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Allgemein  

Biere zu Apfelsaftschorlen

Hä? Am Montag zahlte “Bild” zwei “BILD-Leser-Reportern” 500 Euro für ein Foto, das einen Polizisten beim Apfelsaftschorle-Trinken zeigt.
 
Aber vielleicht sollte man die Geschichte ein wenig anders erzählen. Denn “Bild” behauptete u.a. (zumindest in Teilen ihrer Auflage und online), auf dem Foto sei “ein Polizist beim kühlen Bierchen am Vormittag” zu sehen. Darüber hinaus hieß/heißt es suggestiv eher vage:

[Die “Bild”-Leser] erwischten diesen relaxten Polizisten beim Trinken. Ein Bierchen oder doch nur eine Apfelschorle? Hoffentlich hatte der schon Feierabend

Allerdings stand anderntags in der “Korrekturspalte” von “Bild”:

Das Polizeipräsidium Bielefeld legt Wert auf die Feststellung, daß der Beamte der Stadtwache auf Fußstreife in der Innenstadt war und bei seiner kleinen Pause kein Bier getrunken hat.

Deutlicher wurde die “Neue Westfälische”, die ebenfalls gestern ausführlich über das falsch beschriftete “Bild”-Foto berichtete (siehe Ausriss):

Das vermeintlich kühle Bier ist eine Apfelsaftschorle, die der Polizeikommissar vormittags am Stehtisch auf der Bahnhofstraße (…) trank. “In diesem Geschäft gibt es nicht einmal Bier”, sagt Polizeisprecher Martin Schultz.

Was abermals die Frage aufwirft, wie es dazu kommen kann, wenn “Bild” tatsächlich (wie behauptet) die Leserfotos genauso prüft wie die Angebote professioneller Fotografen. Eine Frage, auf die wir von “Bild” bislang noch keine Antwort bekommen haben.

Mit Dank an Jan. G, padeluun, Dirk B. und Markus P. für die Scans.

Allgemein  

Mach’s noch einmal, Ronaldo

Am Montag fand in Madrid eine Pressekonferenz mit dem brasilianischen Stürmer Ronaldo statt. Es war der Vortag des Champions-League-Spiels von Real gegen Arsenal London, deshalb waren viele internationale Journalisten dabei. Sie hatten danach Aufregendes zu berichten: Ronaldo deutete an, dass er den Verein vielleicht zum Ende der Saison vorzeitig verlässt. Er beschwerte sich, dass ihn die Fans nicht mögen, er sprach von seiner großen Traurigkeit und davon, dass er mit dem Vereinspräsidenten darüber geredet hätte, und er sagte auf die Frage, ob England ein mögliches Ziel wäre, dass jeder Ort eine Option wäre.

Auch Bild.de berichtete am Montag von dieser Pressekonferenz und zitierte Ronaldo ausführlich; “Bild” brachte am Dienstag eine kurze Meldung. Am Mittwoch aber legten “Bild” (in einem Teil der Auflage; siehe Ausriss) und Bild.de noch einmal nach. “Bild”-Reporterin Cathrin Gilbert muss einen besonderen Zugang zu dem Stürmerstar haben, denn:

“Exklusiv in BILD spricht er über seine Gründe.”

Das Exklusiv-Interview ist kurz und knackig. Ronaldo beschwert sich darin, dass ihn die Fans nicht unterstützen, er spricht von seiner großen Traurigkeit und davon, dass er mit dem Vereinspräsidenten darüber geredet hätte, und er sagt, England sei, falls er geht, ein mögliches Ziel.

“Bild” “exklusiv” Pressekonferenz
Die Fans sind so verdammt eigen. Sie verlangen das Unmögliche von uns Spielern. The Madrid fans are very special and they seem to get motivated by the idea of an impossible comeback win (…).
Anstatt zu pfeifen, sollten [die Fans] uns unterstützen. Ich habe schon oft Zeichen gegeben: Unterstützt uns! One mistake and they whistle me. We need fans that will support us all the time.
Ich habe [Präsident Perez] oft gebeten zu helfen. Aber es hat sich nichts geändert. Ich bin traurig. The Real Madrid president knows what I’ve just said and knows my sadness regarding my relationship with the Bernabeu fans. I have always received his support but things haven’t changed (…).
Der Titel und die Champions League stehen an Nummer 1. Aber ohne Geborgenheit geht‘s nicht. Ich denke über einen Wechsel nach. I have never stayed in a place where I am not wanted and I will consider my future at the end of the season.
Wenn ich mich Ende der Saison gegen Madrid entscheide, ist England eine Option. Das entscheide ich nach der WM. If I decide to leave Real Madrid at the end of the season then all options will be open. I will decide on my future after the World Cup.

