Am Samstag berichtete “Bild” auf der Titelseite exklusiv, aber ohne Anlass, dass ein Kandidat der RTL-Show “Deutschland sucht den Superstar” (DSDS) schwul und “mit einem Mann verheiratet” sei.
Am Sonntag berichtete “Bild am Sonntag”, dass der Sänger aufgrund des “Bild”-Outings “um sein Leben bangen” müsse und Angst vor schwulenfeindlichen Übergriffen habe.
Und das muss man sich vorstellen: An demselben Sonntag, an dem die “BamS”-Kollegen ausführlich über die (durch das “Bild”-Outing verursachte) potentielle Lebensgefahr für den Sänger berichten, wird die “Bild”-Zeitung vom Montag gemacht. In der Redaktion sitzen Menschen und entscheiden, was wo und wie in der heutigen “Bild”-Ausgabe Millionen lesen werden. Und wofür entscheiden sie sich? Na, sehen Sie selbst:
“Gespräch mit BILD”?
“In einem Gespräch mit BILD schwärmte der Ehemann des ‘Superstar’-Sängers: ‘F.* ist der liebenswerteste Mensch der Welt. Unsere Wohnung trägt fast nur seine Handschrift. F. ist Künstler, möchte sich immer nützlich machen, gestaltet deshalb unsere Einrichtung.'” (Quelle: “Bild” vom 14.4.2008)
*) Anonymisierung von uns
Ohne irgendeinen Hinweis auf die Sorgen des DSDS-Kandidaten und/oder die möglicherweise bedrohliche Situation, in die “Bild” ihn gebracht hat, zugleich aber auch ohne irgendeinen erkennbaren Erkenntnisgewinn veröffentlicht die “Bild”-Zeitung “die Heiratsurkunde, die das Glück besiegelte” – mit weiteren identifizierbaren Details aus dem Privatleben des Sängers und seines mutmaßlichen Ehepartners, der in der heutigen “Bild” auch wörtlich zitiert wird (siehe Kasten). Nach unseren Informationen fand das “Gespräch mit BILD” jedoch schon vor längerer Zeit statt, und der Befragte hatte damals nicht als “Ehemann des ‘Superstar’-Sängers” geantwortet. Und wie uns eine RTL-Sprecherin auf Anfrage mitteilt, haben sich “weder der betroffene Kandidat noch RTL jemals öffentlich dazu geäußert”.
Aber es muss ja einen Grund dafür geben, dass “Bild” auch heute wieder das Privatleben des DSDS-Kandidaten gegen seinen Willen in die Öffentlichkeit zerrt. Und der naheliegende wäre, dass Daniel Cremer, Sven Kuschel und Uli Schüler, die als Autoren über dem “Bild”-Artikel stehen, sowie Florian von Heintze, der als Verantwortlicher der heutigen Ausgabe im “Bild”-Impressum steht, ganz besonders selbstgefällige und skrupellose… Menschen sind.
Endlich mal erschien ein deutschsprachiger Zeitungsartikel über Weblogs, der nicht in Grund und Boden verdammt werden musste (sogar Thomas Knüwer war davon angetan). Thomas Thiel beschritt in der Frankfurter Allgemeineneine Reise durch die Blogosphäre, die ihn zu obskuren Orten wie Ingolstadt oder Usingen führte. Wissen würde ich aber gerne, wer dieser Blogger ist, der seine Meinungsbekundungen (vorgetragen “im Dünkel argumentativer Überlegenheit und im Bewusstsein der durch die Anonymität geminderten Rechenschaftspflicht”) standardisiert mit “Ugugu” beginnt. Read On…
Bild.de verbreitet heute über Lindsay Lohan und einen “Privat-Porno” weiter, was eigentlich die britische “Sun” über Lindsay Lohan und den “Privat-Porno” verbreitet. Auf der Start-Seite. Und groß.
Das Dumme daran: Was die “Sun” heute unter Berufung auf eine anonyme Quelle über Lindsay Lohan und den “Privat-Porno” verbreitet, kann so nicht stimmen. Schließlich hatte das berüchtigte AOL-Paparazziblog TMZ.com bereits am vergangenen Freitag enthüllt, dass die Frau auf dem “Privat-Porno” gar nicht Lindsay Lohan ist.
Aber wen kümmern schon solche Details, solange Bild.de doch über Lindsay Lohan und den “Privat-Porno” einfach nur weiterverbreitet, was die “Sun” über Lindsay Lohan und den “Privat-Porno” verbreitet.
Mit Dank an Rene R. und Daniel N. für den sachdienlichen Hinweis zu Lindsay Lohan und dem “Privat-Porno”.
