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Wie ein Hauptgewinn im Lotto

Am 10. September 2005 fuhr Katia R.* zum Münchner Flughafen, um Erdal G.* abzuholen, den sie einige Monate zuvor in der Türkei geheiratet hatte. Doch Erdal G. wurde unmittelbar nach seiner Ankunft wegen Mordes verhaftet. Er soll elf Jahre zuvor in Berlin seine 17-jährige Freundin brutal umgebracht haben, als die ihn verlassen wollte.

Der 10. September 2005 wäre auch ganz ohne das Zutun von “Bild” einer der schlimmsten Tage im Leben von Katia R. gewesen. Aber kein Elend ist groß genug, als dass es die “Bild”-Zeitung nicht noch größer machen könnte. Am späten Nachmittag des 11. September 2005 drang sie in das Leben von Katia R. ein.

Was dann geschah, schildern sie und ihre Nachbarn so:

Zwei Reporter, mindestens einer davon von der “Bild”-Zeitung, tauchen in dem Haus auf, in dem Frau R. wohnt. Sie haben sich durch Klingeln bei Nachbarn Zutritt verschafft. Weil Katia R. nicht da ist, fragen sie ein unter ihr wohnendes Ehepaar hartnäckig nach ihr aus. Als die Ehefrau die Reporter endlich abgewimmelt hat, legt sie Katia R. einen Zettel in den Briefkasten. Eine Art Warnung: Sie solle sich unverzüglich bei ihr melden. Als Katia R. nach Hause kommt, findet sie den Zettel und besucht sofort das Ehepaar, das ihr von dem “Bild”-Besuch berichtet. Katia R. gerät in Panik und will so schnell wie möglich in ihre Wohnung. Die Ehefrau begleitet sie.

Als die beiden Frauen sich auf den Weg machen, werden sie von den Reportern bemerkt, die sich immer noch im Haus befinden. Sie stürmen ebenfalls in Richtung Wohnung und versuchten, Katia R. abzufangen, was ihnen jedoch nicht gelingt. Die Reporter lassen sich diesmal aber auch von der Nachbarin nicht vertreiben und klingen Sturm, bis Katia R. schließlich die Polizei ruft.

Eine halbe Stunde später klingelt bei Katia R. das Telefon. Es meldet sich Burkhard Wittmann, ein “Bild”-Redakteur und wahrscheinlich einer der beiden Reporter, die ihr zuvor im Flur aufgelauert haben, und bedrängt sie mit Fragen. Sie lässt sich aber auf kein Gespräch ein und fordert ihn auf, sie in Ruhe zu lassen. Sie verbarrikadiert sämtliche Fenster und traut sich teilweise nicht einmal, Licht anzumachen.

Soweit die Schilderung von Katia R. und ihrer Nachbarn.

Der nächste Tag ist ein Montag, und die Münchner Zeitungen berichten über die Festnahme des gesuchten Mörders am Flughafen. Das heißt, drei Münchner Zeitungen berichten über die Festnahme des gesuchten Mörders — und eine über seine Ehefrau.

Der “Bild”-Artikel beginnt mit folgenden Worten:

München — Mit Mitte 40 noch mal einen zehn Jahre jüngeren Mann abgreifen – für die Münchner                  war’s wie ein Hauptgewinn im Lotto.

“Bild” hatte den Nachnamen von Katia R. abgekürzt, nannte aber ihren richtigen, durch eine markante Schreibweise sehr auffälligen Vornamen, ihren Beruf und das Wohnviertel in dem sie lebte.

Für Kollegen und Nachbarn war Katia R. leicht als die Frau zu identifizieren, die “diesen eiskalten Killer heiratete”. Noch Monate später ist sie nach eigenen Angaben sogar im Urlaub in der Türkei von einem deutschen Rentner-Ehepaar aufgrund des “Bild”-Artikels erkannt und angesprochen worden.

Nach dem dramatischen Wochenende hatte sie nach Angaben ihrer Ärzte erhebliche gesundheitliche Probleme und litt unter Angst- und Panikzuständen, die dauernde psychologische Betreuung notwendig machte. Auch am Arbeitsplatz habe die Veröffentlichung erhebliche negative Folgen gehabt, sagt sie.

Katia R. nutzte ihre Rechtsschutzversicherung, um einen Anwalt einzuschalten. Der Medienrechtsexperte Marc Heinkelein warf “Bild” schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung und Beleidigung vor – Vorwürfe, die die Rechtsabteilung der Axel Springer AG umgehend zurückwies. Es könne auch “keine Rede davon sein”, dass Katia R. durch die Berichterstattung “eindeutig identifizierbar sei”, schrieb das Justiziariat am 6. Oktober 2005: “Ihre Anonymität wurde zu keinem Zeitpunkt aufgehoben.” An der Schilderung des konkreten Geschehens bestehe “ein besonderes öffentliches Informationsinteresse”. Es sei zulässig, auch über die soziale Umgebung von Erdal G. zu berichten, weil sein Mordopfer auch aus seiner früheren unmittelbaren sozialen Umgebung stammte.

Der Justiziar Springers erklärte, Katia R. sei durch die “Bild”-Berichterstattung “keineswegs an den Pranger gestellt” worden, “nach dem Motto ‘wie kann man denn nur einen eiskalten Killer heiraten?'”:

Wenn überhaupt, dann ist die Wirkung gegenüber [Katia R.] Erweckung von Mitgefühl und Erleichterung darüber, daß ihr nichts zugestoßen ist (…).

