Suchergebnisse für ‘erfunden’

Märchenstunde, Uns reicht’s!, Abgeordnetenmaulkorb

1. Polizei bestätigt: Geschichte über toten Flüchtling ist ausgedacht
(tagesspiegel.de, Sabine Beikler & André Görke & Johannes Laubmeier und weitere)
Ein kollektiver Aufschrei ging durchs Netz, als ein ehrenamtlicher Helfer am Berliner Lageso (Landesamt für Gesundheit und Soziales) vom Tod eines syrischen Flüchtlings berichtete. “Jetzt ist es geschehen. Soeben ist ein 24-jähriger Syrer, der tagelang am Lageso bei Minusgraden im Schneematsch angestanden hat, nach Fieber, Schüttelfrost, dann Herzstillstand im Krankenwagen, dann in der Notaufnahme – VERSTORBEN.” Nun stellt sich heraus, dass die Geschichte wohl frei erfunden war.

2. Ist Angela Merkel schlimmer als Hitler?
(opinion-club.com, Arne Hoffmann)
Der Medienwissenschaftler Arne Hoffmann schreibt über die zunehmende Radikalisierung innerhalb der Flüchtlingsdiskussion, die auch etablierte Medien betreffe. “Wenn eine Situation derart diffizil gerät, wie es bei der Flüchtlingskrise der Fall ist, nimmt der Wunsch nach Komplexitätsreduzierung offenbar überhand. Personalisierung und Dämonisierung suchen sich ihren Sündenbock.” Eindringlich warnt er vor der rechten Hysterie: “Wenn immer wieder so getan wird, als befänden wir uns in einem totalitären Staat, gilt vielen jeder Anschlag auf ein Flüchtlingsheim als mutiger Widerstand.”

3. Uns reicht es!
(berliner-zeitung.de, Arno Schupp)
In sozialen Netzwerken und Foren geht es nicht immer höflich und gesittet zu, das wissen wir alle. Doch was Medienvertreter (“Lügenpresse”) in letzter Zeit erleben, geht oft über das hinaus. So veröffentlicht der Lokalressortleiter der “Berliner Zeitung” eine an einen Redakteur gesandte Hassnachricht und erklärt unter der Überschrift “Uns reicht es!”, warum man gegen eine bestimmte Sorte digitaler Leserbriefschreiber in Zukunft juristisch vorgehen werde.

4. Maulkorb für Abgeordnete
(correctiv.org, Justus von Daniels & Marta Orosz)
Das journalistische Portal “Correctiv” berichtet über ein bisher geheimes Dokument der EU-Kommission. Aus diesem ginge hervor, dass Bundestagsabgeordnete zwar unter Aufsicht in den TTIP-Dokumenten lesen dürften. Sollten jedoch Informationen über den Inhalt der Dokumente weitergegeben werden, würde man auf Veranlassung der USA die Leseräume schließen und “disziplinäre und/oder rechtliche Maßnahmen” ergreifen. Eine Drohung, die ins Leere läuft, denn bislang werden es nicht sonderlich viele Volksvertreter gewesen sein, die sich in den streng bewachten Leseräumen zur entspannten TTIP-Lektüre eingefunden haben …

5. Warum Ihre Tochter Minecraft spielen sollte
(irights.info, Rey Junco)
Ein amerikanischer Pädagogikprofessor macht sich Gedanken über Genderungleichheit und spricht sich für das Computerspiel Minecraft aus. Der von Geschlechterstereotypen freie Konstruktionsklicker sei besonders gut für Mädchen geeignet. Das Game stärke das räumliche Vorstellungsvermögen, was die Grundlage für die Entwicklung weiterer, komplexerer Fähigkeiten sei. Ja, Minecraft könne das besorgen, was die Schule oft so straflässig versäume: Stärkung und Ausbau der sogenannten MINT-Fähigkeiten.

6. Bitte geben Sie uns Ihr Ehrenwort
(zeit.de, Friedhelm Greis)
Der WLAN-Gesetzentwurf der Bundesregierung verlangt von Betreibern offener Netze, dass sie den Nutzern auf einer Vorschaltseite eine sogenannte “Rechtstreueerklärung” abverlangen. Die Digitale Gesellschaft und die Freifunker haben nun ihre Bedenken angemeldet, die sowohl technischer als auch juristischer Natur sind. Vielleicht sind all die Bedenken jedoch unnötig, denn IT-Rechtsexperte Ulf Buermeyer setzt die Wirksamkeit einer derartigen Erklärung laut Artikel eh mit “gleich Null” an. Die Abgabe einer falschen Erklärung sei mit keinerlei Sanktionen versehen. Nutzer könnten sie also trotz geplanter Rechtsverletzungen problemlos abgeben.

Nacktbaden beim Bundestag, Kabarettwürdiges, Nopornistan

1. Frag den Bundestag! 4000 Gutachten warten darauf, befreit zu werden
(netzpolitik.org, Arne Semsrott)
Es hat allerlei Mühen (und rechtliche Schritte) gekostet, den Bundestag dazu zu bringen, die Gutachten seines Wissenschaftlichen Dienstes freizugeben. Einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts und der Beharrlichkeit von abgeordnetenwatch.de ist es zu verdanken, dass diese nun nach und nach ins “Portal zur Informationsfreiheit” fragdenstaat.de eingepflegt werden können. Darunter übrigens auch Bundestags-Gutachten mit Kopf-Wand-Potential wie “Zu den rechtlichen Möglichkeiten gegen das Nacktbaden auf einem benachbarten Grundstück”.

2. Er wünschte sich einfach nur Unsterblichkeit
(zeit.de, Christoph Drösser)
Einer der Pioniere der künstlichen Intelligenz (er hat den Begriff in den 50er-Jahren miterfunden), Marvin Minsky, ist tot. Christoph Drösser von der “Zeit” widmet dem großen Denker und wegweisenden Multigenie einen Nachruf, in dem er sich wünscht, “dass sich der Glaube dieses radikal atheistischen Menschen erfüllt und sein Geist irgendwann wieder aufleuchtet”.

3. Ihr wollt es doch auch
(sueddeutsche.de, Silke Burmester)
Ein Kabarettistenpaar sieht sich vom NDR um seine Lizenzeinnahmen gebracht. Demnach soll die TV-Anstalt versucht haben, die beiden Kreativen mit dem Hinweis auf den Werbeeffekt zu bezahlen. Der NDR bestreitet die Vorwürfe, es steht somit Aussage gegen Aussage. Trotzdem weist der Konflikt auf ein gängiges Problem, das auch Musiker zur Genüge kennen: “Wenn Ihr in meiner Kneipe spielt, ist das tolle Werbung für Euch. Deshalb braucht Ihr keine Gage.”

4. Die Goldenen #Blogger2015: Sascha Pallenberg ist Blogger des Jahres
(indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
Erneut fand die Wahl zum “Goldenen Blogger” statt. Mitausrichter und Jurymitglied Thomas Knüwer berichtet über Event und Preisträger, darunter Urgestein Sascha Pallenberg als Blogger des Jahres und mit einem Sonderpreis das Re-publica-Gründerteam. Der Newcomer-Preis ging übrigens an den achtjährigen Jojo Buddenbohm aka “Sohn I”, der über sein Technik-Spielzeug schreibt.

5. Amex-Managerin Leslie Berland soll aus der Krise helfen
(horizont.net, Volker Schütz)
Twitter scheint schwer angeschlagen zu sein: Dem Unternehmen mangelt es an Wachstum und Erlösen, immer wieder wird am Geschäftsmodell geschraubt, wichtige Manager verlassen fluchtartig das Unternehmen. Nun soll eine American-Express-Managerin den Laden flottmachen und wird mit einem Satz erhabener Seifenblasigkeit zitiert, der (Wegweiser in die Zukunft?) mehr als 140 Zeichen enthält: “Ich bin begeistert, zusammen mit Jack die Magie von Twitter zum Leben zu erwecken, die Reichweite und den Impact dieses außergewöhnlichen Service zu vergrößern”.

6. Pornografie-Vorwurf: Pakistan sperrt mehr als 400.000 Webseiten
(heise.de)
Drei Jahre war Youtube in Pakistan gesperrt. Nun wurde es in einer “bereinigten”, sprich zensierten Fassung wieder freigegeben. Es soll eine Vereinbarung mit Google geben, dass “gotteslästerliche Inhalte” entfernt werden würden. Nun schlagen die Sittenwächter des Landes erneut zu: “Wir werden ungefähr eine halbe Million Links aus dem Netz nehmen”, so der Sprecher der pakistanischen Telekommunikationsbehörde und oberste Gegner digital evozierter Triebabfuhr.

BILDblog hält Winterschlaf (10)

Das war’s von unserer Seite fürs Jahr 2015.

Wie in den vergangenen Jahren auch, halten wir jetzt Winterschlaf. Wir sehen uns wieder im Januar 2016!