 
Entweder hat Ronaldo also all das, was er am Montag der Weltpresse erzählt hat, am Dienstag noch einmal fast wörtlich exklusiv der “Bild”-Reporterin erzählt. Oder nicht.

Danke an Christian H. für den Hinweis!

Verleumdungen, Falschmeldungen, Kampagnen

Es hat sich zudem herausgestellt, dass die Bild-Zeitung, der größte Profitbringer des Verlages, auch sein größtes Problem ist. In erster Linie liegt das an der hohen millionenfachen Auflage und der dominanten Stellung auf dem Anzeigenmarkt. Es liegt aber auch an dem außergewöhnlich miserablen Ruf der Zeitung, die mit ihren Verleumdungen, Falschmeldungen und Kampagnen weit über das hinausgeht, was man von einer Boulevardzeitung zu tolerieren bereit ist. Da darf es Springer nicht wundern, dass die Behörden in diesem Fall besonders penibel sind. Der Gefahr entgegenzutreten, dass sich diese Abart des Journalismus auf weitere Medien ausdehnt, ist die Pflicht verantwortungsbewusster Kontrolleure.

Die “Berliner Zeitung” über die von den Medienkontrolleuren verhinderte Fusion von Axel Springer mit ProSiebenSat.1.

  

z.B. Klausjürgen Wussow

Die “Bild”-Zeitung verdankt Klausjürgen Wussow viel.

Im Dezember 1995 bekommt sie eine Homestory und ein großes “Partner-Interview” von ihm und seiner neuen Frau Yvonne. Im Juli 1998 berichtet sie groß über den “endgültigen Bruch” seiner Familie, als er seine Kinder Barbara und Alexander enterbte. Im September 1999 diskutiert sie mit Barbara und Alexander den “unerbittlichen Scheidungskrieg” und die Frage, warum Wussow nicht zur Beerdigung seiner Ex-Frau gekommen sei.

Sie berichtet mehrfach im März und April 2000, als die Ehe zwischen Yvonne und ihm zerbricht, schildert ihn als “verzweifelt” und “einsam”, titelt: “An der 3. Ehe zerbrach sein Leben”, schreibt von seinem “Kampf um seine Ehe” und fasst zusammen: “Familie weg, Frau weg, Freunde weg.”

Im Mai 2000 fragt “Bild”: “Wird es jetzt doch noch eine schmutzige Scheidungsschlacht?” In einem Interview sagt er der “Bild am Sonntag: “Wissen Sie, ein kluger Kopf hat mal gesagt: Sterben ist Scheiße. Aber das stimmt nicht. Einsam alt zu werden — das ist Scheiße.”

Im Juli 2000 zitiert “Bild am Sonntag” ausführlich aus Akten des Unterhaltsverfahrens seiner Frau und staunt u.a. über eine Risiko-Todesfallversicherung, die sie abgeschlossen haben soll: “3,3 Millionen für Yvonne — wenn Wussow bis 2004 stirbt”. Eine Woche später schreibt “Bild am Sonntag”: “Wussow gegen Wussow — jetzt brechen die letzten Dämme” und zitiert detailliert aus Liebesbriefen, die Yvonne Wussow an ihren angeblich verheirateten Geliebten geschrieben haben soll. Zwei Tage später veröffentlicht “Bild” einen “offenen Brief” von Yvonne an Klausjürgen Wussow und nennt ihn den “vermeintliche(n) Schlussstrich unter einen der schmutzigsten Rosenkriege, die es in Deutschland je gegeben hat”.

