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Vorwärts in die Vergangenheit

Der RAG-Konzern, Hauptsponsor von Borussia Dortmund, wird nächste Woche seinen neuen Namen und sein neues Logo vorstellen. Das Ausrufezeichen, das seit über einem Jahr als Platzhalter auf den BVB-Trikots prangt, wird dann durch dieses neue Logo ersetzt.

“Bild” enthüllt heute “exklusiv”, dass das neue Logo die Farbe Purpur enthalten wird, lässt einen der Verantwortlichen schwärmen, wie sehr Kombination Purpur und Schwarz-Gelb auf den Trikos “knallt”, und demonstriert es gleich mit einer Fotomontage:

Sehr eindrucksvoll. Blöd nur, dass Alexander Frei “künftig” garantiert nicht so jubeln wird — egal, wie das Logo letztendlich aussehen sollte. Das (unter Fans heftig umstrittene) gelb-weiße Trikot trugen die Dortmunder nur in der Saison 2006/2007; das aktuelle, auf dem das neue Logo ab dem Spiel gegen Werder Bremen am 14. September prangen soll, sieht ganz anders aus.

Danke an Christian V.!

Nachtrag 5. September: Mehrere Leser haben uns darauf hingewiesen, dass im “Bild”-Artikel ein weiterer Fehler versteckt ist:

Im alten Rom durfte übrigens nur der Imperator Julius Caesar ein mit Purpur gefärbtes Gewand tragen

Offenbar hat man da den Caesar und den gleichnamigen Herrschaftstitel verwechselt, denn Purpur durfte längst nicht nur der olle Julius tragen.

Nachtrag 12. September: Und wie weit “Bild” mit der Fotomontage vom richtigen Endergebnis entfernt lag, kann man sich seit heute selbst ansehen.

“Bild” entdeckt “Bundesliga-Sensation”

"Das ist ein Hammer!"
So berichtet die “Bild”-Zeitung heute im Sportteil über eine “Bundesliga-Sensation”, die “für alle Fußball-Fans eine tolle Nachricht” sei. Und der “Hammer” sieht laut “Bild” so aus:

"BILD erfuhr exklusiv: Die Bundesliga kriegt ihre Relegationsspiele zurück! Ab der Saison 2008/2009 werden der Drittletzte der Bundesliga und der Dritte der Zweiten Liga wieder um den letzten Platz in der ersten Liga kämpfen."
Für Fußballinteressierte dürfte der Hammer ein ganz anderer sein: “Bild” bringt diese Hammer-Meldung nicht nur neun Tage nach kicktipp.de und fussball.com, sondern auch zehn Tage, nachdem auf der offiziellen DFB-Seite ein Interview mit Ligaverbands-Präsident Dr. Rainhard Rauball erschien, in dem es unter anderem hieß:

Frage: Per Antrag wurde heute auch für die Möglichkeit der Einführung von Relegationsspielen um den Abstieg aus der ersten und der zweiten Liga ab der Saison 2008/2009 gestimmt. Kommt die Relegation?

Rauball: Das war heute eine Grundsatzentscheidung. Es bedarf in diesem Fall noch eines Beschlusses der DFB-Bundestages, und ohne diesen Beschluss kann nichts passieren.

Dieser DFB-Bundestag tagt Ende Oktober in Mainz, die offizielle Zustimmung, die als sicher gilt, steht also noch aus.

Und weil das alles im Prinzip schon länger bekannt ist, gibt es kaum einen Grund, heute in großer Aufmachung und “exklusiv” über das Thema zu berichten — außer vielleicht den, dass inzwischen auch viele andere Medien die Sache als Neuigkeit verkaufen und “Bild” dabei nicht unerwähnt lassen. Und manche, wie beispielsweise ORF.at, berichten sogar so:

"Laut

Mit Dank an Jack, Christoph S., Martin N., Michael S., Benjamin H., Manuel S. und Knut.

6 vor 9

Gute-Laune-Fahrt mit der Hamas (+ Video)
(tagesschau.de, Richard C. Schneider)
Es sollte vor allem eins deutlich machen: Die Hamas sorgt entgegen aller Vorurteile für Sicherheit und Stabilität im Gaza-Streifen. 90 Journalisten wurde der Gaza-Streifen deshalb so präsentiert, wie ihn die Hamas gerne sehen möchte.

