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Clickbait aus Leidenschaft

Und warum?

Weil “Focus Online” völlig scham- und schmerzfrei ist und jeden Schrott postet, und zwar mitunter nicht nur ein- oder zwei-, sondern dreißig Mal. Anders gesagt:

Der Erfolg von FOCUS Online ist Ergebnis einer klaren redaktionellen Strategie, schon bei der Erstellung der Inhalte darauf zu achten, über welche Kanäle wir Sie als User am besten informieren können. Soziale Netzwerke nehmen dabei eine immer wichtigere Rolle ein.

Facebook zum Beispiel.

Durch die 24 Facebook-Kanäle von FOCUS Online erhalten täglich mehr als zwei Millionen Fans aktuelle News und nachhaltigen Service direkt in ihren Newsfeed.

Um mal zu zeigen, wie das im Alltag aussieht, haben wir uns den vergangenen Donnerstag etwas näher angeschaut (den Tag haben wir willkürlich gewählt, man könnte auch jeden anderen nehmen).

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Um 5 Uhr morgens postete „Focus Online“:

Dort wird gezeigt, wie man sich aus Alufolie und einem Küchensieb eine Antenne für einen Surfstick bastelt.

Was man nicht erfährt (auch nicht, nachdem man geklickt hat): Der Artikel ist mindestens neun Monate alt. “Focus Online” hat ihn schon am 3. Juni 2015 gepostet:

Und am 26. Juni 2015:

Und am 2. Juli 2015:

Und am 10. August 2015, am 20 August 2015, am 23. August 2015, am 29. August 2015, am 26. September 2015, am 4. Oktober 2015, am 28. Dezember 2015 und am 8. Januar 2016.

Und: Nicht nur auf der allgemeinen Facebookseite von „Focus Online“. Sondern auch bei „Focus Online Wissen“:

Und bei „Focus Online Unterhaltung“:

Und bei „Focus Online Politik“:

Und bei “Focus Online Gesundheit“. Und bei „Focus Online Panorama“. Und bei „Focus Online Video“. Und bei „Focus Online Digital“. Und bei „Focus Online Finanzen“.

Und bei anderen Burda-Medien: Bei der „Bunten“, bei „Chip“ bei „Instyle“, bei “Elle” und bei „Meine Familie“.

So dürfte „Focus Online“ allein mit diesem Artikel einige Hunderttausend Klicks eingefahren haben. Womöglich noch viel mehr. Genial einfach!

Unter fast jedem Posting ärgern sich die Leser über die ständige Wiederholung — “Focus Online” ignoriert sie konsequent.

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Eine halbe Stunde nach dem Bastelvideo postete „Focus Online“ am Donnerstag:

Das Video ist eine Animation. Bei Sekunde 11 verwandelt sich das Flugzeug in einen „Transformer“, der dringend pinkeln muss, haha. Das Video ist drei Monate alt. „Focus Online“ hat es am Donnerstag zum zwölften Mal gepostet.

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Wieder eine halbe Stunde später folgte das hier:

Der Artikel ist über ein Jahr alt. „Focus Online“ hat ihn zum fünften Mal gepostet.

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Wieder eine halbe Stunde später:

Dahinter steckt ein PR-Video von McDonald’s (“So entsteht Burger XY”). Das weiße Zeug auf dem Foto ist tiefgefrorenes Fleisch. Kein Skandal, keine Nachricht, nur Werbung für McDonald’s. Anderthalb Jahre alt. Zum siebten Mal gepostet.

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Wieder eine halbe Stunde später:

Die Fahrerin baut einen Unfall, weil sie auf ihr Handy guckt — ein gestelltes Video, das zeigen soll, dass Handys am Steuer gefährlich sind. Sieben Monate alt. Zum dritten Mal gepostet.

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Dann:

Ein Jahr alt, zum fünften Mal gepostet. (Die Löwin haut ab, weil sich das Flusspferd wehrt.)

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Dann:

1. Das Mädchen auf dem Foto ist nicht das Mädchen, um das es geht, sondern irgendein Mädchen (Verpixelung von uns).
2. Story: Ein Mann will Tickets für einen Freizeitpark holen. Da seine Tochter das Down-Syndrom hat, möchte er für sie ein ermäßigtes Ticket haben. Dafür müsse sie aber persönlich erscheinen, heißt es am Ticketschalter. Große mediale Aufregung, Freizeitpark entschuldigt sich, Ende.
3. Der Artikel ist sieben Monate alt, abgeschrieben von der britischen „Sun“.
4. Zum dritten Mal gepostet.

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Zwischendurch postet “Focus Online” tatsächlich auch aktuelle Artikel, doch ein großer Teil der Facebook-Aktivität besteht aus der willkürlichen Wiederverwurstung von altem Zeug.

Nun wäre das alles halb so wild, wenn das Portal wenigstens kenntlich machen würde, dass es sich um alte Artikel handelt. “Focus Online” will aber, dass man sie für aktuell hält.

Die Geschichte ist über ein Jahr alt. Das erfahren die Leser aber nicht mal, wenn sie auf den Link klicken. Das Portal „Netmoms“ (das auch zum Burda-Verlag gehört) zeigt in seinen Artikeln nämlich kein Veröffentlichungsdatum. Erst wenn man sich weiter zu „Focus Online“ durchklickt (im Text verlinkt), wird ersichtlich, dass es keine aktuelle Geschichte ist.

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9.15 Uhr:

Der Artikel ist sieben Monate alt.

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9.30 Uhr:

Ebenfalls sieben Monate alt. Zum siebten Mal gepostet.

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10.30 Uhr:

Ein bezeichnendes Beispiel. Im Artikel geht es um eine 18-Jährige, die am Tag nach einem scheinbar harmlosen Fahrradunfall plötzlich gestorben war. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung stand die Todesursache noch nicht fest, die Ärzte vermuteten innere Verletzungen. Inzwischen (der Artikel ist sieben Monate alt) dürfte es da genauere Erkenntnisse geben.

Aber interessiert das die Leute “Focus Online”? Quatsch. Fünf Mal haben sie den Artikel gepostet — den sieben Monate alten Artikel, in dem sie rätseln, was denn da los war. Statt einfach mal ihren Job zu machen und zu recherchieren, was denn da los war.