Im Oktober 2000 berichtet “Bild”, dass ein Haftbefehl gegen Yvonne Wussow erlassen wurde, die Klausjürgen Wussow indirekt die Schuld daran gibt, dass sie vielleicht ins Gefängnis muss. Im September 2001 schreibt “Bild”, dass Wussow keinen Unterhalt für Yvonne und ihren gemeinsamen Sohn Benjamin zahle: “Scheidungskrieg extrem: Familie Wussow stellt neue Schlammschlacht-Rekorde auf.” Einen Monat später titelt “Bild”: “Frau Wussow am Ende”, nennt sie einen “Sozialfall” und schreibt: “Schauen Sie sich an, wie elend es ihrer Frau geht, Herr Wussow!”

Nun beginnt ein langes Pingpong-Spiel, in dem Yvonne und Klausjürgen Wussow per “Bild” miteinander streiten. “Bild” titelt u.a.: “Wussow schämt sich für seine Frau”, “Und ewig hassen sich die Wussows”, “Wussow intim — jetzt sag ich alles!”

“Bild” enthüllt: “Sauber! Frau Wussow, die jeden Monat 561 Mark vom Sozialamt bezieht, leistet sich eine Putzfrau für 2400 DM im Monat” und nennt sie deshalb “die Unverschämte des Jahres”. Die Zeitung beginnt, die Berichte über den Scheidungskrieg unter dem Titel “Diese Wussows” durchzunummerieren. Am 2. November 2001 erscheint Folge 162, in der es darum geht, dass Klausjürgen Wussow seit vier Monaten mit Sabine Scholz zusammen sei, der Witwe des Boxers Bubi Scholz. “Bild” titelt: “Heißt Wussow bald Bubi?” Folge 203 lautet: “Scheidung wieder geplatzt! Wussow tobt — Yvonne ist zu gierig!”

Am 5. Januar 2002 zitiert “Bild” angeblich den achtjährigen Benjamin: “Du bist nicht mehr mein Papa. Ich will dich nie mehr sehen.” Drei Tage später antwortet Wussow, ebenfalls in “Bild”: “Nehmt meiner Frau das Kind weg!” Zwischenzeitlich “beleidigt” Wussow laut “Bild” Uschi Glas und wird von der Zeitung “im Schoß von Gabi Dohm” erwischt.

Als Klausjürgen Wussow im Oktober 2002 angeblich einen Nervenzusammenbruch mit Kreislaufkollaps erleidet, fragt “Bild”: “Bringt der Scheidungskrieg den TV-Star noch um?” Am Tag darauf lautet die Frage auf der Titelseite: “Was weiß Wussows unheimliche Wahrsagerin”, die den Kollaps vorhergesagt haben soll.

Am 13. Februar 2003 berichtet “Bild” vom Vollzug der Scheidung. Tags darauf benutzt “Bild” eine bekannte Formulierung: “Einen Tag nach der Scheidung brechen alle Dämme”, schreibt: “Nach der Scheidung packt Frau Wussow aus” und titelt: “Die Wahrheit über meine Ehe — Ich hatte Brustkrebs — Er bat mich betrogen — Und immer so viel Whiskey…”

Im Frühjahr 2004 ergibt sich eine überraschende neue “Nachrichten”-Lage. “Bild” titelt: “Armer Klausjürgen Wussow / Von Witwe Scholz gedemütigt, geschlagen!” Am 2. März 2004 berichtet “Bild”, dass Wussow in einem RTL-Interview “hilflos, verwirrt und stammelnd” zu sehen war. “Bild” spricht von “Altersdemenz”, seine Ex-Frau Yvonne mache für Wussows Zustand aber nicht die Krankheit, sondern “vor allem” Sabine Scholz verantwortlich. Einen Tag später gibt Wussow “Bild” ein Interview, das die Zeitung mit der Frage beginnt: “Herr Wussow, Ärzte erkennen bei ihnen Anzeichen von Altersdemenz. Wie geht es Ihnen?”

Am 2. April 2004 weiß “Bild” von der Neuauflage der “Schwarzwaldklinik” zu berichten und titelt: “Neue Schwarzwald-Klinik rettet Wussow!” Nur fünf Tage später macht ein anderes angebliches Fernsehengagement Schlagzeilen. “Bild” behauptet, die “geldschlaue Witwe Scholz” habe Wussow für 5000 Euro an “Big Brother” “verkauft”. Das Dementi folgt keine Woche später: Der Arzt soll Wussow den Auftritt untersagt haben. “Bild” fragt: “Sind die vielen Nackten und die wilden Sex-Orgien im TV-Container zu viel für sein schwaches Herz?”

