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Nicht nur Trump kämpft gegen Biden

Donald Trump hat es nicht leicht. Nicht nur mit seinem Widersacher Joe Biden hat es der US-Präsident zu tun, er kämpft auch mit der liberalen US-amerikanischen Presse und mit Tech-Firmen wie Twitter. So schreibt es Alexander von Schönburg in einem Kommentar in “Bild” und bei Bild.de:

Screenshot Bild.de - Kommentar zur US-Wahl - Trump kämpft nicht nur gegen Biden

Wenn Joe Biden die Wahl gewinnt, darf er sich auch bei Tech-Giganten wie Facebook und Twitter – und der liberalen Presse – bedanken.

Genau die Leitmedien – von “Atlantic” bis “Washington Post” – die bedenkenlos jede Anti-Trump-Story verbreiten, unabhängig von Belegbarkeit und Quellenlage (man denke an Trumps angebliche Beleidigung gefallener Soldaten), haben keine Hemmung, Storys, die Biden unangenehm werden könnten, unter den Tisch zu kehren.

Nun ist es kein Geheimnis, dass Kommentare nur die Meinung des Autors widerspiegeln. Sie dürfen subjektiv und auch zugespitzt sein. Doch was Alexander von Schönburg hier macht, ist mehr als legitime Subjektivität: Er führt die Leserschaft durch Auslassungen in die Irre. Er raunt herum und setzt Verschwörungen in die Welt. Und er plappert eine Falschinformation nach.

Die Artikel, auf die sich von Schönburg bezieht, wenn er schreibt, dass “Atlantic” und “Washington Post” unabhängig von Belegbarkeit und Quellenlage Anti-Trump-Storys verbreiten, sind tatsächlich nicht mit letzter Sicherheit zu beweisen. Das heißt allerdings nicht, dass sie im Umkehrschluss unplausibel sind. Für die Behauptung, Trump habe US-Soldaten, die im Ersten Weltkrieg gefallen und auf einem Friedhof in Frankreich beerdigt sind, als “Loser” und “Sucker” bezeichnet, führt “The Atlantic” durchaus Quellen an – allerdings anonyme: “vier Personen mit Wissen aus erster Hand über die Diskussionen an diesem Tag”. Recherchen anderer Redaktionen, darunter auch Trumps (einstiger) Haussender Fox News, bestätigten die Aussagen dieser Quellen. Aber es gab auch Widerspruch: Trumps früherer Nationaler Sicherheitsberater John Bolton etwa sagte, er könne nicht bestätigen, dass Trump sich derart despektierlich geäußert hat. Bolton steht Trump inzwischen kritisch gegenüber und damit nicht im Verdacht, den US-Präsidenten blind zu verteidigen.

All das lässt Alexander von Schönburg weg.

Die Geschichte, die “die Leitmedien” von Schönburg zufolge “unter den Tisch kehren”, ist ein Artikel aus dem Boulevardblatt “New York Post”, der nahelegt, dass Joe Bidens Sohn Hunter sich durch die Position seines Vaters bei Geschäftsleuten in der Ukraine und in China Vorteile verschafft haben soll. Und: Joe Biden selbst soll als Vizepräsident außenpolitisch Einfluss genommen habe, um seinem Sohn Vorteile zu verschaffen. Laut “New York Post” gehe das aus E-Mails hervor, die auf einer Kopie der Festplatte von Hunter Bidens Laptop gespeichert sein sollen. Nach Angaben der “New York Post” ist die Redaktion auf abenteuerlichem Weg an diese Kopie gekommen: Im April 2019 habe eine Person den Laptop bei einem Computerladen in Wilmington, Delaware zur Reparatur abgegeben. Der Besitzer des Ladens, der blind ist, sagt nun, er sei sich “fast sicher”, dass Hunter Biden diese Person war. Der Laptop sei allerdings nie abgeholt worden, daraufhin habe sich der Ladenbesitzer an die US-Behörden gewandt. Außerdem hat er auch Rudy Giuliani, Trumps persönlichem Anwalt, eine Kopie zukommen lassen. Der wiederum hatte sich an die “New York Post” gewandt.

Die Plausibilität der Geschichte wurde von verschiedenen Medien infrage gestellt, wobei weder “New York Times” oder “Washington Post” noch das “Wall Street Journal” die Möglichkeit hatten, das Material zu überprüfen. In einem Statement haben zahlreiche ehemalige US-Geheimdienstbeamte erklärt, die Geschichte der “New York Post” beinhalte alle klassischen Merkmale einer russischen Desinformationskampagne. Der Director of National Intelligence, John Ratcliffe, bestritt hingegen, dass es sich bei der Geschichte um eine russische Einmischung handele. Das FBI sagte dem Kongress am Mittwoch, es habe Ratcliffes Aussage zurzeit nichts hinzuzufügen. Die “New York Times” wiederum veröffentlichte einen Artikel, laut dem sich ein Redakteur der “New York Post”, der maßgeblich an der Geschichte beteiligt war, weigerte, als Autor des Textes aufgeführt zu werden. Mehrere Redaktionsmitglieder der “New York Post” hätten Zweifel geäußert, ob die Authentizität des Materials ausreichend belegt sei, und außerdem die Glaubwürdigkeit der Quellen angezweifelt. Twitter sperrte den Link zum “New York Post”-Artikel zwischenzeitlich mit der Begründung, der Artikel verletze die Privatsphäre-Richtlinien von Twitter. Zudem sei es möglich, dass das Material durch einen Hack an die “New York Post” gelangt sei und öffentlich gemacht wurde, was ebenfalls den Twitter-Richtlinien widerspräche. In der Kommunikation nach außen, warum man das Posten des Links zum “New York Post”-Artikel gesperrt hat, gab der Konzern kein gutes Bild ab.

All das lässt Alexander von Schönburg weg.

Der “Bild”-Autor erwähnt die Ungereimtheiten mit keinem Wort, nicht einmal eine kleine Bemerkung, dass es Zweifel an der Authentizität des Materials gibt, ist drin. Stattdessen stellt er die Geschichte als bombensicher dar. Und behauptet, US-amerikanische Leitmedien würden die Story, die “Joe Biden schwer belastet”, einfach “unter den Tisch kehren”. Dieser Verschwörungsmurks ist genau das: Verschwörungsmurks. Tatsächlich beschäftigten sich Medien wie die “New York Times” und die “Washington Post” ausgiebig mit dem Material, nur eben auf kritische Art und Weise.

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Schließlich wendet sich von Schönburg noch der TV-Debatte zwischen Donald Trump und Joe Biden zu, die heute Nacht stattfinden wird:

Morgen steigt die nächste TV-Debatte. Die zuständige Kommission hat kurzfristig die Themen der Debatte geändert. Wieder soll Corona im Mittelpunkt stehen. Und Rassenkonflikte.

Das Thema Außenpolitik – und damit China – ist gestrichen. Außerdem sollen diesmal die Debattierenden stumm geschaltet werden, wenn sie nicht dran sind. Um ein Chaos wie beim letzten Mal zu verhindern.