Herausforderung Media 3.0
(boersenblatt.net)
Wie sich Verlage im Zeitalter der Digitalisierung aufstellen müssen, beschreibt die akutelle Deloitte-Studie “Herausforderung Media 3.0? (pdf, 548 kb). Die Befragung von 40 Entscheidungsträgern führender Verlagshäuser hat ergeben, dass nahezu jeder Verlag über eine digitale Strategie verfügt. Umfang und Reifegrad unterscheiden sich jedoch erheblich.

Wie geht es weiter im Internet? Professor Klaus Meier im Gespräch
(wcm2006.blogspot.com)
Klaus Meier ist als Autor des Buches “Internet-Journalismus” und Dozent des Studiengangs “Online-Journalismus” der richtige Ansprechpartner für Kristin Gogolok, die mehr über das Heute und Morgen des Internets wissen möchte.

Die unlustigen Musikanten
(taz.de, Klaus Raab)
Das ZDF will mal wieder jünger werden und entrümpelt zu diesem Zweck das Schlagerprogramm – dessen Helden wehren sich mit Händen und Füßen.

Paris, Osaka
(tagesspiegel.de, Pablo Silalahi)
Die ARD schickt ihre Doping-Redaktion nach der Tour zur Leichtathletik-WM nach Japan – obwohl die Sportarten laut ZDF-Chefredakteur Brender nicht vergleichbar sind.

“Die linke Meinungshegemonie ist am Zusammenfallen.” (Teil 2)
(schweizerzeit.ch, Patrick Freudiger)
Roger Köppel (Chefredaktor und Verleger der “Weltwoche”) äussert sich in einem Exklusiv-Interview für die “Schweizerzeit” zur Eigenverantwortung, zur Klimahysterie, zu Integrationsproblemen und über seine Faszination für die Schweiz.

Die größten Wiederentdecker seit Kolumbus

"BILD-Leser-Reporter sind die Besten!"Ja, “BILD-Leser-Reporter” seien “die Besten”, behauptete “Bild” vorgestern unter einem Foto mit “1414”-Logo, weil darauf zu sehen sei, “was Sie noch gar nicht sehen dürften: den streng geheimen Drehort für den neuen Tom-Cruise-Film ‘Valkyrie’ bei Klein Köris (Dahme-Spreewald)”.

Und gestern zeigte “Bild” das Leser-Foto noch einmal, denn:

Ein Leser-Reporter entdeckte die Filmkulisse in einem Waldstück bei Berlin.

Schwer gefallen sein dürfte dem (nicht namentlich genannten) “Leser-Reporter” seine Entdeckung nicht.

In der “Märkischen Allgemeinen” stand bereits am 7. Juli, also anderthalb Wochen zuvor, dass die Kulisse in Hermsdorf-Mühle, “wenige Meter neben einer alten Panzerstraße” und “ein bisschen versteckt im Unterholz” zu finden sei. Der “Berliner Kurier” erwähnte am 11. Juli ebenfalls die “alte holprige Panzerstraße, die für die Film-Stars notdürftig mit Asphalt geflickt wurde” im “Wald bei Märkisch Buchholz”. Und eine Art ausführliche Wegbeschreibung stand am 13. Juli in der “Berliner Zeitung”:

Schon zweieinhalb Kilometer vor Hitlers Papp-Quartier ist die alte Panzerstraße, die durch den Wald führt, gesperrt. Ein junger Typ bewacht eine Sperrschranke (…). Hin und wieder patrouillieren Schutzpolizisten (…). Dahinter geht es dann auf der an streckenweise eigens frisch geteerten Panzerstraße weiter bis zu jenem Kieferwald, der weiträumig mit schwarz-gelbem Flatterband abgesperrt ist. Hier verwehren Wachschützer der Firma WSG Security den Zutritt. Mitten im Wald sind einige Bäume gefällt worden, werkeln (…) Handwerker an der “Wolfsschanze”.

Und was das Leser-Foto selbst angeht, das die “Bild”-Zeitung ihren Lesern so stolz präsentierte:

Am 11. Juli waren Fotos der “Wolfsschanze”-Kulisse dem “Berliner Kurier” sogar eine Titelschlagzeile wert (“KURIER exklusiv — Entdeckt! Tom Cruise — Seine ‘Wolfsschanze’ in einem Wald bei Berlin (…) KURIER zeigt erste Fotos der Geheim-Kulisse. (…) Der KURIER spürte den geheimen Ort auf”). Und schon am 7. Juli, also vier Tage vorm “Kurier” und zehn Tage vor “Bild”, dafür aber womöglich wirklich exklusiv, zeigte der “Dahme-Kurier” Fotos der Kulisse.

Mit anderen Worten: “BILD-Leser-Reporter” sind nicht “die Besten”, sie sind bestenfalls die Drittbesten.