Falls Sie in der Zwischenzeit Entzugserscheinungen oder stressige Verwandte plagen, empfehlen wir eine Stöberrunde in unserem Archiv. Unsere Beiträge aus diesem Jahr:

»Warum wir gegen die „Bild“-Zeitung kämpfen
»Im Zweifel gegen den Griechen
»Lynchmob, bitte hier entlang!
»Wenn Schlagzeilen Menschenleben kosten
»Gestatten, Cristiano Ronaldo, Fantastilliardär
»„heute-show“ verfälscht Interview
»„Bild“ und die Sadomaso-Sabberei
»Und nun zur Hetzervorhersage
»Irgendwas vielleicht mit Hitler
»Live Action Media Bullshit
»Männer die Macher, Frauen die Objekte – über Sexismus in „Bild“
»LeFloid lässt Putins 9/11-Bombe auf Youtube hochgehen
»Kachelmann vs. Bild
»Die Radikalos-Kampagnen der Brandstifter-Journalisten
»Die Ente mit der pinken Katze
»Sibel Kekilli will nicht mit „Bild“ sprechen
»Eine Bankrotterklärung
»„Die von der ‚Bild‘ sind ja nicht doof — aber eben schlechte Menschen“
»Sterben live (2)
»Auf 799,2 Milliarden mehr oder weniger kommt es bei Griechenland auch nicht mehr an
»Presserat rügt Vergewaltiger-Selfie
»Der Griechen-Teufel mit dem Einzack
»Bild.de bringt falschen Zwanziger in Umlauf
»Absturz des Journalismus
»Kai Diekmann und Julian Reichelt diskutieren über Opferfotos
»Andreas L.
»Einzelhändler sagen Nein zu „Bild“
»Quelle: Pizzabäcker
»Meute- und Jagd-Reflexe – und wie man sich davor schützt
»Die mit den virtuellen Wölfen tanzen (2)
»„Tja, bald ist Tröglitz halt überall“
»Dirk Hoerens Hartzer-Käse
»„Bild“ braucht keine Erlaubnis für Opferfotos
»Halbgares über die Herdprämie
»Eine Frage, „Kronen Zeitung“
»Scheine nach Athen fahren
»Mergste selbst, ne?
»Seemannsgarn über die einsame Seglerin
»Das „Bild“-Tagesmenü: Gerüchte aus eigenem Anbau
»Skandal! Weselsky ist Bartträger! Und Sachse!
»Heißen alle gleich (3)
»In 80 Fehlern um die Welt
»Was „Focus Online“ dann abschrieb, ist schier unglaublich
»Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Böcken werfen
»Volle Pulle vorbeigesteuert
»„Bild“-Reporter lässt Heidi Klum schreiend aus der Halle rennen
»Dauerfeuer der Halbwahrheiten
»Fluchtfantasien
»Zur „Westfalenblatt“-Kolumne
»Die Griechenland-Blasen von „Bild“
»Fünf Jahre alter Steuersünder-Pranger in der Schweiz entdeckt
»Darf Blatter die Schweiz „nicht mehr verlassen“? – „Völliger Blödsinn“
»Die antirussische Ente vom verbotenen Oktoberfest
»„Bild am Sonntag“ serviert FIFA-Kaiserschmarrn
»Keine Reise nach Jerusalem
»Ich packe meinen Koffer und nehme ein Wechselgerücht mit
»„Bild“ lässt Leser auf Presserat los
»Du hast den Farbbeutel vergessen
»Hitlers Cognac und die falschen Flaschen von der „Bild“-Zeitung
»Presserat rügt „Bild“ für Germanwings-Opferfotos
»Malen nach russischen Zahlen
»„Bild“ schützt Guttenberg vor Lesermeinung
»Sehen alle gleich aus (diesmal sogar wirklich)
»Verwirung bei den Hauptstadtjournalisten
»Rügen-Drama! Helene Fischer und das Killer-Kommando
»Aus dem lustigen Leben eines „Bild“-Sportreporters
»“Bild” zimmert aus alten Stühlen historisches Mobiliar
»Dirk Hoerens verrenkte Rentenrechnung
»Déjà-vu mit Merkels Grexit-Plan
»Mit “Bild” beim Teenie-Sex im Spaßbad
»„FAZ“ verkalkuliert sich beim unkalkulierbaren Griechen-Risiko
»Wie die Medien den Tugçe-Prozess behindert haben
»Auf „Bild“-Informationen ist eben Verlass
»Julian Reichelts Russland-Reisepläne für Edward Snowden
»Sehen alle gleich aus (10)
»Selfies gegen Griechenland: Presserat missbilligt „Bild“
»„Unsinnig und frei erfunden“
»Fälschen und Tricksen für den Grexit
»Oh Gott! „Blick“ fällt auf Satire rein
»Ich mach’s mit heißer Luft
»Wie Glenn Greenwald mal versuchte, mit Julian Reichelt zu diskutieren
»Julian Reichelt reist mit Snowden auf dem Holzweg Richtung Russland
»Putins Panzerpropaganda oder: Brrrrum! Wrrrrom! Wahnsinn!
»„Bild“ am Grab von Andreas L.
»Wenn die Wirklichkeit nicht blutig genug ist
»Die widerliche „IS“-Propaganda bei Bild.de
»Griechen-Hetze im Glashaus der Vampire
»Mit Toten ködern
»Lassen Sie mich durch, ich bin Wirtschaftswissenschaftlerin
»Mit Pickelhaube auf Griechenland-Feldzug
»„Bild“ versteckt Rüge zu Germanwings-Opferfotos
»Bild.de lockt Leser mit frechen Früchtchen an die Spielautomaten
»Was die Polizei will, ist „Bild“ doch egal
»Die einfallsreichen Ku-Klux-Karnevalisten
»„Bild“ druckt freiwillig zu kleine Gegendarstellung
»Medien lassen John Rambo gegen „IS“-Terroristen kämpfen
»Vom „beliebtesten Lehrling der Schweiz“ zum „faulsten Azubi aller Zeiten“
»Stell dir vor, es droht Krieg, und nur chip.de berichtet darüber
»Medien spielen mit Schäubles Rücktritt
»Mörder auf der Titelseite
»„Focus Online“ ruft 27 Millionen Ikea-Kommoden zurück
»Ich trink‘ Ouzo, und welche Steuererhöhung erfindest du so?
»Das „Kollaps“-Drama von Bayreuth: Merkel fällt vom Stuhl
»Trauerspiel
»Symbolfoto LVII
»Die Unfuglotsen von Bild.de lassen es wieder beinahe krachen
»Die „taz“ bestellt ein ACAB-Eis, das der Polizei nicht schmeckt
»Kann man dem überhaupt trauen? Der ist doch Grieche!
»Im Kleinermachen ist „Bild“ ganz groß
»„Bild“ pfeift aufs Gericht – und zeigt das Gesicht
»Im „Burger-Talk“ mit dem „Bild“-Reporter
»Polizei? Da könnte ja jeder bitten!
»Wie man den Werther-Effekt ignoriert
»Multipler Drei-Minuten-Journalismus
»Die verze.ttelte HSV-Ente
»„Bild“ ist stolz auf Presserats-Rügen
»Exklusiv: „Bild“ versteht Regierungspapier falsch
»Wie „Bild“ den Hass gegen Flüchtlinge schürt
»Der Hulk in Berlin? Unglaublich!
»Die 19 Jahre alte Hetzvorlage
»Wie „Bild“ den Hass gegen Flüchtlinge schürt (2)
»Krümel und der böse Wolf
»Krebserkrankung als Clickbait
»„Bild“ überrumpelt verletzten Fußballer am Krankenhausbett
»„Alles für die Story“: 50 Shades of True
»Generation Pornojournalismus
»Amazon und der Griff ins Klo
»St. Pauli löscht RB-Leipzig-Logo – vor drei Monaten
»Nepper, Schlepper, Bauer-Medien
»Wenn „Bild“ Unschuldige zu Mördern macht
»Brandstifter im Löscheinsatz
»Mordvideo als Clickbait
»„Auf der Straße ziehen Eltern ihre Kinder zur Seite“
»Wenn die Polizisten zweimal räumen
»In allen vier Ecken soll Unsinn drin stecken
»Ist es in Ordnung, das tote Flüchtlingskind zu zeigen?
»Franz Josef Wagner und die Nazi-Scheiße in der „Bild“-Zeitung
»Ein Stürmer in Gerüchteabwehr
»Das wird man ja wohl noch zeigen dürfen!
»Wenn „Bild“ sich einer Sache annimmt, bleibt nichts von ihr übrig
»Schnellschuss in der Schmuddelecke
»In nur vier Stunden vom Obdachlosen zum Perser
»Wer nicht für „Bild“ werben will, muss gegen Flüchtlinge sein
»Wer nicht für „Bild“ werben will, muss gegen Flüchtlinge sein (2)
»Das sind KEINE schlechten Journalisten!
»Wer nicht für „Bild“ werben will, muss gegen Flüchtlinge sein (3)
»„Warum schreibt ihr dann immer solche Scheiße?“
»„Focus Online“ macht Edward Snowden zum Alien-Spinner
»Ein Schubser wie ein Schlag ins Gesicht
»Wer gegen Massenunterkünfte ist, muss gegen Flüchtlinge sein
»Klatschblätter müssen Corinna Schumacher 60.000 Euro zahlen
»„Bild“ in die Tonne
»„Bild“ in die Tonne (2)
»Bild.de hat den letzten
»„Bild“ in die Tonne (3)
»Medien sprechen Reisewarnung für Ostdeutschland aus
»Wo laufen sie denn?
»Himmelhoch jauchzend, zu Tode vergnügt
»MH17 und die ukrainische Raketen-Ente aus Stuttgart
»Sind Medienberichte über Selbstmord gefährlich?
»Bild.de streckt historischen Stoff
»Unbekanntes Flugobjekt löst Eilmeldungen aus
»Galgen und Pranger
»Geier Sturzflug
»Wer Hass sät
»Als mit Akif Pirinçci noch gut Currywurst essen war
»Alfred Draxlers Intensiv-Kumpanei
»Füreinander da zu sein
»Skandal! „Pegida“-Chef hat sich nicht bei Schwulenplattform angemeldet
»Der DFB-Außenverteidiger
»Ein Wendt für alle Fälle
»Von Notdurft-Afghanen und Hetz-Österreichern
»Schlank auf der Schleichwerbepiste
»Alfred gegen den Rest der Welt (außer Franz)
»Dirk Hoerens halbe Hartz-Wahrheit über Flüchtlinge
»Lobschummelei bei Bild.de
»Ganz Deutschland findet: „Bild“ tut nichts für das Gemeinwohl
»Der „Bild“-Mann und wir Brandstifter
»Wie falsche Bilder von Flüchtlingen entstehen
»Rosa und schwarz: Die einzigartige Bicolor-Brille der CSU im Netz
»Reschersche – nein danke!
»Der Hofnarr des Kaisers
»Sehen alle gleich aus (11)
»„Jede Woche eine neue Zahl“
»So verclickbaitet die „Huffington Post“ die Anschläge von Paris
»Die Anschläge von Paris in den Medien – eine Linksammlung
»Fallen, Fake, Alarm: Die Paris-Berichterstattung von Bild.de
»Er steht im Tor, im Tor, im Tor – und blick.ch kommt nicht dahinter
»Kein Sprengstoff-Rettungswagen und andere Dochnichtnews aus Hannover
»Die exklusive München-Terror-Falschmeldung von „Focus Online“
»Über tote Flüchtlinge lachen mit N24
»Paris-Attentäter doch nicht „als Flüchtling in Bayern registriert“
»„Bild am Sonntag“ schwingt die „Deppen“-Keule
»Nachts sind alle Bodyguards grau
»„Bild“ und die gefühlte Wahrheit über Mats Hummels
»Mehr Fiction als Science
»Gegen Recht und Ordner
»Rügenritt in Sternchenjeans
»Bild.de-Chef lässt BILDblog Seite an Seite mit „Pegida“ marschieren
»„Bild“ schummelt beim Schwanzvergleich
»Kai Diekmanns Revanchefoul an Andreas Rettig
»Die Frau beim Namen nennen
»Wie „Focus Online“ das Misstrauen gegenüber Medien schürt
»Hetzen ist nur bei „Bild“ erlaubt
»800 Euro für jeden: Medien führen Grundeinkommen in Finnland ein
»Erschreckend: Nur jeder 50. Journalist erledigt seinen Job
»Der VfL Bochum will nicht mit dem „Bild“-Reporter sprechen
»Wechselnde Wechselgerüchte
»Alle Jahre wieder
»Von Quälgeistern und Diktatoren: Der Trainer und der „Bild“-Reporter
»Falscher „The Voice“-Sieger gewählt
»Paparazzi zum Abschied
»Sehen alle gleich aus (auch nackt)
»Abgelaufener Etikettenschwindel
»So reißerisch sind die Überschriften der „Bild“-Zeitung

