Irgendeinen Grund wird Bild.de sicherlich gehabt haben, ausgerechnet jetzt mit einer solchen Geschichte anzukommen:
Im Zweifelsfall war es einfach mal eine schöne Möglichkeit, ein beeindruckendes Video (ein “Fundstück”) zu zeigen, in dem ein Auto wie eine Ziehharmonika zusammengefaltet wird:
Auf dem Video ist zu sehen, wie ein Holden Commodore der ersten Generation von 1978 zu Testzwecken gegen die Wand fährt.
Der schlimmste Crashtest aller Zeiten! […]
Der Hammer: Beim Aufprall mit rund 60 km/h auf das feststehende Hindernis bricht die gesamte Konstruktion komplett zusammen.
Sucht man bei YouTube nach “worst car crash ever”, findet man unter den ersten Treffern ein Video, in dem ein Holden Commodore gegen eine Wand fährt. Also genauer: Das gleiche Video, das auch Bild.de zeigt, nur mit anderem Ton, ohne Off-Sprecher und natürlich ohne Bild.de-Logo oben rechts in der Ecke, hochgeladen am 11. Oktober 2008. (Wir kennen das ja: Das Internet ist ein rechtsfreier Raum.)
Bild.de scheint sich nur das Video bei YouTube besorgt zu haben, ignorierte aber die Fakten, die daneben stehen:
Der Test wurde 1992 durchgeführt und war Teil einer Serie von Tests um unsere Crashtest-Anlage in Betrieb zu nehmen. Es war ein Test des Fahrsystems, nicht des Autos.
Das Auto war ein Standard-Gebrauchtwagen, außer dass die Antriebswelle entfernt worden war, 300 kg Sandballast wurden im Fußraum und im Kofferraum platziert und ein Ballast-Dummy (75 kg) saß auf dem Rücksitz.
(Übersetzung von uns.)
Die Angaben erscheinen zumindest insofern vertrauenswürdig, als im Video kurz das Datum 09/06/92 auf der Testanlage zu sehen ist.
Dass es sich also um einen Test der Crashtest-Anlage mit einem älteren Gebrauchtwagen gehandelt hat, wäre ja vielleicht nicht ganz uninteressant zur Einschätzung der Bilder.
Noch interessanter wäre es natürlich, wenn die Leser von Bild.de wüssten, was noch bei YouTube steht:
Die Testgeschwindigkeit betrug 100 km/h in einen massiven Betonblock.
(Übersetzung von uns.)
Ganz “rund 60 km/h” also.
Mit Dank an Ingo H.
Nachtrag, 16:30 Uhr: Dank weiterer Leserhinweise hätten wir jetzt zwei Theorien.
Die eine betrifft die Frage, warum Bild.de das Video ausgerechnet jetzt online stellt: Das macht nämlich seit einigen Tagen die Runde durch diverseAutoblogs.
Die andere erklärt, wie Bild.de auf “rund 60 km/h” kommt: In einem amerikanischen Blog hatte man die 100 km/h in Meilen pro Stunde (mph) umgerechent:
The Commodore was reportedly crashed at 62 mph back in 1992 to to test the vehicle’s drive system, and not the car itself.
Und wenn man da nicht genau auf die Einheit achtet, hat man schnell einen Wert von “rund 60”. Nur halt nicht km/h.
Nachtrag, 10. Juli: Im Fließtext bei Bild.de ist jetzt von “rund 60 Meilen” die Rede (wobei Physiker sicherlich anmerken würden, dass das eine Strecke und keine Geschwindigkeit sei), im Video immer noch von “60 km/h”.
Stephan Weichert klärt auf, dass das Rieplsche Gesetz, an das sich so viele Menschen aus der Printbranche so hoffnungsvoll klammern, gar kein Gesetz ist, sondern eine Hypothese. “Für viele Journalisten gilt das Gleiche wie für die meisten Verleger: wenig Wille zum Experimentieren, eine fast schon pathologische Stutenbissigkeit gegenüber Bloggern und keinen Sinn dafür, warum das Netz-Medium den Journalistenberuf fast vollständig umkrempeln wird.”
