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Bulle, Apple, Füllstoff

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Mein Bulle”
(lawblog.de, Udo Vetter)
Ein Polizist wird vom Amtsgericht Mannheim zu einer Geldstrafe verurteilt, “wegen der Verhaftung einer Bundestagskandidatin, die so inszeniert war, dass die Journalistin eine exklusive Schlagzeile bekam.” Die Schlagzeile lautete 2009 auf Bild.de: “Hier wird eine Bundestags-Kandidatin verhaftet”.

2. “Die Selbstvergewisserungs-Maschine Bild”
(meedia.de, Christian Meier)
Christian Meier liest gelangweilt die am Samstag in Übergröße erschienene “Bild”: “Die Mega-Bild ist auch mega-langweilig. Sie gibt sich als Huldigung an große Deutsche und deutsche Marken (Werbekunden, hereinspaziert) und endet als Einschlafhilfe.”

3. “Live by the BILD, die by the BILD”
(sportmedienblog.de)
Fußball: Das Sportmedienblog befasst sich mit der “Führungsspieler-Debatte” und der Aufregung über das Buch von Philipp Lahm: “Seine Aussagen wurden aus dem Zusammenhang gerissen? Verkürzt dargestellt? Ach was! So arbeitet BILD nunmal.” Siehe dazu auch nennenswertes.de, das sich Aussagen von Mario Gomez im ZDF-Sportstudio widmet.

4. “traurige BILDfälschung”
(die-anmerkung.blogspot.com)
Bezugnehmend auf diese Analyse eines Fotos von Steve Jobs fragt “Die Anmerkung”, ob Bild.de eine Fotofälschung verbreitet.

5. “Artikel Fanatismus”
(343max.de, Max Winde)
Max Winde über Blogger und Twitterer, die jeden unverzüglich steinigen, der es wagt, ‘der Blog’ zu sagen. “Ganz im Ernst: Wie wollen wir jemals zu einer Gesellschaft gelangen, die jeden seine Kultur, Religion, Sexualität, Weltanschauung frei ausleben lässt, wenn wir es nicht mal schaffen solche Nebensächlichkeiten zu akzeptieren oder wenigstens zu ignorieren?”

6. “Lorem ipsum dolor sit amet (Hajos Apple-Bashing)”
(rpzine.de)
In sozialen Netzwerken hat der “Spiegel Online”-Artikel “Abrechnung eines Ex-Fans – Apple, es reicht!” von Hajo Schumacher für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Texts for Robots kürzt den Text “um den Füllstoff”.

Störfall im Netz

Wir würden inzwischen bezweifeln, dass bei “Focus Online” die Agenturmeldungen überhaupt noch gelesen werden, bevor sie online gehen. Das wäre nicht schlimm (und weitgehend üblich), wenn “Focus Online” nicht die Angewohnheit hätte, diesen Agenturmeldungen eigene Vorspänne und Überschriften voranzustellen. Und da wird’s dann schwierig, wenn niemand die Meldung gelesen hat.

Vor drei Wochen wurde so aus der Forderung eines Papstkritikers eine Forderung des Papstes (BILDblog berichtete), gestern ging einer der (weitgehend zerstörten) Unglücksreaktoren von Fukushima weltexklusiv bei “Focus Online” wieder ans Netz.

Und das kam so: AFP hatte gestern Vormittag unter der Überschrift “Reaktor nimmt erstmals nach Fukushima wieder vollen Betrieb auf – Japanische Behörden geben grünes Licht” eine kurze Meldung verschickt. Ihre ersten Sätze lauteten:

Erstmals nach der Katastrophe im japanischen Atomkraftwerk Fukushima hat die Regierung des Landes die Wiederaufnahme des wirtschaftlichen Betriebs eines Atomreaktors genehmigt. Reaktor 3 der Atomanlage Tomari auf der Nordinsel Hokkaido nahm am Mittwoch wieder den vollen Betrieb auf, nachdem die Behörden dafür grünes Licht gegeben hatten, wie der Betreiber Hokkaido Electric Power (Hepco) mitteilte.

Von einigen vielleicht unbekannten Wörtern mal ab sollten Kinder der vierten Klasse diesen Sätzen entnehmen können, dass Reaktor 3 der Atomanlage Tomari auf der Nordinsel Hokkaido am Mittwoch wieder den vollen Betrieb aufgenommen hat.

