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Was aus der “kleinen Elisabeth” wurde

Es war ein Versehen. Also, genau genommen, waren es drei Versehen. Dreimal innerhalb einer Woche hat “Bild” Fotos von der kleinen Tochter der “Todes-Mutter”, die neun ihrer Kinder getötet haben soll, gezeigt, ohne das Gesicht des kleinen Kindes zu verfremden. Jedesmal versehentlich.

So lautet jedenfalls die Erklärung von “Bild” für ihre Berichterstattung, aufgrund derer wir am 16. August eine Beschwerde beim Presserat eingereicht hatten. Genau sechs Wochen, nachdem der Presserat entschieden hat, “Bild” dafür nicht zu rügen, aber zu missbilligen*, erhielten wir gestern die Begründung dieser Entscheidung.

Darin heißt es:

Die Rechtsabteilung des Axel Springer Verlages weist den Vorwurf, BILD zeige mit “großer Konsequenz” immer wieder Fotos von der einjährigen Elisabeth, zurück. Im Zusammenhang mit diesem Fall wurde ca. 15 Mal berichtet. Während die Fotos in den Veröffentlichungen zwischen dem 03.08. und 26.08.2005 entsprechend verfremdet wurden, war der Abdruck am 09.08.2005 so nicht beabsichtigt. Es handele sich um einen “Ausreißer”, den der Verlag nicht rechtfertigen will.

In den Ausgaben vom 10. und 11.08.2005 [gemeint ist offenbar 15.08.2005, Anm. von uns] erschien ein Bild, das die Mutter mit Elisabeth kurz nach der Geburt des Babys zeigt. Das Kind trägt eine Mütze und ist unscharf im Profil zu erkennen. Obwohl dieses Foto bereits mehrfach zuvor verfremdet gedruckt worden sei, sei diese Verfremdung in den genannten zwei Ausgaben unterblieben. “Das Gesicht der kleinen Elisabeth ist auf dem Bild so unscharf, dass der Layouter offenbar nicht erkannte, dass er die unverfremdete Version des Fotos auf die Seite geladen hat.”

Der Verlag weist darauf hin, dass die verfremdete Version des Fotos auch im Redaktionssystem stehe, da diese Version zuvor bereits mehrfach gedruckt worden sei. Der Verlag hat den Vorfall zum Anlass genommen, die Sicherheitsvorkerhrungen vor dem Einladen von unverfremdeten Bildern zu verstärken.

Was den “Ausreißer” vom 09.08. angeht, sieht der Presserat in dem Abdruck des Fotos tatsächlich einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex in Verbindung mit den Richtlinien 8.1 und 8.3. Dadurch, dass “Bild” gleich zweimal das andere Foto unverfremdet druckte, habe die Zeitung aber nicht gegen den Pressekodex verstoßen. Warum nicht? Weil es “irrtümlich” geschah. Bei den übrigen Beiträgen habe “Bild” eine “entsprechende Anonymisierung” vorgenommen, so der Presserat. Er entschied sich deshalb, “Bild” nicht zu rügen, sondern nur zu missbilligen.

*) Eine Missbilligung durch den Presserat ist für die missbilligte Zeitung folgenlos. Der Presserat “empfiehlt” den Zeitungen allerdings, die Missbilligungen abzudrucken — “als Ausdruck fairer Berichterstattung”.

Eine Rüge durch den Presserat ist für die gerügte Zeitung ebenfalls folgenlos. Die gerügte Zeitung ist zwar laut Pressekodex “verpflichtet”, die Rüge abzudrucken. Tut sie das nicht, verstößt sie damit aber nur gegen den Pressekodex, wofür sie gerügt werden könnte, was sie abdrucken müsste und so weiter und so fort.