Am 15. April 2004 beginnt in “Bild” die “bewegende neue Serie” von Yvonne Wussow: “Die ganze Wahrheit über meinen Ex-Mann Klausjürgen” (“in BILD schreibt sie alles!”).

Im Juni 2004 erleidet Wussow laut “Bild” einen “schweren Kollaps”, am Tag danach dankt er Gott per “Bild”, dass er noch lebt. Im Oktober 2004 spricht Yvonne Wussow mit “Bild” über ihr “Brustkrebs-Drama”: (“Sie lehnte Amputation ab / Sie ging zum Heilpraktiker / Jetzt schwerer Rückfall!”)

Die Neuauflage der “Schwarzwaldklinik” hält “Bild am Sonntag” am 20. Februar 2005 für Wussows “wohl letzten großen Auftritt” und zitiert ihn mit den Worten: “Laßt mich doch in Würde abtreten.” Doch es kommt zu einem weiteren Serienfolge und dabei, laut “Bild”, zu einer Wunderheilung. “Schwarzwaldklinik macht Wussow gesund”, behauptet die Zeitung im August 2005 von den Dreharbeiten. Im Dezember 2005 dementiert “Bild” sich selbst und schreibt nun, Wussows Auftritt sei “erschütternd”; er habe sich kaum seine kurzen Sätze merken können.

Am Tag nach der Ausstrahlung lässt “Bild” Yvonne Wussow erneut öffentlich die Schuld am Zustand des Schauspielers seiner neuen Frau geben: “Was hat Witwe Scholz aus meinem Klaus gemacht?”, lautet die Schlagzeile. Einen weiteren Tag fragt “Bild”: “Erkennt er sich selbst nicht mehr im TV”, ohne im Artikel irgendeinen Beleg dafür zu bieten. Wiederum einen Tag später zeigt “Bild” zwei Fotos, die Sabine Scholz in identischer Pose zeigen: einmal mit Wussow und einmal mit Bubi Scholz, der nach langer Krankheit im Altersheim verstorbenen war. Die Überschrift lautet:

“Erleidet Wussow das gleiche Schicksal wie Bubi Scholz?”

Schwups IV

Es hat lange gedauert. Die Axel Springer AG hat sich bis zuletzt mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, eine Gegendarstellung von Umweltminister Jürgen Trittin abzudrucken. Das Landgericht Berlin hatte sie bereits am 6. September mit einer einstweiligen Verfügung dazu verpflichtet. Eine Beschwerde Springers dagegen wies das Landgericht am 22. September zurück. Einen weiteren Antrag Springers gegen die Vollstreckung lehnte nun das Kammergericht Berlin ab.

Deshalb soll nach Auskunft des Ministeriums am morgigen Samstag auf Seite 2 der “Bild”-Zeitung folgende Gegendarstellung Trittins erscheinen:

“In der BILD-Zeitung vom 31. August 2005 verbreiten Sie auf S.2 unter der Überschrift “Benzin-Wut Die Sprüche der Politiker” über mich, ich hätte erst am Samstag (27. August 2005) im BILD-Interview allen Autofahrern geraten, ab und zu das Auto stehen zu lassen. Gestern — so schreiben Sie weiter — hätte ich auf BILD-Anfrage ein Drei-Punkte-Programm gegen die Belastung der Bürger durch hohe Spritpreise präsentiert, nämlich den Verzicht auf weitere Erhöhung der Besteuerung von Sprit durch die von Frau Merkel geplante Mehrwertsteuererhöhung; mehr Biosprit und sparsamere Autos. Dazu stelle ich fest: Genau diese drei Punkte habe ich bereits in dem Interview am Samstag der BILD-Zeitung “präsentiert”, in dem ich neben diesen Forderungen empfohlen habe, ab und zu das Auto stehen zu lassen und andere Fortbewegungsmittel zu nutzen.