Alexander von Schönburg gibt hier, ob bewusst oder unbewusst, eine Falschinformation wieder, die von Trump und dessen Team verbreitet wurde. Tatsächlich wurden die Themen der Debatte nicht geändert. Vergangenen Freitag kündigte die unabhängige Debattenkommission die Themen an, die die Moderatorin Kristen Welker ausgewählt hatte. Außenpolitik stand nicht auf der Liste. Von einer kurzfristigen Änderung kann also nicht die Rede sein. Das Trump-Team hatte sich jedoch bei der Debattenkommission beschwert, dass das Thema Außenpolitik nicht mit auf der Liste stand, mit dem Verweis, in der letzten Debatte vor der Wahl gebe es traditionell einen Fokus auf außenpolitische Themen. Darauf stützt sich auch Trumps Behauptung, die Kommission habe die Themen “geändert”. Dabei hatten beide Seiten im Vorfeld zugestimmt, dass die Moderatorin die Themenauswahl bestimmt. Trumps Team behauptete nun, man habe sich schon Monate im Voraus auf die Themen geeinigt. Eine Behauptung, die Bidens Team wie auch die Debattenkommission zurückwies.

Zu den Mikrofonen, die bei der Debatte stummgeschaltet werden können, raunt von Schönburg ganz am Ende seines Kommentar, versehen mit einem unschuldigen Fragezeichen:

Um Themen wie Bidens Verstrickungen mit China auszublenden?

Es ist nicht nur von Schönburgs Scharfsinn, der Verschwörung wittert, Trumps Wahlkampfteam hatte diese Behauptung ebenfalls in die Welt gesetzt. Es zielt damit vermutlich auf Geschäfte Hunter Bidens mit chinesischen Firmen ab. Vielmehr als die Tatsache, dass Hunter Biden Geschäfte in China und mit chinesischen Firmen gemacht hat, gibt es da allerdings nicht. Außer eben das Material der “New York Post”. Diese zitiert aus einer E-Mail, dass Hunter Biden einen Vertrag mit einem chinesischen Geschäftsmann abgeschlossen habe, der ihm “allein für Bekanntmachungen” Millionen zahlen wolle. Ob das Material echt ist, ist, wie erwähnt, fraglich.

Von Schönburgs Geraune ist an dieser Stelle nicht mehr als unbelegtes Verschwörungsgeschwurbel: dass die unabhängige Debattenkommission Joe Biden einen Vorteil verschaffen will. In Sachen China-Verstrickungen wäre allerdings auch Donald Trumps Rolle von Interesse für die Debatte: Er selbst wie auch seine Tochter Ivanka haben während Trumps Zeit als US-Präsident Marken in China registrieren lassen. Das brachte beiden den Vorwurf ein, in Interessenskonflikte zu geraten.

Und, genau: All das lässt Alexander von Schönburg weg.

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Gespenstische Gesichtersuche, Korrekt gendern, Marseille

1. Eine polnische Firma schafft gerade unsere Anonymität ab
(netzpolitik.org, Daniel Laufer & Sebastian Meineck)
“Toll, endlich eine elektronische Suche für Gesichter”, mögen manche etwas unbedarfte Zeitgenossinnen und Zeitgenossen denken, wenn sie auf Pimeyes stoßen. Doch Fachleute erkennen in der kostenlos abrufbaren Datenbank mit mehr als 900 Millionen Gesichtern ein enormes Missbrauchspotenzial. Daniel Laufer und Sebastian Meineck sind der Sache in einer aufwändigen Recherche nachgegangen.

2. Pressefreiheit überwiegt
(taz.de, Christian Rath)
Das “Manager Magazin” hat 2011 über den einschlägig bekannten Ulrich Marseille berichtet, den Chef der bundesweit tätigen Marseille-Kliniken AG (heute MK-Kliniken AG). In dem Porträt wurde auch eine für Marseille leicht peinliche Anekdote erwähnt: Der Konzernleiter sei 1984 im juristischen Staatsexamen bei einem Täuschungsversuch ertappt worden und habe das Studium ohne Abschluss abbrechen müssen. Marseille klagte, zunächst erfolgreich, gegen die Berichterstattung, musste jetzt jedoch eine Niederlage hinnehmen: Der Bericht über die Jugendverfehlung sei zulässig gewesen, so das Verfassungsgericht. “Es gebe zwar eine ‘Chance auf Vergessenwerden’, so die Verfassungsrichter, bei einer Abwägung im Fall Marseille überwiege aber das Recht der Presse, wahrheitsgemäß zu berichten. Schließlich sei Marseille stets öffentlich tätig gewesen und habe auch die Öffentlichkeit gesucht.”

3. Korrekt gendern – wie geht das?
(genderleicht.de, Christine Olderdissen)
Anlässlich des einjährigen Bestehens von Genderleicht.de hat Projektleiterin Christiane Olderdissen einen lesenswerten Beitrag zum geschlechtergerechten Sprachgebrauch verfasst, der für mehr Gelassenheit wirbt: “Die Weiterentwicklung der Sprache ist ein hoch demokratischer Prozess, denn die Mehrheit entscheidet, was funktioniert und was so zur Sprachnorm wird. Wir müssen zum Beispiel hinnehmen, dass der Genitiv zunehmend vom Dativ verdrängt wird. Diesen Prozess können wir sprachliebend beweinen und persönlich mit korrektem Einsatz des Genitivs gegenhalten. Aufhalten lässt sich die Entwicklung nicht. Genauso wenig wie ‘das Gendern’.”

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4. Das (zu) späte Erwachen der Medienverbände
(ndr.de, Daniel Moßbrucker)
Durch ein von netzpolitik.org veröffentlichtes Leak wurde bereits im März 2019 bekannt, dass deutsche Geheimdienste nicht nur Schwerstkriminelle und Terroristen abhören beziehungsweise “hacken” dürfen, sondern in Einzelfällen auch Medien. Doch erst jetzt scheinen die Medienverbände das Thema entdeckt und mit einer Stellungnahme (PDF) darauf reagiert zu haben. Der Einspruch komme spät – vermutlich sogar zu spät, so Daniel Moßbruckers Einschätzung.

5. Wo stehen die Verlage jetzt?
(deutschlandfunk.de, Christopher Ophoven, Audio: 4:48 Minuten)
Die Corona-Pandemie hat viele Medien- und Verlagshäuser schwer getroffen, trotz gestiegener Onlinenutzung und Zuwachs beim Verkauf von Digitalabos. Wie wird es weitergehen? Experten sind nicht allzu optimistisch: “Wenn jetzt Werbekunden sich entschieden haben, ich verzichte erstmal auf Werbung in der Zeitung, dann ist durchaus nicht ausgemacht, dass nur wenn die wirtschaftliche Situation für die Werbekunden wieder besser wird, sie auch wieder mehr Geld für Werbung in der Zeitung ausgeben. Vielleicht geben sie dann auch für Werbung in anderen Werbeformen aus, also, dass sie dauerhaft weg sind.”

