1. So kann es nicht weitergehen (spiegel.de, Sascha Lobo)
“Spiegel Online”-Kolumnist Sascha Lobo macht es wütend, auf welche Weise viele Medien über Themen wie Brexit, Donald Trump oder die AfD berichteten: “Der Aufstieg der autoritären Kräfte weltweit wäre ohne Medien nicht möglich gewesen, und zwar sowohl sozialer wie redaktioneller Medien. Die Verantwortung für eine weitere Stärkung der Rechten, Rechtsextremen, Autoritären liegt zum guten Teil bei ebendiesen Medien.” Diese tappten in immer die gleichen Fallen: False Balance, Agenda Cutting und strukturelle Verharmlosung.
2. Armes Deutschland (taz.de, Anne Fromm)
Um die linke Tageszeitung “neues deutschland” steht es bereits seit vielen Jahren schlecht, doch jetzt scheint die Lage ernst wie nie zuvor. Anne Fromm nimmt sich in der “taz” Raum und Zeit, um etwas von der Geschichte und der komplizierte Struktur des “nd” zu erzählen und die aktuellen Schwierigkeiten zu erklären.
3. BuzzFeed News darf den Namen von Abtreibungsgegner Yannic Hendricks weiterhin nennen (buzzfeed.com, Juliane Loeffler)
Das Landgericht Düsseldorf hat eine Klage des Abtreibungsgegners Yannic Hendricks gegen “BuzzFeed News Deutschland” zurückgewiesen. Das Internetportal hatte den Namen des Mannes genannt, der viele Ärztinnen und Ärzte angezeigt hat, die auf ihrer Website angeben, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Hendricks wollte anonym bleiben und ging mit einer Unterlassungserklärung gegen die Namensnennung vor. Nun wurde der Antrag abgelehnt. “BuzzFeed News” hat die gesamte Urteilsbegründung in den Beitrag eingebettet. Ob es zu einem Berufungsverfahren kommt, sei derzeit noch offen.
4. Facebook investiert 300 Millionen Dollar in Journalismus (heise.de, Andreas Wilkens)
300 Millionen US-Dollar will Facebook in den kommenden drei Jahren in Nachrichtenprogramme, Partnerschaften und Inhalte investieren, “mit einem großen Schwerpunkt auf Lokalnachrichten”. Dazu werde man mit Nachrichtenorganisationen zusammenarbeiten und diese mit Produkt- und Technikteams vernetzen, um bereits in einer frühen Phase der Produktentwicklung “den Bedürfnissen der Menschen auf Facebook besser gerecht zu werden”. Schließlich wolle man Verleger “nicht von uns abhängig machen, sondern unterstützen”.
5. Islamismus-Experte auf Abwegen (faktenfinder.tagesschau.de, Volker Siefert)
Hat der Frankfurter Journalist Shams Ul-Haq, wie von ihm behauptet, undercover in mehr als 100 Moscheen die Radikalisierung von Muslimen aufgedeckt? Der ARD-“Faktenfinder” ist skeptisch und verweist auf die Widersprüche, in die sich Shams Ul-Haq verstrickt habe.
6. Ich will doch nur einen Film sehen! (faz.net, Julia Bähr)
Die “FAZ”-Redakteurin Julia Bähr spricht vielen Netflix-Zuschauern aus dem Herzen, wenn sie die Nutzerführung des Streamingportals als “katastrophal” bezeichnet. Doch sie hat ein Gegenmittel parat: Die im Internet kursierenden Listen, mit deren Hilfe man das System überlisten kann.
1. Des Kremls treue Helfer (rbb-online.de, Video: 7:46 Minuten)
Russische Auslands- und Staatsmedien spannen geschickt deutsche Politiker für sich ein, und die lassen sich einspannen: So treten dort immer wieder Politiker von AfD und Linke als zweifelhafte Experten und Interviewpartner auf. “Kontraste” zeigt in einem Videobeitrag, wie das Netzwerk der Helfer der russischen Propaganda funktioniert.
Weiterer Lesehinweis: Ex-MDR-Chefredakteur Wolfgang Kenntemich als Lobbyist für RT: RT Deutsch auf allen Rundfunkwegen (tagesspiegel.de, Joachim Huber).
2. “Lügenpresse” verbreitet AfD-Version der Attacke auf Bremer AfD-Chef (uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Viele Medien übernahmen ungeprüft die nicht zutreffende Darstellung der AfD von einem Überfall auf den Bremer AfD-Vorsitzenden Frank Magnitz mit einem angeblichen Kantholz. Stefan Niggemeier analysiert den Fall und kommentiert: “Eine schnelle konkrete Schilderung mit griffigen Details wie dem “Kantholz” ist als Material für Journalisten verführerisch — Konjunktiv-Formulierungen mit Quellenangabe hingegen sind lästig. Diese Ungenauigkeiten und Fehler sind ärgerlich. Und es macht sie nicht weniger ärgerlich, dass sie im Eifer des Gefechts immer wieder passieren. Aber sie müssen nicht in irgendeiner Weise politisch motiviert sein. Nicht, um der AfD zu schaden, wie ihre Anhänger sonst immer wieder unterstellen. Und nicht, wie in diesem Fall, um den ohnehin schlimmen Angriff auf den AfD-Politiker bewusst noch schlimmer erscheinen zu lassen. Es geht hier nicht um die viel diskutierte journalistische “Haltung”. Es geht um journalistisches Handwerk, um Genauigkeit.”