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11 Uhr:

Fast anderthalb Jahre alt. Zum achten Mal gepostet.

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11.30 Uhr:

Sieben Monate alt. Zum fünften Mal gepostet.

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12.15 Uhr:

Fünf Monate alt. Zum siebten Mal gepostet.

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Es folgten mehrere aktuelle Artikel (u.a.: “Sexy Rennfahrer-Rücken: Lewis Hamilton zeigt tätowiertes Kreuz”, “Forscher sicher: So könnten uns Aliens beobachten”, “Was diese Frau für ihren morgendlichen Kaffee auf sich nimmt, ist unglaublich”). Dann, 19 Uhr:

Ein Jahr alt. Zum dritten Mal gepostet.

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0 Uhr:

Sieben Monate alt. Zum sechsten Mal gepostet.

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0.30 Uhr:

Acht Monate alt. Zum zwölften Mal gepostet.

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2 Uhr:

Sieben Monate alt. Zum fünften Mal gepostet.

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Daniel Steil, Chefredakteur von “Focus Online”, erklärt die hohen Klickzahlen seines Portals übrigens so:

Unsere Strategie geht auf. Wir setzen unsere journalistische Leidenschaft auf allen Kanälen ein und lernen ständig dazu.

Journalistische Leidenschaft. Ja, die ist kaum zu übersehen.

Native Schleichvertising, Statistikfallen, Spin-Doktoren

1. Powered by Pepsi: Der Trend zum Native Advertising
(get.torial.com, Tobias Lenartz)
Seit Adblocker bei vielen Nutzern die Werbeanzeigen und lästigen Blinkbanner und Popups wegfiltern, setzen Publisher verstärkt auf das sogenannte “Native Advertisement”. Eine Werbung, die sich als redaktioneller Inhalt tarnt und daher höchst umstritten ist. Die Geister scheiden sich bereits bei der oftmals beschönigenden Ausweisung als “Sponsored Post”, “Service” oder “im Auftrag und mit Unterstützung von”. Der Artikel verrät den Stand der Dinge, erzählt von der Entstehungsgeschichte und liefert Beispiele gelungener und weniger gelungener Anzeigen.

2. Bild.de holt sich Spitzenposition zurück
(horizont.net, Katrin Ansorge)
Die Dezemberzahlen zur Reichweite von Nachrichtenseiten sind ausgewertet. Demnach hat “Bild” im letzten Monat des vergangenen Jahres den lange führenden “Focus Online” als Spitzenreiter abgelöst. Die Nachrichtenseiten hatten es zum Schluss des Jahres besonders mit der Konkurrenz von Koch- und Backseiten zu tun, die jahreszeitlich bedingt besonders klickstark waren.

3. Paartherapie auf Papier
(taz.de, Natalie Mayroth)
Der Bericht stellt das deutsch-hebräische Kunst- und Literaturmagazin “Aviv” vor. Die Macher wollen aus dem klassischen Deutschland-Israel-Kontext ausbrechen und gehen auch formal andere Wege: Das bilinguale Magazin kann von hinten und von vorne aufgeschlagen werden, denn es hat zwei Leserichtungen. Der Fokus des von der Stiftung Deutsch-Israelisches Zukunftsforum geförderten Projekts liege laut Blattmacher Hauenstein nicht auf der Beziehung zwischen den Ländern, sondern auf der gegenseitigen Beeinflussung zweier Sprachen und der Inhalte.

4. Warum Umfrageinstitute so häufig danebenliegen
(blog.zeit.de, Tobias Dorfer)
Bei den letzten Wahlen gab es erhebliche Unterschiede zwischen den Vorhersagewerten und den tatsächlich erreichten Prozentwerten. Tobias Dorfer macht im Blog der “Zeit” auf ein Projekt eines belgischen Datenjournalisten aufmerksam, der die Komplexität politischer Vorhersagen verdeutlichen möchte. Außerdem gibt er Hinweise auf Beiträge, die zeigen wie fehleranfällig Statistiken sind.

5. Der große Scrollytelling-Tool-Test
(onlinejournalismus.de)
Wer wissen will, was auf uns in den nächsten Jahren in Sachen “Scrollreportagen” zukommt, kann hier einen Blick hinter die Kulissen werfen. Der aktualisierte “große Scrollytelling-Tool-Test” stellt die Werkzeuge der Redaktionen vor und liefert Links zu Beispielreportagen.

6. „Wir hatten auch Glück, dass Julia Klöckner Panik bekommen hat“
(faz.net, Timo Steppat)
Ausführliches Interview mit einem hinter den politischen Kulissen agierenden “Spin-Doctor”. Wahlkampfmanager Frank Strauss gilt vielen als die Geheimwaffe der SPD und als Mann für aussichtslose Fälle. Im Interview gibt er sich erstaunlich offen. Er und die Firma, bei der er Teilhaber ist, machen Werbekampagnen für Joghurt, Versicherungen und eben… Parteien. 25 Wahlkämpfe in 20 Jahren will er laut Homepage durchgeführt haben. Man pendelt zwischen Respekt für die professionelle Leistung und der Ernüchterung, dass derlei Berater Politik wie eine Ware verkaufen. Wie den Joghurt, der eben manchmal links- und manchmal rechtsdrehend ist.

Ressentimentkodex, Feminismuskritik, Erikasourcing

1. Exkonvertit mit Salzgitterhintergrund
(zeit.de, Mely Kiyak)
Der Presserat diskutiert darüber, ob Medien die Herkunft von Straftätern grundsätzlich nennen sollen. Wem wäre damit geholfen, fragt “Zeit”-Kolumnistin Mely Kiyak. Eine ethnische Zuschreibung helfe nicht weiter, es sei denn, man wolle eine ganz bestimmte Aussage treffen. Die Kolumne endet mit den Worten: “Mal sehen, wie die Kollegen im Rat entscheiden werden. Ändern wird die Entscheidung gar nichts: Der Pressekodex ist nicht bindend. Zum Glück für Ressentimentmedien wie Bild, Focus.de und andere. Ohne die Nennung von Nationalitäten wäre die Grundlage so mancher Medien komplett im Eimer.”

2. Buzz-Report Feminismuskritik
(fraumeike.de, Meike Lobo)
Meike Lobo reflektiert die Reaktionen auf ihre (streitbare) Feminismus-Kritik auf “Zeit Online” und denkt über Reaktions- und Diskussionsschemata bei Twitter nach.

