Wir würden inzwischen bezweifeln, dass bei “Focus Online” die Agenturmeldungen überhaupt noch gelesen werden, bevor sie online gehen. Das wäre nicht schlimm (und weitgehend üblich), wenn “Focus Online” nicht die Angewohnheit hätte, diesen Agenturmeldungen eigene Vorspänne und Überschriften voranzustellen. Und da wird’s dann schwierig, wenn niemand die Meldung gelesen hat.
Vor drei Wochen wurde so aus der Forderung eines Papstkritikers eine Forderung des Papstes (BILDblog berichtete), gestern ging einer der (weitgehend zerstörten) Unglücksreaktoren von Fukushima weltexklusiv bei “Focus Online” wieder ans Netz.
Und das kam so: AFP hatte gestern Vormittag unter der Überschrift “Reaktor nimmt erstmals nach Fukushima wieder vollen Betrieb auf – Japanische Behörden geben grünes Licht” eine kurze Meldung verschickt. Ihre ersten Sätze lauteten:
Erstmals nach der Katastrophe im japanischen Atomkraftwerk Fukushima hat die Regierung des Landes die Wiederaufnahme des wirtschaftlichen Betriebs eines Atomreaktors genehmigt. Reaktor 3 der Atomanlage Tomari auf der Nordinsel Hokkaido nahm am Mittwoch wieder den vollen Betrieb auf, nachdem die Behörden dafür grünes Licht gegeben hatten, wie der Betreiber Hokkaido Electric Power (Hepco) mitteilte.
Von einigen vielleicht unbekannten Wörtern mal ab sollten Kinder der vierten Klasse diesen Sätzen entnehmen können, dass Reaktor 3 der Atomanlage Tomari auf der Nordinsel Hokkaido am Mittwoch wieder den vollen Betrieb aufgenommen hat.
Und das hat “Focus Online” diesen Sätzen entnommen:
Mit Dank an Stefan.
Nachtrag, 19. August: “Focus Online” hat Überschrift und Vorspann unauffällig korrigiert. Beim Papst war es noch transparent gewesen.
2. Nachtrag: Unser Leser Andre Sch. weist uns darauf hin, dass “Focus Online” die Fehler nicht komplett “unauffällig” korrigiert hat. Wer sich durch die Leserkommentare klickt, findet dort einen kleinen Hinweis:
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. “Sherlock Holmes und die Mormonen von Virginia” (scilogs.de, Anatol Stefanowitsch)
Verschiedene Medien berichten aufgeregt von “Zensur” und “Leseverbot”, weil in Albemarle County, Virginia, ein Buch von der Lektüreliste der sechsten Klasse gestrichen wird und “erst ab der zehnten Klasse zur Lektüre empfohlen” wird. “Die Anti-PC-Hysterie ist weit fortgeschritten, wenn man das ernsthaft als ‘Verbot’ des Buches, oder auch nur als ‘Verbannung vom Lehrplan’ bezeichnet.”
2. “#Journalist 2.0” (nzz.ch, Stephan Weichert)
Stephan Weichert fragt, was die “Social-Media-Revolution” dem Journalismus bisher wirklich gebracht hat – “ausser zusätzliche Vernetzung, massive Eigenwerbung und die ‘Veredelung’ journalistischer Beiträge durch Gefällt-mir-Knöpfe und Re-Tweets? War das, wenn es irgendwann vielleicht vorbei sein sollte, nicht ein Medien-Hype, ohne den richtigen Kick, der uns handwerklich und intellektuell weitergebracht hätte?”
3. “Das Verdienst von Wikileaks” (notes.computernotizen.de, Torsten Kleinz)
Wikileaks habe “allerhand Gutes bewirkt”, schreibt Torsten Kleinz: “Verlage und Sender, die sich immer mehr damit begnügten Sprechblasen von widerstreitenden Parteien in einem ewig währenden Sommerloch aufeinander treffen zu lassen, wurden daran erinnert, wie wichtig es doch ist, Themen an die Öffentlichkeit zu bringen.”