Offener Brief an Dr. Mathias Döpfner

Berlin, den 10. Oktober 2005

Herrn Dr. Mathias Döpfner
Axel Springer AG
Axel-Springer-Straße 65
10888 Berlin

Sehr geehrter Herr Dr. Döpfner,

in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa haben Sie in der vergangenen Woche die Vermischung kommerzieller und redaktioneller Inhalte “brandgefährlich” genannt. Sie sagten, Medien, die die Grenzen aufweichten, drohten sich damit selbst den Ast abzusägen. Sie plädierten für eine “sehr strikte” Trennung.

Herr Döpfner, kennen Sie das Internetangebot von Bild.T-Online? Es handelt sich dabei um ein Joint Venture, an dem das von Ihnen geführte Unternehmen Axel Springer 63 Prozent der Anteile hält. Es gibt dort eine Rubrik namens “Erotik”, die sich in ihrer Aufmachung in keiner Weise von Rubriken wie “Nachrichten” oder “Sport” unterscheidet. Die einzelnen Menüpunkte sind wie redaktionelle Menüpunkte gestaltet; die einzelnen Teaser in diesem Ressort sehen exakt so aus wie Teaser, die in anderen Ressorts zu redaktionellen Beiträgen führen.

Der “Aufmacher” im Ressort Erotik heißt aktuell (10. Oktober, 21 Uhr): “Richtig dicke Möpse! Dicke HUPEN”. Ein Klick führt zum gleichnamigen Angebot der Firma Telecall unter der Adresse “sexdate.de”, das unter anderem “heißen Livesex” verspricht.

Der im Stil eines Artikelanreißers gestaltete Teaser daneben zeigt eine Frau, die unter der Überschrift “Das Privatcam-Portal” verspricht: “Ich schenk’ Dir bis zu 40 Euro!” Ein Klick führt zum Angebot “Sex and the Web” der Schweizer Firma Aximus, die unter anderem “aufwendig produzierte Erotikfilme in der Hardcore-Version: ungeschnitten und unzensiert” verkauft.

Der scheinbar redaktionelle Teaser darunter lockt mit einer “Neuen Erotik-Videothek: XXX-Movies — 40.000 Filme online”. Er führt zu einem kostenpflichtigen Angebot von Telecall.
Wer auf den Teaser “Nur ein Klick zum Seitensprung” klickt, bleibt zunächst auf den Seiten von Bild.T-Online. In der Aufmachung eines redaktionellen Artikels heißt es dort: “Weil’s so schön anonym ist… Seitensprung bei Bild.T-Online! (…) Mit dem neuen Seitensprung-Service auf Bild.T-Online geht’s jetzt ganz einfach, sicher und unbemerkt!” Das Wort “Werbung” oder “Anzeige” steht nicht auf dieser Seite. Auch nicht über dem Link, mit dem man “zu deinem Seitensprung” kommt. Er führt zum kostenpflichtigen Angebot flirtpub.de der Firma Bosner Onlineservice.

Der Teaser mit den Worten “Neue Reality-Serie: Frauen ab 30 wollen mehr” führt zur “Babeslounge.de” mit kostenpflichtigen Videos. Wer auf “Brandaktuell: Bundesweite Kontaktanzeigen” klickt, gelangt zur “Erotik-Online-Zeitung” “Ladies.de”, deren “Topmeldung” aktuell lautet: “Am 11. Oktober Gang-Bang mit Kyra Shade”.

Die weiteren “Überschriften”, die im redaktionellen “Erotik”-Ressort von Bild.T-Online zu finden sind, führen unter anderem zu den sämtlich kostenpflichtigen Angeboten “stripfun.com”, “Lesbenspecial Chrissy & Mia” (Beate Uhse), “Sex Trainingskamp” und “videodevil.de”. Die redaktionell wirkende “Seitensprung-Suche”, bei der der Nutzer eingeben kann, ob er männlich oder weiblich ist, einen Mann oder eine Frau sucht und er Wert auf ein Bild legt — sie führt ebenfalls zu flirtpub.de.

