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AfD-Ehemaligentreffen, Trauermarsch und Terrormarsch, Strichmenschen

Das gesellschaftliche Klima scheint rauer, die politischen Fronten verhärteter zu werden. Das bekommen auch die Medien zu spüren, die immer öfter zum Zielobjekt von Ablehnung und Hass werden. Die Vorkommnisse auf den rechtsgerichteten Kundgebungen in Chemnitz zeichnen ein besorgniserregendes Bild. Manche sprechen gar von einer Zäsur. Hier eine Sonderausgabe unserer “6 vor 9”, welche ausschließlich von den jüngsten Entwicklungen in Chemnitz handelt. Die reguläre “6 vor 9”-Ausgabe von heute findest Du hier.

1. “Noch nie so viel Hass auf Medien erlebt”
(tagesschau.de, Dominik Lauck)
Bei den rechtsgerichteten Kundgebungen in Chemnitz kam es immer wieder zu Angriffen auf Journalisten. Reporter wurden nicht nur bepöbelt und bedroht, sondern auch tätlich angegriffen. Dominik Lauck lässt auf tagesschau.de Medienvertreter und ihre Chefredakteure zu Wort kommen. Der den Reportern entgegenschlagende Hass ist mehr als besorgniserregend. “T-Online”-Chef Florian Harms wandte sich mit einem Tweet an die sächsische Polizei: “Unfassbar. @PolizeiSachsen warum schaffen Sie es nicht, Journalisten wie unseren Reporter vor diesem Mob zu schützen? Was muss denn noch passieren, damit ihr solche Lagen in den Griff bekommt?”
Weiterer Lesehinweis: Auf Facebook hat die Initiative “Gegen die AfD” ebenfalls Material und Stimmen zusammengetragen und befindet: “Dieser sogenannte “Trauermarsch” ist ein Terrormarsch gewesen! Und zwar Terror von Rechtsextremen.”

2. Aufstieg der AfD: “Die Mitte muss auf die Barrikaden gehen”
(zeitgeist.rp-online.de, Merlin Bartel)
Beim Campfire-Festival, einer Veranstaltung für Journalismus und digitale Zukunft, diskutierte die Publizistin Liane Bednarz mit Michael Bröcker, Chefredakteur der “Rheinischen Post”, und “Correctiv”-Geschäftsführer David Schraven über das Thema “Rückkehr zum Vertrauen: Verantwortung der Medien für den Aufstieg der AfD”. Dabei geht es um Fragen wie: Was hat zum Erfolg der AfD geführt? Welche Maßnahmen helfen gegen rechten Hass? Wo liegen die Ursprünge für den AfD-Erfolg? Und kennen Journalisten noch die Sorgen der Bürger?
Hörtipp: Beim “Polik Betreuung”-Podcast von Jenny Günther ist die AfD-Aussteigerin Franziska Schreiber zu Gast. Schreiber war 2013 in die Partei eingetreten und hatte dort eine steile Karriere gemacht, die sie bis in den Bundesvorstand führte. Eine Woche vor der Bundestagswahl verkündete sie öffentlichkeitswirksam ihren Austritt. Über ihre Zeit bei der AfD schrieb sie ein vielbeachtetes Buch. Im Podcast geht es natürlich um ihre Zeit bei der AfD, die Strategie der Partei (“Die AfD als Feigenblatt für ein Neonazi-Bündnis”), aber auch um die generelle Entwicklung der Demokratie.

3. Zimperlich sind die, die am Schreibtisch bleiben
(spiegel.de, Raphael Thelen)
“Spiegel”-Redakteur Jan Fleischhauer hatte in seiner Kolumne Journalisten, die über Angriffe durch Rechtsradikale auf Demos klagen, als “zimperlich” bezeichnet. Raphael Thelen hat eine Replik auf Fleischhauer verfasst, die mit zahlreichen konkreten Beispielen aufwartet und der Empfehlung an Fleischhauer, “seine behagliche Münchner Doppelhaushälfte mal zu verlassen.”
Weiterer Lesehinweis: Vielleicht interessiert sich “Spiegel”-Kolumnist Jan Fleischhauer ja auch noch für den Beitrag “Journalisten als Zielscheibe” seiner “Spiegel Online”-Kollegen: “Der Hass gegen die Presse war bei der Demonstration am Samstag in Chemnitz beispiellos, berichten Reporter. Journalisten wurden bepöbelt, am Filmen gehindert und mitunter sogar verletzt.”

4. Barley lässt nach Chemnitz-Protesten rechte Netzwerke überprüfen
(welt.de)
Justizministerin Katarina Barley will aufklären lassen, welche Organisationen hinter der Mobilisierung rechter Gewalttäter bei den Protesten in Sachsen stehen. Rechtsradikale dürften nicht die Gesellschaft unterwandern.
Parallel wirft Außenminister Maas seinen deutschen Mitbürgern Bequemlichkeit im Kampf gegen Rassismus vor: “Wir müssen vom Sofa hochkommen und den Mund aufmachen.” (rp-online.de) Man möchte antworten: “Nur zu, Herr Maas. Nur zu.”

5. Die rechten Rosenkavaliere: Wie sich die AfD in Chemnitz inszenierte
(stern.de, Florian Schillat)
Zunächst hatten AfD-Funktionäre noch vollmundig getönt, dass man mit der islam- und fremdenfeindlichen Pegida nicht zusammen demonstrieren werde (“Ein Schulterschluss mit Pegida findet nicht statt”, so Frank Hansel, parlamentarischer Geschäftsführer der AfD). Dieser Vorsatz hat nicht lange gehalten: Auf dem Flyer zum Chemnitzer Schweigemarsch prangten stolz beide Logos. Florian Schillat ordnet bei Stern.de die unheilige Allianz ein und erklärt die Hintergründe.

6. Strichmenschen gegen den Hass
(zeit.de, Linda Fischer)
Der Künstler “Krieg und Freitag” ist für seine witzigen Strichmännchen auf Twitter bekannt. Nach den Ausschreitungen in Chemnitz startete er eine Spendenkampagne: Für jede fünf Euro, die gespendet werden, malt er eine Figur. Zunächst waren “nur” 5000 Euro anvisiert, jetzt liegen bereits mehr als 16.000 Euro im Spendentopf.