(axel-springer-akademie.de/blog, Johannes Wiedemann)
Der FAZ-Kolumnist und Vorsitzende des Vorstands der Ludwig-Erhard-Stiftung Hans D. Barbier hat keine Erfahrungen mit dem Internet gesammelt und will das auch gar nicht. Er sagt es offen – ihm geht es um die Form, nicht um die Inhalte: “Ich liebe nicht den Journalismus, sondern die Zeitung.”
Das Gefühl, es gehe zurzeit in jeder Talkshow um die “Krise”, wird von Peer Schader mit Fakten untermauert. Denn er hat nachgezählt. Bei Illner, bei Plasberg und bei Will.
“Die Leser in der Provinz suchen nach einer ernst zu nehmenden Alternative. Sie haben die unerträgliche Mischung aus Agenturmeldungen, Hofberichterstattung, Honoratioren-PR und Allerweltsgewäsch aus Gesundheitsratgebern und Testberichten satt. Sie wollen nicht länger mit den 50er-Jahre-Phrasen ‘…wurde kräftig das Tanzbein geschwungen’ und ‘Der Wettergott hatte ein Einsehen’ veräppelt werden.”
Don Alphonso eröffnet eine offenbar längere Serie, in der er Journalisten das Bloggen erklärt. In der ersten Folge lernen wir, dass es nicht um Subjektivität geht (“die erste zentrale Fehleinschätzung neubloggender Journalisten”) – sondern vor allem um Charakter: “Genau das ist aber der Unterschied zu jenen faulen Besitzstandswahrern, die genau wissen, dass Charakter in der Inhaltebehörde nur der Karriere schadet.”
Die Journalisten der New York Times sollen ihr Firmenhandy im Ausland nicht mehr nutzen und ausserdem weniger simsen. Aus dem Memo: “Do not use Twitter via text messages; install a client like Twitterberry on your phone instead.”
“In der F.A.Z.meint der Zeitschriftenverlegerpräsident, er werde enteignet. Nicht etwa qua Bundesregierung: Durch Google und so. (…) Die freien Journalisten werden seit über einem Jahrzehnt täglich enteignet.”
Der österreichische “Journalist” Hademar Bankhofer empfiehlt 30 Sekunden langes Händewaschen und nennt seine Absetzung eine “ganz hundsgemeine Intrige”: “Ohne Unschuldsvermutung” habe man sich sofort von ihm getrennt. Er habe da “zum ersten Mal gemerkt, wie viele rückgratslose Feiglinge, (…) wie viele Arschlöcher es gibt.” Und: “Es wurden sogar Leute dafür bezahlt, im Internet recht viel Wirbel darum zu machen.” (Audio-File auf gesundheitswelten.com / Ausschnitt daraus bei stefan-niggemeier.de)
Sabine Pamperrien geht näher auf die Arbeit der bloggenden Journalisten Marvin Oppong und Jens Weinreich ein. Kritik gibt es am Verband Netzwerk Recherche, deren Mitglieder manchmal im Eifer vergessen, Quellen zu erwähnen: “Die rührigen Netzwerker haben es geschafft, durch geschicktes Marketing sich selbst als Synonym für investigativen Journalismus zu etablieren – ohne ihn überhaupt noch betreiben zu müssen. Vorwiegend besteht ihre Funktion inzwischen darin, als gut vernetztes Kartell dafür zu sorgen, sich gegenseitig in Szene zu setzen.”
“Seit der Wahl im Iran wird über den Ausgang diskutiert: War es Wahlbetrug oder nicht? Ein Spiegel-Artikel liefert ein groteskes Bild eines mainstreammedialen Wirklichkeitsverständnisses. Eine Analyse.”