Hintergrund ist, dass “Bild” (wie berichtet) die verschiedenen Vorschläge Trittins mehrere Tage lang auf die einzige Forderung verkürzt hatte, das Auto ab und zu stehen zu lassen. Das Kammergericht urteilte jetzt, dass die Formulierungen von “Bild” den Eindruck erweckten, Trittin habe tatsächlich zunächst nur diese Forderung aufgestellt und erst auf Nachfrage die “drei Punkte” präsentiert — was nachweislich falsch ist.

Über den Anspruch Trittins auf eine weitere Gegendarstellung auf Seite 1 sei noch nicht abschließend entschieden worden, sagte uns der Sprecher des Ministeriums, Michael Schroeren. Offen sei allerdings auch, ob Trittin weiter darauf bestehen werde.

“Bild” veröffentlicht Gegendarstellungen (entgegen anderslautender Behauptungen) am liebsten gar nicht und notfalls bevorzugt samstags. Dann ist die Auflage der Zeitung am niedrigsten.

Nachtrag, 23.10.2005:
Naja, und so sah sie dann aus am Samstag:

Der Wunsch nach Rache ist verbreitet

Schau|pro|zess, der (abwertend): auf propagandistische Massenwirkung angelegtes öffentliches Gerichtsverfahren.
Duden, 5. Auflage

“Bild” macht heute Jörg Armbruster zum Verlierer des Tages. Der ehemalige Nahost-Korrespondent der ARD hat vorgestern im “Tagesthemen”-Kommentar die Befürchtung geäußert, dass der Prozess gegen Saddam Hussein zum “Schauprozess” werden könnte. Außerdem ist Armbruster der Meinung, dass “der Sinn für Gerechtigkeit” im Irak noch unterentwickelt sei, der “Wunsch nach Rache” hingegen sei verbreitet. Deswegen fragt “Bild”:

Entdeckt da jemand sein Herz für Saddam?

Am Ende steht:

BILD meint: Erst denken, dann reden!

Und wir möchten die Aufforderung gerne zurückgeben. Schließlich bezeichnet Armbruster Saddam in seinem Kommentar mehrfach als “Massenmörder”, wirft ihm mehrfach Folter und Vertreibung vor und sagt:

Zehntausende Iraker ließ der Diktator hinrichten, sie hatten keine Chance sich zu verteidigen, sie kamen erst gar nicht auf die Anklage- sondern gleich auf die Folterbank.

Armbrusters abschließende Sätze zeigen eigentlich recht deutlich, worum es ihm geht:

Sie [die Richter] müssen dem Massenmörder Saddam einen juristisch einwandfreien Prozess bieten. Nur so können sie die Iraker überzeugen, dass es so etwas gibt wie eine demokratische Justiz im neuen Irak, erst so bekommt der Prozess einen tieferen Sinn. Denn kein Strafmaß kann die Verbrechen Saddams je wieder gut machen.

Wie kommt man bei “Bild” also dazu, Armbruster vorzuwerfen, er habe “sein Herz für Saddam” entdeckt? — Armbruster sagt:

Den Satz, auch ein Schwerverbrecher hat einen Anspruch auf einen fairen Prozess, diesen wichtigen Satz verstehen viele Iraker nicht.

Offenbar nicht nur die.

Stasi-Spitzel Lafontaine?

Es gibt viele Möglichkeiten, auf die Nachricht hinzuweisen, dass in der neuen Fraktion der Linkspartei im Bundestag nach Angaben der Stasi-Unterlagen-Beauftragen Oskar Lafontaine / Stasi-Spitzel in Links-Fraktionmindestens sieben bekannte Stasi-Informanten sitzen sollen. Diese hier links, die Bild.de gewählt hat, ist vermutlich die missverständlichste. Oskar Lafontaine ist bislang nicht öffentlich verdächtigt worden, Stasi-Spitzel gewesen zu sein, nicht einmal von “Bild”.

Vielleicht hat die Art der Formulierung etwas damit zu tun, dass “Bild” und Lafontaine gerade in vielerlei Hinsicht miteinander im Clinch liegen. Heute veröffentlicht “Bild” auf Seite 2 folgende Gegendarstellung des Politikers:

In der “BILD-Zeitung” vom 16. Juli 2005 (S. 2), wurde unter der Überschrift “Warum fliegt der Osten so auf Lafontaine?” behauptet, ich hätte nach dem Fall der Mauer gesagt, dass “wir alles dafür tun müssen, um zu verhindern, dass die Wiedervereinigung stattfindet”. Das ist falsch. Richtig ist, dass ich im Dezember 1989 aus Anlass des Zuzugs zahlreicher Übersiedler aus der DDR in das damalige Bundesgebiet geäußert habe, “dass wir alles tun müssen, um zu verhindern, dass die Wiedervereinigung auf bundesdeutschem Boden” — gemeint war Westdeutschland — “stattfindet”.

