — entweder weil sie sich in Sicherheit fühlen oder auch aus reiner Lust, es einmal drauf ankommen zu lassen, was in die Fresse zu bekommen.

Ungefähr in einer solchen Stimmung müssen sie in der vergangenen Woche bei “Bild” gewesen sein, als sie sich entschieden, als Teil einer rekordverdächtig dummen Serie des “Bild”-Außerirdischen-Beauftragten Attila Albert über Ufos und anderen Mystery-Quatsch den Anwalt Johannes Eisenberg zu zeigen und als “Alien” zu bezeichnen:

(Genau dieselbe Witz-Idee hatte “Bild” schon einmal im Frühling 2005; damals präsentierte das Blatt ebenfalls unter der Überschrift “Sind die Aliens schon unter uns?” Daniel Küblböck, Djamila Rowe, Michael Jackson, Reiner Calmund, Prinz Charles, Tatjana Gsell und Susan Stahnke als Indizien für außerirdisches Leben auf der Erde. Aber das nur am Rande.)

Jedenfalls kann es niemanden bei “Bild” überrascht haben, dass Eisenberg juristisch gegen die Veröffentlichung seines Fotos und Beschreibung als “Alien” vorgeht. Den Anwalt und die Zeitung verbindet eine lange Geschichte. Eisenberg hat viele Politiker, Prominente und Nicht-Prominente, die sich gegen falsche oder unzulässige “Bild”-Berichte wehrten, vertreten. Er verteidigte auch die “taz”, als “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann Schmerzensgeld für eine Satire über eine (erfundene) missglückte Penis-Verlängerungs-Operation forderte. Vor allem aber ließ er “Bild” schon einmal gerichtlich untersagen, sein Foto zu zeigen, und erstritt ein “empfindliches Schmerzensgeld”.

Eisenberg hatte 1998 einen libanesischen Straftäter, dessen Fall in Berlin Aufsehen erregte, presserechtlich vertreten und u.a. mehrere Gegendarstellungen von “Bild” gefordert. Die Zeitung reagierte darauf demonstrativ mit der Veröffentlichung von Eisenbergs Foto und suggerierte, dass er mit seinem Mandanten sympathisiere. Das Landgericht Berlin sah darin eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung: “Bild” habe Eisenbergs Recht am eigenen Bild “mit besonderer Hartnäckigkeit verletzt”, und zwar “in der Absicht, den Kläger davon abzuhalten, für seinen Mandanten A. Gegendarstellungs- und Unterlassungsansprüche geltend zu machen, obwohl ihre Angriffe auf Herrn A. äußerst scharf und teilweise unter Behauptung falscher Tatsachen geführt wurden.” Eisenberg habe nach der Veröffentlichung Morddrohungen erhalten, die “nur mit der Berichterstattung der Beklagten über den Kläger erklärt werden” könnten, so das Gericht.

Das ist über zehn Jahre her, aber vielleicht nicht ganz unwesentlich, um zu beurteilen, was es bedeutet, wenn “Bild” ein Foto von Johannes Eisenberg zeigt und behauptet, er sei ein “Alien”, das sich als “Anwalt tarnt” und “gegen investigative Medien kämpft”.

Die “Welt am Sonntag” hingegen, die gestern über das Vorgehen Eisenbergs gegen die Schwesterzeitung berichtete, nennt die Alien-Geschichte von “Bild” eine “Satire” und schließt daraus, dass Eisenberg Humor fehlt (was natürlich nicht falsch sein muss).

PS: Die Provokation des von ihr verhassten Berliner Anwaltes findet sich exklusiv in der Berlin-Brandenburger Ausgabe von “Bild”. Überregional nimmt Dirk Bach seinen Platz in der, äh, satirischen Aufzählung ein (siehe Ausriss links).