6. Facebook entfernt Accounts von Hassgruppe und Trump-Vertrautem
(zeit.de)
Facebook habe mehr als einhundert Konten gesperrt, die mit Brasiliens Präsidenten Jair Bolsonaro und Donald Trumps Berater Roger Stone in Verbindung gebracht wurden. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des brasilianischen Präsidenten hätten ein “Desinformationsnetzwerk” erschaffen, das spalterische politische Botschaften verbreitet habe. Der langjährige Trump-Berater Roger Stone und dessen Partner hätten 50 persönliche und geschäftliche Seiten betrieben und gefälschte Konten und Follower genutzt, um Stones Bücher und Beiträge anzupreisen.
Dazu eine Guckempfehlung des “6 vor 9”-Kurators für das Wochenende: Die gleichermaßen unterhaltsame wie fassungslos machende Netflix-Doku: “Get me Roger Stone” (Dazu Jürgen Schmieder auf Süddeutsche.de: “Gegen den US-Politikberater Roger Stone wirkt selbst Frank Underwood aus ‘House of Cards’ wie ein Pimpf mit zu vielen Skrupeln.”)

Gates noch, Ken?, RKI beendet Pressekonferenzen, Overblocking

1. Das ist dran an Ken Jebsens großer Gates-Verschwörung
(t-online.de, Jonas Mueller-Töwe)
Ken Jebsen hat auf seinem Youtube-Kanal “KenFM” einen halbstündigen Monolog veröffentlicht, der innerhalb von wenigen Tagen rund drei Millionen Mal angeklickt wurde. Das Opus heißt “Gates kapert Deutschland” und gibt damit bereits die Marschrichtung vor. Jonas Mueller-Töwe hat sich die Mühe gemacht, das Video einem Faktencheck zu unterziehen. Sein Fazit, nachdem er viele der im Video erhobenen Behauptungen als falsch entlarvt hat: “Jebsen ist — anders als er behauptet — kein Journalist. Er ist ein politischer Aktivist mit einer radikalen Agenda, die Links- und Rechtsradikale vereinen soll.”

2. Gegen das Virus der Falschinformation
(tagesschau.de, Marcel Kolvenbach)
Internationale Ärzte, Virologen und Wissenschaftlerinnen wehren sich mit einem Offenen Brief gegen “das Virus der Falschinformation”. Das Thema sei auch in Deutschland evident: Dem SWR liege eine “NewsGuard”-Studie vor, die sich mit den “Superspreadern” in Deutschland beschäftige. Dort habe man elf Facebook-Seiten identifiziert, die Falschinformationen zur Corona-Pandemie an eine besonders große Gefolgschaft verbreiten würden. Konkret erwähnt: RT Deutsch, “Der Wächter”, “Frieden Rockt”, Dr. Ruediger Dahlke, “Compact”, “Anonymous Deutschland”, “Augen Auf”, “Freidenkerkollektiv”, “Medizin Heute”, “Anonymous Offiziell” und “Russische Nachrichten”.

3. Brief des ARD-Freienrats wegen der Corona-Krise
(ard-freie.de, Christoph Reinhard)
Der sogenannte ARD-Freienrat versteht sich als Interessenvertretung für freie Journalistinnen und Journalisten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Er mache sich derzeit große Sorgen um die nach seinen Angaben rund 18.000 Freien, denen aufgrund der Corona-Krise die Einnahmen wegbrächen. Nun hat sich die Organisation mit einem Offenen Brief an die Verantwortlichen gewandt: “Wenn sich die Situation nicht bald ändert, gehören auch wir als Journalist*innen zu den Verlierern in der Corona-Krise. Das Programm in Hörfunk und Fernsehen sowie online und auf Social Media-Kanälen wird weitgehend von Freien gestemmt. Indirekt laufen die Sender damit also auch Gefahr, ihrem Informations- und Bildungsauftrag nicht mehr gerecht werden zu können.”

4. Overblocking: YouTube muss entsperren
(kanzleikompa.de, Markus Kompa)
Medienanwalt Markus Kompa berichtet von Löschvorgängen bei Youtube im Zusammenhang mit der Corona-Krise. Davon betroffen sei auch ein Video eines seiner Mandanten gewesen, das eine Aufforderung zum Widerstand enthalten habe. Dagegen habe sich dieser erfolgreich juristisch zur Wehr gesetzt: “Zwar hat ein privater Konzern grundsätzlich Hausrecht und kann sich aussuchen, wen er reinlässt. Nun ist YouTube/Google aber marktbeherrschend. Daher strahlen die Grundrechte auch auf einen Konzern aus, sogenannte mittelbare Drittwirkung. Ein Eingriff in die Meinungsfreiheit ist daher nur gerechtfertigt, wenn dieser nicht willkürlich geschieht. Sofern die Hausregeln und die Gesetze beachtet wurden, muss YouTube daher den Nutzer gewähren lassen.”

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5. Links zugespitzt
(sueddeutsche.de, Tobias Obermeier)
In den USA sei das Magazin “Jacobin” eines der einflussreichsten Meinungsmedien der demokratischen Sozialisten. Nun erscheint es auch in deutscher Sprache. Tobias Obermeier über die erste Ausgabe: “Die Texte scheuen sich nicht vor Zuspitzungen. Besonders schön sind Illustrationen und grafische Aufarbeitungen wie zu den ‘sozialdemokratischen Verbrechen’ oder eine Übersicht deutscher Milliardäre, die zusammen locker ein Klimaschutzprogramm der Vereinten Nationen finanzieren könnten und immer noch Milliardäre wären.”

6. Ein völlig verkehrtes Signal
(taz.de, Malte Kreutzfeldt)
Als “völlig verkehrtes Signal” bezeichnet Malte Kreutzfeldt die Entscheidung des Robert-Koch-Instituts, seine regelmäßigen Pressekonferenzen bis auf Weiteres einzustellen: “Das Robert-Koch-Institut sollte seine Entscheidung (…) schnell revidieren. Gerade jetzt, wo die Beschränkungen weiter gelockert werden und der Bund die Verantwortung weitgehend an die Länder überträgt, ist eine qualifizierte Bewertung des aktuellen Geschehens besonders wichtig.”

Medien in der Corona-Krise, Hass und Angriffe, Attila Hildmanns Medienspiel

1. ZAPP spezial: Medien in der Corona-Krise
(ndr.de, Annette Leiterer & Gudrun Kirfel & Daniel Bouhs & Tim Kukral & Caroline Schmidt & Sebastian Asmus & Andrea Brack Peña)
Das NDR-Medienmagazin “Zapp” widmet sich in einer halbstündigen Sendung den verschiedenen Auswirkungen der Corona-Krise auf die Medienbranche. Es geht unter anderem um Rekordreichweiten durch Corona, um Rettungspakete für Medien, um Kurzarbeit und um TV-Millionen für das Fußballgeschäft.