Mit Dank an Robert T.!

neu  

Schmerzensgeld für “Nymphomanin”

Es ist schon zwei Jahre her, und es war Sommer. Damals war gerade ein Buch erschienen, und “Bild” versprach:

“BILD druckt exklusiv die aufregendsten Kapitel.”

Die dritte der insgesamt fünf Folgen erschien unter der Überschrift “Ich stellte mich aufs Bett. Dann setzte ich mich auf sein kleines Ausrufezeichen” — und begann so:

Sex ist ihr Leben. Und Hemmungen sind ihr fremd: Valérie Tasso (35). Die ehemalige Verlagsmanagerin aus Paris, die sich selbst als “sexsüchtig” bezeichnet, schrieb das Skandalbuch des Sommers.

Danach fing Tassos Ich-Erzählung an, die sich um ein großes Nacktfoto einer wolllüstig dreinblickenden Brünette schmiegte (siehe Ausriss). Betextet war das Foto mit den Worten:

“Gleicht wirst du merken, daß du’s mit einer Französin zu tun hast”, sage ich und drehe dabei meinen Kopf zu ihm, damit er mein Gesicht sehen kann…

Dafür allerdings wurde der Verlag Axel Springer am vergangenen Donnerstag, zwei Jahre später also, vom Landgericht Kaiserslautern (2 O 970/05) zu 12.000 Euro Schmerzensgeld verurteilt. Denn: Die barbusige Frau, die “Bild” zeigte, war nicht die ehemalige Verlagsmanagerin Valerie Tasso aus Paris, sondern eine Studentin aus Kaiserslautern — ein Symbolfoto quasi.

Die Abgebildete fand das gar nicht lustig (sondern, wie es in der Urteilsbegründung heißt, “obszön und Frauen verachtend”) — und klagte. Denn ihre Aufnahmen waren von einer Foto-Agentur nur mit dem ausdrücklichen Vermerk “Aproval Frei. Nutzung nur in einem positiven Zusammenhang!” angeboten worden. Das war auch der “Bild”-Redaktion bekannt, als sie das Foto für 200 Euro kaufte, um damit Valerie Tassos “Nymphomanin”-Text zu illustrieren.

Wie “Bild” sich vor Gericht rechtfertigte

1.) Man habe das Foto “nicht im Bereich der Pornografie genutzt, sondern der Berichterstattung über erotische Literatur und damit im Bereich der Kunst”, also “in positivem Zusammenhang”.
Das Gericht widersprach: Schamlos geschilderte “Sexerlebnisse” und “obszöne Details” seien der Frau “inhaltlich geradezu in den Mund gelegt” worden, was “die sexuelle Verfügbarkeit der Klägerin suggeriert” habe.
2.) Man könne und müsse sich “im Tagesgeschäft” auch bei Fotos auf die Informationen der Agenturen verlassen und könne nicht jedesmal nachfragen.
Das Gericht widersprach: Bei einem Buch-Abdruck hätte die Zeitung auf das OK warten können und müssen; ihr Handeln sei “fahrlässig” und “leichtfertig”.
3.) “Bild” habe sogar trotzdem von einer Mitarbeiterin der Agentur “vor der Veröffentlichung” telefonisch das Einverständnis eingeholt.
Das Gericht zweifelte: Die Mitarbeiterin der Agentur habe unwiderlegt ausgesagt, dass “Bild” erst anrief, nachdem die Klägerin sich beschwert hatte.

Als Folge der “Bild”-Veröffentlichung habe die Frau “von Albträumen berichtet sowie Schlafstörungen, Angstgefühle, Nervosität und Antriebsstörungen beklagt”, sagte ihr Arzt dem Gericht. Sie sei knapp anderthalb Jahre in psychiatrischer Behandlung gewesen.

Das Gericht urteilte, die Aufmachung des “Bild”-Artikels habe beim Leser “eindeutig den Eindruck erweckt, dass die Klägerin die in dem ‘Tagebuch’ erwähnte Nymphomanin oder eine andere Nymphomanin ist, also eine Frau mit gesteigertem Geschlechtstrieb”. Kurzum:

Die Veröffentlichung des Nacktfotos stellt eine schwer wiegende Verletzung der allgemeinen Persönlichkeitsrechte der Klägerin dar (…). Durch die Veröffentlichung (…) ist die Klägerin in ihrer Menschenwürde aber auch in ihrem Ansehen empfindlich herabgesetzt worden.