Keiner der genannten Teaser und Artikel ist an irgendeiner Stelle auf Bild.T-Online mit den Worten “Anzeige”, “Werbung”, “Shop” o.ä. gekennzeichnet. Es gibt bei Bild.T-Online keine Trennung von redaktionellen und werblichen Inhalten. Einige Werbelinks sind zwar mit dem Wort “Anzeige” gekennzeichnet. Das führt allerdings dazu, dass die vielen Werbelinks, die nicht mit dem Wort “Anzeige” gekennzeichnet sind, in ihrer Gestaltung noch irreführender sind.

Beim “Erotik”-Ressort handelt es sich übrigens, anders als bei der Rubrik “Shopping”, nicht um ein reines Werbeportal. Einige der redaktionell gestalteten Teaser führen nicht zu kommerziellen Angeboten, sondern tatsächlich zu redaktionellen Texten, etwa über Themen wie “Welche Sex-Pille soll man(n) nehmen?” oder: “Was Männer im Bett wirklich wollen”. Ähnlich vollständig ist die Vermischung im Ressort “Singles”, das gerade eine redaktionell gestaltete “neue Serie” über “Sexy Singles” begonnen hat, hinter der sich in Wahrheit Werbung für “Friendscout24” verbirgt. Auch hier gibt es keine Möglichkeit, Werbung und Redaktion voneinander zu unterscheiden.

Auf den Seiten, mit denen der “Verband Deutscher Zeitschriftenverleger” (VDZ) für “Crossmedia”-Werbung wirbt, finden sich unter anderem die Kampagnen “Kochbuch für Deutschland” und “Küche für Deutschland” von Bild.T-Online mit jeweils einem Werbepartner. Dort wird als einer der Vorteile dieser Aktionen genannt:

“Aktionen für Deutschland” werden im Stil redaktioneller Beiträge erklärt und beworben.

In der “Animation der Kampagnenmechanik” wird die Grenzen verwischende Technik detailliert demonstriert. Zum Angebot gehört ein “Online-Special mit eigener Subnavigation” — gemeint ist ein Menüpunkt in der Seitennavigation, der nicht als Anzeige gekennzeichnet ist, sondern wie ein Menüpunkt aussieht, der zu redaktionellen Angeboten führt. Als Teil der Werbekampagne führte Bild.de (im redaktionellen Teil) ein “Gewinnspiel” durch, bei dem die Bild.T-Online-Leser in einem “großen Foto-Wettbewerb” “Deutschlands schönstes Küchengirl” wählten.

In der Demonstration, wie für das “Kochbuch für Deutschland” geworben werden konnte, ist von der “Anbindung an redaktionell gestaltete, werbliche Artikel zum Thema” die Rede. Das Internetportal Bild.T-Online verwischt also nicht nur die Grenzen zwischen redaktionellen und werblichen Artikeln, sondern wirbt auch noch damit, dass und wie es die Grenzen verwischt.

Herr Döpfner, weil wir gerne glauben wollen, dass es sich bei Ihren Aussagen vergangene Woche gegenüber dpa nicht nur um wohlfeile Worte handelt, die keine Bedeutung für die tatsächliche Arbeit in der Axel Springer AG haben, möchten wir Sie fragen:

  • Gilt der Trennungsgrundsatz von Werbung und Redaktion, der auch in den “journalistischen Leitlinien” von Axel Springer festgelegt ist, nicht für Online-Angebote?
  • Inwiefern entsprechen die oben geschilderten Beispiele Ihrer Vorstellung davon, wie Werbung und Redaktion “sehr strikt” getrennt werden?
  • Wie lässt es sich mit Ihren Vorgaben vereinbaren, dass bei Bild.T-Online nicht nur einzelne Werbebotschaften nicht als Werbung gekennzeichnet sind, sondern anscheinend ganze Bereiche des Angebotes auf einer systematischen Verwechselbarkeit von werblichen und redaktionellen Botschaften aufgebaut sind?