2. “Träumen Sie süß”
(sueddeutsche.de, Nadia Pantel & Nicolas Richter)
Die WDR-Journalistin Ann-Kathrin Stracke wirft dem früheren französischen Staatspräsidenten Valéry Giscard d’Estaing vor, sie Ende 2018 nach einem Interview-Termin sexuell belästigt zu haben. Eine vom Sender beauftragte Kanzlei sei in ihrem Abschlussbericht zu dem Ergebnis gekommen, Strackes Schilderungen (und die ihres Kameramanns) seien “insgesamt glaubhaft und legen den Schluss nahe, dass der Sachverhalt sich genau so zugetragen hat wie beschrieben”.

3. Attila Hildmanns Krisenmanagement
(belltower.news, Thilo Manemann)
Der Koch und Verschwörungsideologe Attila Hildmann spielt bereits seit Jahren mit den Medien und weiß, mit welchen Provokationen und großspurigen Auftritten er Aufmerksamkeit generieren kann. Derzeit inszeniere er sich als martialischer Widerstandskämpfer, als “Hüter der Wahrheit in einer Welt der Lüge und Manipulation”. Thilo Manemann hat sich angeschaut, wie Hildmann seine “Desinformationen und Maulheldenpostings” unters Volk bringt und versucht, dabei Werbung für seine Produkte zu machen. Was mal mehr und mal weniger gelingt, denn ein großes Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen habe Hildmanns Produkte bereits ausgelistet.

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4. Hass und Angriffe auf Medienschaffende
(mediendienst-integration.de, Jennifer Pross)
Eine neue Studie des Bielefelder Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung zu Hass und Angriffen auf Medienschaffende (PDF) berichtet von besorgniserregenden Zahlen. 62 Prozent der anonym befragten Journalisten und Journalistinnen sähen die Freiheit und Unabhängigkeit journalistischer Arbeit in Deutschland in Gefahr. Mehr als die Hälfte habe Verständnis dafür, wenn Kolleginnen und Kollegen aus Sorge vor Angriffen nicht über bestimmte Themen berichten würden.
Weiterer Lesehinweis: ARD-Kamerateam auf Demonstration angegriffen (spiegel.de). Siehe auch das etwa zweiminütige Video, das einen Angriff bei einer Anti-Corona-Demo von Verschwörungstheoretikern rund um Attila Hildmann dokumentiert (twitter.com/democ_de).

5. Sich schön inkorrekt durchamüsieren
(zeit.de, Johannes Schneider)
Johannes Schneider hat einen lesenswerten Beitrag über das Kabarett im Allgemeinen und die Kabarettistin Lisa Eckhart im Besonderen, der er “unmoralische Boshaftigkeit” vorwirft, verfasst: “Diese Grenzverletzungen fördern keinerlei Erkenntnis, demaskieren weder Macht noch kulturelle Vorurteile, reproduzieren sie vielmehr. Komisch finden kann das nur ein verklemmtes Publikum, das denkt: Hihi, darüber macht man doch keine Witze. Dieses verklemmte Publikum gibt es natürlich, und wer gelernt hat, seinen Erfolg in Applaus und Aufmerksamkeit zu messen, findet hier gewiss dankbare Goutanten von Gratismut. Satire darf ja schließlich alles, und also muss sie auch auf den Gräbern der Ermordeten und den Nerven der Lebenden rumtrampeln dürfen.”
Weiterer Lesetipp: Antisemitismus-Vorwürfe: WDR verteidigt Kabarettistin Lisa Eckhart (rnd.de).

6. Zeugen des Krieges – Kriegsfotografie im Wandel
(3sat.de, Christiane Schwarz, Video: 58:34 Minuten)
Die Art und Weise, wie Kriege geführt werden, hat sich über die Jahrzehnte verändert und parallel dazu auch die professionelle Kriegsfotografie. In einer 3sat-Doku berichten vier Kriegsfotografinnen und -fotografen über ihre Einsätze in Krisenherden und Kriegsgebieten rund um den Globus. Dabei geht es auch um die Fotografien von Augenzeugen in den Sozialen Medien: “Der Kampf um die Hoheit des Bildes ist entbrannt wie noch nie zuvor. Gehen damit der künstlerische Anspruch und die journalistische Neutralität verloren? Ersetzt das primäre Augenzeugen-Foto heute gewissermaßen den Blick der Fotojournalist*innen?”

Schoßhund-Fragen sind bei “Bild” Chefsache

Wenn der Außenminister der USA bei “Bild live” ein Interview gibt, dann ist das selbstverständlich Chefsache.

Screenshot Bild live - zu sehen sind Bild-Chefredakteur Julian Reichelt und US-Außenminister Mike Pompeo

Julian Reichelt durfte Mike Pompeo ein paar Fragen stellen. Und das hat der “Bild”-Chefredakteur genutzt — größtenteils um seine eigene Agenda abzuspulen: gegen Angela Merkel, gegen Heiko Maas, gegen die Berliner Landesregierung, gegen China.

Das schon mal vorweg: Keine der Fragen, die Reichelt in dem Interview unterbringen konnte, zielte auf mögliche Fehler oder Versäumnisse der US-Regierung in der Corona-Krise und die damit verbundene schlimme Lage in den USA. Keine Frage zu Donald Trumps Herunterspielen der Situation. Keine zu der späten Reaktion des US-Präsidenten auf das Coronavirus. Nicht mal ein vorsichtiges: “Hätte Ihre Regierung irgendetwas besser machen können, Herr Pompeo?”

Stattdessen: reichlich Suggestivfragen im Stile von “Derundder hat dasunddas gegen die USA gemacht. Ist das nicht schlimm?” Und, na klar: die Pflichten von Angela Merkel. Reichelt beginnt das Interview mit dieser Frage:

Amerika hat weltweit die meisten Toten in der Corona-Krise zu beklagen. Gibt es etwas, was das amerikanische Volk in dieser dramatischen Krise von Deutschland erwartet? Was ist Ihre Botschaft an Kanzlerin Angela Merkel?

Was für eine Verknüpfung: “die meisten Toten in der Corona-Krise” in den USA — was soll Angela Merkel jetzt liefern? Mike Pompeo steigt darauf nicht ein. Er lobt Deutschland und die Bundeskanzlerin als “großartige Partner”.

Weiter geht es mit mit Reichelts Frage zum deutschen Außenminister Heiko Maas, denn der hat es doch tatsächlich gewagt, die USA zu kritisieren:

Der deutsche Außenminister Heiko Maas hat die USA und China in einem Atemzug kritisiert. Er hat gesagt: China hätte zu autoritär auf die Corona-Krise reagiert, die USA hingegen hätten das Problem verharmlost. Macht es Sie ärgerlich, wenn die Diktatur China und die Demokratie USA in einem Atemzug so kritisiert werden?

Was soll Mike Pompeo darauf schon antworten? “Nee, finde ich super”? Stattdessen erzählt er, US-Präsident Trump habe “sehr starke Maßnahmen ergriffen, um unser Volk zu schützen.” Die chinesische Regierung hingegen hätte nicht schnell genug Informationen geliefert. Das sei “natürlich sehr bedauerlich”.