B.Z., Bild  

Der falsche Jacko und der doppelte Reinfall

Am vergangenen Donnerstag enthüllte “Bild”, dass die Stasi eine Akte über Michael Jackson angelegt hatte. Ein Schmankerl aus den Unterlagen hob sich der Autor Hans-Wilhelm Saure (so etwas wie der inoffizielle Stasi-Beauftragte bei “Bild”) aber für den nächsten Tag auf:

Die Stasi knipste Jacko am Checkpoint Charlie

Ausführlich zitierte “Bild” aus dem Protokoll über den Besuch Jacksons am Checkpoint Charlie und zeigte zwei Fotos, die die Stasi vom dem Popstar und dem Menschenauflauf, den er auslöste, gemacht hatte. Auch die Berliner Schwesterzeitung “B.Z.” berichtete am selben Tag:

Dieses Foto von Jackson hat die Stasi geschossen

(…) Am Tag vor seinem West-Berliner Konzert erklimmt Jackson die Besuchertribüne am Checkpoint Charlie. Die Stasi drückt auf den Auslöser

Doch in der “B.Z.” erschien am nächsten Tag ein weiterer Artikel:

Stasi fiel auf falschen Michael Jackson rein

(…) Doch jetzt kommt raus: Der vermeintliche King of Pop war ein Double! Den Auftritt des Doppelgängers hatte eine Sicherheitsfirma organisiert. Gemeinsam mit einem Fernsehteam hatte sie den falschen Jackson durch die ganze Stadt gelotst. Am Checkpoint Charlie waren die Stasi-Leute nicht die einzigen, die dem Schwindel aufsaßen. Ständig befanden sich “ca. 80-100 schaulustige Personen in der Nähe des Rock-Sängers”, heißt es im Stasi-Protokoll.

Sat.1 hatte den Doppelgänger damals engagiert; auf der Homepage von Christian Engel, dessen Sicherheitsfirma beteiligt war, ist die ganze Aktion ausführlich dokumentiert.

Und nun könnte man den “B.Z.”-Leuten natürlich zurufen, dass nicht nur die Stasi auf den falschen Michael Jackson reingefallen ist, sondern über 20 Jahre später auch noch einmal sie selber, aber wurscht.

Bemerkenswerter ist, wie “Bild” darauf reagierte, auf einen Doppelgänger (und die Stasi) hereingefallen zu sein. Nachdem das Sat.1-Frühstücksfernsehen am Freitagmorgen über die eigene Aktion von damals berichtet hatte stellte die “B.Z.” am Freitagnachmittag einen Korrektur-Artikel “Michael Jackson-Double narrte Stasi” online. Vier Stunden später (!) veröffentlichte “Bild” den Artikel “Die Stasi knipste Jacko am Checkpoint Charlie” aus der gedruckten Ausgabe desselben Tages, dessen Wert Sat.1-Moderatorin Marlene Lufen so eindrucksvoll demonstriert hatte (siehe Screenshots rechts), unverändert im Internet, womöglich extra, aus Trotz.

Zu irgendeiner Form von Korrektur hat sich das Blatt bis jetzt nicht hinreißen lassen.

Nachtrag, 20.40 Uhr. Auch bei FAZ.net glaubt man immer noch, dass es sich bei dem Mann auf dem Foto um den echten Michael Jackson handelte.

Nachtrag, 4. August. Die englische Version von “Spiegel Online” und “Focus Online” aufgrund einer AP-Meldung auch.

Nachtrag, 15.10 Uhr. FAZ.net scheint die Bildergalerie kommentarlos gelöscht zu haben; dafür überrascht die gedruckte “FAZ” heute als Nachzügler mit den Stasi-Fotos — und hält den Abgebildeten für Michael Jackson.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Echtzeit-Web, Bildblog, Gossweiler

1. “Michael Jackson – Jahre vor seinem Tod”

(bildblog.de, Lukas Heinser)

Bild, Welt und Berliner Morgenpost machen ihre Titelseiten auf mit Fotos von Michael Jackson, die angeblich “Stunden vor seinem Tod” aufgenommen wurden. Sie stammen aber aus dem November 2003.

2. “Bildblog – Alles Müll oder was?”

(merkur.de, Katharina Zeckau)

“Seit fünf Jahren beobachtet der Journalist Stefan Niggemeier Deutschlands größte Boulevardzeitung und listet ihre Fehler im Internet auf. Zarte Anzeichen einer Läuterung hat er erkannt.”