Das Boulevardblatt Blick bringt ohne erkennbaren Anlass im Internet veröffentlichte Nacktfotos einer Sozialamtsleiterin auf die Titelseite. Und fragt dann im Dorf nach, was jetzt die Leute über die Frau denken. Die Leser mögens gar nicht und greifen die Zeitung an.
Es ist eine sensationelle Geschichte, die die “Westdeutsche Allgemeine Zeitung” (“WAZ”) da vor zwei Wochen im Essener Lokalteil versteckt hatte: die eines Jungen, neben dem ein Meteorit einschlug, als er auf dem Weg zur Schule war.
Auf Fotos zeigte der 14-jährige Gerrit in der “WAZ” den etwa erbsgroßen Meteoriten; den Krater, den dieser beim Aufprall in der Asphaltdecke hinterließ, und eine Brandnarbe auf dem Handrücken, die er selbst beim Einschlag davongetragen hat.
Ob die Geschichte tatsächlich stimmt, lässt sich schwer sagen: Sie klingt sehr unwahrscheinlich, ist aber nicht unmöglich. Experten sind sehr skeptisch, sich aber auch uneins. Wir haben mit den Eltern des Jungen Kontakt aufgenommen, aber die möchten mit keinem Medienvertreter mehr sprechen.
Andere Medien haben offenbar nicht einmal den Versuch unternommen, der Geschichte auf den Grund zu gehen, und schrieben lieber munter ab, was woanders stand: “Bild” fasste den “WAZ”-Artikel kurz zusammen, hielt sich dabei aber noch an die bisher bekannten Fakten und übertrieb es lediglich bei der Überschrift:
Dann kam “Central European News” ins Spiel, eine in Wien ansässige Nachrichtenagentur, die sich offenbar darauf spezialisiert hat, deutschsprachige Meldungen ein bisschen aufgeplustert nach Großbritannien zu verkaufen (wie im vergangenen Jahr die Geschichte von Josef Fritzl und seiner Hautcreme).
Britische Medien berichteten anschließend so über den Fall:
Wie man auf die Zahl von 30.000 Meilen pro Stunde (48.280 km/h) kommt, ist schwer nachvollziehbar: Beim Eintritt in die Atmosphäre sind Geschwindigkeiten von bis zu 260.000 km/h denkbar, unten auf der Erde würde ein Meteorit aber nur noch mit Fallgeschwindigkeit (etwa 200 km/h) ankommen, wie der Scienceblogger Phil Plait anmerkt.
Der “Daily Telegraph” wusste aber sowieso mehr als alle anderen:
[Gerrit] said: “At first I just saw a large ball of light, and then I suddenly felt a pain in my hand.
“Then a split second after that there was an enormous bang like a crash of thunder.”
“The noise that came after the flash of light was so loud that my ears were ringing for hours afterwards.
“When it hit me it knocked me flying and then was still going fast enough to bury itself into the road,” he explained.
Damit wissen wir immerhin, wie viel Energie so ein Aufprall auf dem Weg von Essen nach England aufnimmt, denn in der “WAZ” war der Junge noch so zitiert worden:
“Erst habe ich nur einen großen, weißen Lichtkegel gesehen. Meine Hand hat weh getan, dann hat es geknallt.” […]
“Nachdem ich das weiße Licht gesehen habe, habe ich an meiner Hand etwas gespürt. Ich denke, dass mich der Meteorit gestreift hat. Vielleicht war es aber auch nur die Hitze”, berichtet er und zeigt den Rücken seiner linken Hand. Die rund zehn Zentimeter lange Brandwunde überdeckt bereits eine Kruste. “Das Geräusch, das folgte, klang wie das Reißen einer Steinplatte und war ziemlich laut”, erinnert sich Gerrit und deutet auf den kleinen Kreis aufgeplatzten Asphalts zu seinen Füßen.