Nachtrag, 26.3.2008: Auch der gedruckten “Bild” ist die “Sun”-Behauptungen über Lindsay Lohan und den “Privat-Porno” heute eine Meldung wert. Ganze drei (!) Mal taucht darin das für “Bild” sonst eher unbekannte Wort “angeblich” auf. Die Info, dass der “Privat-Porno” bekanntermaßen gar nicht Lindsay Lohan zeigt, sucht man hingegen auch in der gedruckten “Bild” vergebens.
KleinBloggersdorfer, Patenkind Nirmala, Facebook-Sperre bei CS.
Teile der deutschsprachigen Bloggerszene hegten publizistische Gedanken, die über das Schreiben eines privaten Blogs hinausgingen. Jochen Hoff, am 12.03.2008: “Virtuell und als Wochenzeitung im Print. Dienstag ist der Tag der ‘Virtuell Times’ oder meinetwegen auch jeder andere Wochentag. Das Biest kann meinetwegen auch KleinBloggerdorfer Anzeiger heißen. Aber anfangen sollten wir. Mit dem Denken zuerst und dem sammeln von Menschen. Im Herbst sollte die Idee rund sein, im Winter die Technik rund gemacht werden und dann den ersten Januar als Starttag. Das wäre machbar.” Und Don Alphonso, am 07.03.2008: “Wisst ihr, Freunde der Blasmusik, ich trage mich ja selber ab und an mit dem Gedanken, was aufzuziehen. Ich hätte das Medium, die Zielgruppe, den Markt und die Region. Und ich denke mir immer: Ach ne, warum, muss eigentlich nicht sein, ich kann auch anders. Obwohl mir viele Leute in den Ohren liegen, es zu probieren. (…)” Read On…
Die Liste derjenigen, bei denen sich die “Bild”-Zeitung entschuldigen sollte, ist vermutlich so lang, dass sie nicht ausgedruckt werden kann, ohne eine Explosion des Papier-Preises zu verursachen. Vergangene Woche ist sie wieder um ein paar Namen länger geworden.
Denn in der vergangenen Woche hat “Bild” ein Video veröffentlicht, das angeblich zeigt, wie der frühere Hamburger Richter und Innensenator Ronald Schill Kokain schnupft und erklärt, wie er die Öffentlichkeit mithilfe eines Haartests über seinen Drogenkonsum getäuscht habe. Das ist insofern überraschend, als sich “Bild” vor sechs Jahren, nachdem Schill diesen Test gemacht hatte, ganz außerordentlich sicher war. “Bild” Hamburg titelte am 19. Februar 2002:
Diese Schlagzeile scheint nicht nur aus heutiger Sicht falsch zu sein — sie war auch aus damaliger Sicht schon falsch, nämlich durch nichts gedeckt. “Bild” wusste genau, dass die Aussagekraft des Haartestes, den Schill hatte machen lassen, nicht weiter als knapp eineinhalb Jahre zurückreichte. Und “Bild” selbst schrieb, die Mediziner hätten “sporadische Einnahmen” von Kokain als “unwahrscheinlich” bezeichnet — also nicht ausgeschlossen.
Der Name des Autors über dem “Bild”-Artikel vom vergangenen Samstag (“Ein deutscher Politiker schnupft ungeniert Kokain!”) ist übrigens derselbe, der über dem “Bild”-Artikel von 2002 (“Schill nahm nie Kokain”) stand: Christian Kersting. — Lustig.
Jedenfalls behauptete “Bild” 2002, die Münchner Rechtsmedizin, die die Probe damals untersuchte, habe “die genauestmögliche Messmethode angewandt, die es gibt”. Dabei hatte der Toxikologe Hans Sachs laut “Bild” bloß gesagt: “Das war die genaueste Analyse, die je an diesem Haus durchgeführt wurde.” Wolfgang Eisenmenger, der Vorstand des Instituts, erklärte jetzt gegenüber morgenpost.de, andere Labors hätte empfindlichere Tests durchführen können — Schill habe das aber abgelehnt.
Das wusste man damals noch nicht; bekannt war aber, wie begrenzt die Aussagekraft dieser Untersuchung war. Am selben Tag, an dem “Bild” titelte: “Schill nahm nie Kokain”, berichtete z.B. die “taz”:
Die Aussagekraft der Haarprobe war im Vorfeld allerdings selbst vom durchführenden Toxikologen Prof. Hans Sachs in Frage gestellt worden. Auch sein Frankfurter Kollege Gerold Kauert betonte, dass “nur relevanter Drogenkonsum nachgewiesen werden kann, so bei einem Menschen, der jedes Wochenende Drogen nimmt”. Ähnlich hatte sich auch der Leiter des Institutes für pharmazeutische Forschung in Nürnberg, Prof. Fritz Sörgel, geäußert.
