Naja, so ein paar LinksamAnfang können natürlich nie schaden. Ebensowenig wie die Information, dass Joachim Huber beim Berliner “Tagesspiegel” Redakteur der Medienseite ist, auf der in der Vergangenheit öftersmal “Bild”-kritische Artikel erschienen sind. Aber es geht auch ohne.
Schließlich ist dies nicht die Geschichte, wie Joachim Huber einmal dafür sorgte, dass die “Bild”-Zeitung auf ihr Seite-1-Girl verzichtet und stattdessen lieber das Foto einer verschleierten Frau gezeigt hatte. Nein, es ist nicht einmal eine Geschichte darüber, wie ein “Tagesspiegel”-Kollege Hubers Susanne Osthoff für den renommierten Grimme-Preis vorgeschlagen hatte und Huber daraus eine Nachricht bastelte, die ihm einigen Ärger einbrachte, zumal Huber selbst in die Grimme-Preis-Jury berufen worden war (siehe Links am Anfang), die am kommenden Samstag erstmals tagt. Und dass “Bild” Hubers Osthoff-Nachricht tags drauf auf der Titelseite brachte (siehe Ausriss), auf den “Tagesspiegel” als Quelle verzichtete und stattdessen lieber sinnentstellend zugespitzt behauptete, für ihre Auftritte “soll sie nun den bedeutenden Grimme-Medienpreis bekommen” – geschenkt. Wer erwartet schon, dass “Bild” sich mit den Regularien der Grimme-Preis-Vergabe vertraut macht, bevor sie darüber berichtet, anstatt zu verschleiern, dass Osthoff ja, wie gesagt, mitnichten nominiert, sondern lediglich vorgeschlagen worden war, was wenig bedeutet, weil über die Nominierungen eine Nominierungskommission entscheidet, und anschließend eine Preis-Jury über die Preisträger?
Nein, dies ist die Geschichte, wie “Bild” eine Falschmeldung korrigiert. Denn am Montag hatte “Bild” berichtet, Huber bleibe trotz seiner umstrittenen Meldung Grimme-Juror (siehe Ausriss links). Genauer gesagt hatte “Bild” ungeprüft eine kleine Meldung aus dem “Focus” übernommen – und anschließend sogar bei diversen Jury-Kollegen Hubers nachgefragt, was die denn eigentlich so davon halten. Das Ergebnis der Umfrage allerdings ist nie erschienen, was unter anderem daran gelegen haben könnte, dass die Meldung von Hubers Jury-Mitgliedschaft bereits überholt war, als der “Focus” erschien – und umso überholter, als “Bild” sie nachdruckte…
“Joachim Huber (47), Redakteur des Berliner ‘Tagesspiegel’, zieht sich aus der Jury des Grimme-Preises zurück. Der Journalist hatte ‘exklusiv’ über die angebliche Nominierung von Irak-Geisel Osthoff für den begehrten Medienpreis berichtet – obwohl der Vorschlag von einem ‘Tagesspiegel’-Redaktionskollegen stammte und Huber selbst Mitglied der Grimme-Jury ist. (…)”
PS: Dass Huber über den Osthoff-Vorschlag berichten konnte, hat nichts mit seiner Jury-Mitgliedschaft zu tun. Und dass Huber, anders als “Bild”, niemals fälschlicherweise “über die angebliche Nominierung” Osthoffs berichtet hatte, sondern faktisch korrekt über den tatsächlichen Vorschlag, blieb in “Bild” bis heute unberichtigt.
So schreibt’s heute die “Bild”-Zeitung und veröffentlicht ausführlich das Dementi ihrer Seite-1-Schlagzeile von gestern, in der sie das Gegenteil behauptet hatte. Mit großem Einsatz versucht sie aber auch den Eindruck zu erwecken, dass die von Fischer so heftig bestrittene Meldung ursprünglich gar nicht von ihr sei, sondern vom “Stern”. Und dass, genau wie “Bild”, auch quasi alle anderen Zeitungen berichtet hätten:
Joschka Fischer als Professor nach Amerika – das war gestern Top-Nachricht in vielen deutschen Zeitungen.