Die “WAZ” hatte in einem weiteren Artikel Ansgar Korte von der Essener Walter-Hohmann-Sternwarte erklären lassen, wie man herausfinden könne, ob es sich tatsächlich um einen Meteoriten handele. Korte sagte uns auf Anfrage, er habe zum Zeitpunkt des Interviews nichts von dem konkreten Fall gewusst und halte diesen im Nachhinein auch nicht für glaubwürdig.
Entsprechend vorsichtig hatte sich der Experte auch in der “WAZ” geäußert:
“Ist es tatsächlich ein echter Meteorit, dann hat das Exemplar sogar einen gewissen Wert für Sammler und Mineralogen.”
Oder auf … ähm, Englisch:
Ansgar Kortem, director of Germany’s Walter Hohmann Observatory, said: “It’s a real meteorite, therefore it is very valuable to collectors and scientists.”
Auch sonst war der “Telegraph” sehr früh allen anderen voraus:
Chemical tests on the rock have proved it had fallen from space.
Dabei wird der Stein nach unseren Informationen zur Zeit zwar in München untersucht. Ein Ergebnis steht aber noch aus.
Der Artikel im durchaus renommierten “Daily Telegraph” war der Startschuss für eine internationale Karriere der Meldung: AmerikanischeMedien bezogen sich auf den “Telegraph”-Artikel, die Geschichte erreichte u.a. Rumänien, die Türkei, Brasilien, Vietnam und die Ukraine. “Sky News” verbreitete die gleichen falschen Zitate, woraufhin die australische Nachrichtenseite news.com.au aufschrieb, was Korte “Sky News” erzählt haben soll.
Und nachdem sich erst kaum jemand in Deutschland für Gerrit und den Meteoriten interessiert hatte, näherte sich die Geschichte letzte Woche dann wieder ihrem Ursprungsort.
Zunächst machte sie einen kurzen Zwischenstopp beim österreichischen “Standard”, der mit dieser beeindruckenden Quellenangabe aufwartete:
Doch was nach reiner Fiktion klingt, hat sich tatsächlich so zugetragen, berichtet die britische Zeitung Telegraph.
Merkur-online.de:
“Die Chance, diesen Vorfall zu überleben, steht eins zu einer Million. Gerrit Blank aus Essen hat seine Chance genutzt – und die ganze Welt reißt sich um die Geschichte.
Bald schrieben Zeitungen über die Attacke aus dem All. Die Geschichte schwappte über die Landesgrenzen, nach Großbritannien und in die Türkei. Sogar ein australisches Nachrichtenmagazin schreibt über Gerrit Blank, der sich derzeit von seiner Verletzung erholt. (…)”
In erstaunlicher Meta-Form (siehe Kasten) schlug die Geschichte vergangenen Montag schließlich im Online-Auftritt des “Münchner Merkurs”, der “Allgemeinen Zeitung”undanderen* auf, wo man sich sogleich an eine Rückübersetzung einzelner Zitate machte:
“Meine Ohren haben noch Stunden danach geklingelt”, beschreibt der Schüler.
*) Der wortgleiche Text, der ursprünglich auch im Online-Angebot der “Hessisch-Niedersächsichen Allgemeinen” gestanden hatte, ist dort inzwischen verschwunden.
Robert G. Picard mit einem aus seinem Blog “The Media Business” übersetzten Beitrag: “Journalismus ist kein Geschäftsmodell, keine Arbeitsstelle, kein Unternehmen, keine Branche, keine Medienart und kein Distributionssystem. Im Kern ist Journalismus eine Aktivität.”
Markus Beckedahl analysiert auf eine Kolumne des in Berlin lehrenden Politikprofessors Herfried Münkler in der Frankfurter Rundschau: “Hilfe. Sowas drucken Qualitätsmedien im Jahre 2009! Und da wundern sich Verlage, dass junge und gebildete Menschen sich keine Zeitungen mehr kaufen?”