Die “6 vor 9”-Ausgaben finden Sie hier, die “Perlen des Lokaljournalismus” hier.

Wir wünschen allen Lesern ein frohes Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr — und danken allen, die uns in diesem Jahr mit Hinweisen versorgt und unterstützt haben, ganz besonders:

@140_a_day, @19Rhyno04, @AlexElvers, Alexander S., Ananyma, André, Andreas, Andreas G., Andreas S., Angelina E., Anonym, @bassena, Bastian B., Ben, Ben B., Benedikt S., Benjamin L., Bernhard W., Björn H., Bluspot, Boris R., @BrosMoritz, Bruno B., @BVB_Aktuell, C. aus K., Chris S., Chris W., Christian, Christian B., Christian G., Christian H., Christian M., Christian P., Christian S., Christof D., Christoph, Christoph H., Christoph T., Christoph W., Christopher B., Daniel, Daniel B., Daniel D., Daniel K., Dániel K., Dawud, @deansimon27, „Deichkind“, Dennis, Dennis Z., @derhuge, Diana G., Dominik G., Dominik L., Dustin, Elmar, Erik H., Erwin Z., Eva R., Fabian, Fabian P., Fionn P., Florian, Florian E., Frank K., Fred R., Frederik S., Geesje R., Gerald H., Gregor M., Hannes, Hansi, Heinz B., Henning M., Hippo, Holger S., Holger von T., hsbasel, Jan M., Jannik R., Jascha G., Jens, Joachim L., @JohannesFreytag, Johannes K., Johannes S., Jonas G., Jonas J., Jonas K., Jonas N., Jörg B., Joshi, @jpschlueter, @JulezRulez13, Katharina K., Katharina S., Klaus W., Konrad A., @kuehnalex, Lars W., Leo, Lorenz M., Lothar Z., Lukas H., @macerarius, @mahatma_django, Manuel, Manuel L., Marc D., Marcel B., Mark G., Markus G., Markus K., Martin, Martin F., Martin P., Martin S., Marvin, @MarvinStr, Mascha B., Mathias R., Matthias M., @matthiasquenzer, Matthias S., Mau Mue, @max_migu, @maxro39, Michael, Michael B., Michael K., Michael S., Michael W., Michalis P., Mikey, nach-holland.de, Nicolas K., Nicole C., Niko, noir, O.M., Panagiotis K., Pascal W., Pauli, Peter B., Peter W., Philipp, @PsyKater, @RamisOrlu, Raphael F., Raphael S., René B., Richard B., Robert, Robert G., Rüdiger, Rüdiger M., Rüdiger S., S., Sabine K., Sandra H., Saskia K., @SchaerWords, Sebastian K., Sebastian R., Simon H., @SimonHurtz, Simon K., Stefan F., Stefan G., Stefan K., Stefan P., Stefan S., Stephan, Stephan E., Thomas, Thomas B., Thomas D., Thomas O., Thomas R., Timo L., Tobias D., Tobias F., Tobias H., @tubewart, Ulli T., @V_83, @vierzueinser, Webwatch, @WobTikal, Wolfram S. — und allen anderen, auch den vielen, deren sachdienliche Hinweise wir nicht berücksichtigen konnten!

So reißerisch sind die Überschriften der “Bild”-Zeitung

Diskussionen über Flüchtlinge können schnell hitzig werden, gerade wenn es um Straftaten von Zuwanderern geht. In den sozialen Medien verbreiten sich oft Lügengeschichten über sexuelle Übergriffe durch Flüchtlinge oder über Banden, die komplette Supermärkte leerklauen.

Um etwas Differenzierung in die Debatten zu bekommen, können Zahlen helfen. Am vergangenen Donnerstag veröffentlichte Sachsens Innenminister Markus Ulbig eine “Kriminalitätsstatistik im Zusammenhang mit dem Thema ‘Zuwanderung'”. Zusammengefasst: Ja, es gebe mehr Kriminialität, seit die rund 45.000 Zuwanderer zwischen Januar und September 2015 nach Sachsen gekommen sind, allerdings sei die Anzahl der Straftaten verhältnismäßig gering gestiegen (2014: 7.029 Straftaten, 2015: 10.397). Einen Großteil der Delikte bildeten Ladendiebstähle und Schwarzfahren. Ulbig sagte zur Statistik:

Die überwiegende Mehrheit der Zuwanderer in Sachsen verhält sich rechtskonform. Bei den ermittelten Tatverdächtigen gilt es zu differenzieren. Es sind nicht die Zuwanderer, die einmalig mit Bagatelldelikten straffällig werden, die uns Sorge bereiten, sondern einige wenige Mehrfach-/Intensivtäter, die fast die Hälfte aller durch Zuwanderer begangenen Straftaten zu verantworten haben.