4. “AP zog manipuliertes PR-Foto von Vilniuser Bürgermeister zurück” (derstandard.at)
Santiago Lyon, Fotochef der Nachrichtenagentur AP, beklagt sich über “ein als PR-Gag aufgenommenes Foto mit dem Bürgermeister von Vilnius” (BILDblog berichtete): “Ein manipuliertes Foto zur Verfügung zu stellen ohne darüber zu informieren, dass es manipuliert ist, sei nicht akzeptabel. Es sei ‘völlig daneben’, Agenturen mit Bildbearbeitungsprogrammen bearbeitetes Material anzubieten da es irreführend sei und die Glaubwürdigkeit der Medien untergrabe.”
6. “Liebe Geisteswissenschaftler” (mspr0.de)
“Ich habe ein Problem mit Euch, dem denkfaulen, behäbigen und selbstgerechten Personal, das bräsig in der Uni sitzt, Paper über über Themen schreibt, die keinen interessieren und die keiner liest, während die Welt sich rasant verändert.”
In Schwalmtal (NRW) wird also das Haus verkauft, in dem Olaf H., der geständige Mörder des zehnjährigen Mirco aus Grefrath, bis zu seiner Verhaftung mit seiner Familie gewohnt hat. Ja: gewohnt — ermordet hat er Mirco ganz woanders.
Was also ist so “gruselig” an dem “freistehenden Einfamilienhaus mit traumhaftem Riesengrundstück”? So richtig genau weiß das auch “Bild” nicht, schreibt aber über die Verkaufschancen:
Wohl kein leichter Job für die beauftragte Maklerfirma. Unter den zahlreichen eingestellten Fotos findet sich im Internet jedenfalls keine Vorderansicht des Hauses – wohl um jeden unmittelbaren Hinweis auf Olaf H. und sein grauenvolles Verbrechen zu vermeiden.
Solche Hinweise gibt “Bild” natürlich gerne und empört sich:
Im Internet weist keine Zeile auf die schaurige Geschichte des Hauses hin.
Die Immobilienfirma, die das Angebot inzwischen offline genommen hat, hätte auf die “schaurige Geschichte” im Internet auch gar nicht hinweisen müssen, wie wir schon erklärt haben, als “Bild” vor etwa zwei Jahren über den Verkauf des Hauses berichtete, in dem der Schul-Amokläufer von Winnenden mit seiner Familie gewohnt hatte.
“Bild” war mit den Superlativen damals übrigens noch etwas sparsamer:
Im Profifußball ist es eine liebgewonnene Tradition, dass Journalisten munter verkünden, welcher Spieler aktuell zu welchem Verein wechseln könne oder gar wolle, während Spieler und Vereine mindestens ebenso viel Energie darauf verwenden, alles abzustreiten. Wer recht hatte, weiß man höchstens hinterher, als Faustformel kann man aber sagen: jede Seite kommt auf etwa 50%.
Seit Tagen spekulieren “Bild” und andere Ruhrgebietsmedien, der Spanier Raúl werde den FC Schalke 04 verlassen. Womöglich war es in dieser Situation nicht allzu clever von Schalkes Manager Horst Heldt, gegenüber Bild.de zu bestätigen, dass eine Anfrage von den Blackburn Rovers vorlag. Denn aus dem Angebot machte Bild.de schnell einen Wechsel:
Schalke-Superstar Raúl (34) steht vor dem Abflug nach England. Der Premier League-Klub Blackburn Rovers macht dem Spanier ein Angebot. Das bestätigte Schalke-Manager Horst Heldt (41) gegenüber BILD.de
Heldt: “Wir haben gestern (Montag, die Redaktion) eine offizielle Anfrage von Blackburn Rovers per Mail bekommen. Daraufhin haben wir mit seinem Berater Kontakt aufgenommen. Wir werden uns heute mit Raul und seinem Berater treffen und darüber sprechen.
Eigentlich wollen wir ihn nicht abgeben, aber wenn er uns sagt, dass er gehen möchte, werden wir uns damit beschäftigen und in Verhandlungen einsteigen. Es wird eine zeitnahe Entscheidung in dieser Sache geben und zwar bis spätestens Morgen, 13 Uhr.” Dann steigt Schalke in den Flieger zum Europa League-Play-Off-Spiel in Helsinki.
Noch mehr wusste die “Recklinghäuser Zeitung”:
Jetzt ist es sicher: Schalkes Star Raul wird den Verein noch bis zum 31. August verlassen. Das hat S04-Sportdirektor Horst Heldt unserem Medienhaus gerade bestätigt.