Und das hat “Focus Online” diesen Sätzen entnommen:

Fukushima: Reaktor nimmt wieder vollen Betrieb auf. Erstmals nach der Atomkatastrophe in Fukushima nimmt der Reaktor 3 des Atomkraftwerks wieder den vollen Betrieb auf. Die japanische Behörde gab dafür grünes Licht, wie die Betreiber Hokkaido Electric Power mitteilte. Seit der Katastrophe sind fast drei Viertel der Atomreaktoren wegen Sicherheitschecks und zur Wartung außer Betrieb.
Mit Dank an Stefan.

Nachtrag, 19. August: “Focus Online” hat Überschrift und Vorspann unauffällig korrigiert. Beim Papst war es noch transparent gewesen.

2. Nachtrag: Unser Leser Andre Sch. weist uns darauf hin, dass “Focus Online” die Fehler nicht komplett “unauffällig” korrigiert hat. Wer sich durch die Leserkommentare klickt, findet dort einen kleinen Hinweis:

Erster Satz ist falsch. "Erstmals nach der Atomkatastrophe in Fukushima nimmt der Reaktor 3 des Atomkraftwerks wieder den vollen Betrieb auf." Eben gerade nicht der Reaktor 3 von Fukushima... Anmerkung der Redaktion: Vielen Dank für den Hinweis. Wir haben den Fehler inzwischen korrigiert.

Wir sind Papst!

Im Hinblick auf den anstehenden Papst-Besuch im September hat die “Rhein-Zeitung” mit Christian Weisner gesprochen, dem Sprecher der Kirchen-Volksbewegung “Wir sind Kirche”.

Weisner sagt in dem Interview unter anderem:

RZ: Wo brennt es in der Kirche?

Weisner: Dazu gehören vor allem der fehlende Nachwuchs an Priestern, die unbefriedigende Rolle der Frau, der fehlende theologische Diskurs, die mangelhafte Bereitschaft zur Ökumene und der sexuelle Missbrauch. (…)

Die Nachrichtenagentur dapd hat daraus eine kleine Meldung gemacht, die unter der Überschrift “Papst soll etwas für die Ökumene bewegen” bei verschiedenen Medien veröffentlicht wurde.

Auch “Focus Online” hat sich der Meldung angenommen und ihr einen eigenen Vorspann und eine eigene Überschrift verpasst. Und so kann die Internetseite jetzt weltexklusiv eine Sensation vermelden:

Katholische Kirche: Papst Benedikt XVI. fordert mehr Ökumene. Papst Benedikt XVI. hat im Vorfeld seines Deutschland-Besuches die „mangelnde Bereitschaft in der katholischen Kirche zur Ökumene“ kritisiert. Er nimmt damit Stellung zur wachsenden Kritik, dass die Kosten für den Papst-Besuch zu hoch seien.

Mit Dank an Wolfgang.

Nachtrag, 31. Juli: “Focus Online” hat den Fehler heute transparent korrigiert.

Super!, Urs Meier, Elmar Theveßen

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Wie BILD am SONNTAG aus Fehlern Profit schlägt”
(danielbroeckerhoff.de, Tina Schober)
Tina Schober beleuchtet die Hintergründe zu einem in der “Bild am Sonntag” abgedruckten Foto eines siebenjährigen Mädchens aus Thüringen, das ermordet wurde. “Die Redaktion entschuldigt sich also für ein falsch abgedrucktes Foto – und belohnt sich mit einem Exklusiv-Bild.”

2. “Ein Schweizer Opfer packt aus”
(sonntagonline.ch, Nadja Pastega)
Ex-Fußballschiedsrichter Urs Meier erzählt, was ihm widerfuhr, nachdem er 2004 England ein Tor aberkannte. “Britische Journalisten haben in Portugal recherchiert, ob ich dort eine Ferienwohnung oder ein Haus besitze. Sie wollten mir nachweisen, dass ich mal Geld genommen habe oder korrupt war. Meiner Ex-Frau haben sie 30000 Pfund geboten, weil sie eine Story machen und mich in die Pfanne hauen wollten. Meinem damals 14-jährigen Sohn haben sie auf dem Schulweg abgepasst. Sie wollten wissen, von welcher englischen Mannschaft er Fan sei. Wenn er über seinen Vater rede, würden sie organisieren, dass er zu einem Spiel seiner Lieblingsmannschaft gegen Manchester United eingeladen werde.”