Die regionalen Medien berichteten über die Zahlen des Innenministeriums und griffen in ihren Überschriften entweder die Aussage Ulbigs auf, vermeldeten die Veröffentlichung der Statistik oder fassten sie kurz zusammen:


(MDR)


(sz-online.de)


(“Freie Presse”)


(“Lausitzer Rundschau”)

Die Dresden-Ausgabe der “Bild”-Zeitung berichtete ebenfalls. Im Artikel steht zwar direkt zu Beginn:

Von wegen, Ausländer seien besonders kriminell. Dieses Vorurteil will jetzt Sachsens Innenminister Markus Ulbig (51, CDU) widerlegen.

Die dazugehörige Überschrift ist allerdings nicht gerade geeignet, um hitzige Debatten abzukühlen:

Hinzu kommt die Aufmachung: Ein Foto zeigt einen “Drogendealer aus Tunesien”, der die Polizei verhöhnt; ein anderes eine Festnahme bei einer “Drogenrazzia am Wiener Platz”, obwohl (wie auch “Bild” immerhin erklärt) Rauschgiftdelikte gerade einmal fünf Prozent aller 10.397 Straftaten ausmachten.

Die “Bild”-Kollegen aus Leipzig haben ebenfalls über die Statistik berichtet. Überschrift:

Und so sieht das Umfeld des Artikels aus:

Mit Dank an Elmar!

“Bild” und die gefühlte Wahrheit über Mats Hummels

Der “Kicker” hat heute ein großes Interview mit BVB-Fußballer Mats Hummels veröffentlicht. Darin findet sich auch folgende Passage:

Kicker: Sie sollen aus Ärger über interne Meinungsverschiedenheiten gesagt haben: „Ich bin mit der Borussia nicht verheiratet.“

Hummels: Das ist eine Geschichte, die mir wirklich am Herzen liegt! Diesen Satz habe ich im Leben noch NIE benutzt! Und ich habe ganz ehrlich ein Problem damit, dass so etwas einfach erfunden wird und jeder vom anderen abschreibt. Es ist traurig, dass das heute so funktioniert und zur gefühlten Wahrheit wird.

Und wer hat’s erfunden? Genau:

[Hummels’] Verhältnis zu Trainer Thomas Tuchel (42) ist nicht (immer) das Beste. Nach dem Last-Minute-Ausgleich gegen Darmstadt (2:2/7. Spieltag) hatte Hummels gewütet: „Das ist keine Verteidigung.“

Danach musste er sich wegen seiner Kollegen-Schelte deutliche Worte von Tuchel anhören.

Hummels soll sich angeblich nicht gerade einsichtig gezeigt haben und gekontert haben: „Ich bin nicht mit dem BVB verheiratet!“

Erschienen vor fünf Tagen auf Bild.de und in der Ruhrgebiets-Ausgabe der „Bild“-Zeitung – und von dort herumgereicht in der Fußballmedienwelt:

Hummels soll sich aber angeblich nicht gerade einsichtig gezeigt und laut Bild gekontert haben: “Ich bin nicht mit dem BVB verheiratet!”

(fussballnews.de)

(…) soll der Nationalspieler demnach entgegnet haben: „Ich bin nicht mit dem BVB verheiratet.

(transfermarkt.de)

“Ich bin nicht mit dem BVB verheiratet”, soll Hummels geäußert haben.

(news.de)

Die BILD berichtet, dass eine Trennung möglich sei. Interpretieren tut sie das aus dem angeblichen Satz: “Ich bin nicht mit dem BVB verheiratet”, den Hummels seinem Coach Tuchel gegenüber gesagt haben soll.

(spox.com)

Darauf solll [sic] dieser erwidert haben: “Ich bin nicht mit dem BVB verheiratet.”

(sport1.de)

Die “Bild”-Zeitung berichtet auf ihrer Online-Seite heute auch über das „Kicker“-Interview. Die Stelle mit dem erfundenen Satz erwähnt sie dabei natürlich nicht.

Wie falsche Bilder von Flüchtlingen entstehen

Es ist nicht unwichtig, welche Bilder man im Kopf hat, wenn man über Flüchtlinge redet.

Wenn “Spiegel Online”-Kolumnist Jan Fleischhauer über Flüchtlinge redet, hat er zwei Bilder im Kopf, aber wenn es nach ihm geht, passt nur eins davon zur Realität.

Da wäre zum einen das hier, das er auf der Facebook-Seite der Grünen-Politikern Katrin Göring-Eckardt gefunden hat:

“Es ist das, was man ein herziges Bild nennt”, schreibt Fleischhauer. “Wer keine Seele aus Stein hat, der möchte das Kind an die Hand nehmen und an einen sicheren Ort bringen.”

Und dann das andere Bild, auf der Titelseite der “FAZ” vom 30. September:

“Man sah darauf Neuangekommene, die auf ihre Registrierung als Asylbewerber warteten”, schreibt Fleischhauer. “Ein Kollege, mit dem ich telefonierte, fragte mich, ob ich bemerkt habe, dass es sich von vielen Flüchtlingsfotos unterscheide. Er hatte recht: Es gab darauf weder Kinder noch Frauen. Man sah ausschließlich Männer, die sich an weißen Sperrgittern gelehnt die Zeit vertrieben.”

Und das, findet Fleischhauer, treffe die “Migrationswirklichkeit” “leider” viel besser als das herzige Kinder-Bild:

Wer wie Katrin Göring-Eckardt vor allem schutzbedürftige Kinder sieht, hält jeden für einen Unmenschen, der laut über die Grenzen der Aufnahmefähigkeit nachdenkt. Was die Migrationswirklichkeit angeht, sprechen die Fakten leider gegen die Fraktionsvorsitzende der Grünen und für die “FAZ”: Rund 70 Prozent derjenigen, die zu uns kommen, sind allein reisende, junge Männer.

Es ist also klar, welches Bild Fleischhauer in die Köpfe seiner Leser bringen will:

Fleischhauer schreibt:

Bislang spielt sich die Krise abseits der Innenstädte ab, wo die Leute, die in der Flüchtlingsdebatte den Ton angeben, gerne wohnen. Wer durch die Einkaufszonen von Hamburg oder München schlendert, würde nie auf die Idee kommen, dass man in vielen Kommunen nicht mehr weiß, wie man der Lage Herr werden soll. Aber dieser Zustand des seligen Nebeneinanders kann sich schnell ändern. Der Soziologe Armin Nassehi, der übrigens ein Befürworter von mehr Zuwanderung ist, spricht von einer “Maskulinisierung” des öffentlichen Raums, auf die man sich beizeiten einstellen sollte.

Man wird sehen, wie das aufgeklärte Deutschland reagiert, wenn das neue Eckensteher-Milieu die inneren Großstädte erreicht. Für die #Aufschrei-Welt, in der schon ein zu offensiver Blick auf Po oder Busen einen sexuellen Übergriff markiert, verheißt das Wort “Maskulinisierung” jedenfalls nichts Gutes.

Für Fleischhauer offenkundig auch nicht. 70 Prozent junges, männliches “Eckensteher-Milieu”, du liebe Zeit!

Woher er diese Zahl hat, verrät er allerdings nicht.

Vielleicht von Boris Palmer. Der Grünen-Politiker hatte nicht nur die gleiche Zahl, sondern vermutlich auch ähnliche Bilder im Kopf wie Fleischhauer, als er Ende September in der “taz” über Flüchtlinge sprach:

“Derzeit sind über 70 Prozent der Flüchtlinge junge Männer, die ganz andere Vorstellungen von der Rolle der Frauen, der Religion, Meinungsfreiheit, Homosexualität oder Umweltschutz in der Gesellschaft haben als wir Grüne. Machen wir uns nichts vor: Die Aufgabe ist riesig.”

Seit Palmer und Fleischhauer geistern die Behauptungen immer wieder durch die Medien. Vor drei Wochen zum Beispiel in einem Interview der “Welt”:

Die Welt: Über 70 Prozent der Flüchtlinge sind allein reisende junge Männer. Der Soziologe Armin Nassehi warnt schon vor einer Maskulinisierung des öffentlichen Raums. Was heißt das im Alltag?

Oder in der “Huffington Post”:

Und über noch etwas sollten sich die Politik und die Deutschen keine Illusionen machen: Rund 70 Prozent der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, sind zwischen 18 und 30 Jahre alt. Junge Männer – egal welcher Herkunft und welches Glaubens – sind besonders anfällig dafür, Gewalttaten zu begehen.

Auch Leser machen sich die Behauptungen zu eigen:

Wie stellen sich unsere Politiker künftig diese Gesellschaft eigentlich vor, wenn mehr als 70 Prozent der Asylanwärter und Flüchtlinge junge Männer sind, die andere Vorstellungen haben von Religion, Meinungsfreiheit, Toleranz, vom Rollenverständnis Mann/Frau, für die in ihrer bisherigen Lebenswirklichkeit christliche Werte und Demokratie bislang Fremdworte waren (…)?