Wenn Reichelt ein wirkliches Interesse an dem Thema hätte, könnte er da natürlich mal nachhaken und anmerken, dass Donald Trump das Coronavirus noch verharmloste, als längst sehr hohe offizielle Infektionszahlen aus China bekannt waren. Macht er in seiner Schoßhundhaftigkeit aber nicht.

Dafür die nächste Suggestivfrage:

Die Berliner Regierung hat den USA sogar Piraterie vorgeworfen, fälschlich vorgeworfen, weil angeblich die USA Masken konfisziert haben sollten auf dem Weg nach Berlin, mussten sich später dafür entschuldigen. Sind Sie besorgt über diese Form von Anti-Amerikanismus in der deutschen Hauptstadt?

Es scheint, als gehe der “Bild”-Chef noch einmal die “Bild”-Aufregerthemen der vergangenen Tage durch, mit dem Ziel, die “Bild”-Positionen durch den US-Außenminister bestätigen zu lassen.

Nachdem Reichelt gefragt hat, ob es nicht eine Möglichkeit wäre, die “Zölle auf amerikanische Produkte in Deutschland oder in der EU zu senken, um die US-Wirtschaft weiter anzukurbeln”, geht es weiter mit der Bestätigung von Feindbildern:

Sie haben es selber gesagt: Diese Krise hat begonnen in Wuhan, China. Braucht es eine globale Debatte darüber, ob der chinesischen Regierung für die massiven Schäden, die weltweit angerichtet worden sind, eine Rechnung präsentiert werden muss?

Mike Pompeo lässt sich darauf nicht ein. Er antwortet (laut “Bild”-Simultanübersetzung), dass es mehr als eine solche “globale Debatte” brauche:

Wir müssen herausfinden: Wie konnte das passieren, um sicherzustellen, dass so etwas nie wieder passiert, oder wir zumindest das Risiko minimieren, dass so etwas je wieder passiert. Das ist wirklich essenziell: Dass wir verstehen, wo dieses Virus herkam, um das Risiko zu minimieren. (…) Es wird wirklich hohe Kosten geben. Und deswegen müssen wir sicherstellen, dass kein Land auf der Welt wieder der Ursprung einer solchen Krise sein kann.

Pompeo sagt nichts zu der “Rechnung” für die chinesische Regierung, nach der Reichelt gefragt hat. Also fragt der “Bild”-Chef noch mal:

Noch einmal: Soll China für diese Schäden, die dort entstanden sind, finanziell aufkommen?

Pompeo antwortet:

There will be a time when the people responsible will be held accountable. I am very confident that this will happen. At the moment, it’s absolutely necessary to focus on the current task in order to systematically restart the American, and then also the global, economy. There will be a time for assigning blame.

Also:

Es wird eine Zeit geben, in der die verantwortlichen Personen zur Rechenschaft gezogen werden. Ich bin sehr zuversichtlich, dass dies geschehen wird. Im Moment ist es absolut notwendig, sich auf die aktuelle Aufgabe zu konzentrieren, um die amerikanische und dann auch die globale Wirtschaft systematisch wieder in Gang zu bringen. Es wird eine Zeit für Schuldzuweisungen geben.

Daraus macht die “Bild”-Zeitung heute:

Ausriss Bild-Zeitung - US-Außenminister Pompeo im Bild-Intervier - Corona-Verantwortliche werden zur Rechenschaft gezogen

Bei Bild.de, wo die Redaktion eine englische Version des Artikels, der auch in der gedruckten “Bild” erschienen ist, veröffentlicht hat, klingt das etwas weniger vage:

Screenshot Bild.de - Bild interview with US Secretaroy of State Pompeo - China will be liable for the damage done by coronavirus

Die Aussage “China will be liable” hat hat sich die “Bild”-Redaktion ausgedacht.

Mit Dank an Gregor G. und anonym für die Hinweise!

Naidoos Aus bei “DSDS”, Politiker raus, Woody Allens Autobiographie

1. Xavier Naidoo: Endgültiges Aus bei DSDS
(rtl.de)
Das Tischtuch zwischen Xavier Naidoo und dem Sender RTL scheint nun endgültig zerschnitten. Hieß es in der vorangegangenen Stellungnahme noch, Naidoo werde bei der nächsten Sendung von “Deutschland sucht den Superstar” als Juror ausgeschlossen, bezieht sich der Ausschluss nun auf die gesamte Staffel: “Xavier Naidoo ist auf unser Angebot, seine missverständlichen und widersprüchlichen Aussagen plausibel zu erklären, bis heute nicht eingegangen. Wir sehen an den vielen Reaktionen, dass das Thema bewegt, deshalb hätten wir eine unmittelbare, öffentliche Diskussion mit ihm gut gefunden. Das ist für uns Meinungsfreiheit. Dazu ist es aber nicht gekommen. Deshalb wird es für ihn keine Rückkehr zu DSDS geben.”

2. Politiker raus aus den Talkshows
(fr.de, Katja Thorwarth)
Katja Thorwarth, Kolumnistin der “Frankfurter Rundschau”, hat die Nase voll von den derzeitigen Talkshow-Zusammensetzungen: “Praktiziert wird das Gegenteil von intellektuellem Austausch, vielmehr wirkt die gesellschaftliche Polarisierung auf der Wohnzimmercouch weiter. Daher mein Vorschlag: Alle (!) Politiker raus aus den Talkshows. Stattdessen besprechen Menschen, die weder vom parteipolitischen noch vom Profilierungsdruck gesteuert sind, die relevanten Themen.”

3. Klage gegen “Zeit-Magazin” abgewiesen
(faz.net, Emeli Glaser)
Die Schauspielerin Jany Tempel berichtete der “Zeit” zunächst anonym, der Regisseur Dieter Wedel habe sie angeblich sexuell missbraucht. Nach der Veröffentlichung wurde sie jedoch in gewisser Weise zum Gesicht der Auseinandersetzung und geriet in einen Konflikt, den sie ursprünglich habe vermeiden wollen. Ein Irrtum bei der Beurteilung der Verjährungsfristen spielt dabei eine zentrale Rolle: “Die Münchner Staatsanwaltschaft nahm nach Erscheinen des Artikels ein Ermittlungsverfahren gegen Wedel auf und machte Tempel zur wichtigsten Belastungszeugin. Tempels Anwalt warf daraufhin der ‘Zeit’ vor, sie bezüglich der Verjährung schlecht beraten und anschließend, anders als angeblich zugesichert, nicht unterstützt zu haben. Er verklagte die Zeitung auf Schadensersatz in Höhe von 30.000 Euro, das entspricht der Höhe seines Anwaltshonorars. Nun hat das Landgericht Hamburg entschieden, dass die ‘Zeit’ nicht zahlen muss.”