“Ein günstiger Flug, ein ermäßigtes Auto, ein Computerschnäppchen – als Journalist zahlt man meist weniger als andere. Ohne großen Aufwand. Ganz einfach, weil sich Unternehmen positive Berichte erhoffen.”
Der CEO der NZZ-Gruppe hat Sparmassnahmen eingeleitet, dennoch schreibt das Unternehmen Verluste. Er denkt nun über Einnahmen aus dem Internet nach. Die allgemeinen News sollen kostenlos bleiben: “Bei Finanzdienstleistungen, spezifischen Wirtschaftsthemen und Kommentaren von exzellenten Autoren ist eine Veränderung aber denkbar.”
Schauspieler Russell Crowe wäre gerne Journalist geworden. Allerdings: “Die Medien sind völlig zynisch geworden. Da nimmt man ein Stück Nichtigkeit und bläst es so auf, dass es in den freien Platz neben der Anzeige auf Seite fünf passt. Und die Generation, die damit aufwuchs, kann schon nicht mehr Unsinn von Wahrheit unterscheiden. Ich bin noch in einer Zeit groß geworden, wo bestimmte Zeitungen als unerschütterliche Vermittler von Fakten galten, aber das hat sich leider geändert.”
Kurt W. Zimmermann versucht das Kunststück, sich für “indirekte Beihilfen” des Staats an die etablierten Verlage auszusprechen und gleichzeitig dem Leser zu vermitteln, dass er eigentlich eine gegenteilige Haltung hat: “Wir haben an dieser Stelle immer liberale Positionen vertreten. Wir sind gewiss keine Etatisten. Aber wir wissen, dass die Medien vor wüsten Zeiten stehen. Sie brauchen Unterstützung vom Staat.”
“Die Alpe di Siusi ist nun mal ein so schönes Stück alpiner Kulturlandschaft, ein so bedacht erschlossenes Naturgebiet auf 8000 Fußballfeldern Größe, dass man ihr auch das touristischste Großereignis nachsieht.”
(“Berliner Zeitung”, 16.5.09)
Die unter dem Namen “Raststätte Elbmarsch” geplanten Mega-Parkplätze sollen je Fahrtrichtung 120.000 Quadratmeter umfassen (…). Der Flächenbedarf entspricht sowohl für die Raststätte Ost wie auch für die Westseite jeweils zwölf Fußballfeldern.
(“Welt”, 4.5.09)
Die Gartenschau findet auf insgesamt 300 000 Quadratmetern statt (30 ha). (…) Von der Gesamtfläche sind knapp die Hälfte Rasenflächen — in der Größe von zirka 20 Fußballfeldern.
(“Tagesspiegel“, 24.4.09)
Das KaDeWe in Zahlen & Fakten: Die 60 000 Quadratmeter Verkaufsfläche entsprechen neun Fußballfeldern.
(“B.Z.”, 20.4.09)
Auf 66 000 Quadratmetern, das entspricht der Größe von acht Fußballfeldern, so Tropical Islands, gibt es den größten Indoor-Regenwald der Welt und Europas größte tropische Sauna-Landschaft sowie 200 Meter Sandstrand.
(“Berliner Morgenpost”, 3.02.09)
Gestern wurde der neue Super-Hangar von “Air Berlin” am Flughafen eingeweiht — und der sprengt alle bisher gekannten Dimensionen: 220 Meter lang, 90 Meter breit und 31 Meter hoch. Die Grundfläche entspricht der Größe von drei Fußballfeldern!
(“Express”, 29.4.09)
Heute stehen 1,5 Mio. Quadratmeter (qm) Bürofläche in Frankfurt leer, das entspricht in etwa der Fläche von 219 Fußballfeldern
(“Handelsblatt”, 30.1.09)
Jedes Storchenpaar benötige in der Nähe seines Horsts feuchtes Grünland in der Größe von 26 Fußballfeldern, um seine Brut satt zu bekommen.
(“Die Welt”, 6.3.09)
Er bewohnt Zimmer in der Größe halber Fußballfelder.