Ganz besondere Aufmerksamkeit erregen die Aussagen aber bei jenen, die von den Medien sonst eigentlich nicht so viel halten und von den Flüchtlingen erst recht nicht:

Auch in rechtspopulistischen Zeitungen, auf ausländerfeindlichen Hetzseiten und in Naziforen werden die Aussagen dankbar aufgegriffen.

Quellen (außer Fleischhauer oder Palmer) oder Belege für diese Behauptung finden sich nirgends.

Wir haben uns daher mal vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die aktuellsten Daten über das Alter und Geschlecht von Asylbewerbern besorgt. So sehen sie (für die von Januar 2015 bis einschließlich September 2015 gestellten Anträge) aus:

Altersgruppe männlich weiblich
bis unter 16 43.482 36.743
16 bis unter 18 9.706 2.948
18 bis unter 25 56.539 14.743
25 bis unter 30 34.517 11.685
30 bis unter 35 23.075 9.858
35 bis unter 40 15.213 7.549
40 bis unter 45 10.058 5.003
45 bis unter 50 6.263 3.336
50 bis unter 55 3.513 2.213
55 bis unter 60 1.870 1.521
60 bis unter 65 965 839
65 und älter 834 967
unbekannt 2 1
Gesamt 206.037 97.406

Der Anteil der jungen Männer — sagen wir mal: 18 bis 35 Jahre — an der Gesamtzahl der Flüchtlinge beträgt demnach nicht 70, sondern 38 Prozent. Selbst wenn man “junge Männer” als 16 bis 40 Jahre definiert, kommt man nur auf 46 Prozent.

Es stimmt, dass überwiegend männliche Flüchtlinge in Deutschland Asyl suchen (rund 70 Prozent). Doch fast die Hälfte davon ist entweder minderjährig oder älter als 35.

Viele “besorgte” Bürger und Medien stellen insbesondere die jungen, allein reisenden Männer unter den Flüchtlingen als Gefahr dar. Behauptungen wie die von Fleischhauer und Palmer erleichtern ihnen die Panikmache, denn wenn sogar die Gutmenschenmedien 70 Prozent Eckensteher-Flüchtlinge ausmachen, ist die endgültige Schändung des Abendlandes ja praktisch nicht mehr aufzuhalten.

Den Hetzern kommt dabei auch zugute, dass durch die Betonung des (falschen) “junge Männer”-Anteils ein anderer Ausschnitt der (tatsächlichen) Migrationswirklichkeit verzerrt wird: der Anteil der Kinder.

70 Prozent der Flüchtlinge sind junge, alleinstehende Männer – es gibt kaum Kinder.

Aber gerade sie tauchen in den Pressebildern auf. Die Medien informieren nicht mehr, es wird mit Gefühlen manipuliert: Die großen Augen eines verlorenen Kindes können selbst ein Herz aus Stein erweichen. Viele im Land wollen helfen, weil sie den Ernst der Lage vollkommen falsch einschätzen und die Krise noch nicht in den Innenstädten angekommen ist.

So schreibt es ein Autor des “Kopp”-Verlags. Die Rechnung ist ja auch nicht allzu schwer: Wenn schon 70 Prozent der Flüchtlinge junge Männer sind, kommen noch alte Männer dazu, dann junge Frauen, alte Frauen — da muss die Zahl der Kinder ja gering sein.

In Wahrheit aber ist fast jeder dritte Flüchtling minderjährig, jeder vierte ist jünger als 16. Allein in diesem Jahr haben laut BAMF bis Ende September fast 7.500 unbegleitete und 85.000 begleitete Minderjährige Asylanträge gestellt.

Keine Frage: Wer nur schutzbedürftige Kinder sieht, verkennt die Realität. Wer 70 Prozent junge Männer und kaum Kinder sieht, verkennt sie aber auch.

Die Statistiken für 2014 sehen übrigens ähnlich aus (und sind für jeden einsehbar, sogar für Journalisten und Politiker). Anteil der jungen Männer: 37 Prozent. Anteil der Kinder unter 16: 28 Prozent.

Ob die jungen Männer allesamt alleine reisen und oft an Ecken stehen, welches Verständnis sie von der Rolle der Frau, von Religion, Meinungsfreiheit, Homosexualität und Umweltschutz haben, ist den Statistiken übrigens nicht zu entnehmen.

Bei diesem Teufel-an-die-Wand-Malen nach Zahlen fällt auch unter den Tisch, warum vor allem junge Männer nach Europa flüchten. Dafür gibt es viele Gründe, die zum Beispiel die „Süddeutsche Zeitung“ vor Kurzem genauer betrachtet hat:

„In vielen Familien, die in Gefahr geraten, reichen die Ressourcen einfach nicht aus, um mehr als einem Mitglied die Flucht nach Europa zu finanzieren”, sagt Bernd Mesovic von Pro Asyl. Aus verschiedenen Gründen würden dann eher die jungen Männer als Frauen oder Ältere und Kinder auf den Weg geschickt.

So sind Männer etwa in der Regel körperlich stärker und – je nach Herkunft – häufig besser ausgebildet als Frauen. Deshalb gelten ihre Chancen als größer, eine gefährliche Reise zu überleben und am Zielort Arbeit zu finden. Häufig stellen sie aus traditionellen Vorstellungen heraus den Haupternährer – und stehen damit in der Verantwortung, für die Familie zu sorgen.

Auch die Gefahr, als Kämpfer zwangsverpflichtet zu werden, motiviert laut Experten viele Männer zur Flucht:

“Männer wollen so vermutlich einer direkten Beteiligung am Kampfgeschehen entgehen”, sagte Pro-Asyl-Chef Günter Burkhardt SPIEGEL ONLINE. Die Gefahr, getötet oder zwangsrekrutiert zu werden, sei für sie etwa im Bürgerkriegsland Syrien sehr hoch.

Darüber hinaus „kümmern sich in vielen Fällen Frauen um den Nachwuchs und bleiben aus diesem Grund eher in den Herkunftsländern zurück“, erklärt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Für Frauen komme in manchen Gebieten zudem das Risiko hinzu, auf der Flucht verschleppt und vergewaltigt zu werden, so Pro Asyl.

Es ist also, wie die “Süddeutsche” feststellt, …

nicht überraschend, dass sich – unabhängig vom konkreten Anlass der Flucht – eher Männer auf die gefährliche Reise machen, während die Familien in der Hoffnung zurückbleiben, dass sie später über eine Familienzusammenführung ohne Risiko nachreisen können – oder aus der Ferne vom Mann versorgt werden.

All das spielt bei Fleischhauer, Palmer, den Rechtspopulisten und Nazis keine Rolle. Sie stürzen sich auf die eine Zahl, die eine falsche Zahl, und erzeugen damit ein verzerrtes und unvollständiges Bild, das seit Wochen weitergetragen und verfestigt wird.

Und dann war da noch Kai Gniffke, der Chefredakteur von “ARD Aktuell”. Der “Focus” schrieb vor zwei Wochen:

Die „Tagesschau“ und die „Tagesthemen“ zeige nicht immer ein richtiges Bild der nach Deutschland drängenden Flüchtlingen. Das hat „ARD aktuell”-Chefredakteur Kai Gniffke jetzt eingeräumt.

Vor Branchenexperten in Hamburg sagte Gniffke: „Wenn Kameraleute Flüchtlinge filmen, suchen sie sich Familien mit kleinen Kindern und großen Kulleraugen aus.“ Tatsache sei aber, dass „80 Prozent der Flüchtlinge junge, kräftig gebaute alleinstehende Männer sind“.

Also:

„Wir müssen sensibel sein, damit die Bildauswahl nicht allzu sehr auf Kinder fokussiert wird“, kündigt der Chefredakteur gegenüber FOCUS an.

Die, die sonst nur Lügen in der Presse sehen, glaubten diese Nachrichten ausnahmsweise sofort und verkündeten triumphierend:



Der “Focus”-Artikel mit den Aussagen Gniffkes dient den Verschwörungstheoretikern und Rechtspopulisten sogar als Beleg dafür, dass “der Begriff ‘Lügenpresse’ absolut richtig!!” sei. Die Argumentation:

Wenn also diese Berichterstattung über die Flüchtlinge ansich „getürkt“ ist, dann sind es andere Themen aus der Flüchtlingskrise ebenso. Der mediale Modder fängt an zu stinken!

Zu offensichtlich wurde in den Medien gelogen, das „saubere Bild“ konnte nicht mehr aufrecht erhalten werden. Jeder wusste, dass sie lügen und somit ist der Begriff „Lügenpresse“ absolut richtig!!

(gefunden auf einer Seite, auf der man “Weltnetz” statt “Internet” sagt.)