Damit finden sich in der Berliner “Bild”-Ausgabe heute gleich zwei der ungeliebten Gegendarstellungen. Nach Angaben von Juristen, die mit der Zeitung in ähnlichen Fällen zu tun hatten, versucht “Bild” solche Veröffentlichungen wann immer möglich auf den Samstag zu legen. An diesem Tag ist die Auflage der Zeitung niedriger als unter der Woche.

Mit Dank an Michael K.

“Publizistische Begleitung”

In seiner aktuellen Ausgabe (S. 129) berichtet nun auch der “Focus” über die Hintergründe dessen, was “Bild” kürzlich auf ihrer Titelseite “Deutschlands perverseste Wette” nannte und als Einfall einer Schülerin ausgegeben hatte, die gemeinsam mit einer Freundin herausfinden wollte, wer an einem Tag “mehr Männer in die Kiste” bekomme.

Laut “Focus” handelte es sich bei der Aktion jedoch “um einen cleveren PR-Gag“: Armin Lobscheid, Chef des Kölner Bordells “Pascha”, in dem die “Sexwette” stattfand, habe im Vorfeld für deren “publizistische Begleitung” (O-Ton Lobscheid) gesorgt und verschiedenen Medien einen entsprechenden “Themenvorschlag” gemacht. Weiter heißt es:

“Der Kölner ‘Express’ und das RTL-Magazin ‘extra’ hatten wegen ‘zu viel Hardcore’ abgewinkt. ‘Bild’ dagegen signalisierte erfreut Zustimmung, erst in der Kölner Redaktion, dann die Kettwiger NRW-Zentrale, schließlich die Chefredaktion in Hamburg.

So kooperierte Europas größtes Boulevardblatt exklusiv mit Europas größtem Puff.”

Zusammenfassend nennt der “Focus” die Kooperation (die “der Leserschaft allerdings verborgen” blieb) “eine Art Notgemeinschaft gegen Auflagenschwund und Freierabstinenz”, die “Bild” immerhin eine verkaufte Auflage von “deutlich über vier Millionen Exemplaren” beschert habe…

Eindeutig je nachdem

Kai Diekmann, Chefredakteur der “Bild”-Zeitung, hat der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” ein merkwürdiges Interview über die Entwicklung der “Bild”-Zeitung zur papsttreuesten Zeitung der Welt gegeben. Darin heißt es unter anderem:

Die “Süddeutsche” nannte “Bild” am Freitag einen “Osservatore Tedesco”. Fühlen Sie sich wohl oder unwohl mit dieser Beschreibung?

Das ist ein Kompliment: Der “Osservatore Romano”, die Zeitung des Vatikans, hat in seiner Heimat eine Reichweite von einhundert Prozent. So weit sind wir leider noch nicht.

Die “Bild”-Zeitung hat sich in den vergangenen Monaten als besonders papsttreue Zeitung positioniert. Warum?

Weil ehrwürdige Institutionen sich unterstützen müssen.

Im ersten Quartal 2005, das schon von vielen Berichten über Johannes Paul II. geprägt war, ist die Auflage der “Bild”-Zeitung weiter gefallen. Läßt sich mit dem Papst und Themen der katholischen Kirche womöglich gar keine Auflage machen? Würden Sie das in Kauf nehmen als Preis dafür, eine im Sinne der katholischen Kirche und ihrer Werte bessere Zeitung zu machen?

Ich kann Ihre Frage nur mit einem eindeutigen “je nachdem” beantworten.

Kritik ist Blasphemie

Die “Bild”-Zeitung hat viel mit der katholischen Kirche gemein. Beide haben einige Leichen im Keller. Bei beiden schrumpft hierzulande die Zahl der Anhänger. Beide teilen die Welt in Gut und Böse. Beide lieben das Okkulte und stehen der Aufklärung skeptisch gegenüber. Und beide pflegen eine Kultur des Gehorsams, nicht der Diskussion.