Schill ignorierte diese wichtigen Einschränkungen natürlich — und seine Freunde von “Bild” auch. Für die Zeitung, die den “Richter Gnadenlos” in Hamburg in den Monaten zuvor maßgeblich groß gemacht und zum einsamen, durchgreifenden Kämpfer gegen Kriminelle hochstilisiert hatte, blieb nicht der Hauch eines Zweifels.
“Bild” über “Panorama”
“Bild”, 12.2.2002:
Hamburgs Innensenator Ronald Schill (43) will ein für alle Mal die unglaublichen Kokain-Vorwürfe gegen sich aus der Welt schaffen! Als erster Politiker unterzog er sich gestern im Gerichtsmedizinischen Institut München einem Haartest.
Schill reagierte mit seinem aufsehenerregenden Schritt auf unbewiesene Vorhaltungen des NDR-Magazins “Panorama”. In der TV-Sendung hatte ein angeblicher Zeuge behauptet, Schill habe sich bei einer Wahlparty am 23. September 2001 in Hamburg mit dem Finger “weißes Pulver” auf das Zahnfleisch gerieben. Laut “Panorama” eine gängige Methode, um Kokain zu konsumieren.
“Bild”, 21.2.2002: Verlierer
Das TV-Magazin “Panorama” (NDR) hat vor dem Landgericht Hamburg eine schwere Niederlage erlitten. Das Polit-Magazin darf nicht mehr behaupten, dass Hamburgs Innensenator Schill Kokain genommen hat. Sonst droht ein Ordnungsgeld von 250 000 Euro. BILD meint: Bitte nicht von unseren Rundfunkgebühren…
Zur Untersuchung der Haarprobe sah sich Schill gezwungen, nachdem das ARD-Magazin “Panorama” am 7. Februar 2002 einen unkenntlich gemachten Zeugen präsentiert hatte, der angab, Schill beim offenkundigen Kokain-Konsum gesehen zu haben. (Entsprechende Gerüchte waren schon vorher aufgetaucht.) “Bild” listete deshalb am 22. Februar 2002 unter der Überschrift “Wer sich bei Schill entschuldigen sollte” unter anderem auf:
Jobst Plog, NDR-Intendant. Er ist der oberste Chef und verantwortlich für den Bericht. Gegen ihn erwirkte Schill eine einstweilige Verfügung.
Kuno Haberbusch, Panorama-Chefredakteur. Sein Magazin präsentierte den offenbar falschen Zeugen und montierte angeblich widersprüchliche Aussagen Schills aneinander.
Prof. Wolfgang Hoffmann-Riem, Bundesverfassungsrichter. Er hatte in einem offenen Brief Schill aufgefordert, sich zu den Kokain-Vorwürfen zu äußern. Scheinheilig dozierte er dabei, er sei nur um das Ansehen des Amtes besorgt.
Bei wem sich die “Bild”-Zeitung nun ihrerseits entschuldigt hat (unser erster Vorschlag: die Leser), ist unbekannt.
PS: Auch den “Bild”-Kolumnisten Franz Josef Wagner beschäftigte der Fall. Am 12. Februar 2002 schrieb er an Schill einen Brief:
Lieber Innensenator Schill,
obwohl ich Ihr Law-and-Order-Gedöns überhaupt nicht mag, finde ich mich plötzlich unter denen, die Sie verteidigen. “Panorama” hat einen anonymen Zeugen auftreten lassen, der behauptete, Sie hätten sich auf einer Party weißes Pulver auf Ihr Zahnfleisch gerieben. Von da an standen Sie unter dem Anfangsverdacht zu koksen. (…)
Ich finde die “Panorama”-Sendung beschämend. Genauso könnte “Panorama” per anonymen Zeugen verbreiten, ich, Franz Josef Wagner, Kolumnist der BILD-Zeitung, hätte Sex mit Kindern. Was um Gottes willen kann ich dann machen? Selbstmord? (…)
“Anonym” war der Zeuge zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr. Schon zwei Tage nach der “Panorama”-Sendung wurde er als Funktionär der Schill-Partei und namentlich “enttarnt”. Von “Bild”.
Journalisten, umarmt die Blogger! (fr-online.de, René Martens)
“Manche Experten sind angesichts des fortschreitenden Umbruchs auf dem Zeitschriften- und Zeitungsmarkt der Ansicht, ein paar Visionäre stünden der Branche nicht schlecht zu Gesicht.”