3. “Die Macht der Boulevard-Zeitungen”
(echo-online.de, Klaus Thomas Heck)
Klaus Thomas Heck erinnert an die Boulevardzeitung “Super!”, die Anfang der 1990er-Jahre in Ostdeutschland erschien: “Ein Jahr lang kübelt die Zeitung, die im englischen Tabloid-Format erscheint, eine widerliche Mischung aus Übertreibungen und Halbwahrheiten aufs Papier, dann endet die Ära von ‘Super!’ am 24. Juli 1992 wegen sinkender Auflagen. Doch viele ihrer Redakteure landen später problemlos bei anderen Medien. Franz Josef Wagner ist heute Kolummnist für ‘Bild’. Und auch die Verleger von ‘Super!’ haben ihr ostdeutsches Abenteuer gut überstanden. Sie hießen Hubert Burda – und Rupert Murdoch.”

4. “Plädoyer zur Abschaffung des Terrorexperten. Selten waren so viele so schnell auf dem Holzweg”
(blogs.taz.de/arabesken, Karim El-Gawhary)
Die ersten Spekulationen von Terrorexperten nach den Anschlägen in Norwegen befassen sich mit möglichen islamischen Tätern, obwohl es dafür keine konkreten Anhaltspunkte gibt (BILDblog berichtete, siehe dazu auch Stefan Niggemeier).

5. “BILD.de vs. Elmar Theveßen: die fragwürdige Degradierung eines renommierten Journalisten zum Möchtegern-Experten”
(mediensalat.info, Ralf Marder)
Für “Bild” ist ZDF-Journalist Elmar Theveßen ein “Möchtegern-Experte” und darum “Verlierer des Tages”. Ralf Marder: “Ich meine, dass man hier zu weit über das Ziel hinausgeschossen ist und sich vielleicht auch mal an die eigene Nase fassen sollte.” Siehe dazu auch die Stellungnahme von Elmar Theveßen im ZDF-Blog.

6. “Der ZEIT-Online-Totenrechner: 1500 deutsche Opfer in Norwegen”
(blog.dummy-magazin.de)
“Auf Deutschland mit seinen 80 Millionen Menschen umgerechnet, würde dies fast 1500 Tote in einer Nacht bedeuten”, schreibt Christoph Bertram auf zeit.de zu den Opfern in Norwegen. Das dummyblog erweitert die Umrechnung: “Wieso bei der Umrechnung der Opfer auf Deutschland aufhören? Viel eindrucksvollere Ergebnisse verspricht der Vergleich mit China. 90 Norweger entsprechen 24000 Chinesen!”

Kachelmanns Sonnenschein und -sein

Das Kriegsbeil im Haus erspart den Journalisten.
(Alte indianische Weisheit)

Wer sich ein bisschen im Medienbetrieb auskennt, weiß, dass das Verhältnis zwischen dem Wettermoderator Jörg Kachelmann und der Axel Springer AG als schwierig belastet zerstört betrachtet werden darf.

Insofern wäre unter Umständen Vorsicht geboten, wenn “Bild am Sonntag” exklusiv eine Personalie aus Kachelmanns Firma Meteomedia verkündet:

Claudia Kleinert will nicht mehr für seine Firma Meteomedia arbeiten: Kachelmanns Sonnenschein verzieht sich

Die Zeitung hatte gestern geschrieben:

Seit 2002 moderiert Claudia Kleinert (41) “Das Wetter im Ersten” und das “Wetter nach den Tagesthemen”. Bisher als Mitarbeiterin der Meteomedia AG, der Wetterfirma von Jörg Kachelmann. Doch der muss demnächst ohne seine prominenteste Moderatorin auskommen. Claudia Kleinert zu BILD am SONNTAG: “Fest steht, dass ich im nächsten Jahr nicht mehr bei Meteomedia arbeite.”

Branchendienste wie kress.de und DWDL, aber auch Webportale wie “Meedia” und “Quotenmeter” übernahmen die Meldung unter alleiniger Berufung auf “Bild am Sonntag”.

Meteomedia dagegen bezeichnete den Bericht als “schlicht falsch und erfunden”. Frau Kleinert habe eine solche Aussage “zu keiner Zeit” gemacht. Sie werde weiterhin das ARD-Wetter präsentieren und auch weiter bei Meteomedia arbeiten.

Die “Süddeutsche Zeitung”, die in einem Teil ihrer heutigen Auflage ebenfalls berichtet hatte, dass Frau Kleinert Meteomedia verlasse, widersprach dem in einem späteren Teil der Auflage:

ARD-Wettermoderatorin Claudia Kleinert will weiterhin in der ARD auftreten, auch wenn die Wettersendungen im Ersten künftig nicht mehr von Jörg Kachelmanns Firma Meteomedia produziert werden. Das bestätigte Kleinert der SZ auf Anfrage, widersprach aber Berichten, in denen von einer Kündigung bei Meteomedia die Rede war.