Alle Berichte beriefen sich dabei auf eine Exklusiv-Meldung des Magazins “Stern”.
“Bild” verschweigt, dass es zwei exklusive Meldungen gab. Eine am Dienstag vom “Stern”, wonach Fischer mittelfristig und für zwei bis drei Jahre in die USA gehen wolle — ihm lägen Angebote aus Princeton und Harvard vor. Und eine am Mittwoch von “Bild”, wonach feststehe, dass Fischer “auswandert” und das Angebot aus Harvard angenommen habe — beides hatte der “Stern” nie behauptet.
Während andere Zeitungen am Mittwoch nur die “Stern”-Meldung brachten, machte “Bild” also mit eigenen (von Fischer heftig dementierten) Informationen auf.
Auch mit einer Fotostrecke von Überschriften aus anderen Zeitungen versucht “Bild” heute wiedereinmal den Eindruck zu erwecken, gar nicht selbst schuld zu sein an dem “Wirbel”. “Bild” suggeriert, nur ein Medium von vielen zu sein, das über die umstrittenen Behauptungen berichtet habe.
So habe auch der Kölner “Express” gemeldet: “Joschka wird Professor”. Das stimmt. Anders als “Bild” gab der “Express” im Artikel selbst immerhin aber die Behauptungen über weite Strecken im Konjunktiv wieder.
Auch die “Berliner Zeitung” habe getitelt: “Professor Fischer trägt vor”, schreibt “Bild”. Das stimmt. Anders als “Bild” berichtete die “Berliner Zeitung” über die “Stern”-Meldung aber mit Distanz: “Der frühere Außenminister Joschka Fischer, so will es das Magazin Stern erfahren haben, will als Gastprofessor nach Amerika gehen.”
Auch die “Süddeutsche Zeitung” habe eine Meldung gebracht, schreibt “Bild”. Das stimmt. Anders als “Bild” hat die “SZ” aber die Distanz schon in die Überschrift gepackt: “Fischer geht angeblich als Professor in die USA”.
Und auch die “Financial Times Deutschland” habe unter der Überschrift berichtet: “Fischer will Professor in den USA werden”, schreibt “Bild”. Das stimmt. Aber anders als “Bild” wechselte die “FTD” immer wieder in den Konjunktiv: “… demnächst könnte der ehemalige Außenminister Joschka Fischer eine neue Aufgabe übernehmen …”.
Der Eindruck, den die “Bild”-Zeitung zu erwecken versucht, sie habe im Grunde nicht anders über Joschka Fischers Zukunft spekuliert als alle anderen Zeitungen auch, dieser Eindruck ist falsch.
Nachtrag, 16. Januar. Gegenüber der “Süddeutschen Zeitung” nannte “Stern”-Sprecher Frank Plümer das Vorgehen von “Bild” ein “unverschämtes, fadenscheiniges Manöver”:
“Offenbar sind die Kollegen nicht mal imstande, korrekt abzuschreiben, nun versuchen sie, uns die Schuld für die dadurch entstandenen Probleme in die Schuhe zu schieben.”
Natürlich kann man Journalismus auch als eine Art Fakten-Bingo betreiben: Man behauptet etwas, das man gar nicht richtig weiß, und hofft, dass es sich im Nachhinein als wahr herausstellt. Wenn man Glück gehabt hat und richtig lag, erweckt man den Eindruck, eine ganz besonders tolle Zeitung zu sein, die Dinge früher weiß und berichtet als andere.
Die “Bild”-Zeitung wusste vor ihrem Redaktionsschluss noch nicht, was die DNA-Analyse mehrerer Skelette ergeben hatte, mit der Forscher die Echtheit des angeblichen Schädels von Wolfgang Amadeus Mozart überprüfen wollten. Trotzdem schrieb sie:
Das österreichische Fernsehen ORF hielt das Ergebnis bis gestern spätabends zurück. Doch es sickerte bereits durch: Der Schädel soll echt sein.
Diese Nachricht hat “Bild” heute exklusiv. In Wahrheit ergab die Analyse der Skelette, die von Mozart, einer Nichte und seiner Großmutter stammen sollen, dass alle drei Leichen nicht miteinander verwandt waren. Ob der Schädel echt ist oder nicht, lässt sich deshalb nicht sagen.