3. Crowdsourcing nach dem Original-Bild aus dem Steinbach-Tweet
(onlinejournalismus.de, Fiete Stegers)
Der Journalist Fiete Stegers fahndet immer noch nach dem Urheber des Fotos, das ein blondes Kind und eine Gruppe indischer Kinder und Jugendlicher zeigt. Das Foto wird von vielen rechtsgerichteten Personen und Institutionen missbraucht, um Stimmung gegen eine angebliche “Überfremdung” zu machen. Traurige Berühmtheit erlangte es jüngst durch einen Tweet von Erika Steinbach (CDU). Stegers berichtet vom Stand der Fahndung und den Schwierigkeiten bei der Ermittlung von Veröffentlichungsdatum und Urheber.

4. Nachholbedarf bei Afrika-Berichterstattung
(de.ejo-online.eu, David Freches)
Viele der Asylsuchenden stammen aus nordafrikanischen Ländern, doch wieviel wissen wir über diese Region beziehungsweise wie präsent ist die Berichterstattung über Subsahara-Afrika in deutschen Medien abseits der Flüchtlingsthematik? David Freches fasst die Untersuchungsergebnisse einer Forschungsgruppe zusammen, die im Rahmen der Konferenz “Media and Migration” gewonnen wurden.

5. Kid Rock und die AfD — die Welt ist grau.
(medium.com, Christian Henne)
Christian Henne plädiert für mehr Gelassenheit im Social-Media-Umgang. So wenig wie die Welt in Gut und Böse einzuteilen sei, dürfe ein Like der AfD-Facebookseite zu reflexhaftem Entfreunden führen. “In meinen Augen hilft es enorm, Andersdenkende ernst zu nehmen, um sie dann argumentativ zu beeinflussen. Deshalb werde ich mich auch weiterhin mit Menschen unterhalten, die die AfD liken, wählen oder gewählt haben. Und zwar um alles dafür zu tun, dass sie dies kritisch überdenken.”

6. Square für Künstler
(arte.tv, Video, 27 Minuten)
Darf man ein Jahr nach den Attentaten auf Charlie Hebdo noch über alles Witze machen? Im Porträt des Karikaturisten Chapatte geht es um den Alltag und die Zukunftsperspektiven des in Los Angeles lebenden Zeichners. Und die Frage, ob es für ihn eine Karikatur vor und nach dem Anschlag in Paris gibt.

Wenn die “Bild”-Zeitung erscheint, stirbt ein Promi

Vorgestern, am Sonntag, ist die frühere US-First-Lady Nancy Reagan gestorben. Und wer ist schuld daran? Ist doch klar: “Bild am Sonntag”. Denn am Todestag von Nancy Reagan erschien eben auch eine neue Ausgabe der “Bild am Sonntag”.

Und das ist nur der vorzeitige Höhepunkt eines gruseligen “Bild”-Fluchs: Immer dann, wenn ein Promi stirbt, ist am selben Tag eines der “Bild”-Printmedien erschienen. Am Todestag von Alan Rickman? Eine neue Ausgabe von “Bild”. Tod von David Bowie? “Bild am Sonntag”. Robin Williams? Paul Walker? Whitney Houston? Jedes Mal erschien am Tag des Promi-Todes auch ein “Bild”-Produkt. Das kann kein Zufall sein.

Wie? Die Theorie ist völliger Blödsinn? Ja, natürlich ist sie das. Und damit genau das Richtige für “Bild” und Bild.de:

Auf Fußballer Aaron Ramsey vom Premier-League-Klub Arsenal London soll laut Bild.de ein “unheimlicher Tor-Fluch” liegen. Ramsey sei “der gefährlichste Fußballer der Welt.” Die Redaktion bringt seine Tore mit dem Ableben der oben genannten und elf weiterer Personen in Verbindung.

Und tatsächlich: Als der Mittelfeldspieler am 1. Mai 2011 in der Liga gegen Manchester United trifft, wird einen Tag später Osama bin Laden erschossen. Einen Tag nach Ramseys Champions-League-Tor gegen Olympique Marseille stirbt Muammar al-Gaddafi. Seit Oktober 2009 soll das schon so gehen, wenn Ramsey für Arsenal London oder die walisische Nationalmannschaft trifft:

Spiel Datum Prominenter Todestag
Liechtenstein – Wales 14.10.2009 Andrés Montes 16.10.2009
Wales – Schottland 14.11.2009 Antonio de Nigris 16.11.2009
Arsenal – Manchester United 01.05.2011 Osama bin Laden 02.05.2011
Tottenham Hotspurs – Arsenal 02.10.2011 Steve Jobs 05.10.2011
Olympique Marseille – Arsenal 19.10.2011 Muammar al-Gaddafi 20.10.2011
AFC Sunderland – Arsenal 11.02.2012 Whitney Houston 11.02.2012
Großbritannien – Südkorea 04.08.2012 Chavela Vargas 05.08.2012
Schottland – Wales 22.03.2013 Bebo Valdés 22.03.2013
Arsenal – Wigan Athletic 14.05.2013 Jorge Rafael Videla 17.05.2013
Olympique Marseille – Arsenal 18.09.2013 Ken Norton 18.09.2013
Cardiff City – Arsenal 30.11.2013 Paul Walker 30.11.2013
Hull City – Arsenal 20.04.2014 Rubin “Hurricane” Carter 20.04.2014
Norwich City – Arsenal 11.05.2014 HR Giger 12.05.2014
Arsenal – Manchester City 10.08.2014 Robin Williams 11.08.2014
Arsenal – AFC Sunderland 09.01.2016 David Bowie 10.01.2016
FC Liverpool – Arsenal 13.01.2016 Alan Rickman 14.01.2016
Tottenham Hotspurs – Arsenal 05.03.2016 Nancy Reagan 06.03.2016

“Bild” und Bild.de haben schon früher über die “UNDHEIMLICHE ENGLAND-SERIE VON AARON RAMSEY” berichtet. Der Tod von Robin Williams im August 2014 war ein Anlass, genauso der “Doppelschlag mit Bowie und Rickman” im Januar dieses Jahres:



Und gestern dann Nancy Reagan, nachdem Aaron Ramsey am Samstag in der Premier League gegen die Tottenham Hotspurs getroffen hatte.