Hayalis Nebentätigkeiten, Werbe-Postille Frauenzeitschrift, Knast-TV

1. Prominent präsentiert – Hayalis Nebentätigkeiten
(ndr.de, Robert Bongen & Sinje Stadtlich, Video, 7:35 Minuten)
Die ZDF-Journalistin Dunja Hayali ist seit vielen Jahren das prominente Gesicht des “Morgenmagazins” und hat inzwischen auch eine eigene Talkshow. Darüberhinaus moderiert sie Firmen-Events und PR-Veranstaltungen von Industrie und Privatwirtschaft. Letzteres lässt sich aus Sicht von Kritikern schwer mit journalistischer Unabhängigkeit unter einen Hut bringen. “Zapp” ist der Sache nachgegangen und hat auch Hayali zu Wort kommen lassen, und das ist einigermaßen verstörend: Hayali bildet sich tatsächlich ein, dass ihre bezahlten und von den Auftraggebern unter Marketing-Gesichtspunkten ausgeschlachteten PR-Auftritte und Moderationen “kritischer und unabhängiger Journalismus” seien.

2. “Der schmutzige Krieg gegen die freie Presse muss aufhören”
(sueddeutsche.de)
Gestern wehrten sich Hunderte amerikanische Zeitungen mit Leitartikeln gegen Donald Trumps fortgesetzte Angriffe. Die “Süddeutsche” hat einige Pressestimmen zusammengestellt, darunter auch solche, die sich nicht an der Aktion beteiligten.

3. Wenn die Frauenzeitschrift zur Werbebroschüre wird
(deutschlandfunk.de, Silke Burmester)
“Deutschlandfunk”-Kolumnistin Silke Burmester hat selbst in Redaktionen von Frauenzeitschriften gearbeitet und weiß insofern um die Nähe der Magazine zu Mode-, Gesundheits- und Kosmetikindustrie. Trotzdem ist sie spürbar entsetzt, wie “Brigitte” in einem pseudo-seriösen Beitrag eine Sonnencreme belobhudelt, die zudem in einem Test schlecht abgeschnitten habe. Burmester kommentiert: “Man kann das alles so machen. Man kann seinen Namen an die Industrie verkaufen. Aber dann soll man das bitte auch sagen und nicht länger behaupten, man würde journalistische Produkte erstellen. Einfach auf den Titel schreiben: “Von der Industrie gekauft, Inhalte unter Einflussnahme erstellt” — und alles wäre gut.”

4. Facebooks halbherziger Kampf gegen den Hass
(spiegel.de)
Myanmar (auch als Burma oder Birma bekannt) hat über 50 Millionen Einwohner, von denen viele auf Facebook sind: Das Soziale Netzwerk sei nach einem “Reuters”-Bericht der dominierende Internetdienst des Landes. Ein Dienst, um den sich Facebook jedoch wenig kümmere. Rassismus und Gewaltaufrufe gegen muslimische Minderheiten wie die Rohingya seien an der Tagesordnung. Dass die Hass-Posts teilweise über Jahre stehenbleiben, liegt an der personellen Unterversorgung: Facebook habe nur drei Vollzeitangestellte, die Burmesisch sprechen und von Dublin aus arbeiten. Diese drei Menschen sollen die problematischen Inhalte von 18 Millionen burmesischen Facebook-Nutzern prüfen.

5. Tamedia-Roboter ersetzt SDA-Sportredaktion
(tageswoche.ch, Gabriel Brönnimann)
Die nationale Nachrichtenagentur der Schweiz, die altehrwürdige Schweizer Depeschenagentur SDA, erlebt ein schweres 125. Jahr ihres Bestehens mit Personalabbau, Streik und umstrittenen Dividendenausschüttungen. Nun geht der SDA ein wichtiger Großauftrag verloren: Das Medienhaus Tamedia hat den Bezug der Sport-Nachrichten gekündigt, für die bislang 18 Agentur-Journalisten zuständig waren. Deren Arbeit soll bei Tamedia anscheinend möglichst ein Computerprogramm (“Tadam”) übernehmen.

6. „Resozialisiert euch selber!“
(taz.de, Christoph Mackinger)
Seit über einem Monat erzählt ein Inhaftierter auf Youtube von seinem Knastalltag in der Berliner JVA Tegel. Natürlich ist das Ganze streng verboten, und Handys sind generell nicht erlaubt. Trotzdem veröffentlicht der Knast-Youtuber immer wieder kleine Filmchen. Was auch ein Licht auf die Wirksamkeit des Handyverbots wirft: In Berlin seien letztes Jahr rund 1300 Handys beschlagnahmt worden — bei rund 4.000 Inhaftierten.

Trump unbeschämbar, Untergang interessiert nicht, Insta-Repeat

1. “Journalisten werden die Öffentlichkeit selbst verteidigen müssen”
(zeit.de, Tobias Haberkorn & Dirk Peitz)
Jay Rosen ist einer der führenden Medienwissenschaftler der Vereinigten Staaten und derzeit im Rahmen seiner Arbeit in Deutschland. Die “Zeit” hat mit ihm über die “Washington Post”, Trump und die AfD gesprochen. In Bezug auf den medialen Umgang mit Rechts sieht Rosen die USA als mahnendes Beispiel: “Eine Lehre ist: Wer über Rechtspopulismus einfach nur berichtet, wird ein Teil von ihm. Es reicht nicht aus zu sagen: “Das ist passiert, also berichten wir darüber.” Eine andere Mahnung lautet: Weil Trump ein völlig schamloser Politiker ist, ist es unmöglich, ihn mit irgendetwas zu beschämen. Es bringt nichts, ihm vorzuhalten, wie viel negatives Feedback er für diese oder jene politische Maßnahme bekommen würde. Denn Trump lebt von der Kontroverse. Gewissermaßen lebt er sogar vom Hass gegen ihn, denn der hilft ihm, das Land weiter zu polarisieren. Wenn ein Medium nicht zu einem Teil der rechtspopulistischen Agenda werden möchte, dann muss es eine eigene reporting agenda entwickeln und öffentlich machen.”

2. Amazon nimmt Nazi-Symbole aus dem Sortiment
(wired.de)
Auf Druck von Anti-Rassismus-Vereinigungen dürfen Drittanbieter bei Amazon keine Produkte mehr verkaufen, die Symbole der Nazis und anderer Hassgruppen aufweisen. Amazon hat seine Regeln überarbeitet und will derlei Produkte zukünftig aus dem Angebot entfernen. Das wurde aber auch höchste Zeit, möchte man der Meldung hinterherseufzen.

