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Sturzreden

“Bild”-Kolumnist Hugo Müller-Vogg gilt als genauer Kenner der politischen Szene. Er weiß, wie Politiker ihre Krankheiten tarnen, verriet der Öffentlichkeit, wie die Kanzlerin ihre SMS unterzeichnet, und greift besonders gerne Oskar Lafontaine an.

Anscheinend will Müller-Vogg Lafontaine jetzt auch aus der Geschichtsschreibung löschen. Immerhin schrieb er gestern in seiner Kolumne “Berlin intern”:

Sie konnten sich nicht ausstehen: Gerhard Schröder und der 1995 von ihm gestürzte SPD-Vorsitzende Rudolf Scharping.

Andererseits könnte es natürlich auch sein, dass Müller-Vogg schlichtweg nicht wusste, dass Scharping beim berühmt gewordenen Mannheimer Parteitag 1995 nicht von Schröder gestürzt wurde, sondern von Lafontaine.

Schwarzer, Unterschichten, Elektroschrott

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Bild setzt Alice Schwarzer auf Kachelmann an”
(heise.de/tp, Peter Mühlbauer)
Alice Schwarzer erhält von “Bild” eine wöchentliche Kolumne, in der sie den Prozess gegen Jörg Kachelmann begleitet. “Dass Kachelmann seine frühere Geliebte vergewaltigt hat, scheint für Schwarzer bereits festzustehen.”

2. “Offenheit: Mit Vorsicht zu genießen”
(fr-online.de, Daniel Bouhs)
Daniel Bouhs kommentiert die Meldung “Verbraucherzentrale kritisiert Bild-Shop” auf der Titelseite von “Bild” am Freitag.

3. “Lässt ‘Heute’ die Grünen für Dichand-Blasphemie büßen?”
(kobuk.at, Helge Fahrnberger)
Helge Fahrnberger sammelt kritische Schlagzeilen der Wiener Gratiszeitung “Heute” zur Partei “Die Grünen”: “Seit Ende Mai erschien alleine in der Printausgabe im Schnitt alle 3,7 Tage ein kritischer Artikel über die Grünen, darunter 21 große (mehrspaltige) Artikel. Angesichts des nur wenige Seiten umfassenden Politikteils eine enorme Menge.

4. “Die Aufregungsspirale”
(dradio.de, Brigitte Baetz)
Die Sarrazin-Debatte: Brigitte Baetz haben die vergangenen Tage gezeigt, dass Journalisten “nicht die Vermittler von Fakten und begründeten Meinungen, sondern die Veranstalter eines großen Kasperletheaters” sind.

5. Interview mit Gottfried Schatz
(nzz.ch, Francesco Benini)
Biochemiker Gottfried Schatz glaubt, man wisse noch zu wenig, um konkrete Aussagen zu vererbter Intelligenz zu machen. “Meine Vorfahren im südlichen Burgenland waren arme Bauern, deren Kinder meist als ungebildete Unterschicht in die USA zogen und sich dort emporarbeiteten. Hätte Sarrazin recht, stünde es um mein vererbtes intellektuelles Potenzial nicht zum Besten. Unterschichten haben uns grosse Genies geschenkt und werden dies wohl auch in Zukunft tun.”

6. “Ghana: Das Geschäft mit dem Elektroschrott”
(ardmediathek.de, Video, 7:10 Minuten)
Wie Elektroschrott aus Deutschland in Ghana verarbeitet wird.

Und was hat dann DJ Bobo erfunden?

Die Tatsache, dass Jürgen Trittin an Eierbrötchen erinnert wird, wenn er die Musik der Bee Gees hört, ist selbst im Sommerloch eher eine Null-Nachricht. Die Internetseite des Kölner “Express” tat dem Musikmagazin “Rolling Stone” dennoch gerne den Gefallen, diese Vorabinformation aus dem morgen erscheinenden Interview mit Trittin weiterzuverbreiten:

Ganz schön gaga: Trittin: Bei Disco-Musik denkt er an Eierbrötchen

Statt sich nur über Trittin lustig zu machen, hätte Express.de aber auch bei dieser Geschichte ein bisschen Wert auf Fakten legen können:

Das komme davon, dass zu seiner Bundeswehrzeit in der Kantine immer solche Musik gespielt worden sei, sagte der ehemalige Umweltminister und Erfinder des Dosenpfands dem Magazin “Rolling Stone”.