Anders als Mainhardt Graf Nayhauß in seiner heutigen “Bild”-Kolumne schreibt, heißt der “Schuhverkaüfer” [sic!], der bei der Europa-Premiere von “King Kong” als Berlusconi auftrat, nicht Maurizio Antonius, sondern Maurizio Antonini.
Der Mann hatte schon Nayhauß’ Kollegen Iris Rosendahl und Jürgen Wenzel schwer verwirrt: “Und plötzlich tauchte da ein Staatsgast auf”, schrieben sie am Donnerstag in “Bild” über den “herrlichen” “Berlus-King-Kong” und blieben ratlos: “Isser’s oder isser’s nicht”?
Die Information, dass der echte Berlusconi “derweil in der Mailänder Oper erwartet” wurde, scheint Nayhauß dagegen exklusiv zu haben. Seine Kollegin von der “Berliner Morgenpost” behauptet jedenfalls, persönlich in Rom nachgefragt und erfahren zu haben, dass Berlusconi im Palazzo Chigi, dem Sitz des Ministerpräsidenten in Rom, ein “Meeting” hatte.
P.S.: Als Punkt 10 seiner grundsätzlich aus Superlativen bestehenden “Top-10 der Woche” schreibt Nayhauß:
Der neuste Polit-Witz
… lautet: Wo geht es denn zum Aufbau Ost? Antwort: Immer den Bach runter.
Nun ja. Der stand schon am 21. Juli 2005 im “Tagesspiegel”, am 21. Januar 2005 im “Freitag” und am 11. November 2000 in der “Mitteldeutschen Zeitung”, die ihn in der “Wende-Revue” des “neuen theaters” gehört hatte.
Ja, es stimmt tatsächlich, “Bild” hatte am vergangenen Dienstag exklusiv berichtet, dass der Fußballnationalspieler Kevin Kuranyi einen Werbevertrag mit der Softwarefirma Microsoft unterschrieben hat. Oder, in den Worten von “Bild”:
Im Text, dessen einzige Quellen offenbar die Vermarktungsfirma Sportfive und Kuranyi selbst sind, heißt es so schön:
Was für ein Jahr für Kevin Kuranyi. (…) und jetzt ist er auch noch der begehrteste deutsche Spieler. Sogar US-Milliardär Bill Gates will ihn! Der reichste Mann der Welt holt sich (…) die besten Spieler der Welt (…). Und aus Deutschland eben Kuranyi! Nicht Ballack, nicht Kahn — für Microsoft ist der Schalke-Stürmer der richtige Mann.
Und dann darf Sven Müller von der Vermarktungsfirma Sportfive, die laut “Bild” den Kontakt zwischen Microsoft und Kuranyi hergestellt hat, ausführlich zu Wort kommen, Kuranyi ein wenig lobhudeln und mit folgenden Worten schließen:
“Mit der Firma Rogon und Roger Wittmann hat er ein seriöses Team um sich.”
Nun ja, wir wissen zwar nicht, warum dieses PR-Gewäsch diese Information unbedingt in den Text musste, dafür aber, dass man über die Seriosität der Firma Rogon geteilter Meinung sein kann, wie sich heute beispielsweise im “Tagesspiegel” nachlesen lässt, und wie es gestern im “KölnerExpress” stand.
Aber das sei hier nur nebenbei erwähnt. Ebenso wie die Tatsache, dass es sich bei dem Deal zwischen Microsoft und Kuranyi laut “Bild” um einen “Millionen-Vertrag” handeln soll, während “Express” und “Tagesspiegel” bloß von 200.000 Euro bzw. 300.000 bis 400.000 Dollar Honorar ausgehen.
Der “Express” macht auch ansonsten einen recht gut informierten Eindruck und wusste gestern schon, dass Lukas Podolski ein ähnliches Angebot der Firma Microsoft erhalten hatte:
Für Gates´ Imperium Microsoft sollte Poldi während der WM unter anderem ein Internet-Tagebuch führen. Dafür hätte der 20-Jährige 300.000 Euro kassiert. Podolskis Berater sagte ab.