Prozessbeobachter vermuten jedoch, dass Springer die 12.000 Euro Schmerzensgeld nebst Zinsen und 60 Prozent der Prozesskosten nicht zahlen, sondern in Berufung gehen wird.

PS: Dass eine Rückfrage von “Bild” bei der abgebildeten Frau für den Abdruck irgendwie hilfreich gewesen wäre, ist unwahrscheinlich: Der Fotograf erklärte vor Gericht, er sei sich mit seinem Modell darüber einig gewesen, dass die Nacktfotos “auf keinen Fall in der ‘Bild’-Zeitung” veröffentlicht werden sollten…

Mit Dank auch an Tomchen und Dirk S. sowie Heinz M. und swr.de.

neu  

“Bild” schlachtet altes Möllemann-Video aus

Die heutige “Bild”-Titelschlagzeile ist groß und vielversprechend:

"Möllemann -- Todes-Video aufgetaucht!"

Und auf Seite 2 heißt es dann:

"Ein Amateur-Video beendet alle Spekulationen: Möllemanns Todes-Sprung war Selbstmord"

Was “Bild” heute zu dieser Schlagzeile bewogen hat, ist völlig unklar. “Bild” schreibt:

Welches Geheimnis auch immer Möllemann mit ins Grab nahm: ES MUSS SELBSTMORD GEWESEN SEIN!

Nur diesen einen Rückschluss lässt ein Video zu, dass jetzt bekannt geworden ist.

Dave L., einer der mitgesprungenen Fallschirm-Kameraden, filmte Möllemanns Todessprung mit einer Kamera. Das Video, dass auch Bestandteil der Ermittlungsakte war, liegt BILD vor. Es dauert 15 Minuten und 41 Sekunden.

AUS DEM FILM ERGEBEN SICH KLARE HINWEISE, DASS DER FDP-REBELL DEN FREITOD SUCHTE (…).

Um es also ganz klar zu sagen: Aufgetaucht ist das Video nun offenbar in der “Bild”-Redaktion, die es sich vier Jahre, nachdem es die Staatsanwaltschaft auswertete, angeschaut hat — und nun, anders als die Staatsanwaltschaft vor vier Jahren, noch einmal wild drauflosspekuliert.

Und das, obwohl doch “Bild” selbst schon am 16. Juni 2003, wenige Tage nach Möllemanns Tod, (wie viele, viele andere Medien auch) auf Seite 2 unter der Überschrift “Möllemann stürzte mit ausgebreiteten Armen in den Tod — Der Video-Beweis” über das Video berichtet hatte. Damals hieß es in “Bild”:

Es gibt kaum noch einen Zweifel: Jürgen W. Möllemann verübte Selbstmord! Neue Zeugenaussagen und das Video eines Fallschirmspringers sprechen dafür, dass der Politiker am 5. Juni freiwillig in den Tod sprang. Die Staatsanwälte können den Todessprung jetzt genau rekonstruieren (…). Dave Littlewood, einer der mitspringenden Kameraden, filmt das Geschehen mit einer Videokamera. (…)

Heute nun endet der “Bild”-Bericht mit den zynischen Worten:

Jetzt endlich, nach vier Jahren, findet die Akte Möllemann ihren Frieden.

“Frieden”? Nun ja. Auf Sueddeutsche.de beispielsweise heißt es unter Berufung auf “Bild”:

"Möllemanns Todessturz: Video belegt Freitod-Theorie -- Fast vier Jahre nach dem Tod des früheren Vizekanzlers sind Amateur-Aufnahmen, die die Minuten vor und nach seinem Fallschirmabsturz zeigen, publiziert worden. Die Frage, ob es sich um einen Unfall oder Suizid handelte, dürfte nun beantwortet sein."

Aber auch “Spiegel Online”, FAZ.net, Focus.de* und viele andere halten es für sinnvoll, die Spekulationen der “Bild”-Zeitung mehr oder weniger distanz- und kopflos weiterzuverbreiten. Zuvor hatte die Nachrichtenagentur dpa in einer in sich widersprüchlichen Meldung fälschlicherweise behauptet, “Bild” habe “ein weiteres [sic] Amateur-Video” von Möllemanns Tod veröffentlicht.

Dpa berichtet jedoch inzwischen auch:

Die Staatsanwaltschaft Essen sieht nach einem neuen Bericht über ein Video vom tödlichen Fallschirmabsturz des früheren FDP-Politikers Jürgen Möllemann keine neuen Erkenntnisse. Das Video sei bereits im Ermittlungsverfahren zum Tod Möllemanns ausgewertet und anschließend dem Eigentümer zurückgegeben worden (…).