Mit freundlichen Grüßen
BILDblog.de

Pietätvoll

Heute Heute Heute Heute Heute Heute Heute? Am heutigen Mittwoch jedenfalls zeigt “Bild” das Foto vom Grab einer 2003 verstorbenen (und von “Bild” pietätvoll als “Gertrud Z.” anonymisierten) Frau, deren Leichnam jetzt offenbar von der Polizei exhumiert und obduziert werden muss, weil “Gertrud Z.” möglicherweise einem Mord zum Opfer fiel. Das “Bild”-Foto von Grab und Grabstein sieht so aus:

Ach ja: Der schwarze Balken überm Familiennamen von “Gertrud Z.” stammt nicht von “Bild”, sondern wurde von uns nachträglich hinzugefügt.

Mit Dank an Marian S. für Hinweis und Scan.

Nachtrag, 25.9.2005:
Den Ort, an dem sich das Grab befindet, haben wir nachträglich ebenfalls mit einem schwarzen Balken unkenntlich gemacht.

Behelfsmäßig

Gestern wurde in Stuttgart ein Kriminalbeamter wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt.

Um aber heute in keiner Weise an der schäbigen “Schämt Euch!”-Kampagne teilzuhaben, anlässlich derer die “Bild”-Zeitung zwölf der bundesweit über 5000 Staatsanwälte, 20.000 Richter und 270.000 Polizeibeamten mit (behelfsmäßig mit schwarzen Balken versehenen) Fotos abbildet, weil sie laut “Bild” gegen Gesetze verstoßen haben, klicken Sie bitte weder hier noch hier noch hier!

Schließlich würfe [quasi als Nachtrag, 15:20] die “Bild”-Berichterstattung hinter den Links viel mehr Fragen auf als sie Reflexe befriedigt. Zum Beispiel diese: Sind die von “Bild” zusammengetragenen zwölf “Fälle – also umgerechnet 0,004 Prozent – eigentlich viel? Handelt es sich bei jedem der von “Bild” zusammengetragenen zwölf Fälle um einen Einzelfall? Oder ist es, wie “Bild” schreibt, “kein Einzelfall”? Werden es gar, wie “Bild” einfach so behauptet, tatsächlich “immer mehr”? Und wem ist damit gedient, wenn “Bild” die zwölf “schlimmsten Beispiele” mit so einem behelfsmäßig anonymisierten Foto illustriert?

Wer darauf keine Antwort weiß, schaue sich doch stattdessen lieber ein (behelfsmäßig mit schwarzem Balken versehenes) Foto von Chefredakteur Kai D. (40) an. Auch einfach so.
 
 
 
 

English For Runaways

Es ist schon ein Fluch. Dieses ganze Internet steckt voll aufregender Geschichten, mit denen man ohne eigene Recherche sein Online-Angebot füllen kann, aber so viele davon sind in einer fremden Sprache geschrieben. Diese hier zum Beispiel:

Janet Jackson reportedly wears a penis around her neck.

The diamond-encrusted black “family jewel” – which, when pulled, is said to ‘get excited’ is said to be the singer’s favourite piece of jewellery.

Gut, das meiste an diesen zwei Sätzen sind verschiedene Arten, in der fremden Sprache “angeblich” oder “laut anonymen Quellen” zu sagen, aber dazwischen stehen spannende Wörter: “Janet Jackson”, “penis”, “jewellery” und “get exited”. Wenn man sich ein bisschen Zeit und ein Wörterbuch nimmt, müsste man daraus eine ganz schöne Bild.de-Meldung für die Rubrik “Internetklatsch” zusammenpuzzlen können.

Gesagt, getan:

Einige tragen ein silbernes oder goldenes Kreuz, andere einen Edelstein – aber einen Penis am Halskettchen?! Michael Jacksons (46) kleines Schwesterchen Janet (38) findet ihr außergewöhnliches Schmückstück total chic! (…) Das Teil soll laut Hersteller weit mehr als nur ein Hingucker sein. Angeblich läßt er die Trägerin gaaanz fürchterlich erregt werden.