(“Berliner Zeitung”, 12.1.09)
Dann gebe es aber auf dem 16 000 Quadratmeter großen Tierheimgelände — 30 Fußballfelder würden hineinpassen — für weitere Bauten kaum noch Reserveflächen.
(“Berliner Morgenpost”, 4.01.09)
Wenige Monate später kam er nach Majdanek, ein KZ am Rande der Stadt Lublin auf einer Fläche so groß wie 380 Fußballfelder.
(“Der Spiegel”, 16.3.2009).
Die journalistische Standardmaßeinheit für alles, das größer ist als eine Handtasche und kleiner als Russland, ist das Fußballfeld. Das folgt der Logik, dass die meisten Menschen schon mal eines gesehen (oder sogar drauf gestanden) haben und sich deshalb ganz gut vorstellen können, wie groß so ein Platz ist, und beruht auf der etwas gewagten Annahme, dass wer sich eines vorstellen kann, sich auch viele vorstellen kann. Mathematisch heikel wird die Sache dadurch, dass die Größe eines Fußballfeldes gar nicht genau definiert ist — in der Regel aber sind es 68×105 Meter, also 7.140 m2, 0,714 Hektar oder 0,00714 km2.
Wirklich vorstellen können sich anscheinend aber auch Journalisten nicht mehr als höchstens zwei Handvoll Fußballfelder:
Beim Überschlagen hätte natürlich jemandem bei Bild.de auffallen können, dass die herbeizitierten Fußballfelder exakt 8 km2 groß wären. Oder, um es auf journalistisch zu sagen: etwa so groß wie 1120 Fußballfelder.
In Schweden hat die Piratenpartei auf Anhieb einen Sitz im Europaparlament erobert. Auch in Deutschland stimmten gestern bemerkenswerte 0,9 Prozent für diese junge Partei, die von der “Bild”-Zeitung “Gaga-Verein” genannt wird.
Eigentlich war es also eine gute Idee von der deutschen Nachrichtenagentur dpa, kurz zu erklären, wer diese Piraten sind. Wenn sie es denn getan hätte. Stattdessen veröffentlichte sie gestern Abend um 21.22 Uhr und noch einmal um 22.50 Uhr folgenden Text:
Schwedische Internet-Piraten im EU-Parlament
Bei den Europawahlen in Schweden hat die für kostenlose Downloads aus dem Internet eintretende Piratenpartei aus dem Stand 7,4 Prozent der Stimmen geholt. (…) Hintergrund für die Kandidatur war die Verurteilung von vier Verantwortlichen der Internet-Tauschbörse The Pirate Bay wegen Verletzung des Urheberrechts. Die Börse ermöglicht das kostenlose Herunterladen von Musik, Filmen und Computersoftware aller Art. (…)
Richtig ist, dass die Piratenpartei für eine radikale Änderung des Urheberrechts kämpft. Das auf “kostenlose Downloads aus dem Internet” zu reduzieren, ist schon gewagt. Eindeutig falsch ist aber die Behauptung, dass das Pirate-Bay-Urteil Hintergrund der Kandidatur war. Das ist schon zeitlich unmöglich, weil es erst am 17. April 2009 fiel. Die Piratenpartei wurde am 1. Januar 2006 gegründet und hatte noch im selben Jahr angekündigt, bei der Europawahl antreten zu wollen. Piratenpartei und Pirate Bay entstammen derselben Bewegung, sind aber nicht direkt miteinander verbunden.
Die meisten haben auch gleich Foto und Bildtext von dpa übernommen, in dem es schlicht und falsch heißt:
Nachtrag, 15 Uhr. Um 13:21 Uhr hat dpa die Meldung teilweise korrigiert. In einer Berichtigung heißt es nun: “Hintergrund für den Erfolg der Kandidatur war die Verurteilung von vier Verantwortlichen der Internet-Tauschbörse The Pirate Bay wegen Verletzung des Urheberrechts. ”
Eine halbe Stunde später veröffentlichte die Nachrichtenagentur eine neue, differenziertere Meldung “Schwedische Piratenpartei auf Erfolgswelle”, mit der die meisten der oben genannten Online-Medien die alte Meldung ersetzt haben. “Focus Online” hat stattdessen eine etwas kryptische Korrektur veröffentlicht.