Die Vorgeschichte erklärt sich Jörg Kachelmann bei Twitter so:

Das übliche Verfahren, was auch viele andere in der Öffentlichkeit stehende Menschen fälschlicherweise dazu verleitet, Dinge zu tun, die sie eigentlich nicht tun wollen. Unsere Medienstelle schrieb gestern an mich, die BamS hätte sich gemeldet – Zitat: Redakteur Rüssau hat mir gesagt, die Redaktion wolle das “vielleicht mal vorhandene Kriegsbeil begraben und die alten Geschichten beerdigen”. Bams wolle eine schöne Story über das Engagement von Meteomedia in den Philippinen und auch über den fast karitativen Aspekt dieses Projektes machen. Das sei jedoch nur möglich, wenn die Redaktion Fotos erhalte, die JK in den Philippinen und beim Aufbau der Wetterstation zeige. Zitat Ende.

Und natürlich kommt das nicht in die Tüte. Die Götter des Boulevards strafen allerdings sofort. Anstelle der rührenden Story des karitativen Wetterfroschs bei den armen Menschen Asiens gibts eins auf den Deckel http://bit.ly/qwX2Yh Macht nix. Nur für die Zukunft: Ihr müsst nicht mehr anrufen, BamS. Nie mehr. https://www.bildblog.de/31107/nie-mehr-springer-nie-mehr-burda/

Nocebo-Effekt, Norderney, Spiegel Online

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Geheime Pressekonferenz im ‘Dortmunder Kreis'”
(blog.telefacts.tv, Thomas Schweres)
Die Einladung zu einer Pressekonferenz der Polizei Dortmund geht exklusiv an einen “Dortmunder Kreis”. Der Leiter der Pressestelle, Wolfgang Wieland, sagt Thomas Schweres warum: “Wenn ich die Sache per Pressemitteilung rausgegeben hätte, müsste ich gleich eine Schul-Aula mieten und die Straße für Übertragungswagen sperren lassen.”

2. “Medienpolitik während der WM”
(taz.de, J. Kopp & M. Völker)
Interviews mit Spielerinnen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft werden “nach Steinzeitmethoden” autorisiert. “Das gesprochene Wort wird hier nicht nur nicht respektiert, sondern verfälscht.” (…) “Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und etliche Manager von Spielerinnen waren der Meinung, man könne der Öffentlichkeit ein bestimmtes Bild oktroyieren, die Presse führen und bevormunden.”

3. “FCB-Fans griffen in Bern Journalisten an”
(20min.ch, Lukas Mäder)
In Bern werden Journalisten und Fotografen von Fußball-Hooligans angegriffen.

4. “Vorgestellt: Top-Themen 2011”
(derblindefleck.de)
Die Initiative Nachrichtenaufklärung gibt “die Rangliste der wichtigsten von den Medien vernachlässigten Themen und Nachrichten im Jahr 2011” bekannt. Mit dabei ist die “Bankenrettung ohne wirksame parlamentarische Kontrolle”, der “Doping im Fußball” oder der “Nocebo-Effekt”: “Schon das Wissen über Nebenwirkungen von Medikamenten und über Krankheitsverläufe kann Symptome auslösen.”

5. “Wulff mimt Urlaubsidylle für ZDF-Sommerinterview”
(welt.de)
Bundespräsident Christian Wulff fliegt für ein “Sommerinterview” mit dem ZDF kurzfrisitig nach Norderney. Noch ist er aber gar nicht im Urlaub: “Tatsächlich verbringt der Bundespräsident mit seiner Frau Bettina und den Kindern den Sommer auf der Ostfriesischen Insel – allerdings erst in ein paar Wochen.”

6. “SpOn-Politiker-Fotos”
(fuckyeahsponpolitikerfotos.tumblr.com)
Fotos von Politikern auf “Spiegel Online”.

Miami Vize

Gary Foster, ein früherer Mitarbeiter des amerikanischen Finanzdienstleisters Citigroup, ist angeklagt, über 19 Millionen Dollar unterschlagen und auf sein eigenes Konto überwiesen zu haben. Vielleicht tröstet ihn da ja ein wenig, dass er von den deutschsprachigen Medien nachträglich ganz an die Spitze seiner Bank befördert wurde.