Wieder reingefallen. Blöde fremde Sprache. “Erregt” wird gar nicht die Trägerin, sondern das Schmuckstück. Wenn man daran zieht. Keine Ahnung, wie man sich das vorzustellen hat, vielleicht wird es länger oder größer oder härter. Wen interessiert’s? Bild.de ja auch nicht.

(ix ist der Sache weiter nachgegangen.)

Schall & Rauch

Der bild.de-Artikel, um den es hier geht, trägt die Autorenzeile “Von THOMAS KRALICEK und VIM VOMLAND”, aber so richtig wundern würde es uns nicht, wenn sich herausstellte, dass er eigentlich von Günther Kralitscheck und Wim Womland geschrieben wurde.

Es geht darin um Reiner Calmund, der aufregende neue Fernsehpläne haben soll. Es wäre allerdings erstaunlich, wenn die Angaben des Artikels über die angebliche neue Show stimmen würden, denn im übrigen stimmt ungefähr nichts in dem Stück.

Mal abgesehen davon, dass die Casting-Show “Big Boss” mit Calmund alles andere als ein Erfolg ist (kein Wort davon bei “Bild”). Und dass das Zitat eines anonymen Pro-Sieben-Menschen, man sehe in ihm “einen Erfolgstypus”, weil der Dicke Volksnähe ausstrahle, doch nicht ganz nach einem konkreten Job-Angebot klingt. Und dass das gleiche für das Zitat des RTL-Unterhaltungschefs gilt, der gesagt haben soll: “Wir können uns mit Herrn Calmund sehr gut eine weitere Zusammenarbeit vorstellen.”

Also mal abgesehen davon, heißt der RTL-Unterhaltungschef Tom Sänger und nicht “Senger”, wie bild.de schreibt. Und der Deutschland-Chef von Endemol heißt Borris Brandt und nicht “Boris Brandt”, wie bild.de schreibt. Und die Produktionsfirma der ARD-Talkshow “Sabine Christiansen” heißt TV21 und nicht “Sabine Christiansen Production”.

Und jetzt sind wir sehr gespannt, wann der Selbstverständliche-Standards-Beauftragte bei bild.de seinen Dienst antritt und die schlimmsten Fehler korrigiert. (Ach so, und ob es die beschriebene neue Show mit “Calli” je geben wird, natürlich.)

Update, 11.25 Uhr: Sämtliche Fehler stehen auch in der gedruckten “Bild”. Und immer noch online.

Update, 14.35 Uhr: Der Selbstverständliche-Standards-Beauftragte von bild.de hat offenbar immer noch nicht seinen Dienst angetreten. Womöglich ist er mit Burn-Out-Syndrom krank geschrieben. Allerdings verbreitet inzwischen die Nachrichtenagentur ddp die “Bild” Meldung mitsamt der darin enthaltenen Fehler weiter. Das muss Chefredakteur Kai Diekmann meinen, wenn er “Bild” als “DAS LEITMEDIUM” bezeichnet: “Bild” schreibt die Fehler auf, und alle anderen schreiben sie ab.

Update, 20.10 Uhr: Ts. Alle Fehler wie gehabt. Schrecklicher Verdacht: Es gibt gar keinen Selbstverständliche-Standards-Beauftragten bei “Bild”.

Update, 9. Dezember, 0.00 Uhr: Was etwas beunruhigend ist: Der eine Autor des Fehler-Textes, Thomas Kralicek, 38, ist nicht irgendein unterbezahlter bild.de-Hilfsarbeiter, sondern neuer “Ressortleiter Show” bei “Bild”. Vorher war er bei RTL Newmedia für die People-Berichterstattung veranwortlich. RTL Newmedia ist eine Tochter von RTL. RTL ist der Laden, bei dem Tom Sänger (nicht “Senger”) Unterhaltungschef ist. Und der andere Autor des Fehler-Textes, Vim Vomland, ist auch nicht irgendein unterbezahlter bild.de-Hilfsarbeiter, sondern — laut “Bild”-Schwesterblatt “Welt” — eine “Bild”-Reporter-Legende. (Danke an Franz K. für den Hinweis!)