In demselben Artikel konnte man gestern auch nachlesen, dass zuvor bereits Oliver Kahn und Michael Ballack entsprechende Anfragen “abgeblockt” hatten. Womit wir wieder bei “Bild” wären. Die schreibt nämlich heute, zwei Tage nach der Jubel-Meldung über den Deal zwischen Kuranyi und Microsoft und einen Tag nach dem “Express”-Artikel dies:
Aha. Der Text endet mit folgenden Worten:
Da hatten die zuerst gefragten Kahn, Ballack und Podolski ein besseres Gespür. Und das Angebot gleich abgelehnt…
Fassen wir also zusammen: Erst verbreitet “Bild” eine PR-Meldung mit Begeisterung als Exklusiv-Geschichte und überlässt die Recherche anderen. Und wenn die dann herausfinden, dass es gar keinen Grund zur Begeisterung gibt, ist “Bild” enttäuscht. Vom eigenen Überschwang bleibt bloß der Satz: “BILD berichtete exklusiv” — und Häme.
P.S.: Die Nachrichtenagentur dpa gab übrigens am Dienstag unter Berufung auf “Bild” eine Meldung heraus, die die Überschrift trug: “Kuranyi deutsche Werbe-Lokomotive für Microsoft — Millionenvertrag”. Und heute berichtet die “Netzeitung” über den “Ärger um Kuranyis Microsoft-Vertrag”. Dabei geht sie fälschlich davon aus, dass es sich bei den Absagen von Kahn, Ballack und Podolski um “Bild”-Informationen handelt. Auch nicht schön.
Mit Dank für den sachdienlichen Hinweis an Hendrik G.
Am Samstag berichtete “Bild” (wir erinnern uns) über ein paar minderjährige Musiker (Tokio Hotel), die sich auf einer Party (Oberhausen) angeblich danebenbenommen hatten (“kippen erste harte Drinks im Minutentakt”). Und am Montag stand’s schon wieder in “Bild”:
“Besonders Gitarrist Tom (16) kippte dabei hochprozentige Cocktails in Mengen, u. a. gemixt mit Wodka (BILD berichtete).”
Dazu später. Denn am Montag hieß es in “Bild” auch exklusiv:
“Jetzt ermittelt das Jugendamt des Ohrekreises (Sachsen-Anhalt), in dem die jungen Popstars leben, wegen Verstoßes gegen das ‘Gesetz zum Schutz junger Menschen vor Gefahren des Alkoholkonsums’. Dieses besagt, daß hochprozentige Getränke nicht an Personen unter 18 Jahren ausgeschenkt werden dürfen.”
Wahr ist das nicht: Das Gesetz heißt “Gesetz zur Verbesserung des Schutzes junger Menschen vor Gefahren des Alkohol- und Tabakkonsums”, kurz AlkopopStG, und besagt mitnichten, “daß hochprozentige Getränke nicht an Personen unter 18 Jahren ausgeschenkt werden dürfen”. Es besagt vielmehr, dass alkoholhaltige Süßgetränke “gewerbsmäßig nur mit dem Hinweis ‘Abgabe an Personen unter 18 Jahren verboten, § 9 Jugendschutzgesetz’ in den Verkehr gebracht werden” dürfen. (Das mit dem Verbot steht dementsprechend in § 9 Jugendschutzgesetz.)*
Doch die heutige “taz” weiß sogar noch mehr über die PR-Aktion “die halbe Wahrheit” der “Bild” zu berichten, nämlich erstens:
“Ein Jugendamt kann nicht ermitteln.”
Und zweitens:
“Das Jugendamt in Sachsen-Anhalt hätte wohl nie von der Party Wind bekommen, wenn nicht die Besorgnis-Behörde, also die Bild-Zeitung, am heiligen Sonntag das Amt informiert hätte. Und schwupps, war die Geschichte im Kasten.”