Ursprung der Falschmeldung dürfte dieser Bericht der Nachrichtenagentur “Reuters” sein:

Ex-Citi-Spitzenmanager soll Bank 19 Mio Dollar gestohlen haben

(…) Ein früherer Spitzenmanager der US-Bank Citigroup soll dem Geldhaus rund 19 Millionen Dollar gestohlen haben. Dem einstigen Citi-Vizepräsidenten Gary Foster werde vorgeworfen, zwischen Mai 2009 und Dezember 2010 das Geld von Citi-Konten auf seine eigenen umgeleitet zu haben, teilten die US-Anklagebehörden am Montag mit.

Zwar ist es korrekt, dass Foster den Titel “Vice President” – oder, um genau zu sein, “Assistant Vice President” – führte, aber das bedeutet noch lange nicht, dass der durch den deutschen Begriff Vizepräsident korrekt übersetzt ist. Im amerikanischen Firmen gibt es nämlich zahlreiche Vice Presidents (BILDblog berichtete), deren untere Ränge mit einem einfachen Abteilungsleiter vergleichbar sind. Ein dem deutschen Verständnis eines Vizepräsidenten entsprechender Senior Executive Vice President bzw. Deputy President steht bis zu sieben Stufen über dem ehemaligen Assistant Vice President Gary Foster:

  1. Senior Executive Vice President (SEVP) = Deputy President
  2. Executive Vice President (EVP)
  3. Group Vice President (GVP)
  4. Senior Vice President (SVP)
  5. Corporate Vice President (CVP) – First Grade Executive Officer (or VP of old type company)
  6. First Vice President (FVP)
  7. Vice President (VP)
  8. Assistant or Associate Vice President (AVP)

Und während Gary Foster von der “New York Times” korrekt als “midlevel accountant in Citigroup’s Long Island City back office” bezeichnet wird, beförderten ihn deutschsprachige Medien durchweg zum “Ex-Citigroup-Vize”, “Ex-Citi-Vize”, “ehemaligen Spitzenmanager”, zur “ehemaligen Führungskraft” oder gar zum “Ex-Citi-Spitzenmanager”. Einzig die “Financial Times Deutschland” ordnet Foster korrekt dem “mittleren Management” zu.

Mit Dank an Frank (danke auch für den tollen Reim).

Nachtrag, 18:03 Uhr: Tagesschau.de und “Spiegel Online” haben sich inzwischen korrigiert und weisen jeweils am Ende des Artikels transparent darauf hin. Bei “Spiegel Online” scheint sich die Korrektur aber hauptsächlich auf die Überschrift zu konzentrieren. Im Teaser und im Text ist immer noch die Rede von einem “früheren Spitzenmanager” und “einstigen Top-Manager”.

Bild, dpa  etc.

Die Medien sind krank

Wie wird aus einer interessanten Information eine Nachricht, die viele Medien und damit viele Menschen erreicht? Die Geschichte der Meldung, dass die Deutschen 2010 wieder häufiger krank feierten, die in dieser Woche durch die Medien ging, ist ein gutes Lehrstück.

1.

Immer am Anfang des Jahres gibt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit eine große Tabelle mit Daten über die Entwicklung der Arbeitszeit in Deutschland heraus. Darin steht unter anderem, wie viele Überstunden die Arbeitnehmer gemacht haben und wie oft sie krank waren.

In diesem Jahr veröffentlicht das IAB die Zahlen am 20. Januar und erwähnt in einer Pressemitteilung unter anderem, dass der Krankenstand 2010 gegenüber dem Vorjahr leicht zugenommen habe. Die Agentur dapd berichtet, doch die Nachricht bleibt ohne größere Resonanz.

2.

Irgendwann später im Jahr ruft der “Bild”-Redakteur Stefan Ernst beim IAB an und fragt, ob man nicht irgendwelche exklusiven Daten für ihn habe. Das Institut verneint, weist aber auf die vielen interessanten Informationen auf der eigenen Internetseite hin. Ernst greift auf die Arbeitszeit-Tabelle zurück und macht aus den eigentlich längst bekannten Angaben über die Überstundenentwicklung einen Artikel, der am 14. Februar auf Seite 1 erscheint.

3.

Die Nachrichtenagenturen AFP, dpa und epd melden daraufhin unter Bezug auf “Bild” die IAB-Zahlen aus dem Januar über die Entwicklung der Überstunden. dpa ergänzt sie in einer weiteren Meldung am selben Tag um die IAB-Daten über den leicht erhöhten Krankenstand.

4.

Einige Monate vergehen. Eines Tages erinnert sich “Bild”-Mann Stefan Ernst bei der Suche nach einer aufregenden Wirtschaftsgeschichte für die Seite 1 offenbar an die alte IAB-Tabelle. Diesmal greift er sich ein anderes Detail heraus: die Angaben über den erhöhten Krankenstand. So meldet “Bild” am 14. Juni noch einmal, was das IAB bereits im Januar und dpa bereits im Februar gemeldet hat:

5.