Bloß ist das zentrale Zitat von Gniffke …

… völliger Unsinn. Wir haben ihn gefragt, wie er auf die Zahl kommt. Seine Antwort: Dieses “angebliche Focus-Zitat ist komplett falsch”.

Es gibt allerdings einen Mitschnitt seiner Aussagen (ab 47:30), und der zeigt: Der “Focus” hat Gniffke weitgehend korrekt zitiert. Er sagte:

Immer, wenn wir Flüchtlinge zeigen und wenn die dann als Beispiel vorkommen, dann sind das Familien. Meistens: Frauen, Kinder… Tatsächlich ist es aber so: 80 Prozent der Flüchtlinge sind kräftig gebaute, junge Männer. Die da überwiegend auch alleine kommen. Wie gesagt: Die Berichterstattung sieht aber irgendwie sehr familiär aus. Nun kennt jeder Journalist das: Och, nee, das ist viel schöner, auch als Kameramotiv, als Bildmotiv – da nimmste kleine Kinder, ist total nett. Aber es verbiegt ein bisschen tatsächlich die Realität.

Seine Aussage ging noch weiter:

Deshalb haben wir dann auch gesagt: Wir machen jetzt mal ein Soziogramm, und zwar in der Hauptausgabe, 20 Uhr: Wer sind das? Wo kommen die her? Hmm, fast die Hälfte kommt aus Ländern, wo wir sagen: Uiuiui, da eine politische Verfolgung nachzuweisen, wird schwer, zumal wenn es sich noch um EU-Beitrittskandidaten handelt. Das müssen wir den Leuten mal sagen. Wir müssen denen sagen: Das sind junge Männer. Wir haben denen gesagt: Was haben die für einen Bildungsgrad? Und und und. Aus welchen Zusammenhängen kommen die.
Nee, ich glaube nicht, dass wir da blinde Flecken haben. Und, wirklich, gegen das Extremistische hilft dann auch tatsächlich nur informieren, Fakten liefern und widerlegen – sonst wüsste ich keinen Weg.

Wir auch nicht.

Mit Dank an Martin.

Nachtrag, 5. November: Einige Leser haben uns darauf hingewiesen, dass ja nicht alle Flüchtlinge einen Asylantrag stellen, die Gesamtzahl der Flüchtlinge in Deutschland also höher sei als die vom BAMF registrierten 300.000. Daran besteht auch kein Zweifel.

Das Bundesinnenministerium teilte im August mit, es rechne damit, …

dass in diesem Jahr bis zu 800.000 Asylbewerber bzw. Flüchtlinge nach Deutschland kommen werden.

Womöglich wird die Zahl aber noch deutlich höher sein. In einem Interview sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière vor zwei Wochen:

Schweriner Volkszeitung: Die Prognose, dass in diesem Jahr 800 000 Flüchtlinge und Asylbewerber ist nicht mehr zu halten, oder?

De Maizière: Ich werde keine neuen Zahlen nennen. Jedenfalls nicht in den nächsten Wochen. Jede neue, womöglich höhere Prognose würde von den Schleppern missbraucht. Als die Bundesregierung die Prognose auf 800 000 für dieses Jahr erhöht hatte, kam in Afghanistan das Gerücht auf, wir würden 800 000 afghanische Flüchtlinge zu uns einladen.

Gehen wir also mal großzügig von 1,5 Millionen in Deutschland ankommenden Flüchtlingen im Jahr 2015 aus. Dann müssten unter den 1,2 Millionen Flüchtlingen, die in den BAMF-Zahlen nicht erfasst sind, 936.000 junge Männer sein, um sagen zu können: 70 Prozent aller erfassten und nicht-erfassten 1,5 Millionen Flüchtlinge sind junge Männer.

Der Anteil der jungen Männer an den 1,2 Millionen nicht-erfassten Flüchtlingen müsste also 78 Prozent betragen – ein mehr als doppelt so großer Anteil wie unter denen, die laut BAMF in diesem Jahr einen Asylantrag gestellt haben. Und ebenfalls doppelt so groß wie unter denen, die im vergangenen Jahr einen Antrag gestellt haben. Und doppelt so groß wie unter denen, die 2014 europaweit Asylanträge gestellt haben. Wir sehen keinen Grund, warum das so sein sollte.

Nachtrag, 11. November: Boris Palmer hat uns kurz nach Erscheinen unseres Eintrags eine Mail geschickt, die wir mit seinem Einverständnis hier veröffentlichen:

Ich schätze die Arbeit von bildblog sehr. Daher freue ich mich, dass Sie der Frage nachgehen, wer die Flüchtlinge sind und meine Aussage, 70% der Flüchtlinge seien junge Männer, kritisch hinterfragen.

Vorneweg: Es ist desaströs , dass wir keine Ahnung haben, was nun eigentlich stimmt. Die Statistik des Bamf sagt nichts mehr aus, weil sie nur noch einen kleinen Teil der Flüchtlinge erfasst – im Oktober weniger als ein Fünftel. Für die öffentliche Debatte ist es extrem wichtig, dass möglichst bald präzise Zahlen zu Zahl, Herkunft, Alter, Geschlecht, Bildung und Qualifikation der Flüchtlinge erhoben werden. Sonst kann man nicht vernünftig diskutieren, wie wir als Gesellschaft auf die Herausforderung reagieren, die Einwanderung in diesem Maßstab darstellt.

Ich habe im September in der taz darauf aufmerksam gemacht, dass ein Großteil der Flüchtlinge junge Männer sind – bis dahin in der öffentlichen Debatte wenig beachtet – und dabei die Zahl 70% genannt. In einem mündlichen Interview. Meine Quelle war keine offizielle Statistik, sondern mündliche Informationen von Verantwortlichen in der Flüchtlingsverwaltung und der Augenschein in Erstaufnahmeeinrichtungen und Unterkünften. Die Zahl habe ich nie als exakten Wert begriffen.

Anders als Sie in bildblog schreiben, ist die Größenordnung aber durchaus plausibel. Die Statistik des Bamf, die Sie heranziehen, enthält noch einen großen Anteil von Asylbewerbern aus dem Balkan. Denn in der ersten Jahreshälfte kamen mit Abstand die meisten Asylbewerber aus den Balkanstaaten. In dieser Gruppe sind in der Tat sehr viele Kinder und der Frauen. Die Reise ist eben nicht so weit und gefährlich wie von Syrien oder Afghanistan. Da diese Menschen so gut wie alle keinen Asylanspruch haben und das Land verlassen müssen, sind sie für die Frage nach Integrationserfordernissen, um die es im Kontext meines Interviews in der taz ging, nicht entscheidend.

Betrachtet man die Zahlen ohne die Flüchtlinge vom Balkan, liegt sogar die Zahl des Bamf schon bei etwa 50% junger Männer. Da man sicher annehmen kann, dass eine Familie sich viel schwerer tun wird, allein und unregistriert in Deutschland Fuß zu fassen, als ein junger Mann, ist es auch plausibel, den Anteil der nicht Registrierten in dieser Personengruppe noch höher anzusetzen. Mit dieser Hypothese lässt sich der Eindruck aus den Erstunterkünften, dass weit überwiegend junge Männer Asyl suchen, gut bestätigen.

Entscheidend ist für mich allerdings, dass es auf die exakte Zahl nicht ankommt. Die Aussage, dass sehr viele junge Männer alleine zu uns kommen und dies entweder ein großes soziales Problem für diese Männer oder Familiennachzug in siebenstelliger Höhe bedeutet, ist richtig. Und darauf kommt es in der Debatte an. Denn zumindest in dieser Hinsicht hat Jan Fleischhauer schon einen Punkt getroffen: Über sehr lange Zeit wurde die Berichterstattung über Flüchtlinge von Kinderbildern dominiert. Das weckt Emotionen und ist an sich nicht zu beanstanden. Für die Debatte müssen aber die Fakten benannt werden.

Ich finde alles gut, was diese Debatte sachlich voranbringt. Daher besten Dank für Ihren Beitrag

Es müssten „die Fakten benannt werden“, schreibt Palmer. Also gut.

Sein Hauptgegenargument sind die Flüchtlinge vom Balkan. Er schreibt:

Betrachtet man die Zahlen ohne die Flüchtlinge vom Balkan, liegt sogar die Zahl des Bamf schon bei etwa 50% junger Männer.

Das wollten wir überprüfen und haben das BAMF gebeten, uns die Zahlen aufgeschlüsselt nach Alter, Geschlecht und Herkunftsländern zuzuschicken. Antwort:

(…) leider haben wir keine Altersgruppen nach Herkunftsländern. Ich kann Ihnen also leider nicht weiterhelfen.

Wo also hat Palmer die BAMF-Zahl her, wenn nicht mal das BAMF sie hat? Wir haben ihn gefragt. Geantwortet hat er nicht. Sie dürfte also ebenfalls erfunden eine Schätzung sein.