Zwar steht in der Pressemitteilung des “Rolling Stone” auch, dass sich Trittin “DJ Dosenpfand” nennt, wenn er irgendwo auflegt, aber “erfunden” hat das Dosen- oder Einwegpfand im Jahr 1991 der damalige Umweltminister Klaus Töpfer.

Mit Dank an Jens N.

Verzählt und verkauft

Die Transferperiode – ein fast magisches Wort für Fans, um die Sommerpause zu überbrücken, Lebenselixier über Wochen für Zeitungen, vorzugsweise in Südeuropa. Spekuliert wird, was die Branche hergibt.

soweit die Theorie laut “Spiegel Online”. Andererseits gibt es natürlich auch beim heiteren Spielerwechsel zwischen den Bundesligasaisons ein paar gesicherte Fakten, die man natürlich kennen muss.

Der folgende Satz enthält trotzdem zwei Fehler:

Magath verkauft die teuren Leistungsträger der Vergangenheit wie Kuranyi, Bordon oder Rafinha, dadurch kommen Ablösemillionen in die Kasse, stattdessen werden Stars à la Raúl geholt, die ablösefrei sind und man über das Gehalt ködert.

Die “Ablösemillionen” der drei genannten Spieler summieren sich auf die geschätzten acht bis zwölf Millionen, die der Verkauf von Rafinha eingebracht haben soll. Kevin Kuranyi dagegen wechselte ablösefrei zu Dynamo Moskau, der Vertrag mit Marcelo Bordon wurde aufgelöst, auch er verließ den FC Schalke, ohne dass sein neuer Verein Al-Rayyan eine Ablösesumme zahlen musste.

Nachtrag, 7. August: “Spiegel Online” hat den Satz durch die Formulierung “dadurch kommen wie im Fall Rafinha Ablösemillionen in die Kasse” unauffällig an die Realität angepasst.

Prozessjournalismus, Loveparade, Bäcker

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Prozessjournalismus: Einen Abstellknopf gibt es nicht”
(netzwertig.com, Martin Weigert)
Martin Weigert befasst sich mit Falschmeldungen und Gerüchten im Echtzeitweb. Dem professionellen Journalismus schlägt er ein eigenes Ressort vor, “das aktuelle Hinweise und Gerüchte aus dem Netz aufgreift, transparent und mit Hilfe technischer Raffinessen darstellt und gleichzeitig bei der sorgfältigen Auflösung/Verifikation mithilft”.

2. Interview mit Christian Schicha
(taz.de, Karin Schädler)
Medienwissenschaftler Christian Schicha über die Berichterstattung zum Unglück an der Loveparade: “Bilder werden häufig missbraucht, um die These eines Artikels zu bestärken. Zum Beispiel zeigte der ‘Spiegel’ ein Bild des Duisburger Oberbürgermeisters Adolf Sauerland, in dem dieser seine Hände nach oben streckte. Das sollte symbolisieren, dass er sich für unschuldig halte, was er selbst gar nicht gesagt hat.”

3. “Zapping. Ein Selbstversuch.”
(frankfurter-magazin.de, Moritz Jacobi)
Moritz Jacobi zappt sich durch das Fernsehprogramm. “In einer Call-in-Gameshow schreit ein hysterisches Weib seit zwei Stunden, dass nur noch eine Minute Zeit sei bis Sendeschluss und dass irgendein heißer Knopf vorhabe, demnächst zuzuschlagen. Zapp.”

4. “What I Read: Jay Rosen”
(theatlanticwire.com, Jared Keller, englisch)
Was liest Journalistikprofessor Jay Rosen? Und was liest Clay Shirky?