Damit der irre Ramsey-Fluch überhaupt hinhaut, erweitert die Redaktion hier und da auch das Verständnis von Prominenz und Unmittelbarkeit: Als “Prominente” gelten nicht nur Leute wie Osama bin Laden oder Robin Williams, sondern auch spanische Sportjournalisten oder kubanische Musiker. Und manche bekannten Persönlichkeiten — beispielsweise Apple-Gründer Steve Jobs oder der frühere argentinische Diktator Jorge Rafael Videla — starben erst mehrere Tage nach Ramseys Toren. Es wackelt und knirscht an allen Enden.

Trotzdem bleibt Bild.de bei der knackigen Formel:

Immer wenn der Waliser trifft, stirbt ein Prominenter!

An dieser Stelle ist die Berichterstattung des Portals dann nicht mehr nur dämlich, sondern schlicht falsch. Denn nach der Mehrzahl von Aaron Ramseys Toren seit dem Start des vermeintlichen Fluchs im Oktober 2009 passierte — wenig überraschend — rein gar nichts:

Spiel Datum Prominenter Todestag
Liechtenstein – Wales 14.10.2009 Andrés Montes 16.10.2009
Wales – Schottland 14.11.2009 Antonio de Nigris 16.11.2009
Arsenal – Stoke City 05.12.2009
FC Portsmouth – Arsenal 30.12.2009
West Ham United – Arsenal 03.01.2010
Cardiff City – Leicester City 22.02.2011 (als Leihspieler für Cardiff City)
Arsenal – Manchester United 01.05.2011 Osama bin Laden 02.05.2011
Nordirland – Wales 27.05.2011
Wales – Montenegro 02.09.2011
Tottenham Hotspurs – Arsenal 02.10.2011 Steve Jobs 05.10.2011
Wales – Schweiz 07.10.2011
Olympique Marseille – Arsenal 19.10.2011 Muammar al-Gaddafi 20.10.2011
AFC Sunderland – Arsenal 11.02.2012 Whitney Houston 11.02.2012
Großbritannien – Südkorea 04.08.2012 Chavela Vargas 05.08.2012
Arsenal – Olympiakos Piräus 03.10.2012
Schottland – Wales 22.03.2013 Bebo Valdés 22.03.2013
Arsenal – Wigan Athletic 14.05.2013 Jorge Rafael Videla 17.05.2013
Fenerbahce Istanbul – Arsenal 21.08.2013
Arsenal – Fenerbahce Istanbul 27.08.2013
Mazedonien – Wales 06.09.2013
AFC Sunderland – Arsenal 14.09.2013
Olympique Marseille – Arsenal 18.09.2013 Ken Norton 18.09.2013
Arsenal – Stoke City 22.09.2013
Swansea City – Arsenal 28.09.2013
Belgien – Wales 15.10.2013
Arsenal – Norwich City 19.10.2013
Arsenal – Liverpool 02.11.2013
Borussia Dortmund – Arsenal 06.11.2013
Cardiff City – Arsenal 30.11.2013 Paul Walker 30.11.2013
Hull City – Arsenal 20.04.2014 Rubin “Hurricane” Carter 20.04.2014
Norwich City – Arsenal 11.05.2014 HR Giger 12.05.2014
Arsenal – Hull City 17.05.2014
Arsenal – Manchester City 10.08.2014 Robin Williams 11.08.2014
Arsenal – Crystal Palace 16.08.2014
FC Everton – Arsenal 23.08.2014
Stoke City – Arsenal 06.12.2014
Galatasaray Istanbul – Arsenal 09.12.2014
Arsenal – West Ham United 14.03.2015
AS Monaco – Arsenal 17.03.2015
Israel – Wales 28.03.2015
FC Burnley – Arsenal 11.04.2015
Hull City – Arsenal 04.05.2015
Wales – Andorra 13.10.2015
FC Watford – Arsenal 17.10.2015
Arsenal – AFC Sunderland 05.12.2015
Aston Villa – Arsenal 13.12.2015
Arsenal – AFC Sunderland 09.01.2016 David Bowie 10.01.2016
FC Liverpool – Arsenal 13.01.2016 Alan Rickman 14.01.2016
Tottenham Hotspurs – Arsenal 05.03.2016 Nancy Reagan 06.03.2016

Ramseys folgenlose Treffer lässt Bild.de einfach aus.

Dass die Wenn-dann-Kausalität totaler Murks ist, hält andere Redaktionen natürlich nicht davon ab, den “Todes-Fluch” weiterzutragen:


(mopo.de)

(stern.de)

(“Focus Online”)

(krone.at)

(kurier.at)

(oe24.at)

Mit Dank an Jannis C.!

Unwillkommenskultur, Whistleblower, Hitler-Droge

1. Wie sich die deutsche Willkommenskultur in Ablehnung verwandelte
(sueddeutsche.de, Simon Hurtz)
Die “SZ” hat die Medienberichte zur Flüchtlingsthematik der letzten neun Monate und die Social-Media-Reaktionen ausgewertet. Daraus ließe sich ablesen, wie sich die deutsche Willkommenskultur in Ablehnung verwandelte. Lege man die Zahl der Facebook-Interaktionen zugrunde, sei “Focus Online” das mit Abstand erfolgreichste deutsche Nachrichtenportal. 97 Berichte zählten zwischen Juni und Februar zu den monatlichen Top 100. Davon hätten sich 50 mit dem Thema Flüchtlinge beschäftigt – und 48 hätten einen negativen Tonfall. Mit großem Abstand folgten die “Deutschen Wirtschafts Nachrichten” (14 negative Artikel), die “Welt” (13 negative, zwei positive Artikel) und die rechtskonservative bis rechtsextreme “Junge Freiheit” (zehn negative Artikel).

2. Vater aller Whistleblower
(freitag.de, Jacob Augstein)
Der 84-jährige “Vater aller Whistleblower” Daniel Ellsberg hat den internationaler Friedenspreis “Dresdenpreis” erhalten. Jacob Augstein dankt ihm in einer Laudatio. Ellsberg hätte dafür gesorgt, dass die “Pentagon Papers” veröffentlicht wurden, die Unterlagen, die bewiesen haben, dass vier amerikanische Präsidenten hintereinander die Öffentlichkeit über Absichten und Aussichten des Vietnamkriegs belogen haben. Papiere, die dazu beigetragen haben, den Krieg zu beenden. Die in vielerlei Hinsicht lesenswerte Rede endet mit den Worten “Freiheit für Chelsea Manning! Freiheit für Julian Assange! Asyl für Edward Snowden!”