Schon seit Tagen gab es Gerüchte über einen Wechsel des Spaniers in die englische Premiere League zu den Blackburn Rovers. Gerade sagte Horst Held zu dem Thema: “Es macht keinen Sinn, einen Spieler auf Schalke zu halten, der nicht mehr zufrieden ist”. Mehr Details wollte Heldt nicht preisgeben.
Interessant, dass Schalke 04 anschließend das exakte Gegenteil auf seiner Website schrieb:
Am heutigen Dienstag (16.8.) nahm der FC Schalke 04 von einer offiziellen Anfrage der Blackburn Rovers Kenntnis, in welcher der Premier-League-Club mitteilte, an einer Verpflichtung von Raul interessiert zu sein. “Sowohl unser Trainer Ralf Rangnick als auch mein Vorstandskollege Peter Peters und ich haben immer betont, dass wir ihn nicht abgeben möchten”, stellte Manager Horst Heldt klar.
Gleichwohl unterrichteten die Königsblauen den Spieler vom Interesse aus England. Heldt: “Raul hat uns gesagt, dass er bei Schalke 04 bleiben möchte und uns gebeten, den Blackburn Rovers abzusagen. Dies haben wir bereits getan. Wir freuen uns, dass Raul auch künftig alles dazu beitragen will, dass wir sportlich erfolgreich sind.”
Bild.de drehte den Artikel, der ursprünglich unter der Überschrift “Also doch! Raul vor Abflug nach England zu Blackburn Rovers” gestanden hatte, um 180 Grad:
Und die “Recklinghäuser Zeitung”, deren Überschrift “Raul geht definitiv” gelautet hatte, schreibt nun unter der gleichen URL und der ursprünglichen Uhrzeit:
Nur das Ruhrgebietsportal westline.de, das den Artikel von der “Recklinghäuser Zeitung” übernommen hatte, verkündet immer noch:
Mit Dank an Machete04, Martin E., Cornelius und Steffen F.
Nachtrag, 18. August:westline.de hat seinen Artikel überarbeitet und mit einem Hinweis versehen:
Durch ein Missverständnis war aus einer ganz neutralen Aussage des Schalker Managers Horst Heldt eine “Vollzugsmeldung” geworden. Heldt hatte (wie oben im Artikel nachzulesen) lediglich erklärt, dass es sinnlos sei, einen unzufriedenen Spieler unbedingt halten zu wollen.
Beim Übermitteln des Gesprächsinhaltes in eine Onlinemeldung war dann in unserem Haus aus dem Konjunktiv eine Tatsache geworden. Nun hieß es nicht mehr “wenn ein Spieler gehen wolle”, sondern “dass der Spieler gehen will”.
Wir bitten um Entschuldigung wegen der Falschmeldung. Mehr dazu auch im Schalke-Forum.
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. “Nichts worauf man stolz sein muss” (taz.de, Anna Stommel)
Anna Stommel fragt sich, warum “Bild” sich genau jetzt mit der Vergangenheit des Chefredakteurs der “Märkischen Oderzeitung” auseinandersetzt und liefert Hintergründe dazu. “Pünktlich zum 50. Jahrestag der Mauer? Oder weil sich im Land Brandenburg gerade ohnehin eine Enquete-Kommission mit der Geschichte der DDR auseinandersetzt?”
2. “Absturz ins Sommerloch” (czyslansky.net, Tim Cole)
Mitarbeiter der “Daily Mail” halten die fiktive Serie “Terminus pour l’euro” (“la fiction de l’été”) der Zeitung “Le Monde”, in der man sich eine Schieflage der Bank “Société Générale” ausmalt, für echt und verbreiten sie weiter. “Dann setzte der normale Automatismus der Branche ein: Ein ums andere Blatt druckte die Meldung nach und bezog sich wiederum auf die Daily Mail.”
3. “Haben sich die Medien nach Robert Enkes Tod verändert?” (11freunde.de, Alex Raack)
André Beem untersucht in seiner Magisterarbeit Artikel vor und nach dem Tod von Robert Enke. “Haben vor Enkes Tod noch acht Prozent aller Zeitungen negativ über Fußballer berichtet, waren es danach neun Prozent. Die Durchschnittsnote in der Spielerbewertung hat sich von 3,5 auf 3,6 verschlechtert, in einer Tageszeitung aus Hannover sogar von vorher 3,2 auf 4,1. Das hatte allerdings auch mit dem sportlichen Absturz von Hannover 96 zu tun.”