Die Schweiz in 660 560 000 000 Pixeln (nzz.ch, Kurt Haupt)
Jedes Stückchen Schweiz wird alle drei Jahre aus der Luft neu fotografiert. Internet-Firmen wie Search.ch oder Google nutzen diese Bilder für vielfältige Auskunftsdienste. Bei einer Flughöhe von zwei Kilometern lassen sich auch noch fussballgrosse Objekte erkennen.
Dürfen die das? (zeit.de, Christian Fuchs und Judith Scholter)
Auf dem Internetportal spickmich.de bewerten Schüler ihre Lehrer – anonym. Manche Lehrer fühlen sich an den Pranger gestellt und klagen gegen die Webseite. Der nächste Gerichtstermin ist am 12. März. Vorher bat die ZEIT zum Streitgespräch.
Ärzte und Kliniken im Internet angeprangert (welt.de, Claudia Liebram)
Im Internet können Nutzer Ärzte und Kliniken bewerten. Die sind nicht immer begeistert. “Arzt-Bewertungsportale halten oft nicht, was sie versprechen”, meint die Stiftung Gesundheit. Die Geschmähten lassen das nicht auf sich sitzen. Ein Portal zur Beurteilung von Kliniken fand sich jüngst vor Gericht wieder.
Keeping your job in journalism (ojr.org, Robert Niles)
Competition is back in journalism, and many reporters are losing their jobs in the confusion. Here are some tips to help you avoid that end.
Wir haben den Eindruck, es ist schlimmer geworden. Als wolle die “Bild”-Zeitung immer seltener darauf verzichten, all das, was ihre eifrigen Reporter so anschleppen, auch herzuzeigen. Überall dort, wo wir die folgenden Abbildungen von “Bild”-Zeitungsseiten aus der vergangenen Woche mit roter Farbe übermalt haben, sind Menschen zu sehen, die (unter z.T. tragischen Umständen) Straftaten begangen haben oder begangen haben könnten.
Die Fotos, auf denen die Abgebildeten allesamt gut zu erkennen sind, wurden zum Teil von Paparazzi angefertigt oder aus privaten Fotoalben besorgt. Und wir wollen nicht ausschließen, dass es ein (womöglich weit verbreitetes) Bedürfnis gibt, solche Bilder zu sehen.
Aber: Es gibt nicht nur keine Notwendigkeit, all diese Menschen Millionen anderen Menschen in der Zeitung zu zeigen. Es käme Journalisten, die sich journalistischen Mindestanforderungen (wie sie beispielsweise der Pressekodex festschreibt) und dem Persönlichkeitsrecht verpflichtet fühlen, auch gar nicht in den Sinn, diese Fotos zeigen zu wollen.
Andererseits ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich z.B. eine junge Frau, die gerade wegen des Verdachts, ihr eigenes Baby getötet zu haben, in Untersuchungshaft sitzt, juristisch gegen die Veröffentlichung eines Fotos von ihr zur Wehr setzt, für “Bild” ebenso überschaubar, wie es die aus einem eventuellen Gerichtsprozess resultierenden Schmerzensgeldforderungen sind.
P.S.: Das Foto neben der Schlagzeile “Eltern jagen Killer ihres Sohnes” (oben rechts) zeigt einen Mann, der z.Zt. in Untersuchungshaft sitzt. Er soll vor über zwei Jahren im Streit einen Kollegen getötet haben. Doch was damals wirklich passierte, ist bis heute nicht geklärt. Außer für die “Bild”-Zeitung. Sie zeigt den Mann heute und nennt ihn schlicht:
Nein, es vergeht in der Tat kaum ein Tag, an dem “Bild” nicht irgendjemandes Persönlichkeitsrechte verletzt. (Der Verlag, in dem “Bild” erscheint, hat sich zwar u.a. verpflichtet, das Privatleben und die Intimsphäre des Menschen zu achten und in der Regel keine Informationen in Wort und Bild zu veröffentlichen, die eine Identifizierung von Opfern und Tätern ermöglichen würden. Darum, ob diese Selbstverpflichtung auch umgesetzt wird, kümmert sich verlagsintern aber offenbar niemand.) Nahezu täglich zeigt “Bild” beispielsweise Fotos, die unzulässigerweise eine Identifizierung von Opfern und Tätern ermöglichen. Und immer wieder mag sich (insbesondere für Boulevardjournalisten) natürlich die Frage stellen, ob das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegenüber dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen nicht doch überwiegt.
Aber es gibt Fälle, da ist diese Frage schon beantwortet.