3. Der Mann, der den Toten vom Lageso erfand
(tagesspiegel.de, Julia Prosinger)
Im Januar verbreitete sich die Falschmeldung, das “Lageso” (Landesamt für Gesundheit und Soziales) in Berlin habe einen Flüchtling auf dem Gewissen. Auslöser war eine Facebooknachricht des ehrenamtlichen Helfers Dirk V., die von einer Unterstützerorganisation zunächst ungeprüft übernommen wurde. Julia Prosinger vom “Tagesspiegel” hat mit dem Mann und anderen Helfern gesprochen. Ein nachdenklich machendes Stück Journalismus, das mehr sagt als tausend Zahlen und das man der Politik mit “Fontsize=20” ausgedruckt auf den Schreibtisch legen möchte.

4. tagesspiegel.de
(netzpiloten.de, Angela Phillips)
Im letzten Teil der Serie über Geschäftsmodelle für Nachrichtenmedien betrachtet Angela Phillips die Möglichkeit des Crowdfundings und wie es zukünftige Nachrichtenprojekte finanziell unterstützen könnte. Dabei stellt sie erfolgreiche Modelle aus anderen Ländern vor und streift Paywalls und Micropayment.

5. „Hitler-Droge!“: eine kurze Geschichte des Methamphetamin
(moritz-hoffmann.de)
Der Grünen-Politiker Volker Beck wurde mit einer Substanz erwischt, von der “Bild” behauptet, es handele sich um Methamphetamin (Crystal Meth). Weil der Tageszeitung die Schlagzeile immer noch nicht reißerisch genug war, setzte man einen drauf und schrie hinaus: “Grüner mit Hitler-Droge erwischt!”. Diese Bezeichnung liege hauptsächlich an einem Buch aus dem letzten Jahr, das von Hitlers angeblicher Cracksucht berichtet hätte (damaliges Präparat: “Pervitin”). Der Historiker und Geschichtsblogger Moritz Hoffmann verrät, was von den knalligen Behauptungen zu halten ist.

6. War die Hitler-Überschrift ein Geniestreich der Bild-Redaktion?
(vice.com/de, Paul Garbulski)
An den letzten Beitrag anschließend die Kommentierung von “Vice”, die unter anderem auf die “Reductio ad Hitlerum” verweist.

Junge Freiheit, DDR-Presse, Bewegtbildkonsum

1. «Wer die AfD verstehen will, muss die ‹Junge Freiheit› lesen»
(medienwoche.ch, Adrian Lobe)
Während andere Publikationen unter Auflageverlusten zu leiden haben, hat die rechte “Junge Freiheit” ihre Auflage gesteigert. In absoluten Zahlen sei dies zwar bescheiden, liefe aber dem allgemeinen Rückwärtstrend entgegen. Die inhaltliche Nähe zwischen dem konservativen Blatt und der AfD sei offenkundig. Entsprechend intensiv sei auch die Berichterstattung über die neue Partei. Gleichwohl hätte es die “Junge Freiheit” nicht geschafft, trotz eines evidenten Rechtsrutsches der Gesellschaft aus ihrem Nischendasein herauszukommen und wirke zuweilen wie ein “Altherrenblatt, das man bei einer Zigarre in einem Wirtshaus liest”.

2. Es trifft jeden, der für die Meinungsfreiheit eintritt
(faz.net, Friederike Böge)
Afghanistan ist in einem desolaten Zustand, was die freie Berichterstattung anbelangt. Die Taliban versetzen die Medienbranche in Angst und Schrecken. Ob Anschläge durch Selbstmordattentäter, Raubüberfälle, Bedrohungen: Journalisten in Afghanistan leben gefährlich. Deshalb seien allein im vergangenen Jahr mehr als hundert Journalisten ins Ausland geflüchtet.

3. 7 Trends beim Bewegtbildkonsum
(wuv.de, Petra Schwegler)
In der Kurzzusammenfassung des “TV & Media Report 2015” werden die sieben wichtigsten Trends in Sachen Medienkonsum wiedergegeben. Streaming und Mobile seien im Wachsen. Vor allem die 16- bis 34-Jährigen würden Videos bevorzugt über Smartphone, Laptop oder Tablet konsumieren. Hier bliebe der Fernseher weitgehend ausgeschaltet. Weitere Trends seien Bingewatching (“Komaglotzen”) ganzer Serien und User Generated Content auf Youtube und Co.

4. “Ich werde Journalistin, aber nicht in der DDR!”
(sueddeutsche.de, Cornelius Pollmer)
Bericht über die Ausstellung “Rotstift – Medienmacht, Zensur und Öffentlichkeit in der DDR”, die auch online besucht werden kann. Die Ausstellung liefert Informationen und Hintergründe über die damalige Situation und die drastisch eingeschränkte Pressefreiheit. Interessant auch für all die “Lügenpresse”-Rufer, die sich hier anschauen können, wie es tatsächlich ist, wenn sich die Medien in Parteihand befinden und staatlich gelenkt werden.

5. Zu gut, um legal zu sein
(zeit.de, Götz Hamann)
Christopher Lauer ist Ex-Pirat und Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses. Jüngst wurde Lauer auf Facebook bedroht. Er hat sich deshalb an die Polizei gewandt, doch die Sache ist nicht einfach: Facebook mauert, was die Herausgabe von Daten anbelangt. Lauers Fall illustriere ein drängendes Problem. Es herrsche große Unsicherheit, wie sich Bürger wehren und zu ihrem Recht kommen können, wenn sie auf Facebook beleidigt, genötigt oder bedroht werden. Ein Urteil, wie es kürzlich gegen einen Mann erging, der die Fernsehjournalistin Dunja Hayali mit Hasskommentaren auf Facebook überzogen hatte, sei die Ausnahme. Im Normalfall stünden die Chancen für deutsche Strafverfolgungsbehörden schlecht, an Daten zu gelangen.