“Bild” klärt auf

Einer der Unterschiede zwischen der Boulevardzeitung “Bild” und der Wochenzeitung “Die Zeit” besteht darin, dass sich die “Zeit” offenbar verpflichtet fühlt, ihren Leser in der aktuellen Ausgabe mitzuteilen, dass sie in der vergangenen Woche einen Artikel über illegale Einwanderinnen mit einem nachgestellten “Symbolfoto” bebildert hatte (O-Ton “Die Zeit”: “Um ihre Anonymität zu schützen, haben wir für die Illustration (…) Fotomodels engagiert”), und darüber hinaus ankündigt, “künftig Illustrationen dieser Art präzise kennzeichnen” zu wollen, wohingegen “Bild” die “Zeit” ob dieser Ankündigung – und mit dem wohlmeinenden Hinweis “Zeitig aufklären!” – kurzerhand zum “Verlierer” des Tages macht.

Mehr zu Thema? Klicken Sie hier. Oder schauen Sie sich doch zum Beispiel bloß mal die barbusige, blonde Frau an, die auf der “Bild”-Titelseite (siehe Ausriss) quasi direkt neben der “Verlierer”-Meldung abgebildet ist und laut “Bild” behauptet, sie heiße “Eurynome”.

Dirrty

“Bild” berichtet von einem “Latschenkrieg”: Britney Spears habe einen Werbevertrag mit der Schuhmarke Skechers an Christina Aguilera verloren. Die Bosse fänden, sie sei “zu sauber, zu langweilig”. Und sie habe zu viele “Skandale und Schmuddelgeschichten”. Nun gut, dass man ihr beides gleichzeitig vorwirft, ist ein bisschen unplausibel, aber der Rest der “Bild”-Meldung wird schon stimmen. Oder?

Warum [sie rausgeworfen wurde], erklärte ein Firmen-Sprecher so: „Britneys Marktwerkt sinkt – besonders nach ihren letzten Skandalen und Schmuddelgeschichten.

Das Zitat von “Bild” stammt aus dem britischen “Daily Mirror” vom Donnerstag. Dort ist die Quelle allerdings kein offizieller “Sprecher”, sondern ein anonymer “Insider”, dessen Vorwurf an Britney sich auf englisch weniger hart liest: bedraggled outings kann man auch als “verwahrloste Auftritte” übersetzen.

Aber überhaupt ist der “Mirror” vielleicht nicht die verlässlichste Quelle. Aguilera ist schon seit über einem Jahr bei Skechers als Werbemodel unter Vertrag. Neu ist nur der Start einer internationaler Kampagne unter dem Motto “Naughty and Nice”. Wobei, was heißt “neu”? Selbst diese Nachricht ist fast drei Wochen alt.

Die Geschichte vom Latschenkrieg dagegen konnte man schon im August 2003 zum Beispiel hier nachlesen. Darin steht auch, warum sich Britney und Skechers wirklich getrennt haben: Wegen eines millionenschweren Rechtsstreits.

So, und jetzt fassen wir noch einmal zusammen, was an der “Bild”-“Nachricht” stimmte.

Geisterfahrer

Womöglich hat auch ein junger Geisterfahrer, der anscheinend den Tod von drei Menschen verursacht hat, das Recht, anonym zu bleiben. Deshalb hat “Bild” in seinem Bericht auch den Nachnamen abgekürzt und einen schwarzen Balken über seine Augen gelegt.

Womöglich muss man es mit der Anonymität aber auch nicht übertreiben. Wir wissen dank “Bild” über den Mann: seinen Vornamen, den Anfangsbuchstaben seines Nachnamens, sein Alter, seinen Beruf, den Beruf seines Vaters, und wie er aussieht – der schwarze Balken reicht nicht einmal bis zu den Ohren. Was würde einem noch zur Identifizierung fehlen?

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