3. Die Katastrophe hätte verhindert werden können
(spiegel.de, Georg Diez)
Georg Diez fragt sich in seiner aktuellen Kolumne über die Folgen des Klimawandels, wie es sein kann, “dass der Untergang der Menschheit so wenig Interesse erweckt und die Titelseiten sich in dieser Woche, wie in den Wochen und Jahren zuvor, eher mit der Partymetropole Berlin oder dem Elend der Patchwork-Familie beschäftigen als mit der im Grunde einzigen und überwölbenden und schrecklichen Realität unserer Zerstörung des Planeten”.

4. Zahlen, bitte!
(taz.de, Daniel Bouhs)
Google arbeitet schon seit Jahren intensiv mit Medien zusammen, unterstützt Verlage und Start-ups mit Millionensummen und spendiert Stipendien für DatenjournalistInnen. Natürlich nicht uneigennützig: JournalistInnen sollen ihre Datenbanken so aufbereiten, dass Google sie versteht. Wie es zum Beispiel bei der Zusammenarbeit mit dem deutschen Recherchebüro “Correctiv” geschah.

5. Feindselig
(faz.net, Ursula Scheer)
Ursula Scheer beschäftigt sich in der “FAZ” mit Trumps gebetsmühlenartig vorgetragener Medienschelte: “Fake News sind für Trump, was Trump zu Fake News erklärt. Die immer neuen Runden, in denen er mit solch tautologischen Manövern das Publikum und die Medienschaffenden wie am Nasenring durch die Manege führt, dienen seinem Zweck: Sie ermüden, sie verwirren, sie lassen es am Ende so aussehen, als wüsste wirklich niemand, was Fakt und was Fake ist, oder als wäre das letztlich ohnehin egal, weil der große Volkstribun immer recht hat. Dafür gibt es auch eine Bezeichnung, eine ganz sachliche. Sie lautet: “demokratiefeindlich”.”
Weiterer Lesehinweis: Horst Seehofer will künftig twittern — weil die Medien so gemein zu ihm sind (vice.com, Christina Hertel)

6. Das Bild kenn ich doch
(sz-magazin.sueddeutsche.de, Marc Baumann)
Viele Motive und Bildkompositionen auf Instagram wiederholen sich auf geradezu ernüchternde Weise: Ob die baumelnde Füße über der Schlucht, der Schuss aus dem Zelt oder der nachgestellte Caspar David Friedrich. Der Account “insta_repeat” stellt besonders beliebte Motive als Bildreihungen vor, was, wie Marc Baumann zu Recht anmerkt, zugleich traurig und sehr witzig ist.

Journalistische Rechtslust, Igel an den Orgeln, Herr des Türenzischens

1. Populismus und Appeasement
(journalist-magazin.de, Michael Kraske)
Der “journalist” hat seine aktuelle Titelgeschichte online gestellt. Michael Kraske führt in dem längeren Lesestück aus, wie der Rechtspopulismus auch den Journalismus erreicht: “Magazine entdecken die Lust an Krisen- und Untergangstiteln. Bild schürt wieder Ängste gegen Minderheiten. Polit-Talker treten als Volkes rechte Stimme auf, und Redakteure werben für einen verständnisvollen Umgang mit der AfD. Derweil geht das Sterben im Mittelmeer weiter. Journalisten sind dabei, Grundwerte preiszugeben. Das dürfen wir nicht zulassen.”

2. „Ohne Igel an den Orgeln“
(taz.de)
Die “taz” startet ihren traditionellen “Unterbringwettbewerb”, bei dem ein vorgegebener Nonsense-Satz in einen Zeitungsartikel, eine Radiosendung, ein Fernsehstück oder einen Internetbeitrag geschmuggelt werden muss. Je ernsthafter, desto besser! Dieses Jahr lautet der Satz: “Ohne Igel an den Orgeln keine Orgien in Georgien.” Einsendeschluss ist der 4. Oktober 2018.

3. Wisch und weg?!?
(spiegel.de, Margarete Stokowski)
Margarete Stokowski knöpft sich in ihrer neuen “Spiegel”-Kolumne die Kritiker der aktuellen Rassismus-Debatte vor: “Die aktuelle Diskussion über Özil und #MeTwo lässt sich auf die doch etwas jämmerliche Frage reduzieren: Gibt es in Deutschland mehr Rassismus als Deutsche wahrnehmen, die von Rassismus nicht betroffen sind? Das ist für diejenigen, die Rassismus erfahren, eine Frage der Sorte “Ist der Papst katholisch?” und für andere ein richtig schönes Debattenthema. Es scheint für einige Leute naheliegender, dass sehr viele Menschen, die ein Ü, Y oder Z im Namen tragen, paranoid sind und sich Diskriminierung einbilden, als dass sie selbst etwas nicht mitgekriegt haben.”

4. “Journalisten leben eben auch in einer Blase”
(ndr.de, Caroline Schmidt, Video, 8:18 Minuten)
Die Moderatorin des Schweizer Fernsehens (SRF) Susanne Wille spricht im “Zapp”-Sommerinterview über journalistische Haltungen, ihr Eintreten für den Schweizer Rundfunk und den Sinn einer emotionalen Debatte.

5. Papierzölle gefährden US-Presse
(deutschlandfunk.de, Sebastian Schreiber)
Eine Papierfabrik im amerikanischen Bundesstaat Washington hat darüber geklagt, dass kanadische Produzenten subventionsbedingt billiger anbieten könnten. Darauf hat die Trump-Regierung höhere Einfuhrzölle für kanadisches Papier verhängt. Was die amerikanische Papierindustrie stärkt, schwächt jedoch eine andere Branche: Die eh schon angeschlagene amerikanische Zeitungsindustrie. Sind die neuen Zölle ein gezielter Angriff auf die US-amerikanische Pressefreiheit?

6. Der Herr des Türenzischens ist tot
(golem.de, Tobias Költzsch)
Der US-amerikanische Sounddesigner Doug Grindstaff ist im Alter von 87 Jahren gestorben. Wenn Sie von Grindstaff noch nie etwas gehört haben, trifft dies wahrscheinlich nur teilweise zu: Er hat die Klangkulisse für die Star-Trek-Serie aus den Sechzigern (“Raumschiff Enterprise”) kreiert. Von ihm stammen unter anderem bekannte Sounds wie das Zischen der Türen, die Sirenen für den roten Alarm, das Piepen der Kommunikatoren sowie das Geräusch, das die Transporter der Enterprise machen.