PS: Hans Leyendecker schrieb 17. Juni 2003 in der “Süddeutschen Zeitung”: “Die Bekannten jenes Springers, der Möllemanns Ausstieg aus der Maschine festhielt, gehen davon aus, dass dieser auch mit Rücksicht auf die Familie den Film mit den letzten Sequenzen nicht verkaufen wird.”
 
 

*) Nachtrag, 14 Uhr: Nur der Vollständigkeit halber wollen wir hier noch einmal dokumentieren, was der “Focus” (25/2003) vor vier Jahren exklusiv berichtete:

Das letzte Video. Die Tragödie filmt Sprungkamerad Dave Littlewood, der an jenem Donnerstag als Letzter die Propellermaschine verlässt. Sein Video soll nun die Frage klären: Freitod oder Unfall? Immer wieder schaut sich der Essener Oberstaatsanwalt Wolfgang Reinicke den Film an, seziert Standbild für Standbild. “Alles normal, nichts Ungewöhnliches zu entdecken.” Der Fokus des Hobbyfilmers richtet sich zunächst auf einen Tandemsprung. Noch ist alles wie immer. Doch plötzlich zeichnet sich im Hintergrund die Katastrophe ab. Der blau-gelbe Schirm mit den Initialen JWM löst sich – ein Körper schießt in die Tiefe. “Weit im Hintergrund ist er auf dem Video zu erkennen. Als kleines schwarzes Pünktchen”, so Ermittler Reinicke. Nichts deutet auf Unfall hin. Ein Beleg für Manipulation fehlt. “Wir schließen aus, dass jemand vor dem Sprung auf Möllemann oder den Schirm eingewirkt hat”, konstatiert der Oberstaatsanwalt. (…) Nur 20 Sekunden nach dem Aufprall ist Bleckmann beim aufgeplatzten Körper seines Kameraden Jürgen. Die anderen Kollegen schreien: “Warum hier, warum hat er das getan?” Die Uhr zeigt 12.38 Uhr.

Nachtrag, 15.30 Uhr: In einem zweiten Artikel zitiert “Spiegel Online” (Überschrift: “MÖLLEMANNS TODESSPRUNG — Videofilmer erwägt rechtliche Schritte gegen ‘Bild'”) nun den Urheber des Möllemann-Videos, Dave Littlewood, der es nach eigenen Angaben “an einem sicheren Ort aufbewahrt” habe:

Ich habe dieses Video nicht freigegeben und habe niemandem die Erlaubnis zur Veröffentlichung gegeben. (…) Es wurde im Juni 2003 von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt. (…) Nach circa vier bis sechs Wochen erhielt ich eine Kopie zurück. Das Original hat die Staatsanwaltschaft behalten.

Die Staatsanwaltschaft Essen hingegen gibt laut “Spiegel Online” an, Littlewood das Original zurückgegeben zu haben. Und Littlewood prüfe nun wegen der Veröffentlichung rechtliche Schritte gegen “Bild”. Vom Verlag Axel Springer gebe es bislang keine Stellungnahme.

Nachtrag, 17 Uhr: Inzwischen hat sich Springer offenbar geäußert. In einer aktualisierten (und um kleine Fehler bereinigten) Fassung des “Spiegel Online”-Artikels heißt es: “Ein Sprecher des Verlags Axel Springer teilte auf Anfrage (…) mit: ‘Unsere Quelle hat uns vertraglich zugesichert, dass die Rechte an besagtem Video bei ihr liegen und sie darüber verfügen kann.'”

Mehr dazu hier.

Wie “Bild” in den türkischen “Horror-Knast” kam

Die “Bild”-Zeitung hatte gestern, was viele deutsche Medien gerne gehabt hätten: ein Interview mit dem 17-jährigen Marco W., der in einem türkischen Gefängnis sitzt, weil ihm vorgeworfen wird, ein 13-jähriges Mädchen sexuell missbraucht zu haben. Geführt hat es nicht “Bild” selbst, sondern ein Reporter der türkischen Zeitung “Hürriyet”, mit der der Verlag Axel Springer geschäftlich verbunden ist und in deren Beirat “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann sitzt.