4. “Journalismus von oben” (faz.net, Harald Staun)
Mini-Drohnen seien wie geschaffen für die Recherchemethoden des Boulevardjournalismus, schreibt Harald Staun: “Mikrokopter müssen nicht angemeldet werden, sie sind so leicht zu fliegen wie ein Modellflugzeug, leise und sensationell günstig. Nur eine Modellflughaftpflicht ist Pflicht, wegen der Absturzgefahr. Schon für 300 Euro bekommt man bei Amazon den Quadrokopter Parrot AR.Drone mit zwei Kameras an Bord, steuerbar mit jedem iPhone.”
17 Stunden saßen die Leute, denen Franz Josef Wagner gestern seine “Post” widmete, am Wochenende in der Gondel einer Seilbahn in Schwangau im Allgäu fest. Erst am Samstagmorgen ab 6 Uhr konnten die 19 Fahrgäste und der Gondelführer gerettet werden.
Bei dapd mussten die Eingeschlossenen allerdings nicht so lange ausharren. Schon am Freitag um 18.44 Uhr vermeldete die Nachrichtenagentur ihre Rettung:
Nach der Kollision eines Tandemgleitschirms mit einem Bergbahntragseil sind am Freitag in Schwangau im Allgäu zwei Gondeln evakuiert worden. 45 Fahrgäste und die beiden Gleitschirmflieger mussten mit mehreren Hubschraubern geborgen werden, wie die Polizei mitteilte.
Erst nach Mitternacht vermeldete dapd, dass zu diesem Zeitpunkt immer noch fast die Hälfte der ursprünglich 45 Menschen in der oberen Gondel festsaßen.
Auch dpa hatte am frühen Freitagabend eine mindestens irreführende Meldung abgesetzt:
Schwangau (dpa) – Ein Gleitschirm hat sich am Freitag in Schwangau im Allgäu in einer Seilbahn verfangen und sie damit stundenlang lahmgelegt. 45 Fahrgäste in den Gondeln mussten mit mehreren Hubschraubern geborgen werden.
In der Überschrift der Zusammenfassung von 20 Uhr war aus “45 Fahrgäste steckten fest” überraschend “45 Fahrgäste stecken fest” geworden, aber ansonsten legte der Text den Schluss nahe, dass die Rettungsaktion bereits erfolgreich abgeschlossen war:
Ein Gleitschirm hat sich am Freitag in Schwangau im Allgäu in einer Seilbahn verfangen und sie damit stundenlang lahmgelegt. 45 Fahrgäste in den Gondeln der Tegelbergbahn mussten mit Hubschraubern geborgen werden.
Die Rettungsaktion dauerte bis in den Abend an.
Die dpa erklärte uns auf Anfrage, dass diese Meldungen für die Tageszeitungen des Samstags gedacht waren, die bereits am Abend Redaktionsschluss haben. Es handle sich dabei um einen “Kunstgriff”, die Redaktionen würden meist selbst dazuschreiben, dass die Entwicklung bei Redaktionsschluss noch nicht zu abgeschlossen gewesen sei. (Aus der Meldung selbst ergibt sich das allerdings nicht.)
Anders als dapd setzte dpa seine Berichterstattung am Abend aber fort und meldete so etwa um 22.04 Uhr:
Ein Ausflug in die Berge nahe dem Schloss Neuschwanstein hat für zahlreiche Menschen eine dramatische Wende genommen. Nach einem Unfall steht die Seilbahn still. 45 Menschen sitzen in luftiger Höhe fest.
Da stimmte dann nur die Zahl nicht mehr.
Doch auch nach der erfolgreichen Rettung aller eingeschlossenen ließen die journalistischen Merkwürdigkeiten nicht nach — sie fingen bei Bild.de erst richtig an.
UNFASSBAR, DER GLEITSCHITM-PILOT IST AUF DER FLUCHT!
Der Mann aus dem schweizerischen Kanton Zürich hat sich direkt nach der Bergung in die Schweiz abgesetzt.
Unfassbar und ziemlicher Quatsch — den “Welt Online” gerne übernommen hat:
Das “Füssener Blatt” hat heute ein Interview mit dem Pressesprecher des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West in Kempten, Christian Owsinski, abgedruckt. Darin heißt es unter anderem:
Der Gleitschirmpilot, der einen Mitarbeiter des Bayerischen Rundfunks in Gurt hatte, hat sich angeblich in die Schweiz abgesetzt. Stimmt das?