Die Nachrichtenagentur dpa berichtet daraufhin eilig unter Bezug auf “Bild”, dass sich der Krankenstand laut IAB 2010 leicht erhöht habe. Autor der Meldung ist derselbe dpa-Mann, der dieselbe Nachricht schon vier Monate zuvor geschrieben hatte.

6.

Auf der Grundlage der dpa-Meldung verkaufen nun “Handelsblatt”, “taz”, “Berliner Zeitung”, “B.Z.”, “Spiegel Online” und viele andere als Neuigkeit, was das IAB gut fünf Monate zuvor veröffentlicht hat und was dpa vier Monate zuvor bereits einmal gemeldet hat.

Und wir lernen:

  • Nachrichten müssen in der “Bild”-Zeitung stehen, damit Nachrichtenagenturen sie wahrnehmen.
  • Wenn sie in der “Bild”-Zeitung stehen, sind sie für Nachrichtenagenturen immer ein Thema, selbst dann, wenn sie sie bereits Monate zuvor schon vermeldet haben.
  • Was Nachrichtenagenturen melden, ist für andere Medien eine Nachricht, selbst wenn es alt, bekannt oder falsch ist.

Falsch auch? Ja. Vermutlich hat der Krankenstand im vergangenen Jahr gar nicht zugenommen. Die IAB-Studie beruht auf Stichproben, die solche Schlüsse, wie sie das Institut und die Medien ziehen, gar nicht zulässt. Mehr dazu hier:

Handelsblatt  etc.

Und jetzt noch mal in Zeitlupe …

Wenn Journalisten schreiben, sie hätten etwas “aus Kreisen” erfahren, dann entweder, weil sie ihre Quellen schützen wollen, oder, weil ihre “Quelle” die Schwägerin des Nachbarn des Hausmeisters ist.

Das “Handelsblatt” konnte gestern mit “exklusiven” Neuigkeiten aus gleich zwei Kreisen aufwarten:

Die Deutsche Fußball Liga (DFL) geht bei der Vergabe der Fernsehrechte der Fußball-Bundesliga ab der Saison 2013/14 neue Wege. Eines der beiden Modelle sieht ein exklusives Ausstrahlungsfenster für Internet- und Mobilfunkfernsehen am Samstag bis 21.45 Uhr vor. Damit droht der populären “Sportschau” der ARD am frühen Samstagabend das Aus. Das erfuhr das Handelsblatt aus Unternehmenskreisen. Die DFL will durch attraktive Exklusivrechte für Web- und Mobil-Übertragungen neue Bieter anlocken und damit höhere Preise erzielen. “Der Markt wird entscheiden, ob die ‘Sportschau’ verschwinden wird”, erfuhr das Handelsblatt aus Kreisen der Profiklubs. Die DFL wollte gestern keine Stellungnahme abgeben.

Nun sind so “Unternehmenskreise” natürlich besonders nebulös. Es könnte aber gut sein, dass das “Handelsblatt” damit einfach einen Blick ins eigene Archiv meint.

Vom 2. März findet sich dort ein extrem launiger Kurzkommentar unter der Überschrift:

Von 2013 an könnten Internetunternehmen die ARD ablösen und die kurzen Zusammenfassungen der Ligaspiele anbieten. Bewegte Fußballbilder im Fernsehen gebe es dann erst ab 21.45 Uhr. (…) Noch ist die Internet-Sportschau nur eine von mehreren Ideen der DFL. Aber der Fußballfan weiß, dass das, was möglich ist, auch irgendwann gemacht wird. Und dass für die DFL – anders als für den Fan – beim Geld der Spaß aufhört.

Auslöser war wohl eine Meldung der “Süddeutschen Zeitung” vom Vortag, nach der die Deutsche Fußball Liga (DFL) erwog, “eine Art Web-‘Sportschau'” zu etablieren: “Web-TV und mobiles TV, also das Streaming im Internet und über mobile Endgeräte (iPad, iPhone)”.

Am 2. März berichtete auch “Die Welt”, einen Tag später der Kölner “Express” in kurzen Meldungen über die Pläne für eine “Web-Sportschau”.

Am 22. April tauchte das Thema dann wieder bei handelsblatt.com auf. In einem Artikel vom Sportinformationsdienst (sid) wurde unter anderem eine Umfrage zitiert, nach der “die Bundesliga durch einen Wechsel von der ARD- zur Internet-Sportschau keine Zuschauer verlieren” würde.