So hatte der Presserat die “Bild”-Zeitung beispielsweise 2004 öffentlich gerügt, weil sie das Foto einer jungen Frau zeigte, der vorgeworfen wurde, ihr neugeborenes Kind getötet zu haben. Im vergangenen Jahr veröffentlichte “Bild” abermals das Foto einer Frau, der vorgeworfen wurde, ihr neugeborenes Kind getötet zu haben. Der Presserat missbilligte das: “Bild” hätte “auf eine erkennbare Darstellung der Betroffenen verzichten müssen” (wir berichteten).
Und heute?
Heute zeigt “Bild” wieder das Foto einer Frau, die verdächtigt wird, ihr neugeborenes Kindes getötet zu haben. Die Veröffentlichung unterscheidet sich nur insofern von den anderen beiden, vom Presserat beanstandeten, als “Bild” dort die Betroffenen ebenso halbherzig wie unzureichend anonymisiert hatte — wohingegen “Bild” sich heute sogar diese Mühe spart (siehe Ausriss, Unkenntlichmachung von uns).
Der zugehörige “Bild”-Artikel beginnt mit dem Wort:
Im vergangenen Jahr hatte “Bild” die identifizierende Berichterstattung im Nachhinein u.a. damit zu rechtfertigen versucht, dass der Sachverhalt im Ort Stadtgespräch gewesen sei…
Vergangene Woche hatte das Bremer Landgericht, das derzeit über den Tod des zweijährigen Kevin verhandelt, angekündigt, zu prüfen, ob “Bild” von dem Prozess ausgeschlossen werden soll. “Bild” hatte nämlich im Dezember trotz der ausdrücklichen Aufforderung des Gerichts, die Persönlichkeitsrechte des Angeklagten zu achten, im Dezember ein unverfremdetes Foto des Angeklagten abgedruckt (wir berichteten).
Ganz so schlimm ist es für “Bild” nun doch nicht gekommen. “Bild”-Mitarbeiter dürfen weiter bei dem Prozess dabei sein. Allerdings untersagte der Vorsitzende ihnen “weiter Bild-Aufnahmen anzufertigen”, und sie dürfen auch, anders als Vertreter anderer Medien, “keine Bild-Aufnahmegeräte mit sich führen”, wie es in dem heute verkündeten Beschluss heißt. Das gilt für alle, die für “Bild” tätig sind, also auch für freie Mitarbeiter.
Der Vorsitzende hat davon Abstand genommen, auch Wortredakteure auszuschließen, um nicht den Eindruck zu erwecken, ein Medium werde wegen unliebsamer Berichterstattung “abgestraft”.
In der Begründung (die laut einer Sprecherin des Bremer Landgerichts “ungewöhnlich ausführlich” ausfiel) betont der Richter, dass er zu Beginn des Prozesses “in teils drastischen Worten” auf die Anonymisierungspflicht hingewiesen habe. Dagegen habe “Bild” außerdem in ähnlich gelagerten Fällen schon zwei mal verstoßen.
Eine bloße Entschuldigung für das “technische Versehen” (“Bild”) reichte dem Vorsitzenden nicht aus.
Poschi auf der Flucht, Presseschau statt Morgengebete, Brüste in der Schwangerschaft.
Ulf Poschardt, leidenschaftlicher Autofahrer und Verachter von VW-Käfer-fahrenden Klimamoralisten, hatte eine schlechte Woche. Zuerst wurde er als Chefredakteur der Zeitschrift Vanity Fair, für die für gut ein Jahr geleitet hatte, gefeuertfreiwillig gegangen, dann schüttete eine Rapperin ihm in einer Fernsehsendung überraschend ein Glas Wasser ins Gesicht, nachdem er sie zuvor offenbar Nervensäge genannt hatte. Poschardt verliess darauf die Sendung, nicht ohne einen Knicks zu machen. Ein Handgemenge wäre wohl angemessener gewesen.
Der Perlentaucher staunte über die Süddeutsche Zeitung. Willi Winkler schrieb dort: “Auch der von einigen anstelle eines Morgengebets aufgesuchte InternetDigest Perlentaucher ist unterkomplex, wie es die menschliche Software erlaubt: die anonymen Bergwerker, die im Morgengrauen die Feuilletons ausweiden und dabei auch noch gewichten sollen, sie können die Artikel im besten Fall kurz beriechen, aber in dem dafür vorgesehenen Halbsatz nur selten angemessen wiedergeben.” Der Perlentaucher dazu: “(Und wir dachten immer, die SZ verklagt uns, weil wir zu viel von ihrem Inhalt wiedergeben!)” Read On…