Die Online-Redaktion der “Frankfurter Neuen Presse” reagiert angesäuert auf die Kritik an der falschen Meldung:
Als ob wir diese Meldung wider besseres Wissen veröffentlicht hätten. Wie sollen Kunden von Nachrichtenagenturen, also Zeitungen, jede einzelne Meldung überprüfen? Hunderte, tausende täglich. Die Agenturen sind dazu da, dass sie uns korrekt recherchierte Meldungen und Artikel zukommen lassen. (…)
Bei manchen Geschichten, die wir auf dieser kleinen Seite so erzählen, hat man ein gewisses Gefühl dafür, wie der Fehler, den man da gerade schildert, entstanden sein könnte: Irgendwas wurde verwechselt, vielleicht auch mal schlampig recherchiert — oder man versteht einfach mal was falsch.
Und dann gibt es die Kategorie, bei denen man nur noch zwei Möglichkeiten entdeckt. Entweder, jemand hat etwas fürchterlich falsch verstanden. Oder frei erfunden. Bei der folgenden Geschichte muss man befürchten, dass auf sie letztere Variante zutrifft.
Erst einmal zu den Fakten: In München saß, wie die Polizei im einigermaßen umständlichen Deutsch eines Polizeiberichts schildert, ein 26-jähriger Serbe mit zwei Begleitern in einer Eisdiele. Die drei wurden plötzlich von einer Gruppe angegriffen, deren Größe die Polizei mit “10 bis 20” angibt. Angeführt wurde die Gruppe von einem 24-jährigen Türken. Offenbar hatte es die Gruppe insbesondere auf den Serben abgesehen. Sie malträtierte ihn mit Schlägen, benutzte dazu auch diverse Gegenstände — und umringte den Mann schließlich.
Den weiteren Verlauf schildert die Polizei so:
Dieser zog daraufhin ein Messer und stach auf die Angreifer ein. Er selbst trug Schnittverletzungen an beiden Händen davon, die ambulant in einem Krankenhaus versorgt werden mussten. Der 24-jährige Türke erlitt einen Stich in die Brust und verstarb wenig später in einem Münchner Krankenhaus.
Der 26-Jährige ist inzwischen wieder auf freiem Fuß und hat laut Staatsanwaltschaft keine Strafverfolgung zu befürchten, da er ganz offensichtlich aus Notwehr gehandelt hat.
Das ist die Geschichte, wie sie die Polizei erzählt (und auchandereMünchner Medien). Kommen wir jetzt zu der Geschichte, wie sie die Münchner Ausgabe der “Bild” schildert. Aus dem 24-jährigen Türken, den die Polizei als Rädelsführer und Hauptangreifer schildert, wird plötzlich ein Opfer. Ein Mann, der jedem gerne half — und den seine Hilfsbereitschaft das Leben gekostet hat, wie “Bild” säuselt:
Und auch der Rest der Erzählung ist nicht weniger erstaunlich: Demnach war der 24-Jährige ursprünglich gar nicht dabei, als die Schlägerei zwischen den Jugendlichen begann. Dazu gekommen sei er erst, als einer seiner in die Prügelei verwickelten Freunde einen (O-Ton “Bild”) “verhängnisvollen Anruf ” absetzte: “Eftal hilf!”. Der hilfsbereite “Muskelmann” (ebenfalls O-Ton “Bild) sei direkt von der gegenüberliegenden Wohnung seiner Mutter an den Ort des Geschehens gelaufen — und dort erstochen worden: Er “starb weil er helfen wollte”.