Und wie kam es dazu, dass ausgerechnet “Bild” diesen Scoop landen konnte? Der ARD-Korrespondent in der Türkei, Peter Althammer, beschrieb die Hintergründe gestern im Magazin “Brisant” so: Diekmann habe beim “Hürriyet”-Chefredakteur angerufen und das Schlagwort “Midnight-Express” fallen lassen — der Titel eines berühmten Hollywood-Filmes, der die schlimmen Verhältnisse in türkischen Gefängnissen extrem dramatisch schilderte. Offenbar war das wie eine Drohung zu verstehen: Die “Bild”-Zeitung könnte massiv in dieser für die Türkei unliebsamen Richtung berichten.* Jedenfalls sprach der “Hürriyet”-Chefredakteur daraufhin nach eigenen Angaben persönlich mit dem türkischen Justizminister und dem Ministerpräsidenten und bekam die Möglichkeit, das Exklusiv-Interview mit dem 17-jährigen für seine Zeitung und für “Bild” zu führen.

Solche Deals haben oft ihren Preis, nicht immer einen finanziellen. Im konkreten Fall mutmaßt Althammer, Marco W. und das Interview könnten von der türkischen Regierung dafür instrumentalisiert werden, die Haftumstände besonders rosig zu malen. Filmaufnahmen des Interviews zeigten, wie ihm “fast demonstrativ” Speisen auf einem Tablett gereicht wurden. Der deutsche Anwalt von Marco W. äußerte bereits den “ganz stillen Verdacht, dass nun die Zustände besser gemacht werden sollen als sie sind”.

Schwer zu sagen, ob das so ist. Aber es fällt auf, wie sich seit dem Interview auch die Berichterstattung in “Bild” geändert hat. Am vergangenen Samstag und Montag nannte “Bild” das Gefängnis den “Horror-Knast”. Gestern, am Tag nach dem Interview, fehlte dieser Begriff; heute spricht “Bild” ausdrücklich vom “angeblichen ‘Horror-Knast'”.

Am Samstag schrieb “Bild”:

Er muss sich mit 30 ausländischen Gefangenen eine Zelle teilen, eine Dusche, eine Toilette. Nur einmal pro Woche darf der Schüler für zehn Minuten seine Mutter sehen. Durch Panzerglas. Sie weint vor Verzweiflung.

Am Sonntag schrieb die “BamS”:

“Marco geht es seelisch sehr schlecht. Er ist körperlich gezeichnet, zittrig, nervös, leidet an Schlafentzug”, so sein Vater.

Heute zitiert “Bild” den “Hürriyet”-Reporter wie folgt:

HORROR-KNAST? So geht es Marco im Gefängnis wirklich
“Ich war erstaunt. Marco sah zufrieden aus. (…) Hin und wieder lachten wir sogar über das, was er sagte. (…)

Marco erzählte von der Zellendusche ohne Duschkopf. ‘Wir seifen uns ein, kippen uns das Wasser mit einem Eimer über den Kopf. Es gibt nur kaltes Wasser. Da wir Sommer haben, ist es sehr angenehm. Die Dusche ist von 7 bis 20 Uhr geöffnet (…)

Und das Knastessen? ‘Es wäre prima, wenn es mal Pommes und Steak gäbe!’ (…)”

Na, das klingt ja ganz lauschig. Schwer vorstellbar, dass “Bild”-Chef Diekmann noch vor wenigen Tagen irgendwelche Assoziationen an “Midnight-Express” gehabt haben soll.

*) Korrektur, 10. Juli: Die “Brisant”-Version der Ereignisse, auf die wir uns teilweise gestützt haben, ist höchst problematisch. Ob Kai Diekmann gegenüber dem “Hürriyet”-Chefredakteur Ertugrul Özkök den Begriff “Midnight Express” benutzt hat, ist zumindest unbewiesen. In dem “Hürriyet”-Artikel, auf den sich ARD-Korrespondent Althammer bezieht, sagt Özkök zwar, er habe mit Diekmann gesprochen. Die Film-Assoziation bringt er aber selbst ins Spiel: “Ich hatte die Befürchtung, dass sich diese Angelegenheit zu einem neuen ‘Midnight Express’ entwickeln könnte.”

“BamS”-Leser fragen, BILDblog antwortet

Lieber Gerhard Scholz aus Göttingen (Niedersachsen),

Sie haben der “Bild am Sonntag” anscheinend einen Brief mit folgendem Vorschlag geschrieben:

Ändern Sie doch den Spot “Deutschlands schnellstes Magazin” einmal um. Viel origineller wäre doch: “Ein Sonntag ohne BamS — undenkbar!” Ich, und vielen Lesern wird es bestimmt genau so ergehen, kann mir einen Sonntag ohne BamS nicht mehr vorstellen.