5. Wedding of the Decade of the Century of the Millennium”
(thedailyshow.com, Video, 5:53 Minuten, englisch)
Korrespondentinnen von US-TV-Stationen stehen ausserhalb eines Grundstücks, auf dem die Hochzeit von Chelsea Clinton und Marc Mezvinsky stattfindet. Sie berichten, nahezu ohne Fakten, während Stunden.

6. “Horst, der Bäcker”
(klopfers-web.de)
Eine kurze Geschichte zum Thema Bezahlen.

E.T. nach Hause twittern

An den Nachrichten aus dem “Mystery-Ressort” von Bild.de, wo sich alles um Aliens, Ufos und Übersinnliches dreht, ist in der Regel nur eines mysteriös: Nämlich wie sie zustande kommen. Ein schönes Beispiel dafür ist diese bahnbrechende Behauptung:

Wissenschaftler behaupten: Aliens wollen über Twitter mit uns kommunizieren

Zugrunde liegt der ganzen Geschichte eine Studie des kalifornischen Wissenschaftlers James Benford, der die Theorie aufgestellt hat, die Art und Weise, in der derzeit nach außerirdischen Signalen gesucht wird, sei nicht effektiv.

Benford und seine Kollegen glauben, dass man bislang auf den falschen Frequenzen versucht hat, extraterrestrische Nachrichten zu empfangen. Ihrer Meinung nach würden Aliens aus ökonomischen Gründen eher dazu neigen, sehr kurze Nachrichten in möglichst viele Richtungen zu versenden.

Unglücklicherweise benutzt Benford, um die Kürze dieser Nachrichten anschaulicher zu machen, folgenden Vergleich:

“This approach is more like Twitter and less like ‘War and Peace,’ ” said James Benford, founder and president of Microwave Sciences Inc., in Lafayette, Calif.

Übersetzt bedeutet das:

“Man muss sich das eher wie Twitter(-nachrichten) vorstellen und weniger wie ‘Krieg und Frieden’“, sagte Dr. James Benford, Gründer und Präsident der Firma Microwave Sciences in Lafayette, Kalifornien.

Der Microbloggingdienst Twitter steht mit seinen maximal 140 Zeichen symbolisch für äußerst kurze Nachrichten, der umfangreiche vierteilige Roman von Leo Tolstoi für die langen Nachrichten, nach denen bislang gesucht wurde. Das kann man auch im Online-Auftritt der “Daily Mail” nachlesen, auf den sich Bild.de beruft. Zwar sind die Überschrift (“Is ET using Twitter?”) und die Einleitung etwas irreführend, der Rest des Artikels gibt jedoch die tatsächlichen Erkenntnisse wieder.

Nicht so bei Bild.de: In der Bildunterschrift zu einem mit Aliens verzierten Screenshot der Startseite von Twitter wird fröhlich verkündet:

Vorbei die Zeiten, als Aliens wie E.T. noch telefonieren wollten: Längst wird getwittert!

Und weiter:

#erde #homo_sapiens 367fgub dsf3 – so könnte eine Alien-Nachricht auf Twitter aussehen.

Im Text vermengen sich dann Fakten mit der blühenden Fantasie des Bild.de-Autoren:

Doch auch Außerirdische verhalten sich ökonomisch, würden daher Kurznachrichten mit nur 1 bis 10 Gigaherz vorziehen, wie sie auf der Erde über die Internet-Community „Twitter“ gezwitschert werden.

Benford empfahl zwar tatsächlich, man solle sich nicht nur wie bislang auf die Frequenzen zwischen einem und zwei Gigahertz konzentrieren, sondern auch solche bis 10 Gigahertz berücksichtigen. Gezwitschert wird jedoch – und das sollte sich inzwischen bis zu Bild.de herumgesprochen haben – immer noch im Internet und nicht auf irgendwelchen Frequenzen.

Für Außerirdische, die noch nicht auf der Erde sind, wäre Twitter somit völlig uninteressant, auch wenn Bild.de fantasiert:

Der Mikroblogging-Dienst wäre für Außerirdische also das ideale Kommunikationsmittel.

Und:

Dann sollten wir in Zukunft wohl besonders auf seltsame Kurznachrichten achten. Vielleicht kommen diese ja direkt aus dem All…

Vielleicht sollten wir in Zukunft seltsame Quatschnachrichten einfach ignorieren. Die kommen nämlich mit Sicherheit direkt von “Bild Mystery”.