4. “An erster Stelle steht für mich die Unterhaltung”
(fachjournalist.de, Ulrike Bremm)
Im Interview mit dem “Fachjournalist” erzählt der Biologe Dr. Mario Ludwig von seiner Arbeit als “Experte für alles Tierische”. Seine Medien-Karriere habe mit einem Buch über Sex im Tierreich begonnen: “Mit dem Thema Sex wurde ich auch für das Fernsehen interessant. Zunächst hat mich Frank Elstner 2006 in seine Talkshow eingeladen, es folgten ‘3 nach 9’, ‘TV total’ und andere. Danach kamen dann Anfragen wie: ‘Wollen Sie nicht mal eine kleine Radiosendung machen, Herr Ludwig?’ Oder Angebote wie: ‘Es wäre schön, wenn Sie eine kleine Kolumne für uns schreiben könnten, Herr Ludwig …'”

5. Der “Perlentaucher” ist uns lieber denn je
(freitag.de, Michael Angele)
Das Online-Kulturmagazin “Perlentaucher” feiert seinen zwanzigsten Geburtstag — Anlass für den “Freitag”-Chefredakteur Michael Angele auf die vergangenen beiden Jahrzehnte des “grundsympathischen” Projekts zurückzuschauen.

6. Rowohlt bringt Woody Allens Autobiographie
(buchreport.de)
Es bleibt dabei: Woody Allens Autobiographie wird wie geplant im Rowohlt-Verlag erscheinen. Daran hat auch der offene Brief einiger Rowohlt-Autorinnen und -Autoren nichts ändern können. Rowohlt-Verleger Florian Illies äußert sich in einem “In eigener Sache” zur Entscheidung des Verlags: “Wir stehen zu der Entscheidung, die Autobiographie von Woody Allen, dessen Erzählungen seit 1980 im Rowohlt Taschenbuch Verlag erscheinen, im April in einer deutschen Übersetzung zu veröffentlichen.” In einem direkten Gespräch mit einigen Autorinnen und Autoren des Offenen Briefs seien die kontroversen Positionen ausgetauscht worden, so die Rowohlt-Presseerklärung: “Dabei wurde deutlich, dass der Brief nicht als Angriff auf die Meinungsfreiheit zu verstehen ist. Wir sehen den Offenen Brief als Zeichen der Verbundenheit der Autorinnen und Autoren mit dem Verlag.”

Alternative Realität, Kneipenwirt, Journalismus mit Behauptung

1. Gezielte Falschmeldungen über Amokfahrt
(tagesschau.de, Patrick Gensing)
Nach der Amokfahrt von Volkmarsen gab es im Internet wilde Spekulationen über die Hintergründe. Ein gerne verwandtes, zusammenfantasiertes Narrativ: Der Täter habe einen Migrationshintergrund, es habe sich um einen islamistischen Anschlag gehandelt. Selbst mit den größten Bemühungen um Aufklärung und Information dringe man manchmal nicht in die alternative Realität mancher Nutzerinnen und Nutzer vor, so Patrick Gensing: “Einige Nutzer vertrauen einer anonymen Webseite aus dem Ausland mehr als sämtlichen Polizisten und Reportern, die vor Ort arbeiten. In Kommentaren werfen sie Polizei, Regierung und Medien vor, sie würden gemeinsam agieren und Informationen zurückhalten, um die Menschen zu belügen. So wachsen Verschwörungstheorien — und geglaubt wird nur noch das, was ins eigene Weltbild passt.”

2. Zensur und Einschränkung von Journalisten
(reporter-ohne-grenzen.de)
Reporter ohne Grenzen wendet sich gegen die chinesische Zensur im Rahmen der Berichterstattung über das Coronavirus. Anfang Februar seien sogar mehrere Journalisten und politische Kommentatoren festgenommen worden. ROG-Geschäftsführer Christian Mihr: “Vollständige Transparenz und eine informierte Öffentlichkeit können verhindern, dass sich Gerüchte verbreiten und die Krise damit verschärfen. Dafür müssen Medienschaffende ungehindert recherchieren können.”

3. Wie Zuckerberg von Hass und Lügen profitiert
(faz.net, Christopher Lauer)
In seinem Gastbeitrag für die “FAZ” stellt Christopher Lauer einen interessanten Vergleich an: “Wir müssen uns Mark Zuckerberg also als einen Wirt vorstellen, in dessen Restaurant sich Nazis, Rechtsextreme und Verschwörungsideologen treffen, andere Gäste bedrohen und beleidigen, sich im Restaurant zu Straftaten verabreden, der aber, statt sich seines Hausrechts zu bedienen und die Idioten einfach rauszuschmeißen, mehr Regulierung fordert. Ach so, wenn die Polizei in seiner Wirtschaft vorbeikommt und fragt, wer sich da denn letzte Woche bei ihm getroffen habe, gibt es dann auch immer nur die Antwort ‘Bitte schicken Sie uns ein internationales Rechtshilfeersuchen’. Auch die Gäste, die bei ihm beleidigt und bedroht worden sind, bekommen nichts anderes zu hören.”

4. Bitte lauter!
(sueddeutsche.de, Kathrin Hollmer)
Viele TV-Zuschauerinnen und -Zuschauer würden sich regelmäßig über Probleme mit der Akustik beschweren — die Dialoge seien unverständlich, die Sprache werde von Geräuschen überlagert. Kathrin Hollmer ist dem Problem nachgegangen, das viel mit Technik zu tun hat. Bei der Verbesserung des Bildes habe es in den vergangenen Jahren große Verbesserungen gegeben, nur beim Ton scheue man anscheinend Mühe und Investitionen.

5. ARD will an verlängerten “Tagesthemen” festhalten
(deutschlandfunk.de, Bettina Köster, Audio: 5:52 Minuten)
Bei ARD und ZDF gibt es Zoff: Die ARD will die “Tagesthemen”-Ausgabe am Freitag um eine Viertelstunde verlängern, was zu einer Kollision mit dem parallel im ZDF stattfindenden “Heute Journal” führt. Bettina Köster hat mit ARD-Chefredakteur Rainald Becker über den öffentlich-rechtlichen Nachrichtenkonflikt gesprochen.

6. Behauptungsjournalismus
(indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
Thomas Knüwer beschäftigt sich mit dem “Behauptungsjournalismus”, der nach folgendem Prinzip funktioniere: “Ich spreche einer Person oder einem Ding eine Funktion oder Eigenschaft [zu], die sie nicht besitzt — und hoffe, dass die Leser doof genug sind, dies nicht zu bemerken.” Damit es nicht bei einer bloßen Behauptung bleibt, bringt Knüwer drei Beispiele mit: einen Beitrag aus dem “Business Insider”, ein Fundstück aus dem Düsseldorfer “Express” und einen Textauszug aus Gabor Steingarts “Morning Briefing”.