Und Claus Strunz, der Chefredakteur, antwortete Ihnen gestern in seiner beliebten Rubrik “Der Chefredakteur antwortet”:

Entweder Sie sind ein Hellseher oder wir der Zeit voraus. Oder beides.

Die “BamS” werde nämlich zufällig tatsächlich ihren Slogan ändern. Sogar fast ungefähr etwa annähernd genauso, wie Sie es hellsichtig vorgeschlagen haben: nämlich in “Deutschland am Sonntag – BILD am SONNTAG!”

Bei der Gelegenheit beantwortete Herr Strunz Ihnen, lieber Herr Scholz, noch ein paar Fragen, die Sie gar nicht gestellt hatten:

Wir sind in den vergangenen Jahren “schneller” geworden, haben also noch mehr Nachrichten vor allen anderen Medien. Und wir haben unseren “Magazin”-Charakter betont, sind in den Bereichen “Leben” und “Ratgeber” besser, hintergründiger und exklusiver geworden. An diesem Konzept, mit dem wir unsere Auflage (also die Zahl der verkauften Exemplare — rund 1,9 Millionen) stabilisiert (…) haben, halten wir natürlich fest.

Natürlich. Denn im ersten Quartal dieses Jahres verkaufte die “Bild am Sonntag” über drei Prozent weniger Zeitungen als im Vorjahr. Und was Herr Strunz meint, wenn er sagt, man habe die Auflage “stabilisiert”, haben wir mal in dieser Grafik anschaulich gemacht:

All dies nur, damit Sie, lieber Herr Scholz, und die anderen treuen “BamS”-Leser wissen, was sie von den Antworten des Herrn Strunz zu halten haben.

Herzlichst, Ihr Lupo
 
PS: Letztlich ist sowas natürlich alles eine Frage der Perspektive.

Allgemein  

Zirkusreife “Bild”-Kampagne gegen Sarrasani

Tag 1:
Es fing eigentlich relativ harmlos an: Vor einer knappen Woche berichtete “Bild”-Dresden zum ersten Mal über die zwei Tiger des"Sarrasani-Tiger wohnen jetzt im Supermarkt!" Zirkus “Sarrasani”: “Sarrasani-Tiger wohnen jetzt im Supermarkt!” (siehe Ausriss). Mieter hätten sich wegen des Gebrülls beschwert, hieß es. “Bild” zitierte eine 71-jährige Anwohnerin, die sich gar nicht mehr traue, “an unserem alten Supermarkt vorbeizugehen”. Außerdem stinke es “schrecklich”. Eine weitere Mieterin “schimpft” angeblich: “Das Gebrüll hört sich so qualvoll an!” Zwar habe die Stadt die “seltsame Raubtierhaltung” genehmigt. Allerdings zitiert “Bild” einen Amtstierarzt, er habe nicht gewusst, dass die Tiger “im Warenlager” gehalten würden.

Tag 2:
Am Tag darauf berichtete “Bild”"Rettet die Tiger aus dem Supermarkt" wieder über den “Skandal”, den “Bild”-Leser “aufgedeckt” hätten. Unter der Überschrift “Rettet die Tiger aus dem Supermarkt” behauptete “Bild”, Sarrasani lasse seine zwei Tiger “seit Wochen” und “heimlich” im Supermarkt wohnen. Und Tierschützer würden fordern, dass “Sarrasani seine Tiere sofort artgerecht unterbringt”. (Nebenbei: Als wir einen der von “Bild” zitierten Tierschützer fragten, ob er die konkrete Unterbringung der Sarrasani-Tiger kenne, beendete der abrupt das Telefon-Gespräch.)

Tag 3:
Am folgenden Tag hieß es in “Bild”: “Tiger in Kaufhalle gehalten: Fliegt"Tiger in Kaufhalle gehalten: Fliegt Sarrasani jetzt aus dem Supermarkt?" Sarrasani jetzt aus dem Supermarkt?” “Bild” habe herausgefunden, dass nicht mal der Vermieter der Halle über die “merkwürdige Nutzung als Raubtierkäfig” informiert gewesen sei. “Ob Sarrasani rausfliegt”, wolle der Vermieter nach einem Gespräch entscheiden. Und wieder hieß es, “Bild”-Leser hätten “aufgedeckt, dass der Varieté-Chef seit Wochen seine Tiger (…) mitten im Wohngebiet hausen lässt.”