Am Montag hatte “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann in einem Kommentar auf Seite 1 über Johannes Paul II. geschrieben:

Ein Papst dieser Art darf, ja muß umstritten sein.

Er meinte damit natürlich nicht, dass über den Papst und seine Entscheidungen gestritten werden darf. Entscheidungen des Papstes sind nicht dazu da, Diskussionen anzuregen, sondern befolgt zu werden. Das weiß auch die “Bild”-Zeitung.

Anfang dieses Jahres hatte der Vatikan noch einmal unmissverständlich deutlich gemacht, dass die katholische Kirche Kondome als Mittel ablehnt, die Aids-Epidemie einzudämmen, an der im vergangenen Jahr weltweit über 3 Millionen Menschen starben:

“Wir akzeptieren den Gebrauch von Präservativen nicht, nicht einmal zur Lösung des Aidsproblems.”

Wer eine andere Meinung hat, ist ein Ketzer und wird von “Bild” mit unnachgiebiger Härte verfolgt. Am 22. Februar 2005 wagte es der Entertainer Jürgen von der Lippe, in einem Interview mit der Münchner “Abendzeitung” Folgendes zu sagen:

(…) was der Papst von sich gibt, streift meiner Ansicht nach den Rand der Schwerkriminalität. Ich finde es einfach schlimm, wenn man zum Beispiel Kondome sogar zur Aids-Prävention oder gar HIV-Kranken verbietet.

Am Tag darauf machte “Bild” ihn deshalb zum “Verlierer des Tages”.

Was ist denn in den gefahren? Jürgen von der Lippe (56), heute als katholischer Priester im TV („Der Heiland auf dem Eiland“), beleidigt den Heiligen Vater, der sich gegen Verhütung ausspricht. (…)

BILD meint: Wohl von Sinnen, von der Lippe!

Von der Lippes Begründung für seine Aussage nannte “Bild” nicht.

Am vergangenen Sonntag wagten es mehrere Menschen in der Talkshow “Sabine Christiansen”, Kritik an der konservativen Linie des verstorbenen Papstes zu üben. “Bild”-Kolumnist Franz-Josef Wagner nennt diese Sendung heute deshalb eine “Schande-Talkshow” und die Papst-Kritiker “böse, rechthaberische Männer”.

Da hackten die Leichenfledderer Heiner Geißler und Hans Küng, linker Theologe, dem der Papst die Lehrerlaubnis entzogen hat, auf den Toten ein.

Zölibat, Kondome, Aids. Frau Christiansen, die Karriere-Frau ohne Kinder, stellte die Frage nach der Rolle der Frau. (…)

Ihre Talkshow, Frau Christiansen, war das Dümmste, was ich jemals sah. Sie verkürzen die Frage des Glaubens nach Karriere und Spaß im Bett. Gott verzeiht, ich nicht.

Eine andere Frage ist es, warum die ARD Ihnen erlaubt hat, auf den Papst zu spucken. Wann waren Sie das letzte Mal in der Kirche, Frau Christiansen?

Natürlich ist der Papst nicht die einzige Autorität, an der sich Kritik grundsätzlich verbietet. Da ist auch noch “Bild”-Kolumnist Franz Beckenbauer, den das Blatt im Jahr 2000, nachdem er die WM nach Deutschlang holte, fast ganzseitig als Denkmal zeigte, mit der Inschrift:

“Dem deutschen Fußballkaiser Franz Beckenbauer zu Dank und ewiger Erinnerung.”

Am vergangenen Wochenende wagte es der Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit, sich gegen Franz Beckenbauer als Uefa-Präsidenten äußern. Entsprechend diskussionslos ist Cohn-Bendit heute “Verlierer des Tages” in “Bild”.

(Alle Hervorhebungen von uns.)

Nachtrag, 20.45 Uhr. … und der evangelische Bischof Wolfgang Huber ist für “Bild” “Gewinner des Tages”, weil er bei “Christiansen” die “plumpe Papst-Kritik” der anderen Talkshow-Teilnehmer angriff.

Danke an Stefan E. für den Hinweis.

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