6. Ulle alaaf! “Focus”-Chef schreibt Seehofer
(Übermedien.de, Video, 2 Minuten)
Der noch bis Ende des Monats amtierende “Focus”-Chef, Ulrich Reitz, hat einen Brief an Horst Seehofer geschrieben, „ganz persönlich“, als seltsam gekünstelte Audiobotschaft. Die Kollegen von “Übermedien” vermissten die Atmosphäre und haben den Vortrag deshalb… Ach, hören Sie einfach selbst!

Journalismus-Irrsinn: Berichten mit Augenmaß!

In Köln ist ein Sack Reis umgefallen eine Waage unbenutzbar. Oder:

„Focus Online“: „WDR-Kantinen-Irrsinn“
„Focus Online“

„Kölner Express“: „Kantinen-Gate Wirbel um Salat-Waage beim WDR: Darum wird der Preis nur geschätzt“
„Kölner Express“

Was steckt dahinter? Nicht viel: Julien Bickelmann, Moderator Reporter bei 1LIVE, war vorgestern in der Kantine des WDR. Dort schoss er ein Foto einer Waage und twitterte:

Wie erklärt man anderen Menschen deutsche Bürokratie am besten? (Gesehen @WDR Kantine)

Ein kleiner Scherz über die deutsche Bürokratie. Dann passierte, was eben manchmal passiert, wenn man lustige interessante irre Dinge ins Internet postet. Bickelmanns Tweet erhielt über 1.000 Retweets und gefällt inzwischen mehr als 1.400 Mal. Dann stolperte der „Kölner Express“ über den Tweet.

Der „Express“ griff die Geschichte den Zwischenfall den Tweet gestern auf und schrieb fünf Absätze dazu, die nicht viel mehr Information enthielten als der ursprüngliche Tweet. Dabei ließ er es sich natürlich nicht nehmen, das Bild ohne Erlaubnis von Bickelmann zu verwenden. Auch das „Süddeutsche Zeitung Magazin“ „berichtete“ auf seiner Facebook-Seite. Abends gesellte sich „Focus Online“ dazu:

„Mit einem Bild auf Twitter hat der Reporter Julien Bickelmann für großen Wirbel gesorgt: Er fotografierte die Salat-Waage der WDR-Kantine, die derzeit außer Betrieb ist. Der Grund dafür: Bürokratie-Irrsinn, über den das Netz nun lacht.“

Ein bisschen lachen über den „Bürokratie-Irrsinn“ der Deutschen, was ist schon dabei? Oder, in den Worten der Kommentatoren auf „Focus Online“:

Jeden Tag fluten Zehntausend Menschen zu großen Teil ohne gültige Ausweispapiere und aus sicheren Drittstaaten nach Deutschland und die machen sich in die Hose wegen einer zu spät durchgeführten Eichung? Wenn nichtmal mehr Merkel und Kollegen sich an Gesetze halten, dann dürfte doch eine ungeeichte Waage jetzt nicht so das Problem sein, oder?

Deutsche Dummheit die überall das Land regiert. Teilweise aufgrund von über 100 Jahre alten Gesetzen, die mit der Realität nix zu tun haben. Aber unsere Regierer haben ja nix im Kopp, außer immer neuen Unsinn zu verzapfen, statt den Saustall mal auszumisten. Der „schlanke Staat“ wird ja immer wieder versprochen, schlanker werden aber nur die Geldbörsen der Bürger.

Aber, und jetzt kommt der Knaller die erwartbare Auflösung: Das Ganze ist kein „Bürokratie-Irrsinn“. Denn wer in das total irre „Gesetz über das Inverkehrbringen und die Bereitstellung von Messgeräten auf dem Markt, ihre Verwendung und Eichung sowie über Fertigpackungen (Mess- und Eichgesetz – MessEG)“ schaut, liest:

„Hat der Verwender die Eichung mindestens zehn Wochen vor Ablauf der Eichfrist beantragt und das zur Eichung seinerseits Erforderliche getan oder angeboten, steht das Messgerät trotz des Ablaufs der Eichfrist bis zum Zeitpunkt der behördlichen Überprüfung einem geeichten Messgerät gleich. Hat der Verwender die Eichung zu einem späteren Zeitpunkt beantragt und ist der Behörde eine Eichung vor Ablauf der Eichfrist nicht möglich, so kann sie das weitere Verwenden des Messgeräts bis zum Zeitpunkt der behördlichen Überprüfung gestatten. Die Behörde soll die Eichung nach Ablauf der Eichfrist unverzüglich vornehmen.“

Wenn die Kantine also mindestens zehn Wochen vor Ablauf der Eichfrist die Eichung beantragt hat, aber noch kein Prüfer gekommen ist, erlaubt das Gesetz, die „ungeeichte“ Waage weiter zu verwenden. So lange, bis der Prüfer kommt.

Hat die Kantine diese Zehn-Wochen-Frist verpasst und der Prüfer kann vor Ablauf der Eichfrist nicht kommen, kann das Eichamt der Kantine erlauben, die Waage weiter zu betreiben.

In beiden Fällen kann die Kantine die Waage also weiter betreiben. Die Bürokratie schützt die Kantine also vor genau dem „Irrsinn“, der ihr jetzt nachgesagt wird.

Daraus ergeben sich nun drei spannende Folgefragen:

  1. Hat die Kantine die Eichung vor mehr als zehn Wochen beantragt?
  2. Wenn die Eichung vor mehr als zehn Wochen beantragt wurde, warum ist die Waage dann nicht in Betrieb?
  3. Sie haben echt bis hier unten gelesen? Respekt.

So. Ein Gutes hat die Geschichte aber: Dass der „Irrsinn“ keiner ist, haben auch einige Kommentatoren schon angemerkt. Jemand, dessen Vater „Experte für Waagen“ ist, hat sogar einen Blogpost zu dem Bild geschrieben. Die deutsche Bürokraten-Ehre ist nochmal gerettet.