Anderer Blick auf den Fall Assange, Binsen-Profilerin, Offener DW-Brief

1. “Vor unseren Augen kreiert sich ein mörderisches System”
(republik.ch, Daniel Ryser & Yves Bachmann)
Wer heute nur einen Text lesen will oder kann: Hier ist er! Der UNO-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, erzählt von den Erkenntnissen seiner Untersuchung im Fall des “Wikileaks”-Gründers Julian Assange. Und die sind brisant, aufrüttelnd und verstörend. Seiner Meinung nach habe die schwedische Polizei die Vergewaltigungsvorwürfe herbei konstruiert: Beweise seien manipuliert, Aussagen umgeschrieben worden. Julian Assange werde bei einer Auslieferung in die USA kein rechtsstaatliches Verfahren bekommen. Assange werde auch jetzt nicht rechtsstaatlich fair behandelt, sondern auf verschiedene Weise psychologisch gefoltert. Melzer fragt: “Was ist die Rechts­grundlage dafür, jemandem das fundamentale Recht seiner eigenen Verteidigung zu verweigern? Warum wird ein ungefährlicher, nicht gewalt­tätiger Mann monatelang in Isolations­haft gehalten, wo doch die Uno-Standards jede Isolations­haft von mehr als 15 Tagen grundsätzlich verbieten? Keiner dieser Uno-Mitglieds­staaten hat eine Untersuchung eingeleitet, meine Fragen beantwortet oder auch nur den Dialog gesucht.”

2. Wohltäter, Streber, Freigeister
(faz.net, Tobias Rüther & Peter Körte & Andreas Lesti & Timon Karl Kaleyta & Harald Staun)
Einige Sportlerinnen und Sportler zieht es nach ihrer Sportkarriere in die Medien, zum Beispiel als Expertinnen und Experten hinter dem Mikro. Doch sind sie tatsächlich die besseren Fachleute? Die “FAZ” hat sich ein paar von ihnen näher angeschaut, darunter die ehemalige Biathletin Laura Dahlmeier (ZDF), den Ex-Skirennfahrer Felix Neureuther (ARD), die Ex-Fußballer Oliver Kahn (ZDF), Steffen Freund (RTL Nitro), Thomas Broich (ARD) und Dietmar Hamann (Sky), die Ex-Tennisspielerin Andrea Petkovic (ZDF) und den ehemaligen Zehnkämpfer Frank Busemann (ARD).

3. Grieger-Langer und die gefakte Kundenliste
(haufe.de, Ruth Lemmer)
“Suzanne Grieger-Langer nennt sich ‘Profilerin’ und zieht mit einer martialischen Show durch Deutschland, in der Binsenweisheiten über Persönlichkeit und Führung verbreitet werden. Sie findet zahlreiche Zuhörer, obwohl ihr Umgang mit der eigenen Vita und mit ihrer Kundenliste Zweifel an ihrer Kompetenz und Wahrheitsliebe aufkommen lassen.” Ruth Lemmer berichtet über eine, nennen wir es euphemistisch “schillernde”, Person, die berechtigte Kritik gerne mit Abmahnungen beantworten lässt.
Weitere Lesehinweise zum Hintergrund: Grieger-Langer: Profilerin mit Hang zur Lüge (mba-journal.de, Bärbel Schwertfeger). Und: Eine zweifelhafte Expertin fürs “Charakter-Profiling” (uebermedien.de, Bärbel Schwerdtfeger).

4. Sag zum Abschied leise Kamener Kreuz
(zeit.de, Nils Markwardt)
Nach über 50 Jahren hat der Deutschlandfunk (DLF) seine Stau- und Verkehrsmeldungen eingestellt. Nils Markwardt winkt dem Format zum Abschied zärtlich hinterher: “Die DLF-Verkehrsmeldungen waren (…) der Soundtrack des Franz-Josef-Wagner-Deutschlands: ein melancholisch-kitschiges Hörspiel über jene mystische ‘Mitte’, die in Talkshows und Leitartikeln unentwegt beschworen wird. Meldete die sonore Stimme Störungen bei Dettingen an der Iller und Erlangen-Frauenaurach oder Sperrungen auf A1 und B12, konnte sich der einfühlsame Hörer die Schicksale hinter dem zähfließenden Verkehr vorstellen: den genervten Pendler, der eigentlich zum Anstoß zu Hause sein wollte; die müde Truckerin, der im Laderaum langsam 200 Kilo Mett weggammeln; oder den hungrigen Schichtarbeiter, der auf eine Senfpeitsche an der Tanke hinfiebert.”
Hörtipp: Der Deutschlandfunk verabschiedet sich auf besondere Weise von den Staumeldungen: Auf Twitter verliest DLF-Chefsprecher Gerd Daaßen die schönsten Orte und Autobahnkreuze. (Video: 1:06 Minuten).
Weiterer Lesetipp: Torsten Kleinz beleuchtet einen anderen Aspekt: “Aus meiner Sicht ist diese Episode ein plastischer Beleg dafür warum DAB+ keine Chance hatte. Wenn man schon den Rundfunk digitalisiert, dann hätten die Verkehrsnachrichten an erste Stelle gehört. Statt alle Verkehrsnachrichten für alle auszustrahlen, könnte man ein Opt-In realisieren. Technisch ist das ohne weiteres möglich — man hat es halt nicht getan.”

5. Mehr als 250 Mitarbeitende kritisieren die Deutsche Welle für ihren Umgang mit Vorwürfen von Belästigung, Mobbing und Einschüchterung
(buzzfeed.com, Pascale Müller & Juliane Loeffler)
Von mehr als 250 Mitarbeitenden der Deutschen Welle (DW) ist die Rede, die sich in einem Offenen Brief an den DW-Intendanten Peter Limbourg gewandt haben. Es sind schwere Vorwürfe, die dort erhoben werden: “Wir glauben, dass Machtmissbrauch bei der Deutschen Welle allgegenwärtig ist”. Die “Buzzfeed”-Reporterinnen Pascale Müller und Juliane Loeffler erklären den Hintergrund des Beschwerdebriefs. Dem Artikel ist außerdem der Offene Brief im Original (in englischer und deutscher Sprache) beigefügt.
Weiterer Lesehinweis: Die “taz” konnte die Antwort der Geschäftsleitung einsehen: “Wenn sich offenbar mehr als 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter veranlasst sehen, sich anonym an den Intendanten zu wenden, scheint tatsächlich einiges nicht zu funktionieren” (taz.de, Peter Weissenburger).

6. Deutsches Fernsehballett vor dem Aus
(spiegel.de)
Das 1962 zu DDR-Zeiten gegründete Deutsche Fernsehballett steht vor dem Aus. Geschäftsführer Peter Wolf habe dem “Spiegel” gegenüber bestätigt, dass das Ensemble Ende 2021 aufgelöst werde. TV-Aufträge kämen nur noch vom MDR. Allein mit diesen Auftritten lasse sich die Gruppe mit 18 Tänzerinnen und Tänzern nicht finanzieren. 
Tipp des Kurators für einen nostalgischen Rückblick: Auf der Seite des Deutschen Fernsehballetts gibt es eine Zeitreise durch die vergangenen Jahrzehnte und eine Zusammenstellung von Videomitschnitten.