Mit Dank an Berkan T.

Fußball, Rüdiger Grube, Bücherfreunde

6 vor 9

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1. “Bild dir deinen Fussball”
(spox.com, eshkeeya)
Ein aufschlußreicher Hintergrundartikel in drei Teilen (1, 2, 3) dreht sich um die Abteilung Fußball bei “Bild”, die rund 80 Prozent des Sportteils ausmacht. Einzeln beleuchtet werden die Kapitel “Fleiß. Einfluss. Polemik. Freundschaftspflege. Feindschaftspflege.”

2. “Wie Bahnchef Grube mit ‘Fakten’ verwirrt”
(nilsole.net, Nils Glück)
Nils Glück vergleicht Interviews mit dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn AG, Rüdiger Grube, bei “Deutschlandfunk”, “Spiegel” und “Tagesthemen”.

3. “Badische Zeitung: eBook-Leser kulturlos”
(lesen.net, Johannes Haupt)
“Welcher wahre Bücherfreund bestellt sein kostbares Gut seelenlos bei Amazon?” fragt Bettina Schulte in der “Badischen Zeitung”. Johannes Haupt antwortet.

4. “Wasser in der Sahara”
(sportmedienblog.de)
Das Sportmedienblog denkt nach über die halbjährlichen Ranglisten in der Sportzeitschrift “Kicker”: “Ob Weltklasse, Internationale Klasse, im weiteren Kreis oder Blickfeld – bei Fans wie Profis sorgen die regelmäßigen Einstufungen jedes mal für intensive Diskussionen.”

5. “Wie eine Vollmacht zum Abzocken der Hörer”
(blogmedien.de, Horst Müller)
Horst Müller hält Gewinnspiele der Privatradios “Radio Schleswig-Holstein”, “Radio PSR” und “Antenne MV” für fragwürdig: “Kaum zu glauben, dass solche dubiosen Spielpraktiken von den aufsichtführenden Landesmedienanstalten nicht nur geduldet, sondern sogar noch gefördert werden.”

6. “Fernsehprogramm von Juli 1985”
(retro-tv.de, Video, 21:17 Minuten)
Retro-TV denkt zurück an die “Muppet Show”, an das “Trio mit vier Fäusten” und an “Monaco Franze”.

Quengeln, Kicker, Popmusikkritik

6 vor 9

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1. “Eine faszinierende neue Aufgabe”
(ad-sinistram.blogspot.com, Roberto J. De Lapuente)
“Für einen leidenschaftlichen Journalisten ist das eine ganz unerwartete, faszinierende neue Aufgabe”, sagte der bisherige ZDF-Journalist Steffen Seibert zu seiner Berufung zum Sprecher der Bundesregierung. Roberto J. De Lapuente widerspricht: “Der leidenschaftliche Journalist ist von den Grundsätzlichkeiten seiner Profession weit entfernt. Er ist nicht neutral, nicht kritisch, nicht objektiv – er ist parteiisch, gutgläubig, subjektiv: er ist das personifizierte Verlautbarungsorgan seines Dienstherrn. Er erzählt, was die Regierung von ihn erwartet; er tut kund, was man ihm aufschreibt; er vermittelt Vordiktiertes – das ist nicht journalistisch: das ist propagandistisch!”

2. “Zur Lage des Journalismus”
(carolin-emcke.de)
Carolin Emcke dokumentiert ihre an der Jahrestagung von Netzwerk Recherche gehaltene Rede: “Es braucht einen Journalismus, der es wieder wagt, mit guten Gründen zu misstrauen, denn nur so ist eine Krise des Vertrauens, wie sie im Moment besteht, zu vermeiden, in dem wir rechtzeitig und begründet Zweifel äussern, und indem wir, als Journalisten, uns einer Aufgabe besinnen, die etwas aus der Mode gekommen scheint: Ideologie-Kritik als eine Form der Aufklärung, auf die wir uns ansonsten doch so vollmundig berufen.”