3. Axel Springer scheitert auch in Straßburg (lto.de, Tim Korkala)
Der Springer-Verlag hat im juristischen Streit mit dem Wettermoderator Jörg Kachelmann eine weitere Niederlage erlitten. 2011 hatte das Landgericht Köln “Bild” untersagt, ein während Kachelmanns Gefängnisaufenthalt heimlich aufgenommenes Foto zu verbreiten. Dagegen war “Bild” vorgegangen und hat alle Instanzen ausgeschöpft, bis hin zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Dieser beschied nun, dass die deutschen Gerichte zu Recht davon ausgegangen seien, dass das Foto “keinerlei Mehrwert zur Berichterstattung” bot und es sich um einen erheblichen Eingriff in die Privatsphäre gehandelt habe.
4. Ältere und Konservative teilen öfter Fake News (faktenfinder.tagesschau.de)
Eine amerikanische Forschungsstudie zu Fragen der Medienkompetenz kommt zu dem Schluss, dass Nutzer sozialer Medien ab 65 Jahren fast siebenmal häufiger Falschmeldungen teilen als jüngere Personen. Die Autoren der Studie begründeten das Ergebnis mit der mangelnden digitalen Medienkompetenz älterer Menschen sowie mit einem schlechteren Erinnerungsvermögen.
5. Nach Relotius: Reporter hinterfragen sich (ndr.de, Tim Kukral & Inga Mathwig)
Immer wieder erwarten Redaktionen von ihren Reportern hollywoodreife Geschichten. Nach einem Twitter-Aufruf meldeten sich freie Journalisten, die Erschreckendes berichteten: In ihre Texte seien nicht getätigte Interview-Aussagen hineinredigiert worden, oder es wurden ihnen unzulässige Zuspitzungen abverlangt. “Zapp” hat mit Fabian Goldmann gesprochen, der den Twitter-Aufruf gestartet hat, und weitere Journalisten dazu angehört.
6. Ein Gruß aus der Küche (taz.de, Leonie Gubela)
Ein Nachrichtenformat auf der Selbstdarstellung-Plattform Instagram? Noch dazu von einem öffentlich-rechtlichen Sender wie dem BR entwickelt? Leonie Gubela berichtet über die “News-WG” und darüber, wie es zu dem digitalen News-Format für junge Leute kam.
Das Problem dabei, und das kommt erst später im “Welt”-Text: Es gibt erhebliche Zweifel an der Authentizität des Schreibens, das von einer bisher unbekannten Gruppe namens “Antifaschistischer Frühling Bremen” stammen soll. Diese Zweifel liegen vor allem an der Quelle: Das “Bekennerschreiben” ist nämlich bei “Indymedia” aufgetaucht, wo jeder anonym solche Texte veröffentlichen kann. Noch einmal, weil Redaktionen das offenbar gerne vergessen: Jeder kann bei “Indymedia” unter irgendeinem Namen ein angebliches “Bekennerschreiben” veröffentlichen. Welt.de schreibt zur aktuellen (und inzwischen wieder gelöschten Veröffentlichung bei “Indymedia”) dennoch: “Es wurde von einer Antifa-Gruppe im Internet veröffentlicht”.
Wie falsch das sein kann, haben nun schon mehrere Fälle gezeigt. 2016 etwa tauchte nach zwei Sprengstoffanschlägen in Dresden, einer davon auf eine Moschee, bei “Indymedia” ein vermeintliches Bekennerschreiben einer Antifa-Gruppe auf, das sich als Fälschung entpuppte. Dennoch berichteten mehrere Medien, als wäre “Indymedia” eine ganz normale, seriöse Quelle. 2017, nach dem Anschlag auf den Mannschaftsbusdes BVB, tauchte bei “Indymedia” ein vermeintliches Bekennerschreiben einer Antifa-Gruppe auf, das sich als Fälschung entpuppte. Und wieder berichteten Medien, als wäre “Indymedia” eine ganz normale, seriöse Quelle.
Nun taucht bei “Indymedia” also ein angebliches Bekennerschreiben zum Angriff auf AfD-Mann Magnitz auf, und Welt.de veröffentlicht eine Überschrift, als wäre “Indymedia” eine ganz normale, seriöse Quelle. (Man kann durchaus dafür plädieren, dass ein anonymes Posting auf “Indymedia” überhaupt “keinen Bericht wert” ist.)
Kein distanzierendes “angeblich” in der Titelzeile (wie beispielsweise bei tagesschau.de und RTL.de), kein “Zweifel” (wie beispielsweise bei FAZ.net und stern.de). Als wäre es sicher, dass es sich um ein authentisches Bekennerschreiben handelt. Und als wäre “Indymedia” eine ganz normale, seriöse Quelle.
Manchmal gibt es so Glückstage in der “Bild”-Redaktion, da gleicht die Titelseite am Ende einem vollen Spielschein beim Themenbingo:
Auf fast einer ganzen Seite berichtete die Zeitung am vergangenen Freitag im Blatt über den “unfassbaren Fall” eines Mannes aus Kamerun, der sich laut “Bild” so darstellt:
Trotz Einreiseverbot und eines abgelehnten Asylverfahrens kam M. vor zwei Wochen nach Stuttgart, beantragte Asyl und lebt nun auf Staatskosten in Karlsruhe.
Mehr noch:
Als am 30. April ein Togolese abgeschoben werden soll, organisiert Alassa M. mit anderen einen Aufstand gegen die Polizei. Erst drei Tage später und mit 500 Beamten kann die Polizei die Abschiebung durchsetzen. Es kommt zu Tumulten. Wieder mittendrin: Alassa M. Am 20. Juni wird dann schließlich auch M. abgeschoben — nach Mailand, Italien, das für ihn zuständige Land. Die deutsche Ausländerbehörde verhängt ein Einreiseverbot.
Ein Randalierer, der abgeschoben wurde, gegen den ein Einreiseverbot verhängt wurde, und der jetzt wieder dem deutschen Staat auf der Tasche liegt — das perfekte Aufreger-Thema eines noch jungen Jahres!