Kim Jong-uns Tante und Wikipedia-Absätze tauchen wieder auf

Es ist nicht nur so, dass Kim Kyŏng-hŭi, die Tante des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un, wieder aufgetaucht sein soll:

Screenshot Bild.de - Sie wurde für tot gehalten - Tante von Diktator Kim taucht nach sechs Jahren wieder auf

Auch Passagen aus dem Wikipedia-Artikel über Kim Kyŏng-hŭi sind wieder aufgetaucht — bei Bild.de. Dort schreibt ein anonymer Autor heute über das Leben der Politikerin, die nun wieder lebendig bei einer Veranstaltung gesessen haben soll, obwohl verschiedene Medien, darunter Bild.de, schon vor Jahren meldeten: “DIKTATOREN-TANTE TOT”. Für ihren aktuellen Text hat sich die Bild.de-Redaktion ganz offensichtlich, aber ohne Quellennennung, bei Wikipedia bedient:

Bild.de Wikipedia
Kims Tante begann ihre politische Karriere 1971 im Demokratischen Frauenverband Nordkoreas. Sie ist Abgeordnete der Obersten Volksversammlung und seit 1987 Leiterin der Abteilung für Leichtindustrie beim Zentralkomitee der Partei der Arbeit Koreas (PdAK). Mitglied des ZK ist sie seit 1988. 1972 heiratete sie Jang Song-thaek, der – wie sie – General war und vom 7. Juni 2010 bis zum Dezember 2013 als stellvertretender Vorsitzender der Nationalen Verteidigungskommission fungierte.

Ihre einzige Tochter Jang Kum-song (1977–2006) studierte in Paris, wo sie sich das Leben nahm.
Kim Kyŏng-hŭi begann ihre politische Karriere 1971 im Demokratischen Frauenverband Nordkoreas. 1976 wurde sie stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für internationale Kontakte beim ZK der PdAK. Sie ist Abgeordnete der Obersten Volksversammlung und seit 1987 Leiterin der Abteilung für Leichtindustrie beim Zentralkomitee der Partei der Arbeit Koreas (PdAK). Mitglied des ZK ist sie seit 1988.

1972 heiratete sie Jang Song-thaek, der wie sie General war und vom 7. Juni 2010 bis zum Dezember 2013 als stellvertretender Vorsitzender der Nationalen Verteidigungskommission fungierte.
Daneben war er Leiter der Verwaltungsabteilung der PdAK. Ihre einzige Tochter Jang Kum-song (1977–2006) studierte in Paris, wo sie sich das Leben nahm.

(Hervorhebungen durch uns.)

Was würde “Bild”-Chef Julian Reichelt dazu noch mal sagen, wenn man so frech klaut?

Screenshot eines Tweets von Julian Reichelt - So sieht es aus, wenn Focuso nline und der digitale Hühnerdieb Daniel Steil

Dazu auch:

Twitters Taktik, Frontstadt Cottbus, Kriegsreporter

1. Sechs Monate Twittersperre
(tomhillenbrand.de)
Es muss sich sehr frustrierend anfühlen: Der Autor Tom Hillenbrand wird von Twitter zu Unrecht gesperrt, bekommt vor einem deutschen Gericht Recht, erfährt aber trotzdem keine Gerechtigkeit. Das sich hinter seiner Dubliner Firmenadresse verschanzende Sozialen Netzwerk nehme die Einstweilige Verfügung aus Deutschland einfach nicht zur Kenntnis. Twittersperren-Opfer Hillenbrand kommentiert: “Meiner Ansicht nach ist der Gesetzgeber gefordert. Wenn eine Social-Media-Plattform hierzulande Kunden und Geschäft hat, müsste sie eine in Deutschland ansässige Dependance haben, die Korrespondenz entgegennimmt. Bei Fällen, die das NetzDG betreffen, ist das offenbar vorgeschrieben, bei Accountsperren wie meiner hingegen nicht.”

2. Der rbb und Cottbus
(ardaudiothek.de, Sebastian Schöbel, Audio: 25 Minuten)
In bestimmten Cottbusser Kreisen zählen die Reporterinnen und Reporter des rbb zum erklärten Feindbild. Dies äußert sich zum Beispiel bei flüchtlingsfeindlichen Demos, beim Ärger mit rechtsextremen Fußballfans oder beim Berichten über den Rückzug aus der Braunkohle. In der aktuellen Folge des Podcasts “Die erzählte Recherche” geht es um die schwierige Situation der regionalen Berichterstattung und die Frage: “Was passiert, wenn sich eine Stadt gegen einen Rundfunksender wendet?”

3. “Ich würde mich über AfD-Anhänger freuen”
(tagesspiegel.de, Thomas Gehringer)
Thomas Gehringer hat sich für den “Tagesspiegel” mit WDR-Talker Jürgen Domian unterhalten, der heute sein TV-Comeback feiert (WDR, 23:30 Uhr). Domian hat in den vergangenen beiden Jahrzehnten mehr als 20.000 Telefongespräche geführt und dabei unter anderem gelernt, dass Menschen “erschreckend abgründig sein können. Das habe ich vorher nicht so gesehen. Auf der anderen Seite habe ich gelernt, wie großartig Menschen sein können. Mutig, tapfer, Vorbilder für andere.”

4. Nein, “Zeit-Online”-Autor Christian Bangel forderte keinen “gezielten Völkermord durch Migration”
(correctiv.org, Till Eckert)
Hat “Zeit Online”-Autor Christian Bangel tatsächlich in einem Artikel den “Genozid am deutschen Volk” gefordert, wie die Website “Anonymous News” und ein ehemaliger Katzenkrimi-Autor, der schon mal wegen Volksverhetzung verurteilt wurde, behaupten? Natürlich nicht! “Correctiv”-Faktenchecker Till Eckert hat die Sache trotzdem noch mal aufgedröselt, zitiert die entsprechenden Passagen, erklärt die von beiden Seiten verwendeten Begriffe und zeigt, warum die Behauptung einfach nur falsch ist.

5. Kriegsreporter – Mythos und Wirklichkeit eines Berufsbildes
(de.ejo-online.eu, Martin Gerner)
Um den Beruf des Kriegsreporters beziehungsweise der Kriegsreporterin ranken sich vielerlei Mythen, doch die Wirklichkeit sieht oft anders aus. Martin Gerner erzählt, wie sich Kriegsberichterstattung tatsächlich abspielt. Dazu gehören auch die lokalen Reporter und Reporterinnen, die oftmals die schwere und gefährliche Vorarbeit übernehmen, deren Einsatz jedoch nicht angemessen gewürdigt werde: “Meinem Freund und Kollegen, dem afghanischen Fotojournalisten Massoud Hossaini, habe ich jahrelang nahegelegt, bei seiner renommierten Nachrichtenagentur auf gleichen Versicherungsschutz zu pochen. Er zögerte. Immer wieder. Erst als er den Pulitzer-Preis in den Händen hielt, traute er sich: “Jetzt werden sie mich wohl nicht vor die Tür setzen, wenn ich danach frage.””

6. Sind Memes nun illegal oder nicht?
(twitter.com/docupy, Video: 1:43 Minuten)
Ist das Anfertigen und Posten einer Mem-Bildtafel mit urheberrechtlich geschütztem Material legal oder illegal? Diese Frage hat der Youtuber Rezo Mitgliedern des Bundestages quer durch das Parteienspektrum gestellt. Es gab zwar Antworten, aber echte Sachkompetenz kann man wohl nur einer der Befragten attestieren …

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