Maaslos verkürzt

Bei Bild.de berichten sie heute schon mal vorab von einem Interview mit Außenminister Heiko Maas, das offenbar morgen erscheinen soll:

Maas sagte im Interview mit BILD (Montag): “Es schadet dem Bild Deutschlands, wenn der Eindruck entsteht, dass Rassismus bei uns wieder salonfähig wird. Dass sich Menschen mit Migrationshintergrund bedroht fühlen, dürfen wir nicht zulassen. Wir müssen gemeinsam sehr entschlossen für Vielfalt und Toleranz eintreten.”

Für ihre Startseite bastelt die Redaktion daraus:

Screenshot Bild.de - Maas im Bild-Interview - Özil-Debatte schadet unserem Ansehen

Wohlgemerkt: als Zitat gekennzeichnet!

Am Montag berichtete Bild.de über ein anderes Zitat von Heiko Maas. In dessen Aussage ging es um Fußballspieler Mesut Özil:

“Ich glaube auch nicht, dass der Fall eines in England lebenden und arbeitenden Multimillionärs Auskunft gibt über die Integrationsfähigkeit in Deutschland.”

Auf der Startseite klang das etwas anders:

Screenshot Bild.de - SPD-Minister Maas über Özil - Dieser Multi-Millionär hat nichts mit Integration zu tun

Auch hier wohlgemerkt: als Zitat gekennzeichnet!

Immerhin: In diesem Fall reagierte “Bild”-Chef Julian Reichelt auf Kritik und ließ die Zeile ändern:

Screenshot Bild.de - SPD-Minister Maas über Özil - Der Fall eines in England lebenden und arbeitenden Multimillionärs gibt keine Auskunft über die Integrationsfähigkeit in Deutschland

Mit Dank an @SandraKortig für den Hinweis!

Nachtrag, 30. Juli: Auf unsere Nachfrage, ob er und sein Team nicht auch im aktuellen Fall aktiv werden wollen, reagierte Julian Reichelt nicht. Aber: Seine Bild.de-Redaktion hat die Artikelüberschrift inzwischen geändert. Sie lautet nun:

Screenshot Bild.de - Heiko Maas im Bild-Interview über die Özil-Debatte - Es schadet uns, wenn Rassismus wieder salonfähig wird

Und auch auf der Startseite hat sie die Zeile angepasst.

Unsere Aufmerksamkeit, “Strenzen”, 800.000 € für (k)ein Sarrazin-Buch

1. Kinder in Thailand und Kinder auf dem Mittelmeer
(deutschlandfunk.de, Marco Bertolaso)
Warum bekommen die in Thailand in einer Höhle eingeschlossenen Jugendlichen mehr mediale Aufmerksamkeit als die Flüchtlinge, die im Mittelmeer in Lebensgefahr sind? DLF-Nachrichtenchef Marco Bertolaso kommentiert: “Mit Blick auf die Nachrichtenfaktoren lässt sich festhalten, dass die enorme Aufmerksamkeit für die Kinder in Thailand ein ganz normaler Vorgang ist. Was wir erleben entspricht guten menschlichen Regungen, es passt aber auch zu medialen Gesetzmäßigkeiten.”
Weiterer Lesetipp: Ute Schleiermacher beschäftigt sich auf taz.de mit demselben Thema: “Die Geschichten der Flüchtlinge, die im Mittelmeer in Not geraten, erzählen uns zugleich viel über unser eigenes Versagen und über unseren Rassismus.”

2. »Von Rad-Rowdys niedergemäht« – So macht die Krone Stimmung
(kobuk.at, Volker Plass)
Hat sich die Unfallhäufigkeit zwischen Radfahrern und Fußgängern in Wien verdoppelt wie von der “Kronenzeitung” behauptet? Wurden letztes Jahr gar elf Menschen von Radfahrern getötet? Volker Plass ist auf “Kobuk” dieser Frage nachgegangen und siehe da: “… derartige Todesopfer existieren nicht, Radfahren wird in Wien tendenziell sicherer, und Wiens FußgeherInnen müssen sich heute weniger fürchten als früher.”

3. Die anderen Nazis
(zeit.de, Angelika Nguyen)
In vier deutschen TV-Krimis des ersten Halbjahres 2018 ging es um Nazifrauen als Hauptfiguren. Dokumentarfilmerin Angelika Nguyen analysiert die Produktionen von “Tatort” und “Polizeiruf” und konstatiert: “Ähnlich wie man den tief verwurzelten Rassismus Südstaaten-Weißer durch Scarlett O’Haras Seelenleben im Roman Vom Winde verweht so richtig begreift, kann man mit diesen TV-Frauenfiguren das radikal menschenfeindliche Weltbild hiesiger Nazis viel besser verstehen als durch Dossiers der Bundeszentrale für politische Bildung. Und die Gefahr besser spüren, die in der menschlichen Normalität dieser Frauen liegt.”

4. Nordkurier erhält Anwaltspost von CDU-Frau Karin Strenz
(nordkurier.de, Gabriel Kords)
Die CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Strenz fiel wiederholt als leidenschaftliche Unterstützerin des autoritären Regimes Aserbaidschan auf. Gleichzeitig soll sie über Umwege Gelder aus Aserbaidschan erhalten haben, was den Verdacht auf Korruption aufkommen ließ. Strenz weist mit Nachdruck alle Korruptionsvorwürfe zurück und hat ihre Anwältin ein entsprechendes Schreiben an den “Nordkurier” aufsetzen lassen, der über die Vorgänge berichtet hatte. Dort hat man sich nun für eine neue Sprachregelung entschieden: “Für die Zukunft gibt es also ein neues Wort für das Verhalten von Frau Strenz: Wenn man mit einem autoritären Regime herumkungelt, Geld von dort entgegennimmt, niemandem davon erzählt und dann nicht wissen soll, wo das Geld herkam und sich zur Krönung des Ganzen sogar noch ungerecht behandelt fühlt, wenn sich die Öffentlichkeit darüber echauffiert — dann ist das: strenzen.“

5. Der Wert seriöser Berichterstattung
(taz.de, Cornelia Haß)
Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) und die Gewerkschaft Deutscher Journalisten-Verband (DJV) haben sich auf einen neuen Tarifvertrag für Tageszeitungsjournalisten in Deutschland geeinigt. In einem Gastkommentar erklärt Bundesgeschäftsführerin Cornelia Haß, warum die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union in Verdi (dju) das Tarifergebnis für inakzeptabel hält.