Und wenn man schließlich ein wenig vergleicht, was von dem, was im Polizeibericht stand, in “Bild” angekommen ist, kommt man schnell zu dem Resultat: ungefähr gar nichts. Nur, warum das so ist, ist uns auch nach vierfachem Durchlesen der Geschichte nicht klar…
Der grösste Schweizer Verleger sieht die Zukunft seines Verlags offenbar nicht zwingend mit Journalismus verknüpft. Auf die Feststellung “Ringier wird mehr und mehr zu einem Versandhändler” entgegnet Michael Ringier: “Der Versandhandel ist ein gutes Geschäft. Hubert Burda verkauft ja auch Schirmständer – was solls? Solange das Geschäftsmodell erfolgreich ist?”
“Jahrzehntelang konnten Tageszeitungen, aber auch Zeitschriften wie der Stern, gut davon leben, dass Informationen eine relativ knappe Ware waren (…) Das funktioniert nicht mehr. Informationen sind praktisch wertlos geworden – eine Folge des Überangebots aus Daten, Fakten, Gerüchten, Nachrichten, Meldungen und Meinungen, die überall im Netz herumschwirren. Simple Marktwirtschaft.”
Journalisten des Tages-Anzeigers traten gestern vor das Gebäude, in dem sie arbeiten und demonstrierten gegen den geplanten Stellenabbau. “Eine derart massive Amputation” sei derzeit nicht nötig und vergrössere nur den Profit der Eigentümer, so die Personalkommission. Weitere Berichte bei tagesanzeiger.ch, klartext.ch und presseverein.ch.
“Das ‘Österreich’-Onlineportal wird zwei Monate lang nicht in der Österreichischen Webanalyse (ÖWA) ausgewiesen – wegen ‘groben Verstößen gegen die Richtlinien’.”
Richard Herzinger schreibt einen langen Artikel über die doch eigentlich recht banale Tatsache, dass sein Wikipedia-Eintrag kurzzeitig falsche Angaben beinhaltete.
Für Klaus Happrecht lebt der deutsche Leitartikel “unangefochten fort – weil ihn niemand so recht wahrnimmt. Weil er keinen stört. Weil es ihm geht wie dem Opa und der Oma drüben im Austraghäusl, die in Frieden vor sich hin welken.”
Manfred Messmer, seit wenigen Monaten von seinen Aufgaben für das Newsnetz-Portal bazonline.ch befreit, stellt fest, dass Journalisten für einen Verlag “sauteuer” sind: “So ein Journalist ist gut bezahlt, fängt bei 70, 80’000 Franken an und kommt nach ein paar wenigen Jährchen im Dienst auf über 100’000 Franken und kann, wenn er etwas Job-hoppt gut und gerne 120, 130, 140’000 und mit Chefwürden ausgestattet auch etwas mehr heimtragen.”
Der Herausgeber der “The New York Review of Books” sieht “das Ende der 500 Jahre währenden Gutenberg-Epoche” gekommen: “Ich bin überzeugt davon, dass Bücher in Zukunft größtenteils auf Bildschirmen gelesen werden. Ich habe einen Kindle, wir verwenden ihn ständig zur Recherche. Im Moment kostet das Gerät noch 400 Dollar. Ich denke, es wird bald vier Dollar kosten.”
Patrik Tschudin liest die Schweizer Sonntagszeitungen und findet nichts, dass man “wirklich wissen” muss. Eine Story der NZZaS über den Geheimdienst beleuchtet er näher: “Warum in aller Welt macht die NZZ am Sonntag auf der Frontseite auf mit dieser notdürftig zusammenschusterten, aufgeblasenen, faktenfreien, nur aus knapp lauwarmer Luft bestehenden Geschichte?”
“Das ‘Gamen’ am PC wird zu Unrecht verteufelt, sagen Experten: Ballerspiele führen nicht zu Gewaltexzessen – und es gibt viele positive Effekte dieser umstrittenen Art der Freizeitgestaltung.”