Gestern hat Palmer übrigens einen Gastbeitrag für die „FAZ“ geschrieben, in dem er unter anderem – das BAMF kritisiert:

Fortsetzung: hier.

Germanwings, Stephen Glass, Zeitungsvorleser

1. Hinter dem Flatterband
(tagesspiegel.de, Thomas Gehringer)
Vergangene Woche haben sich verschiedene Journalisten zusammengesetzt, um über die Berichterstattung zum Germanwings-Unglück zu sprechen. Motto der Veranstaltung, zu der unter anderem der Presserat eingeladen hatte: “Was lernen wir daraus?” Doch am Ende, so Thomas Gehringer, “stellte sich das ungemütliche Gefühl ein, dass die Medienvertreter der Meinung sind, es gäbe nichts zu lernen, denn: Es war doch eigentlich nicht so schlimm.”

2. Sind Sie ein Diktator?
(taz.de, Saskia Hödl)
Der finnische Präsident Sauli Niinistö war auf Staatsbesuch in der Türkei. Und mit ihm unter anderem der Journalist Tom Kankkonen vom finnischen öffentlich-rechtlichen Sender “YLE”. Der “fragte Erdoğan gerade heraus, ob er ein Diktator sei.” Das türkische Staatsoberhaupt war nicht gerade begeistert.

3. to go or to stay?
(wirres.net, Felix Schwenzel)
Felix Schwenzel will ausdrücklich “keine antwort auf diesen facebook-eintrag von mathias richel” schreiben, sondern vielmehr versuchen, “die gleichen gedanken […] anders zu formulieren”. Im Wesentlichen geht es um diese Fragen: Wie und wo erreichen Medien heutzutage ihre Leser? Sollten sie sich immer noch auf ihre Homepage konzentrieren oder ihre Inhalte möglichst breit gestreut auf allen möglichen Kanälen verteilen — und sich dabei von dem Ziel verabschieden, die Nutzer von sozialen Medien mit Links auf die eigene Webseite zu locken?

4. Radionachrichten: Zu wenig Mut. Zu viele Handtücher
(radio-machen.de, Rita Vock)
“Wir Nachrichtenmacher […] haben bestimmte redaktionelle Standards und manchmal auch Scheuklappen.” Das sagt Rita Vock, Nachrichtenredakteurin beim “Deutschlandfunk”. Mit sechs Thesen versucht sie, diese festgefahrenen Strukturen aufzubrechen und Radionachrichten neu zu denken.

5. Stephen Glass Repays Harper’s $10,000 for His Discredited Work
(nytimes.com, Ravi Somaiya, englisch)
Stephen Glass war Ende der 90er-Jahre einer der großen Nachwuchsstars im US-Journalismus. Bis sich herausstellte, dass mindestens die Hälfte seiner Artikel komplett oder teilweise erfunden waren. Jetzt hat Glass sich zurückgemeldet — mit einer Entschuldigung an seinen einstigen Auftraggeber “Harper’s” in Form eines 10.000-Dollar-Schecks.

6. Sie lesen stundenlang Zeitungen vor
(nzz.ch, Viola Schenz)
Das Programm des australischen Radiosenders “2RPH” ist leicht außergewöhnlich: Es gibt dort ausschließlich vorgelesene Zeitungs- und Zeitschriftenartikel zu hören, den ganzen Tag, jeden Tag. Das Kürzel “RPH” steht für “Radio for the Print Handicapped” und gibt die klare Zielgruppe des gemeinnützigen Senders vor: all jene, die nicht lesen können.

Twitter-Kodex, “taff”, Gysi-Tricks

1. Auskunftsanspruch gegenüber Bundesbehörden: Netzwerk Recherche fordert schnelle gesetzliche Regelung
(netzwerkrecherche.org)
Anfragen von Journalisten haben Bundesbehörden immer mal wieder mit dem Argument unbeantwortet gelassen, dass die Landespressegesetze für sie nicht gelten. Gestern hat das Bundesverfassungsgericht bekanntgegeben, eine daran anknüpfende Beschwerde eines “Bild”-Reporters nicht anzunehmen; gleichzeitig sagt das Gericht aber, dass die Informationsrechte gegenüber Behörden des Bundes kein geringeres Niveau erreichen dürfen als auf Landesebene. Für Manfred Redels vom “Netzwerk Recherche” ist nun “der Gesetzgeber gefordert, schnell ‎eine Regelung auf den Weg zu bringen, die die Rechercherechte stärkt und auch bei Anfragen an Bundesbehörden für Klarheit sorgt”.

2. Twitter gibt sich einen Pressekodex
(konradlischka.info)
Mit seinem kürzlich gestarteten Angebot “Moments” hat sich Twitter endgültig von der reinen Plattform zum “Platisher” entwickelt und wildert jetzt im Geschäft der Publisher. Für den neuen Dienst wählen Redakteure Tweets aus und erstellen daraus kleine Geschichten. Dafür hat sich Twitter selbst Richtlinien auferlegt, die Konrad Lischka bekannt vorkommen: “Passagen dieses Dokuments lesen sich, als hätte Twitter den Pressekodex kopiert.” Für ihn ist das Vorgehen “ein Meilenstein”, da Suchmaschinen und soziale Netzwerke “als Publikumsverteiler ähnlich wie Medien” funktionierten. Allerdings seien die Richtlinien an einigen Stellen problematisch und könnten schon bald zu Problemen führen, etwa beim Schutz der Persönlichkeit und dem Umgang mit Richtigstellungen.

3. Juristisch falsche Berichterstattung des NDR zum Thema Identitätsdiebstahl
(internet-law.de, Thomas Stadler)
Den NDR-Bericht “Wie Kriminelle Identitäten missbrauchen” findet Thomas Stadler alarmistisch und “juristisch falsch”. Schließlich hafte man grundsätzlich nur für sein eigenes Verhalten — und nicht dafür, dass sich jemand der Identität bemächtigt hat und im Namen eines anderen Geschäfte tätigt.

4. Mir geht eure Sensationsgeilheit auf den Sack! #taff
(lilies-diary.com, Christine)
Snapchat-Fan Christine hat ein Kamerateam von “taff” ins Haus gelassen und ärgert sich im Nachhinein. “Das habe ich jetzt davon. Es lief eine völlig bescheuerte, teilweise frei erfundene Geschichte auf taff.” Der ganze Beitrag sei “auf einer Lüge aufgebaut”, schreibt sie: “Weder ich bin süchtig, noch habe ich Zeit 6 Stunden vor Snapchat zu hängen, noch ist meine Beziehung gefährdet.” Allerdings, so Alexander Krei bei DWDL, sei die 30-Jährige nicht ganz unschuldig am entstandenen Eindruck, schließlich habe sie “in der Vergangenheit gleich mehrfach mit einer Snapchat-Sucht kokettiert.”

5. The growing problem of Internet “link rot” and best practices for media and online publishers
(journalistsresource.org, Leighton Walter Kille, englisch)
Ein Problem, über das sich Print-Journalisten garantiert nie Gedanken machen müssen: Wie verlinke ich meine Quellen richtig? Online-Journalisten können dabei aber eine Menge falsch machen. Klar ist: Gar keine Links sind unsauber, aber auch mit dem Gegenteil tut man seinen Lesern keinen Gefallen — zu viele, wahllose Verweise schaden dem Lesefluss und stiften unnötig Verwirrung. Leighton Walter Kille gibt zehn wirklich wertvolle Tipps zum richtigen Umgang mit Hyperlinks — nicht nur für Journalisten, sondern für alle Menschen, die ins Internet schreiben.

6. So hat uns Gregor Gysi ausgetrickst
(heute.de, Andreas Kynast)
Gestern hatte Gregor Gysi seinen letzten Tag als Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag. “Der politische Langzeit-Erfolg” des Politikers beruhe zu einem Großteil auf seiner Wirkung im TV, schreibt ZDF-Korrespondent Andreas Kynast. Er stellt “sieben typische Gysi-Tricks” vor, “um im Fernsehen gut auszusehen”.

Medien sprechen Reisewarnung für Ostdeutschland aus

Große Aufregung in der vergangenen Woche:

Die Regierung in Kanada hat eine Reisewarnung für Ostdeutschland herausgegeben. Darin ist die Rede von extremistischen Jugendbanden, die in Teilen Ostdeutschlands eine Bedrohung darstellten. Mitglieder solcher Gangs seien bekannt dafür, Personen wegen ihrer Rasse oder ihres ausländischen Aussehens zu belästigen oder direkt zu attackieren. Auch habe es schon Brandanschläge auf parkende Fahrzeuge gegeben.

Die „Warnung aus Kanada konkret für Ostdeutschland“ komme „nicht von ungefähr“, schreibt das „Handelsblatt“: “Die ausländerfeindliche Pegida-Bewegung verzeichnet in Dresden in Sachsen weiter Zulauf.”

Darauf habe die kanadische Regierung also reagiert. Und das schmeckt den hiesigen Politikern so gar nicht.