Handball-Konter, Kalter Krieg, Fasten-App

1. Weltanschauung: Versenkt im Sehnsuchtsloch oder Kabinenpredigt für Eilenberger
(handball-world.com, Christian Ciemalla)
Der “ZEIT”-Kolumnist und Chefredakteur des “Philosophie Magazins” Wolfram Eilenberger hat für einigen Wirbel gesorgt, als er in seiner Kolumne die deutsche Handball-Nationalmannschaft dem rechten Spektrum zuordnete. Sie bediene “eine kartoffeldeutsche Sehnsucht”. Der einzige Ausländer des Teams sei der aus Island stammende Trainer, was perfekt ins “nordisch-arisierte Bild” passe. Vollends im Kolumnisten-Rausch verstieg er sich schließlich noch zu der Gaga-Aussage: “Wenn Fußball Merkel ist, ist Handball Petry.” Der Chefredakteur der “Handball-World” hat dem ZEIT-Kolumnisten nun geantwortet und die Schmähung Punkt für Punkt auseinandergenommen. Auch den Vorwurf der vielen deutschen Namen: “Schau mal in Euer Impressum und wiederhole Deine eigenen Worte “Alle Achtung! Das muss man 2016 in diesem Land erst einmal hinbekommen.” Oder anders: Wenn Fußball Merkel ist, ist “Die Zeit” Petry.”

2. Redet Russland den “Kalten Krieg” herbei?
(fr-online.de, Victor Funk)
Der russische Premierministers Dmitri Medwedew soll auf der Münchner Sicherheitskonferenz die jetzige politische Situation als “Kalten Krieg” bezeichnet oder diesen herbeigeredet haben. Diesen Eindruck muss man zumindest gewinnen, wenn man einer dpa-Meldung und den Äußerungen von ARD und ZDF Glauben schenkt. Dass man Medwedews Äußerung auch ganz anders sehen kann bzw. muss, wird nach der Lektüre dieses Artikels klar, an dessen Ende steht: “Ohne feste Freund-Feind-Bilder, ohne die fertige Story vor der Recherche würden wir, Journalisten, der Welt, so wie sie ist, vielleicht etwas näher kommen. Nur: Die Komplexität würde nicht in knackige schnelle Nachrichten und nicht in den klassischen 2-Minuten-TV-Bericht hineinpassen.”

3. Focus Online: Journalistischer Untergang des Abendlandes
(mobilegeeks.de, Carsten Drees )
Am Sonntag konnte man auf “Focus Online” von einer sich dramatisch anhörenden Zahl lesen. Die Schlagzeile lautete: “Vertraulicher Lagebericht: Diebstahl und Körperverletzung: 78.000 Polizeieinsätze in Asylunterkünften in NRW in 2015”. Natürlich ist dies Wasser auf die Mühlen der Asyl-Gegner und Flüchtlings-Phobiker, doch die monströse Zahl ist böswillig falsch. “90 Prozent dieser 78.000 Fälle betreffen Präsenz, Aufklärung und Information und haben weder mit Diebstahl noch mit Körperverletzung auch nur im Ansatz irgendwas zu tun!” Autor Drees sieht in der Vorgehensweise des “Focus” ein “kalkuliertes
Brandstiften”.

4. Warum sich die “Welt” von Günther Lachmann trennt
(welt.de, Stefan Aust)
“Welt”-Chef Stefan Aust meldet sich zur Causa AfD/Lachmann zu Wort. In dem Beitrag “in eigener Sache” begründet er, warum man sich von dem Redakteur getrennt habe, der sich auf eine sehr zweifelhafte Weise mit Politikern der AfD eingelassen habe. Das Verhalten Lachmanns habe nicht nur der “Welt” sondern der gesamten Publizistik geschadet. Von Seiten der “Welt” wolle man den Vorgang nicht nur aufklären und offenlegen, sondern Lachmanns Berichterstattung über die AfD nachträglich kritisch hinterfragen. Ein respektables Verhalten, obwohl man dies auch hätte früher machen können, wie einige vielleicht einwenden werden.

5. Netzneutralität: Wie es jetzt weitergeht
(netzpolitik.org, Thomas Lohninger)
Die Bundesnetzagentur hat am 12. Februar 2016 einen Workshop veranstaltet, in dem es um die Zukunft der Netzneutralität in Europa ging. Im neuen EU-Rechtsrahmen in der Telekom-Binnenmarkt-Verordnung fänden sich zum ersten Mal Regeln zur Netzneutralität, die den Regulierungsbehörden ermöglichen würden, gegen Provider vorzugehen, die “Wegegeld” verlangen. Der Artikel arbeitet die zentralen Punkte der Debatte auf, an deren Ende stehen wird, welches Internet wir zukünftig in Europa haben werden.

6. Eine katholische Gemeinde will Fasten wieder hip machen – mit einer App
(ze.tt, Philip Buchen)
Die Fastenzeit hat begonnen, und die “Katholische junge Gemeinde” (KjG) des Kölner Erzbistums wartet mit einer hippen Fasten-App auf. Statt 40 Tage Dauer-Verzicht auf Fleisch, Bier oder Zigaretten zu predigen, verfolge man einen anderen Ansatz. Die App vermittle eine Mischung aus Fitness, Spiritualität und Politik und würde u.a. Yoga-Übungen anbieten (Sonntags Ruhetag). Nun fehlen eigentlich nur noch Apps für´s Zölibat. Aber Stopp, die gibts ja schon. Sie heißen nur anders und bieten zum Ausgleich eines zölibatsbedingten Hormonüberhangs allerlei Bewegtbildmaterial von unkeusch handelnden Sündern und Sünderinnen.

Katastrophen-Journalismus heute – eine Anleitung

Sie sind ein deutsches Medium und fragen sich, wie Sie nach einem schweren Unglück trotz der Undurchsichtigkeit und Hektik in kurzer Zeit möglichst viele relevante Informationen liefern Klicks abstauben?

Da können wir helfen.

Wir haben uns die Berichterstattung nach dem Zugunglück in Bad Aibling genauer angeschaut und daraus ein paar hilfreiche Regeln abgeleitet. Wenn also das nächste Mal eine Katastrophe eintritt:

1. Atmen Sie auf keinen Fall tief durch. Beeilen Sie sich. Hauen Sie sofort alles raus, was Sie in die Finger kriegen. Alles. Sofort!


(maz-online.de, Dienstag)


(maz-online.de, Mittwoch)

***

2. Schildern Sie immer wieder ganz ausführlich und in riesiger Aufmachung die grausamen Details.

Wenn der Polizeisprecher sagt:


(n24.de)

… dann besorgen Sie sie woanders.