Tag 4:
Einen Tag später kam, was kommen musste: “Sarrasani-Tiger im Supermarkt: Der Foto-Beweis!” Ein “Bild”-Fotograf "Sarrasani-Tiger im Supermarkt: Der Foto-Beweis!"hatte ein Foto gemacht, das, nun ja, einen Tiger hinter Gittern zeigt, und offenbar die Behauptung Sarrasanis widerlegen sollte, es gehe den Tigern gut. “Bild” fasste noch kurz ihre Kampagne der vorhergehenden Tage zusammen und schrieb, dass sich “wieder Mieter der angrenzenden Wohnblocks bei BILD” gemeldet hätten. Von “mehreren Eingaben wegen des Gebrülls und Gestanks” war die Rede. Zu Wort kam dann allerdings wieder nur die 71-jährige Mieterin, die “Bild” schon am ersten Tag ihrer Kampagne zitiert hatte und die sich nun auch noch über “das Zirkus-Zelt mit Bumbum bis 23 Uhr” beschwerte. “BILD bleibt dran!” hieß es abschließend.

Tag 5:
Tat sie auch. Aber nur in Form einer Zwei-Spalten-Meldung, in der es hieß: “Gestern fotografierte BILD exklusiv eine der beiden Raubkatzen” — und die darüber Auskunft gab, dass Sarrasani “einen zweiten Drahtzaun mit Sichtschutz gegen neugierige Blicke aufgestellt” habe.

Soweit die Kampagne von “Bild”. Und nun die Fakten:

Die Sarrasani-Tiger wohnen nicht “seit Wochen”, wie “Bild” mehrfach behauptete, “im Supermarkt”, sondern sie sind bereits seit dem Jahr 2004 auf dem Gelände untergebracht. Und das auch nicht “heimlich”, wie “Bild” wiederholt schrieb, sondern mit Kenntnis und Billigung des Veterinäramts, das die Haltung abgenommen und regelmäßig kontrolliert hat. “Die Haltungsbedingungen und der Allgemeinzustand der Tiger wurden letztmalig im Dezember 2006 amtstierärztlich kontrolliert”, heißt es in einer aktuellen Pressemitteilung der Dresdner Stadtverwaltung. Zudem fand am Tag des ersten “Bild”-Berichts eine weitere Kontrolle statt. Weiter heißt es in der Mitteilung (und ähnlich auch in einer Stellungnahme Sarrasanis [pdf]):

Bei beiden Kontrollen ergaben sich aus tierschutzrechtlicher Sicht keine Beanstandungen bzw. Auflagen.

Sarrasanis Vermieter, die TLG Immobilien GmbH, ist nach unseren Informationen seit Mietbeginn im Jahr 2004 darüber informiert, dass der Zirkus zwei Tiger auf dem Gelände hält. Bei der TLG wollte man sich uns gegenüber jedoch nicht zu dem Sachverhalt äußern.

Dass laut “Bild” weder der zitierte Amtstierarzt noch der Vermieter gewusst hätten, dass die Tiger “im Warenlager” gehalten würden, kann allerdings stimmen. Doch es gibt dafür einen einfachen Grund: Die Tiger werden nicht “im Warenlager” gehalten.

In der Pressemitteilung der Dresdner Stadtverwaltung heißt es entsprechend:

Die Tiger werden im Außengelände neben der ehemaligen Kaufhalle am Straßburger Platz gehalten. Die Haltung der Tiere ist nicht zu beanstanden; Größe und Ausstattung der Haltungseinrichtungen entsprechen den “Leitlinien für die Haltung, Ausbildung und Nutzung von Tieren in Zirkusbetrieben oder ähnlichen Einrichtungen des BMVEL” sowie den Anforderungen des Erlaubnisbescheides nach § 11 Tierschutzgesetz der zuständigen Erlaubnisbehörde der Landeshauptstadt Wiesbaden.

Ob es aus ethischer Sicht zu beanstanden ist, Tiger oder sonstige wilde Tiere wie beispielsweise Eisbären in Gefangenschaft zu halten, wollen wir nicht diskutieren. Sarrasani erfüllt jedenfalls offensichtlich alle “drei Voraussetzungen” für die Haltung von Tigern, die “Bild” bereits am zweiten Tag ihrer Kampagne zusammengetragen hatte:

"Darf sich eigentlich jeder einen Tiger halten?"

P.S.: Der Zirkus Sarrasani hat in direkter Umgebung des Tiger-Geheges ein Büro mit Kartenverkaufsstelle. Von Beschwerden seitens der Anwohner sei bei Sarrasani jedoch nichts bekannt, sagt uns eine Sprecherin auf Anfrage. Tja, die 71-jährige Dame Mieter hielten es offenbar für sinnvoller, sich an “Bild” zu wenden.

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