3. “Das Ende der Plattenkritik?”
(fm4.orf.at, Michael Schmid)
Michael Schmid fasst die Debatte über Popmusikkritik mit einer Linkliste zusammen.

4. “Google an den Geldbeutel gehen”
(journalist.de, Timo Rieg)
Timo Rieg bemerkt zum von den Printverlagen propagierten Leistungsschutzrecht, dass Quengeln für manche Artgenossen “eine lebenslange Strategie zur Durchsetzung ihrer Wünsche” sei. “Es ist nicht ganz frei von Ironie, könnte man meinen, dass ausgerechnet eine Branche nach Erlösbeteiligung an fremden Leistungen ruft, die selbst ganz wesentlich von fremden Leistungen lebt – ohne dafür zu bezahlen.”

5. “Der Advokat”
(tagesspiegel.de, Wolfgang Uhrig)
Wolfgang Uhrig, selbst 16 Jahre lang “kicker”-Chefredakteur, schreibt zum 90. Geburtstag des Sportmagazins.

6. “How facts backfire”
(boston.com/bostonglobe, Joe Keohane, englisch)
Joe Keohane denkt über die Auswirkungen von Fakten nach. “In reality, we often base our opinions on our beliefs, which can have an uneasy relationship with facts. And rather than facts driving beliefs, our beliefs can dictate the facts we chose to accept.”

Versagen bei der Pisa-Studie

Es muss ein schwerer Schlag für die Bewohner der italienischen Stadt Pisa gewesen sein, als sie heute auf Bild.de gingen:

Bye, bye Pisa! Abu Dhabi hat jetzt den schiefsten Turm

Was ist passiert?

Der Capital Gate Tower in Abu Dhabi ist jetzt laut Guinness-Buch der Rekorde der schiefste Turm der Welt.

Bisher assoziierte man mit “schiefer Turm” nur einen Ort auf der Welt: Pisa.

Natürlich hat Abu Dhabi gar nicht Pisa verdrängt, werden sich die Einwohner einer ganz anderen Stadt gedacht haben — das weiß auch Bild.de:

Der schiefe Turm von Pisa ist zwar der bekannteste, allerdings stand der bisher schiefste Turm offiziell in Suurhusen in Ostfriesland mit einem Neigungswinkel von 5,1939 Grad.

Warum also “Bye, bye Pisa!” und nicht “Bye, bye Suurhusen”?

Ach, letztlich wäre beides falsch: In der Kategorie “Schiefster Turm” gibt es keine Veränderung, wie uns die Redaktion des Guinness-Buchs auf Anfrage mitteilte.

Ein absichtlich schiefer Neubau könne da nämlich gar nicht aufgenommen werden:

Grundsätzlich geht es bei dieser Rekordkategorie um die Gesamtneigung inklusive Fundament, bzw. Bodenplatte. Aus diesem Grund kann ohnehin kein Nachbau eines schiefen Turms anerkannt werden, da nach den Gesetzen der Statik dort mit einem horizontalen Fundament gearbeitet wird, auf das der (schiefe) Turm gesetzt wird.

Und wenn Bild.de die Pressemitteilung (PDF) des Capital Gate Tower aufmerksam gelesen hätte, wäre das auch aufgefallen: Der Name “Pisa” fällt dort nur im Zusammenhang mit dem Neigungswinkel (“mehr als vier mal so viel wie der berühmte Schiefe Turm von Pisa”).

Die Kategorie, in der der Turm von Abu Dhabi anerkannt wurde, ist eine ganz andere als die von Pisa und Suurhusen und heißt “World’s Furthest Leaning Manmade Tower” — ungefähr “Der schiefste künstliche Turm”.

Mit Dank an Thomas M. Phillip S. und S.B.

Nachtrag, 10. Juni: Bild.de hat es tatsächlich geschafft, die Fakten für seinen Startseiten-Teaser noch ein bisschen stärker durcheinander zu werfen:

Jetzt haben sich die Arabischen Emirate auch noch den Titel "schiefster Turm" geschnappt. Den hatte sich seit Jahrhunderten Pisa gepachtet.

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