Es gibt allerdings Gründe, an dieser Version der Geschichte zu zweifeln: Die Anwälte von Alassa M. halten die Berichterstattung von “Bild” nämlich für so falsch, reißerisch und “aufhetzend”, dass sie nicht nur zivilrechtliche Schritte, sondern gleich auch noch Strafanzeige gegen den Axel-Springer-Verlag angekündigt haben.
Zum einen kritisieren sie in ihrer Pressemitteilung einige Fakten, die von “Bild” falsch dargestellt worden seien:
Die Behauptung von “Bild”, der Asylantrag von Alassa M. in Deutschland sei “abgelehnt” worden (“wie 99 Prozent aller Asylanträge aus Kamerun”), sei insofern falsch, als dass die deutschen Behörden den Asylantrag überhaupt nicht geprüft hätten, weil sie sich nach dem Dublin-III-Abkommen für nicht zuständig erklärt hätten. Nach diesem Abkommen ist das EU-Land zuständig, in das ein Geflüchteter als erstes eingereist ist — im Falle von Alassa M. war das Italien, weswegen er dorthin abgeschoben wurde.
Die Behauptung, Alassa M. sei “entgegen einem bestehenden Einreiseverbot” wieder eingereist und habe sich damit strafbar gemacht (“Hat sich M. mit seiner Wiedereinreise strafbar gemacht? Ganz klar: Ja!”), sei schlicht falsch: Das Einreiseverbot sei auf sechs Monate befristet gewesen, diese Frist zum Zeitpunkt seiner Wiedereinreise abgelaufen. Sogar “Bild” schreibt, Alassa M. sei am 20. Juni 2018 abgeschoben worden und am 21. Dezember wieder “aufgetaucht”. Weil er seinen Asylantrag in Ellwangen gestellt hatte, musste er laut seinen Anwälten auch wieder nach Ellwangen, um dort seinen Asylfolgeantrag zu stellen, den er außerhalb der Bundesrepublik nicht hätte stellen können. RainerWendt, Chef einer deutschen Polizeigewerkschaft, lässt sich von “Bild” zu dem Fall so zitieren: “‘Der Mann gehört sofort hinter Gitter. Er hat einen Rechtsbruch begangen. Er führt unseren Rechtsstaat vor.'”
Die Behauptung von “Bild”, Alassa M. habe im April mit anderen einen “Aufstand” “organisiert” und sei im Mai bei “Tumulten” “wieder mittendrin” gewesen, ist offenbar so falsch, dass sich die Staatsanwaltschaft Ellwangen und das Polizeipräsidium Aalen gezwungen sahen, eine gemeinsame Pressemitteilung zu veröffentlichen, in der sie mitteilen, dass “keine Hinweise auf eine unmittelbare Beteiligung des Herrn M. an den Vorkommnissen” vorlägen: “Gegen Herrn M. wurden weder nach dem Vorfall am 30. April 2018 noch nach dem Polizeieinsatz am 3. Mai 2018 ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.”
Und auch an dieser Formulierung in einem Kommentar von “Bild”-Redakteur Hans-Jörg Vehlewald stoßen sich die Anwälte:
Und sein Anwalt verklagt sogar die Polizisten, denen sich sein Schützling letzten Mai in den Weg stellte, als sie Recht durchsetzen wollten.
So habe die Kanzlei den Dienstherrn der Polizei verklagt, also das Land Baden-Württemberg: “auf Feststellung, dass der Großeinsatz der Polizei in der [Landeserstaufnahmestelle] Ellwangen vom 3. Mai 2018 vom Polizeigesetz nicht gedeckt, völlig unverhältnismäßig und daher rechtswidrig war.”
Neben dieser inhaltlichen Kritik fordert die Gelsenkirchener Kanzlei Meister und Partner von “Bild” und Bild.de auch, die Behauptungen über ihren Mandanten nicht mehr weiter zu verbreiten — dabei solle Bild.de nicht nur die beanstandeten Passagen und die Fotos löschen, auf denen Alassa M. und die Unterkunft, in der er sich zur Zeit aufhält, zu sehen sind, sondern die gesamten Artikel entfernen, weil M. unzulässig herausgepickt und an den Pranger gestellt worden sei.
Sein Rechtsanwalt Frank Stierlin erklärte uns gegenüber: “An unserem Mandanten soll ein Exempel statuiert werden!” Den Grund dafür sieht er darin, dass Alassa M. nach einer Razzia in der Flüchtlingsunterkunft, die zu gewaltsamen Protesten der Bewohner geführt hatte, eine Demo organisiert, das Land Baden-Württemberg verklagt und der Polizei dabei Rassismus vorgeworfen habe (siehe dazu auch diesen Bericht in “SWR Aktuell” vom 7. November 2018).
Bereits am 30. Dezember hatte “Bild” unter Berufung auf einen SWR-Artikel über die Rückkehr von Alassa M. nach Deutschland berichtet, wobei allerdings aus dem “Mitorganisator der Asylbewerber-Demo” (SWR) ein “Rädelsführer” (“Bild”) wurde.
Rechte Medien wie die “Junge Freiheit” (“Einer der Rädelsführer des Asylbewerberaufstands von Ellwangen ist nach seiner Abschiebung wieder zurück in Deutschland.”) und “Die Achse des Guten” (“Im Mai 2018 war Alassa M. als einer der Rädelsführer einer Zusammenrottung von Flüchtlingen identifiziert worden, welche die Polizei an der Abschiebung eines Togoers hinderten.”) griffen das Thema natürlich gerne auf, aber auch seriösere Medien machten mit. So schrieb Welt.de:
Einige der damaligen Rädelsführer wurden anschließend abgeschoben, so auch Alassa M. aus Kamerun, der im Juni 2018 nach Italien ausreisen musste.