6. Wie man einen Bestseller lanciert
(sueddeutsche.de, Marie Schmidt)
Die Deutsche Verlags-Anstalt (DVA) hat bereits vier Bücher von Thilo Sarrazin veröffentlicht. Das fünfte Buch “Feindliche Übernahme. Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht” will die DVA jedoch nicht publizieren. Nun klagt Sarrazin auf Entschädigung und Schadenersatz von insgesamt 800.000 Euro wegen entgangener Einnahmen aus dem zu erwartenden Bestseller. Im Gespräch mit dem Richter habe Sarrazin Wert auf die Feststellung gelegt, dass das Geld eine “symbolische Bedeutung” habe.

Medien fallen auf Witz rein und lassen Katrin Göring-Eckardt mit einem Einhorn gegen Beatrix von Storch protestieren

Wenn eine, ähm, Nachricht schon so lautet, sollte man misstrauisch werden: Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, saß am Sonntag in der Talkrunde von Anne Will mit einem Einhorn-Klebe-Tattoo im De­kolle­té, weil sie damit auf Beatrix von Storch, stellvertretende Vorsitzenden der AfD-Bundestagsfraktion, reagieren wollte, die sich einige Tage zuvor über ein Spielzeug-Einhorn mit regenbogenfarbener Mähne aufgeregt hat, weil dieses Kinder zur Homosexualität verleitet und die traditionelle Ehe und Familie torpediert.

Es stimmt, dass auf Göring-Eckardts Schlüsselbein in der Sendung im “Ersten” ein Einhorn zu sehen war. Der Rest ist Unsinn. Weder hat die Grünen-Politikerin damit auf von Storch reagiert, noch hat von Storch diesen Regenbogen-Einhorn-Unfug erzählt. Und dennoch berichten verschiedene Redaktionen, dass es genau so gewesen sein soll.

“Spiegel Online” zum Beispiel:

Screenshot Spiegel Online - Anne Will zum Bamf-Skandal - Von Regenbogen-Einhörnern und Schweißperlen

Womit wir beim Einhorn wären.

Göring-Eckardt trägt’s als Provokation an die Adresse der AfD, die in den vergangenen Tagen gegen ein solches Einhorn — ein Spielzeug mit regenbogenfarbener Mähne, wohlgemerkt — mit schwersten Geschützen zu Felde gezogen ist. Das Ding sei dazu angetan, so Beatrix von Storch, Kinder zu homosexuellen Neigungen zu verleiten und traditionelle Ehe und Familie zu torpedieren.

Bild.de macht mit und beruft sich dabei auf “Spiegel Online”:

Screenshot Bild.de - Grünen-Politikerin bei Anne Will - Nanu, was ist das für ein Tattoo?

Hintergrund: Am Sonntagvormittag protestierten nach Polizeiangaben 25 000 Gegner der AfD friedlich in Berlin gegen eine Demonstration der Rechtspopulisten mit 5000 Teilnehmern.

Mit dabei war auch die Grünen-Politikerin, die auf Twitter mehrere Fotos von der Aktion und auch ihrem Klebe-Tattoo zeigte. Nicht nur ihre Teilnahme an der Demo, auch die Wahl des Motivs ist eine klare Ansage an die AfD.

Die AfD-Politikerin Beatrix von Storch hatte sich in den vergangen Tagen über ein Spielzeug-Einhorn aufgeregt, weil es Kinder angeblich dazu bringe, sich für Homosexualität zu interessieren und gegen das traditionelle Familienbild zu stellen, berichtete der “Spiegel”.

In der gedruckten “Bild” von heute gibt es auch einen Artikel zu Göring-Eckardts “Einhorn-Provokation”:

Ausriss Bild-Zeitung - Göring-Eckardt kämpft fürs Einhorn - Hintergrund der Einhorn-Provokation: Beatrix von Storch hatte sich über Spielzeug-Einhörner geärgert. Sie würden Kinder dazu bringen, sich für Homosexualität zu interessieren und gegen das traditionelle Familienbild zu stellen.

Die “Huffington Post” verbreitet die Geschichte ebenfalls, die Quelle ist auch hier “Spiegel Online”:

Screenshot Huffington Post - Göring-Eckardt zeigt Tattoo – Es ist eine Botschaft an AfD-Frau von Storch - Es blitzte aus ihrem Dekolleté hervor.

Ein Klebetattoo, wie sich schnell herausstellte. Damit wollte Göring-Eckhardt aber vermutlich nicht besonders trendy sein, sondern eine Botschaft vermitteln: an die AfD-Politikerin Beatrix von Storch.

Diese hatte in den vergangenen Tagen Einhorn-Spielzeug kritisiert, weil es angeblich Kinder dazu bringe, “sich für Homosexualität zu interessieren”, wie das Magazin “Der Spiegel” berichtete. Wie genau sich Frau von Storch diesen vermeintlichen Zusammenhang erklärt, bleibt derweil unklar.

Und die “Abendzeitung” aus München schreibt:

Screenshot abendzeitung-muenchen.de - TV-Talk mit Anne Will - Einhorn-Tattoo auf der Brust: Göring-Eckardt provoziert die AfD

Grund für diese Aktion war die umstrittene Aussage der stellvertretenden AfD-Fraktionsvorsitzenden Beatrix von Storch über ein Einhorn-Kinderspielzeug mit regenbogenfarbener Mähne. Dieses solle laut Storch Kinder zu homosexuellen Neigungen verleiten und die Werte der Ehe verunglimpfen.

Wir haben im Büro von Katrin Göring-Eckardt nachgefragt. Dort bestätigte man uns, dass das Einhorn-Tattoo zwar von einer Demonstration gegen die AfD-Demo am Sonntag in Berlin stamme; dass es aber nichts mit einer möglichen Äußerung von Beatrix von Storch zu tun habe. Wir haben im Büro von Beatrix von Storch nachgefragt. Dort bestätigte man uns, dass es keine Äußerung der AfD-Politikerin zu einem Spielzeug-Einhorn mit Regenbogenmähne gebe. Auch auf keinem der Social-Media-Kanäle, auf denen von Storch aktiv ist, findet man etwas zum Thema.

Aber woher stammt nun die Geschichte mit dem Spielzeug-Einhorn? Von der Website nachrichten.de.com. Dort steht auf der Startseite:

Erfinde deine eigenen Witz (sic!) und lege alle deine Freunde rein!