Womit auch wir, schwupps, wieder bei “Bild” angekommen wären. Denn während die “taz” noch die Frage aufwirft, ob die “Pop-Rüpel” (“Bild”) bzw. “die vier Halbgaren” (“taz”) auf der Party denn überhaupt Alkohol getrunken haben, und darauf keine Antwort findet (“Bei Universal Music wollte man sich dazu gestern nicht äußern.”), steht sie stattdessen… in “Bild”! Allerdings ist dort von den “Mengen” “hochprozentiger” “Cocktails” “mit Wodka” (Überschrift: “Suff-Orgie!”) plötzlich nur noch ein “Alkohol-Ausrutscher” übrig geblieben, den der minderjährige Musiker in “Bild” unwidersprochen — und ebenfalls exklusiv — “erklärt”:
“Ein hübsches Mädchen hat mir den bunten Drink in die Hand gedrückt. Ich war so in Feierlaune, daß ich gar nicht gemerkt habe, daß da Alkohol drin ist.”
Gut zu wissen also, was sich die täglich über 11 Millionen “Bild”-Leser unter einer “Suff-Orgie” vorzustellen haben!
*) Der falsche Name des Gesetzes und dessen falsche Inhaltsbeschreibung fanden sich leider, nachdem sie exklusiv in “Bild” erschienen waren, wörtlich (und ohne Angabe der Quelle) auch in einer Meldung der Nachrichtenagentur AP wieder, weshalb die Fehler von “Bild” nun nicht nur dort stehen, wo man unbedacht aus “Bild” abschreibt, sondernauchganzwoanders.
Die “Bild”-Zeitung berichtet ja gern mindestens zwei Mal — dann, wenn sie glaubt, etwas anprangern zu müssen, und dann, wenn “Bild” den Eindruck hat, die eigene Berichterstattung habe irgendeine Reaktion ausgelöst, was ja abundanpassiert…
Bei “Bild” sagt man:
Andererseits ist es schon seltsam: Da berichtete “Bild” am vergangenen Dienstag groß über eine Familie, der das Standesamt Frankfurt (Oder) verweigerte, ihren Sohn “Louis” zu nennen, und schrieb:
Und ebenfalls am Dienstag stand in der “Märkischen Oderzeitung” (MOZ) etwas ganz anderes — quasi das Gegenteil:
Aber natürlich hätte die “Bild”-Redaktion die Peinlichkeit mühelos aus der Welt schaffen können, in dem sie tags drauf z.B. eine entsprechende kleine Meldung nachgeschoben hätte (siehe Montage rechts), die den “Bild”-Lesern die aktuellen Entwicklungen mitgeteilt hätte — und gut.
Stattdessen hat man sich bei “Bild” am Mittwoch für eine ähnliche ganz andere Überschrift entschieden — nämlich diese:
Und nicht nur das. Obwohl die MOZ ja bereits am Dienstag (!) berichtet hatte, der Frankfurter Oberbürgermeister Martin Patzelt habe “gestern” – also bevor in “Bild” auch nur ein einziges Wort zu “Louis” stand – “sofort” dafür gesorgt, dass das Kind doch “Louis” heißen dürfe, behauptete “Bild” am Mittwoch (!) ungeniert:
“Patzelt (58) beendete gestern persönlich diesen Unfug.”
(Hervorhebung von uns.)
Eine glatte Lüge also, mit der auch wir diesen Unfug beenden.
“‘In Deutschland gilt das Kunsturhebergesetz (KunstUrhG), das bestimmt, daß Bilder grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden können.’ Folge: Wer das mißachtet, kann im schlimmsten Fall sogar im Knast landen!”
SogarGesetzestexte zitiert Bild.de herbei. Und weil man das mit der “Einwilligung” nicht pauschal sagen kann, fügt Bild.de hinzu:
“Doch es gibt Ausnahmen! Promis, die bei einer Veranstaltung auftreten, müssen z.B. nicht um Erlaubnis gefragt werden.”
An anderer Stelle heißt es zum Thema “Promis knipsen” dann noch einschränkend, dass auch ein Prominenter als “Person der Zeitgeschichte”, wenn er “privat unterwegs” ist, ein “Recht auf Privatsphäre” habe. “Folge: Sie dürfen ihn nicht ohne weiteres ablichten”, so Bild.de.
(Naja, vielleicht wirkt die Formulierung “ohne weiteres” hier ein wenig schwammig, weil ein im Hause “Bild” ungern gesehenes Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die Frage der fotografierten Privatsphäre von Prominenten noch viel strikter regelt als KunstUrhG und Bild.de.)