Und “Der Westen”, das junge Portal der Funke-Mediengruppe, wollte offenbar sogar die erste “Bild”-Berichterstattung toppen:
Er sorgte im April letzten Jahres für einen Skandal: Asylbewerber Alassa M. (29) aus Kamerun.
Der junge Mann war 2017 nach Deutschland gekommen. Er beantragte Asyl, das aber abgelehnt wurde. So kam er in eine Flüchtlingseinrichtung in Ellwangen.
Als dort ein Tongolese abgeschoben werden sollte, zettelte Alassa M. gemeinsam mit anderen Flüchtlingen einen Aufstand an. Alassa M. galt als Rädelsführer der Aktion, bei der sich die Bewohner drei Tage im Heim verschanzten, Polizisten angriffen und Fahrzeuge der Beamten demolierten.
Auch nach der “unfassbaren” Titelgeschichte vom vergangenen Freitag blieb “Bild” am Ball: Die Zeitung befragte für die Samstag-Ausgabe “eine Regierungssprecherin” (“Bitte sehen Sie mir nach, wenn ich zu diesem konkreten Einzelfall keine Stellung nehmen kann …”) sowie den baden-württembergischen Innenminister Thomas Strobl (CDU) und brachte gestern ein “Interview” mit Alassa M.:
Wie uns seine Anwälte erzählen, habe sich “Bild” das Interview “erschlichen”: Personen, die sich nicht als Journalisten vorgestellt, sondern als Unterstützer des Asylrechts ausgegeben hätten, hätten sich mit Alassa M. unterhalten und seine Äußerungen anschließend aufgeschrieben. “Wenn er gewusst hätte, dass das für ‘Bild’ ist, hätte er natürlich nie mit denen gesprochen!”
Das hätte Alassa M. auch nicht gemusst, denn er hatte bereits am vergangenen Samstag eine Erklärung veröffentlicht (nachzulesen unter anderem bei labournet.de (PDF)), in der er auf über zwei Seiten der “Bild”-Zeitung “Hetze” vorwirft und seine Sicht auf die Geschichte beschreibt.
Er schließt mit drastischen Worten:
Die Veröffentlichung meines Fotos ohne meine Zustimmung ist eine ungeheurliche [sic!] Verletzung meiner Persönlichkeitsrechte. Habe ich keine Rechte mehr? Will man die faschistischen Kräfte auf mich hetzen, wie in Chemnitz? Gegen diese Verletzung meiner Rechte protestiere ich entschieden und werde juristisch vorgehen. Wäre ich ein Krimineller, dann hätten sie mich doch längst verhaften können und ins Gefängnis gebracht, oder? Es ist so wie es in einem Spruch in meinem Dorf heißt: Der Totentischler hat allein das Interesse an der Steigerung der Todesrate (“the coffin seller only wants to increase the mortality rate”).
Davon findet sich in “Bild”: nichts.
Wir haben bei “Bild” nachgefragt, was die Redaktion zur inhaltlichen Kritik der Anwälte sagt, ob ihr schon juristische Schritte bekannt sind, und wie das “Interview” mit Alassa M. zustande gekommen ist. Die Pressestelle des Axel-Springer-Verlags bat uns um Verständnis, “dass wir uns zu redaktionellen Vorgängen und Entscheidungen grundsätzlich nicht äußern”. Die von Alassa M.s Anwälten beanstandeten Artikel sind nach wie vor online.
1. Warum wir nichts über den Hackerangriff berichtet haben und jetzt doch diesen Artikel schreiben (buzzfeed.com, Marcus Engert)
“BuzzFeed News Deutschland” hat sich mit dem letzten großen Hackerangriff beschäftigt und die Erkenntnisse ausnahmsweise nicht in einem Artikel sondern in einem 27-teiligen Twitter-Thread niedergeschrieben. Der Grund: “Wir hatten so viele Fragezeichen, dass wir dachten: Das können wir nicht in einen Artikel packen. Die Menschen wollen von uns Antworten, keine Fragen.” Nach zahlreichen Reaktionen auf Twitter hat man sich entschieden, der Thematik doch einen Artikel zu widmen.
Weiterer Lesehinweis: Die netzpolitik.org-Analyse: Alles außer AfD: Was wir über das große Datenleck wissen (Markus Reuter).
Der Fall um die geleakten Daten wirft zudem die Frage auf, ob Journalistinnen und Journalisten die privaten Chatverläufe von Politikerinnen und Politikern lesen dürfen. Die Medienforscherin Jessica Heesen sagt dazu in der “taz”: “(…) bei einer Unterhaltung zwischen einer prominenten Persönlichkeit und ihren Familienangehörigen würde ich aus medienethischer Sicht keine ausführliche Analyse betreiben, sondern allenfalls einen kurzen Blick darauf werfen, um den Vorgang einzuordnen. Das muss ausreichen.”
Und zu guter Letzt die Lese-Empfehlung für: “Ups, ich hab’ ja doch was zu verbergen.” 5 Lehren für Journalist:innen aus dem #Hackerangriff (medium.com, Daniel Moßbrucker).
2. Youtube Advertising 2018: Welcher Spot hat massiv Geld verbrannt, welcher hat gezündet? (omr.com, Roland Eisenbrand)
Christoph Burseg vom Youtube-Analyse-Tool “Veescore” hat für “OMR” ausgewertet, welche deutschen Werbetreibenden sich beim Youtube-Marketing geschickt anstellen — und welche Ihr Geld verschwendet haben. Zentrale Fragestellung der Analyse: Wie viele Views benötigt der Advertiser mit seinem jeweiligen Werbevideo, um jeweils einen neuen Abonnenten für seinen Kanal zu generieren? Die Ergebnisse reichen von grotesk viel bis überraschend wenig.