… oder eben “Spiegel Online”, Bild.de, “Bild”, “Huffington Post” und die “Abendzeitung”.

Der ganze “Witz” geht übrigens so:

Ein Spielzeug von Schleich sorgt bei der rechtspopulistischen AfD derzeit für einen Sturm der Entrüstung. Die stellvertretende AfD-Bundesvorsitzende Beatrix von Storch hat das circa 18 cm große Fabeltier als einen linken Versuch, Kinder zu verunsichern zu kritisiert. Die strikt konservative Politikerin betrachtet das Spielzeug als homosexuelle Propaganda, die gezielt verbreitet werde, um Kinder zu manipulieren. Kinder würden so durch die positive Verwendung der Regenbogensymbolik verleitet, mit homosexuellen Neigungen zu experimentieren, so von Storch. Dass das Einhorn als “Einhornstute” angepriesen wird, das Horn aber als Phallus-Symbol interpretiert werden könne, sei außerdem eine Abkehr von binären Geschlechtern und damit ein Angriff auf die traditionelle Ehe und Familie.

Bernd Höcke stimmt seiner Parteifreundin zu und legt noch nach. Wörtlich soll er das Regenbogeneinhorn als “Schweinkram” bezeichnet haben. Später relativierte Höcke dieses Aussage und unterbreitete Schleich stattdessen einen Vorschlag, wie das Spielzeug an traditionelle Wertvorstellungen angepasst werden könne: “Ich fordere ja kein totales Einhorn-Verbot. Nur der Regenbogen muss weg. Eventuell eine andere Farbe. Wie wäre es mit braun? Braun ist eine schöne Farbe. Die mochte ich schon immer.”

Beatrix von Storch gibt nun wirklich genug Blödsinn und Scheußlichkeiten von sich, an denen sich Redaktionen abarbeiten können. Sie müssen nicht auch noch auf eine Witze-Seite reinfallen.

Mit Dank an Günter F. für den Hinweis!

Nachtrag, 30. Mai: Die meisten Redaktionen haben inzwischen — mehr oder weniger transparent — reagiert: Das Onlineteam der “Abendzeitung” hat seinen Artikel einfach komplett und kommentarlos gelöscht.

Die “Huffington Post” schreibt nun:

Update: In einer früheren Version hatten wir mit Verweis auf andere Medien fälschlicherweise berichtet, Beatrix von Storch hätte gesagt, dass Einhörner Kinder dazu brächten, sich für Homosexualität zu interessieren. Laut dem Büro der AfD-Politikerin hat Beatrix von Storch diesen Satz nicht gesagt.

Bild.de hat ebenfalls korrigiert:

In einer früheren Version dieses Artikels hieß es zudem auf Basis eines “Spiegel”-Berichts, Göring-Eckardt habe damit Beatrix von Storch (47, AfD) provozieren wollen, weil diese der Meinung sei, Einhörner würden Kinder dazu bringen, sich für Homosexualität zu interessieren.

Das trifft nicht zu. Wir bitten beide Politikerinnen um Entschuldigung.

Die Pressestelle der Grünen-Fraktion sagte am Dienstag auf BILD-Anfrage: “Das Einhorn ist ein Symbol gegen Hass, Hetze und Rassismus und ein Zeichen für Vielfalt, Toleranz und Buntheit. Deshalb hat Frau Göring-Eckardt das Einhorn-Tattoo am Sonntag in Berlin auf einer AfD-Gegendemonstration spontan getragen.”

In “Bild” ist heute eine ganz ähnliche “Berichtigung” erschienen.

Nur bei “Spiegel Online”, dem Ursprung dieser Einhorn-Ente, hat offenbar noch niemand gemerkt, wie falsch die eigene Berichterstattung ist — der Artikel ist unverändert abrufbar.

Nachtrag 2, 30. Mai: Nun hat auch “Spiegel Online” eine Korrektur veröffentlicht. Die Redaktion schreibt:

Anm. d. Red: In einer früheren Version schrieben wir, dass die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt in der Sendung ein aufgeklebtes Einhorn-Tattoo trug — und dass es als Provokation an die Adresse der AfD und Beatrix von Storch gerichtet war. Das war nicht der Fall — wir haben die Passage geändert.

Der “MDR” und der grausige Tweet, Abgehefteter Hass, Bahnbabo

1. MDR-Sendung platzt nach rassistischem Tweet
(tagesspiegel.de, Matthias Meisner)
“Darf man heute noch “Neger” sagen? Warum Ist politische Korrektheit zur Kampfzone geworden?” So lautete die verstörende Ankündigung einer Radiodiskussion mit der früheren AfD-Chefin Frauke Petry, dem Moderator Peter Hahne, der sächsischen Linke-Landtagsabgeordneten Kerstin Köditz und dem Leipziger Politikwissenschaftler Robert Feustel. Nachdem es auf Twitter zu einem Shitstorm kam und zwei Diskussionspartner absagten, sagte der MDR die Sendung ab.

Für alles Weitere zum Ablauf des Geschehens samt unglücklicher MDR-Kommunikation siehe unseren Beitrag: MDR diskutiert mit Weißen über Rassismus gegenüber Schwarzen (bildblog.de, Moritz Tschermak).


2. Schreit es weg!
(sueddeutsche.de, Willi Winkler)
“National Enquirer” heißt das Klatschblatt, das in ganz Amerika strategisch günstig neben der Supermarktkasse ausliegt. Sämtliche Promis müssen damit rechnen, irgendwann einmal ins Visier der Boulevardzeitung zu geraten. Nur einer scheint sicher: Donald Trump. Und das liegt an der engen Freundschaft von Trump und David J. Pecker, dem Verleger des Revolverblatts.

3. Virtueller Hass, säuberlich sortiert
(spiegel.de, Melanie Amann & Marcel Rosenbach)
Wer rechtswidrige Posts in sozialen Netzwerken entdeckt und vergeblich versucht hat, eine Löschung zu bewirken, kann sich an das Bundesamt für Justiz in Bonn wenden. Melanie Amann und Marcel Rosenbach vom „Spiegel“ haben die Behörde besucht, bei der die Beschwerden fein säuberlich in blauen Aktenmappen landen. Und mussten als externe Besucher zunächst die vorgeschriebene Sicherheitseinweisung für den Paternoster überstehen.