Owsinski: Die Formulierung “abgesetzt” ist irritierend, denn der Mann hat sich dem Zugriff der Behörden nicht entzogen. Der Deutsche mit Wohnsitz in der Schweiz ist nach dem Vorfall am Tegelberg in die Schweiz abgereist. Das ist nicht zu beanstanden.
Mit Dank an Norbert P., Murry, Jens und Michael W.
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1. “Das ‘Raumschiff Berlin’ lockt Journalisten” (meedia.de, Christian Meier)
Christian Meier sucht Gründe, warum so viele Politikjournalisten in die Politik wechseln. “Zum einen rühmen Journalisten sich mit ihrer Stellung als unabhängige Beobachter. Zum anderen suchen sie oft instinktiv die Nähe zu den Objekten ihrer Berichterstattung. Man muss nur auf ein paar Medienparties gewesen sein, bei denen auch Politiker eingeladen waren, und wird verstehen, was gemeint ist.”
2. “Die Gänsehaut-Umleitung” (faz-community.faz.net, Peer Schader) Kai Pflaume spricht über 18 Jahre “Nur die Liebe zählt”: “Die Scripted-Reality-Formate waren am Ende ein großes Problem für ‘Nur die Liebe zählt’, weil wir öfter gefragt wurden: Ist das auch nicht echt, was ihr da zeigt? Auch wenn das echte Leben die schönsten Geschichten schreibt, erscheint es gegen die mittlerweile vom Zuschauer gelernte Verdichtung einer geskripteten Wirklichkeiten oft langweilig.”
3. “Einfluss von PR auf Tageszeitungen im Tessin” (de.ejo-online.eu, Gerardo Bramati)
Eine Masterarbeit von Gerardo Bramati untersucht 1144 Artikel mit Regionalbezug der Tageszeitungen “Corriere del Ticino” und “La Regione Ticino”. 74 Prozent der Artikel sind “zweifelsfrei von PR-Aktivitäten induziert”. Siehe zum Thema auch “Im Körper des Feindes” (taz.de, Frank Brunner).
4. “Verachtung am Morgen” (dradio.de, Mely Kiyak)
Mely Kiyak stellt fest, dass “sobald ein Artikel das Thema Integrationspolitik oder Islam streift”, sich innerhalb kürzester Zeit 100, 200 manchmal bis zu 500 Leserkommentare sammeln. “Notfalls müssen sich Zeitungen mit der Idee vertraut machen, ihren Lesern kein Forum für Islamfeindlichkeit zu bieten und damit möglicherweise auf Teile ihrer Leserschaft verzichten. Zeitungen können sich nicht gleichzeitig über Islamhetze in rechten Blogs und Foren empören und ihren Lesern Möglichkeiten zur Verbreitung ihrer anti-muslimischen Gesinnung bieten.”
5. “Hebräerkritisches vom Gasmann” (boess.welt.de, Gideon Böss)
Gideon Böss sammelt Kommentare, die er nach einem Hinweis auf eine Meldung, in der steht, dass ein 13-jähriger Junge in Berlin Prenzlauer Berg “von einem Unbekannten antisemitisch beschimpft und geschlagen worden” ist, erhält.
Eine frivole Lektüre entdeckte ein BILD-Leser-Reporter in diesem Streifenwagen auf der Cranger Kirmes in Herne (NRW). In der Windschutzscheibe liegt gut sichtbar die aktuelle Ausgabe des “Playboy” mit Ex-Turnerin Magdalena Brzeska (33) auf dem Cover.
Damit die Leser von Bild.de wissen, wie so ein “Playboy” mit Magdalena Brzeska drauf aussieht, haben die Grafiker ihn im Foto noch einmal extra hervorgehoben:
Und die Texter schrieben dazu:
Rechtliche Konsequenzen drohen dem Beamten aber nicht. Also: Beim nächsten Mal am Kiosk auf Nummer sicher gehen – und sich für eine BILD entscheiden…
Zum Vergleich hier noch mal die “Nummer sicher” vom vergangenen Mittwoch, auf der Titelseite, über dem Bruch:
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1. “Todesfalle, Sexfalle, Hirnfalle” (sueddeutsche.de, Stefan Plöchinger)
Stefan Plöchinger schreibt über die “Bild”-Titelgeschichte “Sex-Falle Facebook”: “Das Niveau der deutschen Debatte über Chancen und Risiken des Internets ist ohnehin niedrig. Die Bild-Zeitung hat in den vergangenen Monaten einiges dazu beigetragen, diesen Zustand zu erhalten.”