4. Abgründe sind wichtig im Leben (54books.de, Tilman Winterling)
Die “Süddeutsche Zeitung” hat mit der Piper-Verlegerin Felicitas von Lovenberg über “Männer und männliche Eigenschaften” gesprochen und sich unter anderem nach ihren Erfahrungen mit Sexismus erkundigt. Tilman Winterling hat das Interview gelesen und ist dabei nicht aus dem Kopfschütteln herausgekommen.
5. Solidarität für Fabrizio! – Nicht der DSDS-Kandidat war respektlos, sondern die Sendung, die ihn vorgeführt hat. (nollendorfblog.de, Johannes Kram)
In der vergangenen Ausgabe von “Deutschland sucht den Superstar” wurde genußvoll das Scheitern eines schwulen 21-jährigen Kandidaten zelebriert. Vom “respektlosesten Kandidat aller Zeiten” war danach in den Medien die Rede, die nur zu gern der überdrehten RTL-Inszenierung folgten. Johannes Kram hat näher hingeschaut und erklärt, wie bei “DSDS” derartige Fremdschäm- und Empör-Elemente eingebaut werden. Sein Resümee: “Der Mut eines jungen Mannes, zu sich selber zu stehen, wurde missbraucht für die Inszenierung einer Vernichtung. Ja, Fabrizio hat sich schlecht geschlagen. Vor allem aber hatte er das Pech, dies in einem Format zu tun, das darauf angewiesen ist, daraus Kapital zu schlagen. Wer hierfür Schadenfreude empfindet oder gar Wut auf den Kandidaten, weil er sich so für dessen peinliches Anderssein schämt, der muss sich fragen lassen, wie peinlich ihm das eigene Anderssein ist.”
6. Kann man die russische Mafia mit Powerpoint erklären? (faz.net, Allegra Mercedes Pirker)
Die “FAZ” hat den “Tatort” vom Sonntagabend einem Faktencheck unterzogen und dazu verschiedene Sachverständige befragt, darunter ein Experte vom Bund Deutscher Kriminalbeamter, die Sprecherin des Bundeskriminalamts und ein Rechtsmediziner.
Das Schlimmste aber, und das wird selbst an den Chefetagen nicht spurlos vorbeigegangen sein, waren die Verkaufszahlen. Laut IVW war die letzte Auflagenmeldung von “Bild” die schlechteste seit 64 Jahren. Schon im ersten Quartal dieses Jahres war die verkaufte Auflage um fast zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr eingebrochen.
Darum musste sich “Bild” dieses Jahr in besonderem Maße auf alte Stärken besinnen. Ein kleiner Rückblick.
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Das Tier des Jahres
Der Wolf. Das Lamm. Und die ewig grausame Geschichte von Tod und Verderben.
Hurz!
Stellte sich später heraus, dass es doch kein Wolf war, ließ “Bild” das natürlich unerwähnt.
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Das Geschlecht des Jahres
Von den “Gewinnern” des Tages auf der Titelseite waren über 80 Prozent — Männer.
Auch von den Verlierern waren über 80 Prozent männlich. Selbst Tiere und Gegenstände tauchten in dem Ranking häufiger auf als Frauen.
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Die Religion des Jahres
Gehen wir doch mal die großen durch. Also. Hinduismus: kam in der Print-“Bild” in diesem Jahr genau einmal vor. Der Buddhismus kam immerhin auf zwei Erwähnungen. Das Judentum kam auf sieben, das Christentum auf 28. Der Islam auf 266.
Und anders als bei anderen Religionen sind beim Islam für “Bild” nur zwei Gefühlsrichtungen zugelassen: Angst und Empörung. Das war auch 2018 nicht anders, und relativierende Fakten blieben dabei selbstverständlichunbeachtet.
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Der Skandal des Jahres
Über 800 Mal hat “Bild” in diesem Jahr das Wort “Skandal” gedruckt, am größten und empörtesten im Frühjahr — beim großen:
Auch “BAMF-Skandal” genannt. BAMF, ihr wisst schon, diese von einer “Skandal-Chefin” geleitete und mit “Skandal-Akten” vollgestopfte “Skandal-Behörde”.
Und als ein paar atemloseWochen später herauskam, dass der Fall nicht mal ansatzweiseso wild war, wie von “Bild” dargestellt, war das der Redaktion wie viele Titelschlagzeilen wert? Genau.
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Der Experte des Jahres
Brauchte “Bild” in diesem Jahr ein knackiges Zitat, war einer sofort zur Stelle:
Prof. Michael Wolffsohn (München) spricht aus, was vielen schwerfällt: “Trump, über den viele lachen, hat mit seiner Strategie mehr erreicht als seine Vorgänger.”
Ob zu Trump, zu Putin, zur Bundeswehr, zum ZDF — das ganze Jahr über versorgte der “Publizist und Historiker” (je nach Bedarf auch mal “Bundeswehr-Historiker” oder “Hochschullehrer des Jahres”) Michael Wolffsohn die “Bild”-Redaktion zuverlässig mit “deutlichen Worten”, auch und am liebsten zu hochkontroversen Themen. Und praktischerweise war er dabei immer einer Meinung mit “Bild”.
Als “Bild” sich darüber beklagte, dass Deutschland sich nicht genug gegen die Gasangriffe in Syrien einsetze, beklagte sich auch Michael Wolffsohn über die “bundesdeutsche Drückebergerei”:
Wolffsohn: “Auf der einen Seite hören wir seit Jahrzehnten ‘Nie wieder Auschwitz!’. Über die damals von deutschem Gas Ermordeten wird heute in Deutschland geweint, gegen die jetzige Auschwitz-Variante wird nichts getan.”