3. Interview mit Urs Gossweiler

(persoenlich.com, Corinne Bauer)

Der Verleger der Jungfrau Zeitung spricht sich klar gegen “gegen jegliche staatliche Stützungsmassnahmen” der Branche aus und stellt sich “gegen das Manifest [PDF] des Schweizerischen Zeitungsverlegerverbandes”: “Im Moment hat man tatsächlich den Eindruck, dass gewisse Verleger ausschliesslich mit der Frage beschäftigt sind, wie man möglichst schnell ein Konjunkturpaket vom Bundesrat erhalten kann.”

4. “Das ‘Echtzeit-Web’ und die Zukunft des Journalismus”

(urchs.de, Ossi Urchs)

Durch das Echtzeit-Web verlieren Journalisten “Autorität, die wesentlich auf mehr oder weniger exklusiven Zugängen zu Informationen und einem Zeitvorsprung bei ihrer Verbreitung gegründet war”. Noch nicht verstanden haben viele, “dass sie mit dem Echtzeit-Web ein neues, machtvolles Werkzeug in die Hände bekommen, das ihre Möglichkeiten nicht nur quantitativ, sondern vor allem qualitativ vergrößert.”

5. Interview mit Nicole Simon

(faz.net, Stefan Herber)

Die Buchautorin von “Twitter – Mit 140 Zeichen zum Web 2.0” gibt Auskunft: “Viele, vor allem die mittleren und kleinen Unternehmen, haben ja bis heute noch nicht einmal eine brauchbare Onlinestrategie. Wie sollen sie da Twitter verstehen?”

6. “China: Der große Kinderklau”

(ardmediathek.de, Video, 7:31 Minuten)

Ein bedrückender Report des Weltspiegels aus China, wo nicht wenige Kinder pro Jahr entführt werden wie hierzulande, sondern Tausende.

Schlingensief, Computermüll, Kall

1. Martin Kall gegen das “Heruntersparen der Redaktionen”

(medienforum.nrw.de)

Bemerkenswerte Aussagen von Tamedia-CEO Martin Kall in seiner Keynote am Internationalen Printkongress. Kall riet anderen Verlagen, “vor allem in den Journalismus zu investieren”. Denn: “Wir können uns das Heruntersparen der Redaktionen nicht leisten.“ Ist das ein cleverer Schachzug, um die Konkurrenz zu verwirren? Schliesslich hat Tamedia bei seinem Flaggschiff Tages-Anzeiger eben die Printredaktion merklich ausgedünnt. Und auf tagesanzeiger.ch fährt das Unternehmen einen journalismusarmen Boulevardkurs.

2. “Die SRG in der Krise”

(nzz.ch, Francesco Benini)

“Armin Walpen geht und hinterlässt einen Scherbenhaufen.”

3. “Vertragspiraten”

(heise.de/tp, Peter Mühlbauer)

“Die FAZ, die seit Monaten eine Kampagne für neue Leistungsschutzrechte gegen ‘digitale Enteignung’ fährt, lizenzierte Texte von Elke Heidenreich ohne deren Wissen und ohne finanzielle Beteiligung.”

4. “Der Tag, an dem das Fernsehen dabei war, als Michael Jackson starb”

(faz-community.faz.net/blogs/fernsehblog, Peer Schader)

Peer Schader fragt sich, warum die “ARD-Tagesschau” mit Michael Jackson aufmacht und was Uri Geller in den “Tagesthemen” macht. Und ZDF-Korrespondent Klaus-Peter Siegloch beobachtet in New York: “Es sind viele Fernsehanstalten hier, die live berichten.” Hier ein Cartoon (picturesforsadchildren.com), der die Nichtinformationen gut auf den Punkt bringt.

5. “Digital Dumping Ground”

(pbs.org, Video, 20:29 Minuten)

Ein kleiner Teil des westlichen Computermülls wird vorschriftsgemäss entsorgt. Ein grosser Teil aber landet in Ländern wie Ghana, China, Vietnam oder Indien. Manchmal inklusive privaten Bildern und Kreditkartennummern.

6. “Ein Opernhaus für Ougadougou”

(schlingensief.com, Christoph Schlingensief)

Der lesenswerte Zeit-Artikel von Anita Blasberg über Christoph Schlingensief, der, “schwer an Krebs erkrankt, durch Afrika reist und einen Bauplatz für sein Festspielhaus sucht”, ist online. Aufkommender Kritik an seinem Unternehmen auf nachtkritik.de antwortet er: “Natürlich bin ich ein Onkel in der Sänfte“.

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