(“Focus Online”)


(n24.de)


(ovb-online.de)


(tz.de)

***

3. Sie sind ein Fachmedium, das thematisch eigentlich nichts mit der Sache zu tun hat? Egal.


(“Sport 1”)


(“Focus Money”)

***

4. Fangen Sie möglichst früh an, über die Ursachen und Hintergründe zu spekulieren. Raten Sie einfach drauflos.


(Bild.de)


(stuttgarter-zeitung.de)


(Bild.de)

***

5. Benutzen Sie die Spekulationen über die Ursache als Clickbait.

***

6. Benutzen Sie alles als Clickbait.


(“Focus Online”)


(“Huffington Post”)


(“Huffington Post”)

***

7. Ein Augenzeugenvideo vom Unglück taucht auf? Clickbait!


(Bild.de)


(abendzeitung-muenchen.de)


(express.de)

***

8. Ausschnitte! Zeigen Sie Ausschnitte!


(mopo24.de, Unkenntlichmachung von uns)


(“Tagesschau”, Unkenntlichmachung von uns)


(RTL, Unkenntlichmachung von uns)


(“Bild”, Unkenntlichmachung von uns)

Pro-Tipp: Laden Sie das Video auf ihre eigene Seite hoch und schalten Sie Werbung davor. So verdienen Sie jedes Mal mit, wenn sich jemand das Schock-Video angucken will.


(welt.de)

Um die Nörgler wegen des Videos zu besänftigen, schwurbeln Sie sich eine Rechtfertigung zusammen oder denken Sie sich irgendeinen Vorwand aus, warum Sie die Bilder zeigen.


(merkur.de, Unkenntlichmachung von uns)


(Unkenntlichmachung von uns)

***

9. Empören Sie sich über Medien, die die Bilder gezeigt haben. Ignorieren Sie die Tatsache, dass Sie sie selbst gezeigt haben.

***

10. Lassen Sie Beinahe-Opfer zu Wort kommen, die zwar überhaupt nicht dabei waren, aber fast.


(tz.de, Unkenntlichmachung von uns)

***

11. Fotografieren Sie Trauernde.


(Bild.de, Unkenntlichmachung von uns)

***

12. Wühlen Sie im Privatleben der Opfer und veröffentlichen Sie alles, was Sie finden können.


(tz.de)


(merkur.de, Unkenntlichmachung von uns)


(“Focus Online”)


(“Bild”, Unkenntlichmachung von uns)


(Bild.de, Unkenntlichmachung von uns)


(Bild.de, Unkenntlichmachung von uns)


(Bild.de, Unkenntlichmachung von uns)


(Bild.de, Unkenntlichmachung von uns)


(Bild.de, Unkenntlichmachung von uns)


(“Bild am Sonntag”, Unkenntlichmachung von uns)

***

13. Bedrängen Sie die Angehörigen, Freunde, Nachbarn und Kollegen der Opfer. Nehmen Sie keine Rücksicht.


(“Bild am Sonntag”, Unkenntlichmachung von uns)


(Bild.de, Unkenntlichmachung von uns)

***

Alles beherzigt? Glückwunsch! Damit dürften Sie Ihre Reichweite erheblich vergrößert haben. Und das Leid vieler Menschen. Aber so ist das eben.

Mit Dank auch an Matthias K. und Michael H.

Presserat billigt nacherzählten Terror-Fehlalarm

Im November vergangenen Jahres, eine Woche nach den Anschlägen in Paris, eilmeldete “Focus Online” am späten Abend:

Schon fünf Minuten später wurde die Meldung von der Münchner Polizei dementiert:

Doch statt die Geschichte zu überprüfen, schlugen auch andere Medien lieber erst mal eilig …

Auch zwei Stunden nach der Klarstellung der Polizei schrieb FAZ.net (auch auf der Startseite) immer noch:

“Focus Online” hielt sogar noch bis zum Mittag des darauffolgenden Tages an der “Terror”-Version fest, musste aber (nachdem die Polizei in einer Pressemitteilung erklärt hatte, dass alles ganz anders war) zugeben, dass alles ganz anders war.

Die “verdächtige arabische Gruppe”, die angeblich “offenbar einen Anschlag in der bayerischen Landeshauptstadt” vorbereitete, entpuppte sich als eine Gruppe von Asylbewerbern, die sich in dem Hotel zur “Familienzusammenfindung” traf, wie die Polizei mitteilte. Die “falschen Uniformen” waren in Wahrheit ein “handelsübliches Baseball-Cap mit der Aufschrift ‘Police’ und eine schwarze Weste”. Und die Gasflaschen gehörten zu einem Campingkocher.

Wir haben uns beim Presserat über die Berichterstattung beschwert, weil wir der Ansicht sind, dass die Medien mit der ungeprüften Verbreitung der Falschmeldung gegen den Pressekodex verstoßen und unnötig Panik geschürt haben.

Im Fall von “Focus Online” wurde die Beschwerde an den Beschwerdeausschuss weitergeleitet, der sich im März damit beschäftigen wird.

Bei der “Huffington Post” und FAZ.net kann der Presserat aber keinerlei Verstoß erkennen. Er teilte uns mit:

Grundlage unserer Prüfung war in diesem Zusammenhang Ziffer 2 des Pressekodex. Danach sind zur Veröffentlichung bestimmte Informationen mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen. Ein Verstoß gegen die journalistische Sorgfalt ist bei den vorliegenden Fällen aber nicht ersichtlich. Die Beiträge beschreiben zutreffend, dass die Polizei wegen eines Verdachts auf einen terroristischen Anschlag alarmiert wurde. Sie nennen zudem jeweils die Quelle, auf deren Angaben die Falschmeldung beruhte, und machen diese durch die Verwendung des Konjunktivs und durch “soll”-Formulierungen als unbestätigte Meldungen erkennbar. Zudem haben beide Medien die Beiträge um einen Hinweis auf die Falschmeldung ergänzt bzw. diese in einer Folgeberichterstattung thematisiert.

Insgesamt konnten wir daher keinen Verstoß gegen die presseethischen Grundsätze feststellen.

Die abschreibenden Journalisten hätten nur einmal beim Twitter-Account der Polizei vorbeischauen müssen, um den angeblichen “TERROR-ALARM” zu überprüfen, vermutlich hätte es auch ein kurzer Anruf getan. Schade, dass das zu viel verlangt ist.

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