Und selbstverständlich gilt all das, was Bild.de zu berichten weiß, nicht nur für private Internetseiten, sondern — nur so als Beispiel — auch für Boulevardzeitungen.
Und deshalb nun zu etwas komplett anderem. Ein paar Klicks weiter zeigt Bild.de ein Foto, das sich ebenfalls auf Seite 22 der heutigen “Bild”-Zeitung findet. Es ist ein unscharfes Paparazzi-Foto von Kate Moss, das die britische Boulevardzeitung “Mirror” bereits am Montag exklusiv druckte. “Bild” schreibt dazu:
“Ibiza, 22 Grad, Kate Moss (31) aalt sich auf ihrer Veranda. Läßt sich durchkneten. Eine Oben-Ohne-Massage.”
Und für alle, die sich angesichts einer barbusigen Moss lieber die Augen zuhalten, wird Bild.de noch deutlicher:
“Ein Blick durch üppige Büsche auf die Hotel-Veranda offenbart: Bei Temperaturen um frühlingshafte 20 Grad ragen Kates knackige Hingucker keck in die ibizenkisch laue Luft. Das Model sitzt lässig, nur im Bikini-Höschen, auf einer Liege. Der Masseur setzt zur gründlichen Durchwalkung an.”
Die Verbreitung solcher Fotos ist — insbesondere in Boulevardmedien — keine Seltenheit. Verboten ist der “Blick durch üppige Büsche auf die Hotel-Veranda” (und den Busen) von Kate Moss ohne deren Einwilligung trotzdem. Eine solche Einwilligung aber hat Moss nach Auskunft ihrer Agentur Storm Models nie erteilt. Und fragt man zur Sicherheit auch noch Stuart Higgins, den Krisenmanager von Kate Moss, antwortet er:
Nicht stimmt hingegen, wie “Bild” eins der Fotos betextet:
Denn bereits 48 Jahre vor “Indiana Jones”, 60 Jahre vor “Jurassic Park” und 72 Jahre vor Erscheinen der heutigen “Bild”, genauer gesagt also 1933 im allerersten “King Kong”-Film, auf den sich der Remake-Regisseur Jackson ausdrücklich bezieht, wurde King Kong von Dinosauriern angegriffen. Und das gab’s wirklich noch nie, weil “King Kong” doch damals laut IMDb “der erste Dinosaurier-Film der Welt”* war.
Mit Dank an Thomas C. und Sebastian S. für die Hinweise.
*) Nachtrag, 5.11.2005:
Offenbar gab’s nicht einmal das noch nie, weil (anders als bei IMDb behauptet) vor 1933 schon andere Dinosaurier-Filme gedreht worden waren – insbesondere “The Lost World” aus dem Jahr 1925.
Mit nachträglichem Dank an Richard J., Peter E., Harald G. und Ron.
Dies ist die erstaunliche Geschichte von Jan Mendelin, einem glücklichen Mann, der es geschafft hat, gleichzeitig eine Art Manager des Fußballers Stefan Effenberg zu sein und regelmäßig in der “Bild”-Zeitung als scheinbar unabhängiger Journalist über Stefan Effenberg zu schreiben. Erzählt hat sie gestern das NDR-Medienmagazin “Zapp” in einem Schleichwerbe-Special.
Mendelin war früher Redakteur bei RTL. Der “Spiegel” berichtet, 1999 habe der damals 26-jährige als Reporter den Sportler kennengelernt und schnell Freundschaft geschlossen. Schon im ersten Interview habe Mendelin nach fünf Minuten bewundernd festgestellt: “Stefan, Sie sind ja total unkompliziert.”
Ab Herbst 2002 taucht Mendelin in den Medien in einer veränderten Rolle auf. In einem Interview mit “Bild am Sonntag” am 10. November 2002 spricht Effenberg unter anderem über die Trennung von seiner Frau:
“BamS”: Ihre Frau Martina war auch Ihre Managerin. Wer macht das heute?
Effenberg: Ich habe jetzt einen Koordinator — Jan Mendelin. Der kümmert sich auch um meine Memoiren, die im nächsten Jahr rauskommen.