2. “Die zehn Gebote” (tagesspiegel.de, Bernd Gäbler)
Handlungsempfehlungen für Polit-Talkshows: “Mehr Mut zu zugespitzten Kontroversen ist gefragt: Geert Wilders vs. Cem Özdemir: Wer wagt das im deutschen Fernsehen?”
3. “Quelle YouTube?” (robvegas.de)
Rob Vegas will in den Nachrichten keine YouTube-Videos sehen, bei denen nicht klar ist, ob sie echt sind. “Quellen müssen geprüft werden. Ansonsten zeigt man es halt nicht.”
4. “Was das Fernsehen nicht zeigt, das gibt es nicht” (journal21.ch, Heiner Hug)
Der langjährige Redaktionsleiter der Schweizer “Tagesschau”, Heiner Hug, thematisiert “mediatisiertes Elend zum Wohl der Elenden”: “Ist eine der grossen TV-Stationen vor Ort, kommt eine zweite. Berichten aber zwei der Grossen, kommen fast alle. (…) Je mehr die einen berichten, desto mehr berichten die andern. Kriege, Konflikte und Elend werden von den grossen Medien hochgeschaukelt.”
5. “Großartig! Verstörend!! Ja!!!” (zeit.de, Christoph Schröder)
Christoph Schröder studiert Klappentexte von neuen Büchern: “In der Gier nach allgemeiner Verkäuflichkeit, in der Hoffnung auf einen Bestseller, in der Angst, bloß keinen einzigen potenziellen Käufer zu verschrecken, greift der Großteil der Verlage ausgerechnet auf dem Gebiet der Literatur, wo sprachlicher Eigensinn, Individualität, Randständigkeit gefragt und gewünscht sind, nach Versatzstücken von blubberndem Heiapopeia.”
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1. “Öffnen Sie dieser Frau nie die Tür!” (spiegel.de, Christian Buß und Daniela Zinser)
Christian Buß und Daniela Zinser warnen vor sieben Frauen, den “skrupellosesten Voyeurismusmaschinen”, den “Elends-Scouts des deutschen Fernsehens”: Vera Int-Veen, Sabina Hankel-Hirtz, Britt Hagedorn, Helena Fürst, Tine Wittler, Julia Leischik und Frauke Ludowig.
2. “+++ Panik bleibt aus +++” (freitag.de, Katrin Schuster)
Der Krisenticker bei “Spiegel Online”: “Bereits am Sonntagabend raunte die Seite von der Angst vor einem schwarzen Montag – um dann von morgens 8 Uhr bis abends 19 Uhr live dabei zu sein. Prophezeiungen wollen schließlich erfüllt werden, im Notfall von den Journalisten selbst, die eifrig weiter tickerten, obwohl die große Katastrophe einfach nicht stattfinden wollte.”
3. “Medienhype und selektive Wahrnehmung: Was wurde aus dem ‘mysteriösen’ Vogelsterben?” (scienceblogs.de/astrodicticum-simplex, Florian Freistetter)
Medien greifen völlig normale Einzelereignisse aus einer ganzen Reihe ebenso normaler Ereignisse heraus und hypen sie zu einem dramatischen und geheimnisvollen Sonderfall. “Haben die Medien sich dafür entschieden, dass tote Vögel ‘mysteriös’ zu sein haben, dann ist für eine gewisse Zeit jedes tote Tier eine Nachricht wert. Keine objektive Einschätzung sondern selektive Wahrnehmung bestimmt dann die Themenauswahl.”
5. “Das Überschriften-Dilemma” (netzwertig.com, Martin Weigert)
Ein Blogbeitrag von Falk Hedemann bringt Martin Weigert dazu, über Twitterer nachzudenken, die gar nicht lesen, was sie weiterempfehlen: “Sein überspitztes Fazit: Twitter ist tot, zerstört von Usern, welche nicht (mehr) in der Lage sind, Texte mit mehr als 140 Zeichen zu lesen, und welche die Qualität eines Artikels anhand dessen bei Twitter herumgeschickter Überschrift beurteilen.”