Der Grund für die Umfrage waren auch damals die Pläne der DFL:

Anstelle der Free-TV-Highlight-Verwertung in der ARD samstags um 18.30 Uhr soll bei dem Alternativmodell ab der Saison 2013/2014 eine Art Web-Sportschau um 19.00 Uhr den frei empfangbaren Markt bedienen. Im Free-TV soll die Zusammenfassung des Spieltags dann erst ab 21.45 Uhr zu sehen sein.

An der Nachrichtenlage hat sich seit Anfang März wenig verändert: Das Bundeskartellamt, das durch eine Befragung von Vereinen und Sendern die Spekulationen über die “Web-Sportschau” ausgelöst hatte, prüft die Vorschläge der DFL noch und die DFL selbst will sich dazu nicht äußern.

Aber wen interessiert das schon, wenn die “Sportschau” (in ihrer heutigen Form) womöglich, unter Umständen wieder mal (oder immer noch) bedroht ist?

“Süddeutsche Zeitung”:
ARD: Bundesligarechte - "Sportschau" in Gefahr

“Spiegel Online”:
Fußballrechte: Web-Sendung könnte "Sportschau" verdrängen

Bild.de:
Sportschau droht Aus: Bundesliga nur noch im Internet?

meedia.de:
DFL plant neue Übertragungswege im Internet: "Sportschau" steht ab 2013 vor dem Aus

horizont.net:
Gefahr für die "Sportschau": DFL will exklusive Rechte für das Internet ausschreiben

taz.de (auch bei “6vor9” verlinkt):
Diskussion über "Sportschau" im Internet: Freier Fußball für freie Menschen

turi2.de:
heute2: DFL erwägt Bundesliga im Web ohne "Sportschau".

“Welt Online”:
Nach 50 Jahren: ARD-"Sportschau" droht möglicherweise das Aus. Die DFL lockt Internet-Fernsehanbieter mit attraktiven Exklusivrechten. Dadurch könnte die ARD-"Sportschau" von den Fernsehbildschirmen verschwinden.

“Rheinische Post”:
Der Sportschau droht das Aus

Die Totengräberstimmung ist übrigens (auch) unnötig, wie Roland Peters in seinem Kommentar auf n-tv.de bemerkt:

Wenn “der Markt” tatsächlich unabhängig vom Zuschauer entscheidet, die Erstverwertungsrechte ins Internet wandern und die Bundesliga aus der regulären Sportschau verschwindet: Insgesamt gab es die Sendung 50 Jahre lang. Auch zwischen 1992 und 2003, als Privatsender die Rechte besaßen. Aus einem einfachen Grund: Sport ist eben nicht nur Fußball.

[via allesaussersport]

Bunte  etc.

Kachelmann-Prozess: Gericht verurteilt Medien

Es ist ein vernichtender Satz, den das Mannheimer Landgericht am Ende des Prozesses gegen Jörg Kachelmann den Medien mit auf den Weg gegeben hat. Michael Seidling, der Vorsitzende der 5. Großen Strafkammer, formulierte in seiner Urteilsbegründung:

Auf der anderen Seite hat die Kammer aber auch gesehen, dass einige Medienvertreter – wenn auch eher eine überschaubare Anzahl – durchaus sachgerecht und ausgewogen über das Verfahren berichtet haben.

(Hervorhebung von uns.)

Er nannte leider keine Namen, aber vermutlich ist eh kein größeres Medium gemeint, das man kennen könnte.

Ausführlich hatte der Richter zuvor die Medien gescholten:

Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Aber auch sie kennt Grenzen. Diese Grenzen existieren offensichtlich im Internet nicht.

Vorwiegend hinter der Fassade der Anonymität wurden im Verlauf des Verfahrens in den Meinungsforen, Blogs und Kommentaren im Internet die Persönlichkeitsrechte des Angeklagten, der Nebenklägerin, aber auch des Gerichts und der Verfahrensbeteiligten immer wieder mit Füßen getreten, ohne dass die Möglichkeit bestanden hätte, sich dagegen in irgendeiner Weise effektiv zur Wehr zu setzen.