Als “Bild” sich über den Rassismus-Vorwurf von Mesut Özil empörte, empörte sich auch Michael Wolffsohn:
(Fazit: “Den größten Respekt hätten die mächtigsten Machos der Welt vermutlich vor Friedrich Merz.”)
Als “Bild” sich über eine antisemitische Karikatur in der “Süddeutschen Zeitung” echauffierte, wetterte auch Wolffsohn:
Als Michael Wolffsohn dann im Herbst einen Preis von einer Stiftung bekam, ließ die “Bild”-Zeitung im Gegenzug eine Meldung auf der Titelseite springen — und kürte Wolffsohn ein paar Wochen später, Überraschung: zum “Gewinner” des Tages.
Das zentrale Thema der wochenlangen Hysterie: Ausländer. Kriminelle Ausländer. Und was alles passieren könnte, wenn wir da nicht sofort etwas tun, und zwar: “Abschieben!”
Wenn sich dann herausstellte, dass sie falsche Vorwürfe verbreitet hatte, gab sich die Redaktion große Mühe, die Korrektur möglichst gut zu verstecken. Oder brachte erst gar keine.
Aber kein Wunder, konnten sie doch ein weiteres Jahr Tag für Tag lesen, dass wir überschwemmt werden von Terroristen und Kindsmördern, und dass uns, wenn wir uns nicht bald zur Wehr setzen, die kriminellen Ausländer mit Sicherheit alle umbringen. Wenn uns bis dahin nicht schon die Wölfe gefressen haben.
Nachtrag, 27. Dezember: Der Vollständigkeit halber: Auch wenn in der Collage im Abschnitt “Die Religion des Jahres” ein Beispiel mit “Islamismus” zu sehen ist — bei den 266 Nennungen handelt es sich tatsächlich nur um Nennungen des Wortes “Islam”. Schon klar: Wenn man nach “Islam” sucht, findet man in den Ergebnisse auch Treffer wie “Islamismus” (da steckt ja schließlich die Buchstabenkombination “Islam” drin). Diese Treffer haben wir allerdings nicht mitgezählt.
1. Weltweit 80 Medienschaffende getötet (reporter-ohne-grenzen.de)
Traurige Bilanz des zu Ende gehenden Jahres: Weltweit wurden mindestens 80 journalistisch tätige Personen getötet, 348 Medienschaffende sitzen wegen ihrer Arbeit in Haft. Die Organisation “Reporter ohne Grenzen” setzt sich bei den Vereinten Nationen intensiv für die Einsetzung eines UN-Sonderbeauftragten für den Schutz von Journalistinnen und Journalisten ein. Das Ziel: Die Verantwortlichen für solche Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen und den Kreislauf der Straflosigkeit zu durchbrechen.
2. Können Journalisten profitieren? (deutschlandfunk.de, Dieter Wulf)
Die Hostelkette A&O hat in den vergangenen drei Jahren nach eigenen Angaben mehrere hunderttausend Euro für Influencer-Marketing ausgegeben. Nun wendet sich die Budget-Herberge frustriert von dieser Werbeform ab: “Da hatten wir auch immer wieder Differenzen mit unseren Influencer-Partnern, die teilweise Rechtschreibfehler hatten und teilweise solche Fehler gemacht haben, dass wir nicht mal mehr als Marke erkennbar waren, und das ist natürlich ein Riesenproblem.” Das könnte eine Chance für den Journalismus sein, so A&O: “Also Instagram-Accounts sind heute alle eigentlich austauschbar und alle gleich. Und gerade diese Individualität, die ja dann doch nicht vorhanden ist, die wird durch den Journalismus wieder zurückkommen.” Diesen optimistischen Worten stehen jedoch die schlechter gewordenen Bedingungen im Reisejournalismus entgegen.
3. dpa-Faktencheck (dpa.com)
“Welche Bedingungen muss eine Behauptung erfüllen, um in einem dpa-Faktencheck überprüft zu werden? Welche Behauptungen greifen wir in der Regel nicht auf? Wie geht dpa mit Fehlern in den eigenen Berichten um?” Die Nachrichtenagentur dpa erklärt ausführlich, nach welchen Regeln Faktenchecks durchgeführt werden.
4. Zum Tod von Colin Kroll (spiegel.de, Markus Böhm)
Anlässlich des Tods von Colin Kroll erinnert Netzwelt-Redakteur Markus Böhm an die Bedeutung der von Kroll entwickelten Sechs-Sekunden-Video-App namens Vine. Krolls Wirken habe entscheidenden Einfluss darauf gehabt, wie unser Online-Alltag heute aussieht.
5. Blogger wegen Fake News vor Gericht (haz.de, Antonia Lange/RND)
Die Meldung über einen angeblichen Terroranschlag in Mannheim (“Blutbad apokalyptischen Ausmaßes”) hat dem Betreiber des “Rheinneckarblogs” neben vielen Klicks und Aufmerksamkeit, eine Geldstrafe in Höhe von 9.000 Euro eingebracht. Gegen letztere wehrte sich der Betreiber juristisch und ließ seinen Anwalt sogleich einen Befangenheitsantrag gegen die Richterin stellen. Das Gericht lehnte den Antrag jedoch ab und setzt die Verhandlung im Januar fort.
Weiterer Lesehinweis: “rheinneckarblog”-Redakteur vor Gericht: Anwalt wirft Richterin Befangenheit vor! (mannheim24.de).
6. Werbefails 2018: Das waren die größten Werbepannen in diesem Jahr (t3n.de, Cornelia Dlugos)
Das Online-Magazin für digitale Wirtschaft t3n.de hat die schlimmsten Marketing-Fehltritte und Werbe-Fails 2018 zusammengestellt. Mit dabei sind so bekannte Markennamen wie H&M, Dr. Oetker, Mediamarkt, BMW und Heineken, aber auch die Bundeswehr.