4. Der Mann, der kein Spion war: Wie sich das Leben des Baslers nach falschen Vorwürfen verändert hat
(bzbasel.ch, Annika Bangerter)
Der türkischstämmige Basler Y. S. soll als Polizeiassistent für Erdogan spioniert haben, doch die Vorwürfe erwiesen sich als haltlos. Die öffentliche Wahrnehmung war jedoch eine andere, auch durch die Medienberichte. „bz Basel“ hat mit Y.S. darüber gesprochen, wie die falsche Spitzel-Geschichte sein Leben verändert hat: „Der Spion bleibt an mir haften, ich bin abgestempelt. Bis heute meide ich deshalb Örtlichkeiten, an denen sich viele Menschen aufhalten. Ich will nicht, dass sich jemand durch meine Anwesenheit provoziert fühlt oder gar das Gefühl hat, sich beweisen zu müssen. Im Sinne von: «Jetzt zeigen wir es dem Spion.» Eine solche Situation eskaliert schnell.“

5. Investigative Filmemacher und die Haftungsfrage
(ndr.de, Sabine Schaper)
Bei den in der ARD ausgestrahlten investigativen Dokumentationen, auf die der Sender so stolz ist, handelt es sich um Auftragsproduktionen, hinter denen freie Produzenten stecken. Als kleine Firmen legen sie sich oft mit den großen Playern aus Politik und Wirtschaft an und setzten sich einem erheblichen Risiko aus, verklagt und in den finanziellen Ruin getrieben zu werden. Was helfen könnte: Neue Verträge.

6. Alles gechillt beim Bahnbabo
(fr.de, Kathrin Rosendorff)
Peter Wirth (57) ist Straßenbahnfahrer, Social-Media-Star und eine Berühmtheit in Frankfurt: Er ist der durchtrainierte, muskelgestählte und von allen geliebte „Bahnbabo“.

Verantwortungsvoll rassistisch

Manchmal ist es ganz wesentlich, wer etwas in welcher Situation gesagt hat, wenn man den Inhalt einer Aussage bewerten will.

Am Bonner Landgericht läuft aktuell ein Prozess, in dem es um eine Vergewaltigung auf einem Campingplatz geht. Der Fall hatte vor einigen Monaten überregional für Aufsehen gesorgt. Und um es von Anfang an klar zu sagen: Sollte der Angeklagte aus Ghana — entgegen seiner Unschuldsbeteuerung — die Tat begangen haben, muss er dafür natürlich verurteilt werden.

Am Montag vergangener Woche sagte unter anderem die Kripobeamtin aus, die nach der Tat mit dem Vergewaltigungsopfer gesprochen hatte. Einen Tag später veröffentlichte das Kölner Boulevardblatt “Express” einen größeren Artikel, in dessen Überschrift die Redaktion auch ein Zitat eingebaut hatte:

Ausriss aus dem Express - Vergewaltigungsprozess: Polizisten als Zeugen - Opfer ergab sich schwarzem Monster

Im Text taucht das “schwarze Monster”-Zitat noch einmal auf. Und auch dort wird nicht eindeutig klar, von wem es stammt:

In Wahrheit habe sie [das Opfer] unter Schock gestanden. “Trotz Todesangst um sich und ihren Freund” habe die 23-Jährige geistesgegenwärtig reagiert, als sie sich entschied, sich nicht zu wehren. So ergab sie sich dem “schwarzen Monster”, ihren Freund beschwor sie noch beim Verlassen des Zeltes, das Schweizer Messer stecken zu lassen und die Polizei zu rufen.

Auf Nachfrage schreibt uns die Redaktion, dass das Zitat von der Polizistin stamme. Allerdings handele es sich dabei nicht um deren eigene Worte, sondern um “die Reaktion des Opfers”, die die Beamtin in ihrer Aussage lediglich wiedergegeben habe. Warum macht der “Express” in seinem Artikel nicht eindeutig klar, wer da redet? Und wer wen zitiert?

Der “Express” erklärt zur “schwarzen Monster”-Aussage an sich:

Wer derart Erschreckendes [wie das Opfer] erlebt hat, wird sich kaum in dieser Schocksituation auf politisch Korrektes besinnen. Wenn Sie sich in die Tiefen des Falles einarbeiten, können Sie sicherlich nachvollziehen, dass die Äußerung keineswegs in einem rassistischen Zusammenhang zu sehen ist, sondern aus dem Effekt heraus getan wurde.

D’accord.

Nur war schon die Aussage der Kripobeamtin vor Gericht nicht mehr “aus dem Effekt heraus”. Und der anonyme Autor des “Express”-Artikels hat seinen Text erst recht nicht mehr “aus dem Effekt heraus” aufgeschrieben. Und dennoch hat das Blatt das “schwarze Monster” sowohl in der Titelzeile als auch im Artikel einfach so übernommen. Keine Distanzierung, keine Bemerkung zur Wortwahl (und wäre es nur eine wie in der Stellungnahme uns gegenüber), als handele es sich um eine ganz normale Aussage. Dabei ist sie, wie sie im “Express” daherkommt, gleich doppelt problematisch. Schon das “Monster” entmenschlicht eine Person, die zweifelsohne etwas Schreckliches getan haben soll, aber noch immer ein Mensch ist. Das “schwarze Monster”, die Betonung der Hautfarbe des Angeklagten, ist Rassismus und ein rassistisches Klischee. Dass die Haut des mutmaßlichen Täters schwarz ist, hat nichts mit der ihm angelasteten Tat zu tun. Der “Express” hätte problemlos ohne das “schwarze Monster” auskommen können.

Das sieht die Redaktion anders:

Wie Sie wissen, steht der EXPRESS für unabhängige Berichterstattung, Toleranz, Vielfalt und soziale Verantwortung. Die Redaktion hält sich an den Pressekodex und achtet dessen Vorgaben. In diesem Fall sehen wir den Schockausruf des Opfers nicht als rassistisch an, sondern als Ausruf der Verzweiflung. Die Verbreitung des Zitats ist in diesem Fall aus unserer Sicht zulässig, um den kompletten Horror des Erlebten zu beschreiben. Aus unserer Sicht gibt es zwei Möglichkeiten: Sie berichten authentisch über diesen wohl in seiner Brutalität einzigartigen Fall, der ein hohes Interesse in der Bevölkerung hervorruft, oder sie vermelden kühl Anklage und Urteil. Sich auf diesem Weg von klaren Zitaten eines Dritten, die in einer Gerichtsverhandlung fallen, zu distanzieren, diese politisch korrekt zu biegen und zu verfälschen, würde die Glaubhaftigkeit der Presse eher untergraben.