Auch angeblich Sachkundige konnten nicht der Versuchung wiederstehen, ohne Aktenkenntnis und ohne an der Hauptverhandlung teilgenommen zu haben, häufig aber auf der Grundlage unvollständiger und fehlerhafter Medienberichte per Ferndiagnose ihre persönliche Meinung zum Besten zu geben, die in der Regel nichts mit sachlicher Kritik zu tun hatte, sondern häufig nur Klischees bediente. (…)

Statt der gebotenen Zurückhaltung gegenüber einem laufenden Verfahren prägten vorschnelle Prognosen, das einseitige Präsentieren von Fakten und mit dem Anschein von Sachlichkeit verbreitete Wertungen die Berichterstattung. Diese mögen zwar als Garant für Schlagzeilen und Verkaufszahlen dienen; der Wahrheitsfindung in der Hauptverhandlung sind sie jedoch in hohem Maße abträglich. Sie erzeugen Stimmungen, wo Sachlichkeit gefragt ist; letztlich vertiefen sie den mit der Durchführung eines Strafverfahrens verbundenen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Angeklagten und der Nebenklägerin in nicht gerechtfertigter Weise. Vor allem aber erschweren sie die Akzeptanz eines Richterspruchs in der Öffentlichkeit und schaden damit dem Ansehen der Justiz.

Mit Befremden hat die Kammer die Aufrufe an die Bevölkerung registriert, im Wege der Abstimmung über Schuld und Unschuld des Angeklagten zu entscheiden. Damit verkommt das Gerichtsverfahren nicht nur zu einem reinen Event; vielmehr werden Entscheidungen von Gerichten, denen nicht selten eine hochkomplizierte Entscheidungsfindung vorausgeht, in der öffentlichen Wahrnehmung mit dem Merkmal der Beliebigkeit behaftet. Dass auch dadurch dem Ansehen der Justiz in der Öffentlichkeit massiver Schaden zugefügt wird, liegt auf der Hand.
Mit öffentlicher Kontrolle der Gerichte durch die Medien hat diese Form der Medienarbeit nichts zu tun. (…)

Ob einer Hauptverhandlung für die breite Öffentlichkeit ein ausreichender Unterhaltungswert zukommt, ist für die Beurteilung der Schuldfrage und damit für die Gestaltung der Hauptverhandlung ohne Belang. Das Gericht ist bei der Durchführung der Hauptverhandlung nicht der Befriedigung des Sensations- und Unterhaltungsinteresses verpflichtet.

Die medienwirksam vorgetragene Kritik des Verteidigers am Ausschluss der Öffentlichkeit ließ vordergründig den Eindruck entstehen, die Kammer habe bis zu seinem Auftreten ohne sachliche Rechtfertigung die Öffentlichkeit in exzessiver Weise ausgeschlossen. Dass sich drei Zeuginnen durch Interviews ihrer Persönlichkeitsrechte – jedenfalls teilweise – begeben hatten, verstärkte diesen Eindruck.

Ohne Zweifel haben diese drei Zeuginnen und die entsprechenden Medien durch ihr Verhalten dem Ablauf der Hauptverhandlung geschadet.

Gemeint ist mit dem letzten Punkt mindestens die Zeitschrift “Bunte”, die drei Zeuginnen für ihre anklagenden Auftritte im Blatt bis zu 50.000 Euro zahlte.

Angesprochen fühlen dürfen sich aber u.a. auch:

  • die “Süddeutsche Zeitung”, die am 22. April 2010 unter der Überschrift “Messer mit Fingerabdrücken” exklusiv berichtete, Ermittler hätten “nach eigener Aussage Teile von Fingerabdrücken und DNS von Kachelmann“ auf einem Messer gefunden. In Wahrheit hat die Spurensicherung keine eindeutig nachweisbaren Spuren gefunden.
  • die “Zeit”, in der Sabine Rückert massiv Partei für Kachelmann ergriffen hat — in der Regel (und auch aktuell) ohne die Leser wenigstens darüber darüber zu informieren, dass Rückert mit dem Anwalt Kachelmanns zusammengearbeitet hat und ihn sogar der Verteidigung empfohlen hat.
  • der “Focus”, der im Dezember eine “neue Zeugin gegen Kachelmann” präsentierte, deren Aussage ihn angeblich “schwer belastet”, und bereits vor Eröffnung der Hauptverhandlung “Indizien auch im Bad” gefunden, “Tausende Ermittlungsseiten” der “Akte Kachelmann” protokolliert und das Tagebuch des mutmaßlichen Opfers abgedruckt hatte.
  • und natürlich die “Bild”-Zeitung mit ihrer Kommentatorin Alice Schwarzer, die munter mangelnde Fachkenntnis durch Parteilichkeit ausgeglichen hat.

“Welt Online” hat aus der Urteilsbegründung sicherheitshalber die Kritik an den Medien einfach mal herausgekürzt.

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