1. Verschwörungstheorien wegen eines Tweets (faktenfinder.tagesschau.de, Patrick Gensing & Sabine Wachs)
Nach dem Anschlag in Straßburg zirkuliert in Kreisen der protestierenden “Gelbwesten” die Verschwörungstheorie, der französische Staat stecke dahinter. Als angeblicher Beleg dient unter anderem ein Tweet einer Polizeipräfektur mit einem scheinbar entlarvenden Zeitstempel. Die Gründe dafür sind jedoch technischen Ursprungs. Patrick Gensing und Sabine Wachs erklären das Phänomen, das auf Twitter in ähnlicher Form immer wieder für Verwirrung sorgt.
2. It’s a man’s world: Wie weibliche Editorinnen von der Wikipedia verdrängt werden (netzpolitik.org, Carolina Schwarz)
Carolina Schwarz hat für das Gesellschaftsmagazin “ROM” aufgeschrieben, wie schwer es Frauen bei Wikipedia haben. “Oh, Hasilein, lösch dich von Wikipedia und kümmer dich lieber um das, was du wirklich gut kannst: shoppen, putzen und deinen Mann umgarnen.” Solche Sätze musste sich beispielsweise die Wikipedia-Editorin “Sophia” (Pseudonym) anhören. Anderen Frauen sei es ähnlich ergangen. Der Verein Wikimedia kenne das Problem und versuche gegenzusteuern. Wie es gelöst werden kann, bleibe jedoch offen.
3. Kritiker über Facebook verfolgt (reporter-ohne-grenzen.de)
Dass man kritische Stimmen auch im Ausland unterdrücken kann, beweisen die böswilligen Facebook-Angriffe auf den in Deutschland im Exil lebenden Journalisten Trung Khoa Le aus Vietnam. Unbekannte hätten ausgenutzt, dass es auf Facebook bis vor Kurzem möglich war, eine andere Person unwissentlich zum Administrator einer Seite zu machen, auf der in grober Weise gegen die “Community Standards” vorstoßen wird. Das Resultat in derartigen Fällen: Der unfreiwillige Administrator wurde für die Verstöße verantwortlich gemacht und mit einer Sperre belegt. Christian Mihr, Geschäftsführer der “Reporter ohne Grenzen”: “Facebook eröffnet vielen Journalisten die Chance auf eine freie Berichterstattung, doch offensichtlich kann das Unternehmen solch zensurähnlichen Missbrauch nicht verhindern. Es braucht endlich eine demokratische Kontrolle des Konzerns, um die Rechte der Nutzer wirksam zu stärken.”
4. Die Dinge beim Namen nennen – Warum eine Vergewaltigung kein Sex ist (genderequalitymedia.org, Vic Schulte)
Es ist eigentlich so einfach: Eine Vergewaltigung ist kein Sex! Dennoch schreiben Medien Vergewaltigungsfälle gerne zu klicksteigernden Sex-Stories um. Vic Schulte zählt einige unschöne Beispiele auf und fasst am Ende zusammen: “Wenn bei Sexualstraftaten statt von Belästigung und Vergewaltigung von “Sex” die Rede ist, sieht das auf der Titelseite zwar aufregend und ein bisschen skandalös aus und hilft möglicherweise, Verkaufs- oder Klickzahlen in die Höhe zu treiben. Aber durch die Vermischung der Begriffe wird zugunsten der Unterhaltsamkeit ein Gewaltverbrechen trivialisiert und verharmlost.”
5. Erfolgsfaktor Natur – das Genre „Nature Writing“ (fachjournalist.de, Torsten Schäfer)
Journalismusprofessor Torsten Schäfer ist als langgedienter Wissenschafts- und Umweltjournalist Experte für grüne, sprich naturnahe Themen. In einem Beitrag für den “Fachjournalist” beschäftigt er sich mit dem angloamerikanischen “Nature Writing”. Dieses Literaturgenre erobere den deutschen Buchmarkt und die Feuilletons, werde aber im Journalismus selbst kaum diskutiert — obwohl es viele Chancen für die Lokal- und Umweltberichterstattung biete.
6. Kleinvieh-Strategie: Endemol Shine erstmals an der Spitze (dwdl.de, Torsten Zarges)
“DWDL” hat ein Ranking der TV-Produzenten für das Jahr 2018 erstellt. Spitzenreiter ist die Firma Endemol Shine, die mit zehn verschiedenen Formaten unter den 100 meistgesehenen Sendungen des Jahres vertreten ist. Wer sich für das TV-Geschäft interessiert, findet in dem Artikel viele Zahlen und Informationen über das milliardenschwere Geschäft mit der Fernsehunterhaltung.
1. Zöpfe, Lederhosen, Stasi-Ossis: Bei Sat.1 wird im Duett desinformiert (uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Beim vom berühmt-berüchtigten Claus Strunz geleiteten Sat.1-Frühstücksfernsehen ging es um die zum Skandal hochgejazzte Kita-Broschüre der Amadeu Antonio Stiftung. Stefan Niggemeier hat die “sechseinhalb Minuten Idiotie und Desinformation” fachgerecht seziert und kommt zum Schluss: “Sat.1 kämpft mit Verleumdungen gegen Pädagogen, die sich Gedanken machen, wie sie Kinder vor Menschenfeindlichkeit und rechtsextremer Ideologie schützen können. Und ist auch noch stolz darauf.”