Die “Berliner Zeitung” schreibt wenige Tage später, Mendelins Aufgabe bestehe “vor allem darin, Medienanfragen abzublocken”.
Mendelin schreibt mit und für Effenberg dessen Biographie, die im Frühling 2003 exklusiv von “Bild” vorabgedruckt wird: “Jetzt knallt’s täglich In BILD! Skandal- Fußballstar Stefan Effenberg (34) rechnet ab. (…) Effe so intim wie nie.” Seine Geschäftsbeziehung zu Effenberg wird von vielen Medien diskutiert; sie ist auch kein Geheimnis: Mendelins Name steht mit auf dem Buchcover.
Nun könnte man glauben, dass ihn das disqualifizert, gleichzeitig in der Rolle als scheinbar unabhängiger Journalist über Effenberg zu berichten. Nicht für “Bild”. Am 7. Februar 2004 führt Mendelin mit einem anderen Autor zusammen für “Bild” ein “Interview” mit seinem eigenen Schützling: “EFFE – Abrechnung mit dem FC Arrogant”. Am 8. September 2004 ist Mendelin der Autor eines großen “Bild”-Interviews: “Effenberg & Frau Strunz exklusiv in BILD: Warum wir uns trennen”. Am 20. April 2005 “interviewt” Mendelin Effenberg für “Bild” und setzt davor den einleitenden Satz: “Die Fans in Gladbach lieben ihn”. Am 29. Juni 2005 schreibt Mendelin in “Bild”: “Effes Frau will mehr Geld für die Kinder: Unterhalts-Klage gegen Strunz”. Am 22. Juli 2005 “interviewt” Mendelin für “Bild” Effenbergs Eltern, am 25. Juli 2005 “berichtet” er für “Bild” über Effenbergs Abschiedsspiel.
Zur Höchstform läuft Mendelin in seiner Doppelrolle auf, als Effenberg wegen Polizistenbeleidigung angeklagt wird. “Zapp” zeigt, wie Mendelin als Berater Effenbergs vor und im Gerichtssaal nicht von dessen Seite wich. Gleichzeitig schrieb er für “Bild” die Artikel über den Prozess, z.B.: “Effes Arschloch-Prozess”, “Effe — Das Urteil ist eine Unverschämtheit”, “Effe spuckt Gift und Galle”.
All das widerspricht der Ziffer 7 des Pressekodex, in der es heißt:
Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden.
Und was sagt der Verlag zu den Vorwürfen? Offiziell nichts. “Zapp” berichtet, der “Bild”-Sprecher habe ausrichten lassen, man wisse nichts von einer Geschäftsverbindung zwischen Mendelin und Effenberg.
Danke auch an Thomas C.
Nachtrag, 5. November. Wir haben am Donnerstagmittag den “Bild”-Pressesprecher gebeten, uns zu sagen, ob Mendelin auch in Zukunft für “Bild” über Effenberg berichten wird. Wir haben keine Antwort erhalten.
Nachtrag, 30. November. Inzwischen haben wir vom “Bild”-Pressesprecher die Zusage bekommen, noch in diesem Jahr eine Antwort auf unsere Fragen zu erhalten.
Nachtrag, 5. Januar. Tatsächlich hat uns der “Bild”-Pressesprecher noch 2005 geantwortet. Am 24. Dezember teilte er uns mit:
1. Wir haben Ihre Vorwürfe gegen Hr. Mendelin geprüft. Daraus hat sich für uns nach wie vor kein Nachweis für eine Geschäftsbeziehung zwischen ihm und Effenberg ergeben. Als was ihn verschiedene Medien, egal aus welchem Verlag, bezeichnen, sagt ja noch nichts über einen wirklichen Tatbestand aus. Da werden Sie mir sicherlich zustimmen.
Zudem liegt uns eine Eidesstattliche Erklärung von Hr. Mendelin vor. Für uns gibt es keinen Anlaß daran zu zweifeln.
2. Wie bereits erwähnt ist Hr. Mendelin freier Autor, insofern kann ich Ihnen nicht sagen ob, wann oder über was er das nächste Mal für BILD schreibt.