Das “schwarze Monster” kann aus Sicht des “Express” also nicht nur in den Artikel, es muss hinein, wenn man verantwortungsvoll berichten will. Und augenscheinlich auch noch in die Überschrift. Um es noch mal klar zu sagen: Uns geht es nicht darum, etwas “politisch korrekt zu biegen und zu verfälschen”, sondern um einen bewussten Umgang mit Sprache und die fahrlässige Reproduktion rassistischer Äußerungen.

Der “Express”-Text landete mitsamt der “schwarzen Monster”-Aussage noch bei Express.de, auf der Internetseite der “Kölnischen Rundschau”, die ebenfalls zum “DuMont”-Verlag gehört, und durch eine Kooperation auch bei “Focus Online”.

Unter dem dazugehörigen Post auf der Facebook-Seite von “Focus Online” griffen mehrere Kommentatoren das Zitat der Polizistin auf:

“Schwarzes Monster“ (O-Ton). Merkel ich mir, wunderbar zutreffend und nicht zensierbar.

Soll sie sich doch bei merkel bedanken, dass schwarze Monster konnte nur durch merkels gechicke her kommen. Lasst euch trösten! Es kommt jeder mal dran, denn die Grenzen sind immer noch offen, und 200000 Menschen reisen nun legal ein Plus Familiennachzug.

Was ein Monster typisch mal wieder ein Ausländer die jagt auf unsere Frauen machen. Wer hat denn überhaupt rein gelassen 😠

Dieses Monster sollte man ohne Fallschirm über seiner Heimat abwerfen! Die Grenzen müssen endlich wieder gesichert werden, sonst bekommen wir noch mehr von diesen Monstern inns Land.

Aus Ghana. Gehört Ghana jetzt auch zum syrischen Kriegsgebiet, oder warum war dieses Monster überhaupt in Deutschland?

Warum wird denn hier der Täter noch in Schutz genommen. Zeigt uns dieses Monster

Was für ein Monster, und sowas sollen wir hier aufnehmen und beherbergen?! Dieser Mann ist eine tickende Zeitbombe!

Mit Dank an @pfuideifipegida für den Hinweis!

rbb-Wahlkampf-Moderator, VHS-Kurs-Klaas, Hurrikan-Reporter

1. rbb missbilligt Einsatz von Jörg Thadeusz im CDU-Wahlkampf
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
rbb-Moderator Jörg Thadeusz hat unlängst eine CDU-Wahlkampfveranstaltung mit Angela Merkel moderiert. Dabei hat er auf seine Tätigkeit beim rbb hingewiesen und seine Sendung “Fahrbereitschaft”, in der er sich mit den Spitzenpolitikern der kandidierenden Parteien unterhält. Als ihn der Journalistenkollege Tilo Jung auf Twitter auf einen möglichen Interessenkonflikt ansprach, reagierte Thadeusz verschnupft und blockierte seinen Kritiker. Stafan Niggemeier kommentiert: “Bemerkenswert ist, in welchem Maß der Moderator in der Diskussion auf Twitter nicht einmal im Ansatz erkennen wollte, dass die Doppelrolle insbesondere im Wahlkampf problematisch sein könnte.” Wenigstens der rbb hat die Brisanz erkannt und das Verhalten des Moderators missbilligt.

2. „Menschenwürde vor Meinungsfreiheit“
(message-online.com, Nadine Sebastian & Lydia Ulbrich)
“Message Online” hat 29 Medienhäuser zu ihren Erfahrungen mit Hasskommentaren befragt und die Ergebnisse in eine interaktive Karte einfließen lassen.

3. Volkshochschulkurs mit Unterhaltungselementen
(faz.net, Frank Lübberding)
Gestern Abend lief auf “Pro Sieben” das Politformat „Ein Mann, eine Wahl“ mit Klaas Heufer-Umlauf, eine Mischung aus Politiker-Interviews und Prominenten-Statements. Frank Lübberding nennt die Sendung einen “Volkshochschulkurs mit Unterhaltungselementen” und befindet: “Hier soll in unterhaltsamer Form dem eher desinteressierten Bürger sein Wahlrecht schmackhaft gemacht werden. Wahlberichterstattung als Infotainment, wobei die Medien noch dazu am liebsten sich selbst und ihre Wirkung thematisieren.”

4. Beim Thema Alltagsrassismus findet Merkel die falschen Worte
(sueddeutsche.de, Antonie Rietzschel)
“SZ”-Korrespondentin Antonie Rietzschel hat sich die gestrige “Wahlarena mit Angela Merkel” (ARD) angeschaut, bei der Zuschauer die Kanzlerin befragen. Diese hat ihre ganze Erfahrung ausgespielt und gelegentlich mit rhetorischen Tricks gearbeitet. Doch an einer Stelle habe sie versagt, so Rietzschel: “Beim Thema Alltagsrassismus findet Merkel die falschen Worte.”

5. Die Kanzlerin, eine wilde Jugend und eine sehr alte E-Mail
(correctiv.org, Lennart Kutzner)
Viele User sind auf einen satirischen Blogartikel des rechten Bloggers David Berger zur DDR-Vergangenheit der Bundeskanzlerin hereingefallen. “Correctiv” geht der Frage nach, wie sich solche Falschmeldungen im Netz verbreiten können. Wobei der konkrete Fall eine Besonderheit aufweist, denn der Autor hat seinen Beitrag auf zwei verschiedenen Plattformen gepostet, einmal mit und einmal ohne den Satirehinweis.

6. Hurrikan-Reporter als Kriegshelden
(srf.ch, Fredy Gsteiger)
Der Wirbelsturm “Irma” ist das beherrschende Thema in den amerikanischen Medien: Folgerichtig überbieten sich die US-Fernsehstationen geradezu mit dramatischen Bildern und die Außenreporter werden wie Kriegshelden inszeniert. Im SRF-Artikel wird mit Hilfe von zwei Beispielvideos gezeigt, wie sich die Hurrikan-Reporter in Szene setzen.
Auch die “SZ” hat sich dem Phänomen gewidmet und schließt mit den Worten: “Reporter sind keine Karikaturen, aber dann sollten sie nicht nur den Stürmen, sondern auch den Inszenierungen die Stirn bieten.”

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