2. Tagesspiegel gewinnt gegen BfV (taz.de)
Ein “Tagesspiegel”-Redakteur verlangte vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) Auskünfte zu den Treffen des ehemaligen Verfassungsschutz-Chefs Maaßen mit AfD-Politikern. Nachdem das Amt ihm diese Auskünfte verweigerte, wandte sich der Journalist an das Verwaltungsgericht Köln und — bekam Recht. Das Bundesamt müsse seine Fragen beantworten.
3. Die Portfolio-Bereinigung (kontextwochenzeitung.de, Josef-Otto Freudenreich)
Die Zeitungskrise ist eine Zeit für Schnäppchenjäger und Krisengewinnler. Josef-Otto Freudenreich berichtet über den Stuttgarter Medienkonzern SWMH, der systematisch kleinere Verlage aufkaufe und sie Stück für Stück “plattmache”. Verlierer seien die Medienvielfalt und die Beschäftigten.
4. Faktencheck: Die Macht der Lüge (ndr.de, Sabine Schaper, Video, 5:10 Minuten)
“Zapp” hat zwei prominente Faktenchecker besucht: Den “Faktenfinder” der ARD, Patrick Gensing, und “Buzzfeed News”-Redakteur Karsten Schmehl. Beide bekommen viel Zuspruch, werden aber auch stark angefeindet.
5. Der üblichste Verdächtige (zeit.de, Frida Thurm)
“Zeit”-Kolumnistin Frida Thurm denkt über die Berichterstattung im Fall der getöteten 17-Jährigen in Sankt Augustin nach. Es sei grundsätzlich richtig, über Flüchtlingskriminalität zu berichten, es gebe jedoch ein Problem: “Wenn wir Medien über Kriminalität durch Flüchtlinge berichten, weil die gesellschaftlich diskutiert wird, trägt das dazu bei, dass sie noch stärker wahrgenommen und diskutiert wird, was wiederum ihre Relevanz erhöht und damit die Wahrscheinlichkeit, dass wir mehr darüber berichten werden. Ein Effekt, der sich selbst verstärkt. Wir erzeugen den Wind, von dem wir uns dann getrieben fühlen.” Der mutmaßliche Täter ist übrigens gar kein Flüchtling.
6. “So lustig wie eine Wurzelbehandlung ohne Betäubung” (sueddeutsche.de)
Til Schweiger hat ein englischsprachiges Remake seines Erfolgsfilms “Honig im Kopf” in die US-Kinos gebracht und die dortigen Medien überschlagen sich vor … nun ja … Reaktionen. Beispiel gefällig? Hier ein “Observer”-Zitat: “Es gibt keinen überzeugenden Moment in diesem Fiasko. Am Ende hat die Hauptfigur ihren Verstand völlig verloren. Gut möglich, dass die Zuschauer sich genauso fühlen.”
1. Rheinau? Rheingau? Schnurzegau! (tagesanzeiger.ch, Marius Huber)
Als der “Spiegel” über eine missglückte Initiative zum bedingungslosen Grundeinkommen in einem Schweizer Dorf berichtet, greift er gleich zweimal daneben: Die Redaktion bebildert nicht nur falsch, sondern benennt auch falsch. Dies sorgt nun für allerlei Spott aus der Schweiz.
2. Presserat sieht in Verwendung von Civey-Umfragen keinen Verstoß gegen den Pressekodex (stefan-fries.com)
Im Netz gibt es ein Überangebot an Umfragen, auch befeuert durch die inflationär eingesetzten und oft sehr flach ansetzenden Fragen von Civey, die unter vielen Beiträgen von Nachrichtenseiten erscheinen. Klassische Meinungsforscher halten die Methoden der Online-Umfrageinstitute für unseriös und gefährlich (siehe dazu auch: Methodenstreit der Meinungsforschung: Was ist repräsentativ? (deutschlandfunk.de, Stefan Fries)).
Nun haben Forsa, Infas und die Forschungsgruppe Wahlen eine Beschwerde beim Presserat angestrengt, sich aber eine Abfuhr eingehandelt.
3. Floskel des Monats: freiwillige Ausreise (journalist-magazin.de)
Floskel des Monats beim Medienmagazin “journalist” ist die von der “freiwilligen Ausreise”. Aus der Begründung: “Kaum einer hinterfragt, was an der freiwilligen Ausreise denn freiwillig sein soll, wenn abgelehnte Asylbewerber ihrer Abschiebung zuvorkommen und Deutschland verlassen.”
4. 10 Fakten zum Klimawandel, die wirklich stimmen (zeit.de, Michael Lindner & Antonia Schuster)
Aufklärung zum Thema Klimawandel hat seine Tücken: Je öfter Klimaforscher auf Klima-Mythen eingehen, desto mehr verfestigen sie sich in den Köpfen und desto mehr merken sich Leute Falschinformationen. In einem Gastbeitrag zweier Klimawandel-Experten gibt es deshalb “10 Fakten zum Klimawandel, die wirklich stimmen”.
5. Brüste nur noch mit Baby dran (faz.net, Andrea Diener)
Ab dem 17. Dezember soll auf der Mikroblogging-Plattform tumblr keine Pornographie mehr zu sehen sein. Der Hintergrund: Apple hatte die tumblr-App aus dem App-Store geschmissen, da kinderpornografische Darstellungen durch den Filter gerutscht seien. Dies sorgt nun für einen Umbau der Plattform in Richtung “familienfreundlich”. Sexuell explizite Inhalte soll es nur noch in Textform geben dürfen.
6. Ein Siebenjähriger ist der am besten verdienende Youtube-Star (haz.de)
Die Top Ten der Youtube-Großverdiener wird von einem Siebenjährigen angeführt, der dort Spielzeug testet. Der Kanal “Ryan ToysReview” soll aufgrund seiner Youtube-Werbeeinnahmen und anderer Einkünfte auf Einnahmen von jährlich 22 Millionen US-Dollar kommen.