Die Sachsen-CDU reagiert empört auf die Reisewarnung. „Das entspricht nicht der Realität und ist extrem rufschädigend“, sagte der Generalsekretär der sächsischen CDU und Vize-Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Michael Kretschmer, dem Handelsblatt. „Deutschland muss dieser Beurteilung entschieden entgegen treten.“

Bevor Deutschland damit loslegt, würden wir ihm raten, sich ein bisschen besser zu informieren als das “Handelsblatt” oder der Herr Generalsekretär. Die Geschichte stimmt nämlich gar nicht.

Kanada hat keine Reisewarnung für Deutschland herausgegeben. Es gelten nach wie vor die „normalen Sicherheitsvorkehrungen“, also die niedrigste Sicherheitsstufe.

Auf der Internetseite der kanadischen Regierung gibt es lediglich einige Sicherheitshinweise für Deutschland. Da wird zum Beispiel vor Taschendieben „an Bahnhöfen, auf Flughäfen und Weihnachtsmärkten“ gewarnt. Oder davor, dass Demonstrationen ohne Vorwarnung in Gewalt umschlagen könnten. Oder eben vor extremistischen Jugendgruppen, die besonders „in einigen kleineren Städten und in Teilen des früheren Ostdeutschlands“ eine Bedrohung seien.

Das „Handelsblatt“ verdreht diesen Vermerk zu einer „Reisewarnung für Ostdeutschland“. Und erweckt den Eindruck, als reagiere die kanadische Regierung damit auf „Pegida“ & Co. – aber auch das ist falsch. Die Hinweise stehen nicht erst seit Neuestem auf der kanadischen Seite (wie auch ein Blick in die Wayback-Machine verraten hätte), sondern seit zehn Jahren.

Was sich vor dem Hintergrund der Angriffe auf Flüchtlingsheime vor allem im Osten der Republik wie eine aktuelle Zustandsbeschreibung liest, stammt allerdings schon aus dem Jahr 2005.

schreibt „Zeit Online“, eines der wenigen Medien, die nicht einfach blind vom “Handelsblatt” abgeschrieben haben.

Nur ein Hinweis zu gestiegenen Flüchtlingszahlen in Europa sei am 28. September neu hinzugekommen, sagt die Sprecherin der kanadischen Botschaft in Berlin, Jennifer Broadbridge ZEIT ONLINE. Dadurch könne es zu Verspätungen an Grenzübergängen und Bahnhöfen kommen, steht in dem Absatz.

Anders gesagt: Das einzig Neue an den der Geschichte ist, dass die kanadische Regierung vor Verzögerungen im Zugverkehr warnt. Alles andere ist entweder falsch oder mindestens zehn Jahre alt.

Das muss jetzt nur noch jemand dem “Handelsblatt” erklären. Und der “Thüringer Allgemeinen”:

Und “Spiegel Online”:

Und stern.de:

Und der “tz”:

Und der “Huffington Post”:

Und den vielen, vielen anderen.

Immerhin: Es gibt noch eine Handvoll Journalisten, die erkannt haben, dass das alles Unsinn ist. Bernhard Honnigfort etwa schreibt auf der Onlineseite der „Frankfurter Rundschau“:

Tatsache ist, Kanada hat nicht vor Reisen nach Ostdeutschland gewarnt, sondern bittet seine Landsleute nur darum, aufzupassen und wachsam zu sein.

Und:

Natürlich ist das lange bekannt und der kanadische Warnhinweis ist nicht neu, sondern nur aktualisiert.

Natürlich. Und dass er das Märchen zuvor selbst ganz empört verbreitet hatte, sowohl in der “FR”

… als auch in der „Berliner Zeitung“

… im „Express“

… im „Berliner Kurier“

… und in der „Mopo“

… das erwähnt Honnigfort – natürlich – nicht.

Bei “Focus Online”, wo ebenfalls eindringlich über den Fall berichtet wird …

… haben sie sich nicht bloß auf die falschen Fakten der Kollegen verlassen, sondern selbst welche erfunden. Das Portal schreibt:

Auch vor in Brand gesteckten geparkten Autos wird gewarnt – das betreffe vor allem Berlin.

Berlin wird in den Hinweisen an keiner Stelle erwähnt.

So zieht die Geschichte munter ihre Kreise und wird mit jedem Mal ein bisschen weniger wahr.

Man will sich gar nicht vorstellen, was die kanadische Botschaft inzwischen denkt. Auf Anfrage gibt sie sich aber, klar: diplomatisch. Dem Evangelischen Pressedienst sagte die Sprecherin, man könne die ganze Aufregung zwar nicht nachvollziehen, jedoch würde die Ostdeutschland-Passage „angesichts der aktuellen Debatte” nun “geprüft und möglicherweise in den kommenden Tagen geändert“.

In den Sicherheitshinweisen schreibt die Regierung übrigens, dass man, wenn man in Deutschland unterwegs sei, „die lokalen Medien verfolgen“ solle. Auch ein Ratschlag, über den man mal nachdenken könnte.

Mit Dank an Holger S.

Kachelmann, Ryanair, Verifizierung

1. Ein lebenslanger Makel: Warum Springer Kachelmann 635.000 Euro zahlen soll
(stefan-niggemeier.de)
Die “Bild”-Zeitung muss Jörg Kachelmann eine saftige Entschädigung zahlen — und kann oder will das Urteil nicht verstehen, da man nicht “vorsätzlich und mit Schädigungsabsicht gehandelt” habe. Stefan Niggemeier diagnostiziert den Verantwortlichen beim Axel-Springer-Verlag eine eklatante Leseschwäche, da das Gericht in seiner Urteilsbegründung “äußerst detailliert” belegt habe, wie Kachelmanns Privatsphäre “wiederholt und hartnäckig” verletzt wurde. Siehe dazu auch: Gisela Friedrichsen bei “Spiegel Online”, Wolfgang Janisch bei sueddeutsche.de, Daniel Schmidthäussler mit einem “Zapp”-Beitrag und “Schlecky Silberstein” mit fünf möglichen “Bild”-Schlagzeilen zum Thema.

2. Billigflieger lässt Flüchtlinge stehen
(taz.de, Gereon Asmuth)
Am Mittwoch verbreitete die dpa eine überraschende Meldung: Angeblich wolle die Fluglinie Ryanair Flüchtlinge ohne Visaprüfung in andere EU-Länder bringen. Nach knapp zwei Stunden folgte eine Eilmeldung: Man sei einem Fake aufgesessen, die wiedergegebenen Äußerungen von Marketingchef Kenny Jacobs seien vollständig erfunden. Zu diesem Zeitpunkt hatten etliche große Nachrichtenportale die Agenturmeldung allerdings längst übernommen. Bei “Kress” kommentiert Bülend Ürük: “Mit ihrer gelebten Transparenz beweist die Deutsche Presse-Agentur, dass auch […] bei Fehlern, die eigentlich überhaupt nicht passieren dürfen, der Weg in die Öffentlichkeit als einzig richtiger Schritt bleibt”.

3. Unliebsame Berichte nicht erwünscht
(faz.net, Michaela Wiegel und Christian Schubert)
Die französische Wochenzeitung “Le Canard Enchaîné” berichte, dass VW versucht habe, die Berichterstattung über den Abgasskandal zu manipulieren. Der Konzern habe mehrere Regionalzeitungen und Magazine aufgefordert, an bestimmten Tagen nicht über die Affäre zu berichten. Als Druckmittel soll ein Anzeigenboykott gedient haben, insgesamt sei es um einen Werbe-Etat in Höhe von knapp anderthalb Millionen Euro gegangen.

4. Das bleibt von #BildNotWelcome
(westline.de, Jan-Hendrik Grotevent)
Heute heißt es #BILDindieTonne, vor gut zwei Woche noch #BILDnotwelcome, auch und vor allem in den Fankurven der Fußballbundesliga. Jan-Hendrik Grotevents Fazit im Rückblick zur Aktion: “Wenn alle realisieren, daß man gute Zwecke und Stimmungsmache selber hinkriegen kann ohne dafür Fremdverstärker zu brauchen, dann war #bildnotwelcome ein Erfolg.”

5. The 4 bare-bones things every journalist needs to know about verification
(medium.com, Craig Silverman, englisch)
Ganz gleich, ob Tweets, Fotos, Videos oder auch Agenturmeldungen der dpa (s.o.) — nie zuvor war es so leicht, die Öffentlichkeit mit gefälschten Nachrichten zu verwirren. Umso wichtiger ist es für Journalisten, alle Informationen sorgfältig zu prüfen. Craig Silverman, Gründer von Emergent.info, stellt die vier wichtigsten Schritte der Verifizierung vor, die jeder Journalist kennen und anwenden sollte.

6. 11 praktische Verwendungszwecke für die Gratis-“Bild” zum Jubiläum der Deutschen Einheit
(der-postillon.com)

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