Die Formulierung “Mit Mitte 40 noch mal einen zehn Jahre jüngeren Mann abgreifen – für die Münchner                  war’s wie ein Hauptgewinn im Lotto” stelle “keine Ehrenrührigkeit” dar. Der Altersunterschied sei unter anderem deshalb berichtenswert, erklärte die Rechtsabteilung von Axel Springer, “weil es bereits statistisch weitaus seltener ist, daß eine Frau einen deutlich jüngeren Mann ehelicht, als dies im umgekehrten Fall geschieht”.

Sechs Wochen später gab Springer dennoch eine Unterlassungserklärung ab, und verpflichtete sich, Katia R. nicht in die Berichterstattung über Erdal G. mit einzubeziehen und die Beschreibung mit dem “Lotto-Hauptgewinn” nicht zu wiederholen. Erst ein knappes Jahr später gab auch Clemens Hagen, der presserechtlich Verantwortliche für die Müncher “Bild”-Ausgabe, eine solche Erklärung ab. Der Verlag blieb aber dabei, nichts Unrechtes getan zu haben.

Inzwischen hatte Katia R. Klage gegen die Axel Springer AG, Hagen und den Redaktionsleiter Rolf Hauschild eingereicht. Sie forderte Unterlassung, Schmerzensgeld und Schadensersatz.

Am 22. November 2006, vierzehn Monate nach dem “Bild”-Bericht, kam es zur ersten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht München I. In ihrem Protokoll stellte die Kammer fest, dass sie überzeugt sei, dass Katia R. einen Anspruch auf Schmerzensgeld habe, und wischte einen Großteil der Argumentation von “Bild” vom Tisch:

Das Persönlichkeitsrecht der Klägerin wurde durch die streitgegenständliche Veröffentlichung in schwerwiegender Weise verletzt. Es kann keine Rede davon sein, dass die Klägerin auch nur ansatzweise zulänglich anonymisiert wurde. Erschwert kommt hinzu, dass die Klägerin nicht nur in ihrer Eigenschaft als Ehefrau eines mutmaßlichen Mörders Gegenstand der Berichterstattung wurde, sondern dass sie auch noch persönlich in einer besonders hämischen Weise angesprochen wurde. Die Kammer wird deutlich über den eingeklagten Betrag hinausgehen, dies nicht zuletzt auch wegen der im Presserecht anerkannten Präventivfunktion des “Schmerzensgeldes”.

Aus dem Protokoll des Landgerichts München I:

“Jedenfalls ab dem heutigen Verhandlungstermin wird die Kammer auch das prozessuale Verhalten der Beklagten [der Axel Springer AG] als schmerzensgelderhöhend verwerten.”

Die Pressekammer legte es der Axel-Springer-AG nah, freiwillig zu zahlen. Sie hielt sogar im Protokoll die Warnung an das Unternehmen fest: Je länger man über den Fall nachdenke, desto teurer werde es.

Das Gericht hielt “ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 50.000 Euro für angemessen” und regte die beiden Parteien an, “in dieser Größenordnung über einen Abfindungsvergleich zu verhandeln”.

Die “Süddeutsche Zeitung” über die erste mündliche Verhandlung:

“Die Richter der 9. Kammer machten (…) keinen Hehl daraus, dass die der klägerin auf jeden Fall Schmerzensgeld zusprechen werden — und zwar mindestens 50.000 Euro, doppelt so viel, wie bisher gefordert. Denn der Betrag sei nicht nur als Genugtuung für die Betroffene zu verstehen, sondern auch als Prävention: Das Blatt habe mit seiner Berichterstattung ‘ohne Not jemanden individualisierbar gemacht’ und obendrein beleidigt — ‘Medien sollen davon abgehalten werden, so etwas zu tun’.”

Springer ignorierte den Hinweis des Gerichtes und bot nur 35.000 Euro Abfindung an – Katia R. forderte mindestens 65.000 Euro. Ihrem Anwalt Marc Heinkelein teilten die Springer-Anwälte nach seinen Angaben mit, dass über eine solche Summe nicht mehr der Justiziar der Axel Springer AG entscheiden könne, sondern nur die Vorstandskonferenz. Ob Mathias Döpfner und seine Vorstandskollegen eine solche Einigung ausdrücklich abgelehnt haben, ist unbekannt. Es sieht aber so aus: Die Anwälte jedenfalls teilten Heinkelein im Janur 2007 mit, dass Springer nicht mehr als 35.000 Euro anbiete – ein Vergleich kam also nicht zustande. Das Gerichtsverfahren ging weiter.

Die Anwälte Springers erklärten nun, die Einschätzung des Gerichtes sei “rechtlich verfehlt”, und zweifelten an dessen Unvoreingenommenheit. Katia R.s Anwalt hingegen forderte eine Geldentschädigung, die die Axel-Springer-AG “ernsthaft davon abhalten wird, in Zukunft weiterhin in diesem Stil, also unter bewusster Inkaufnahme von schweren Persönlichkeitsrechtsverletzungen, zu berichten”. Eine Summe von 35.000 oder 50.000 Euro zahle das Unternehmen vermutlich aus seiner Portokasse:

Es spricht […] im Übrigen viel dafür, dass bei derartigen Millionenkonzernen entsprechende Entschädigungsleistungen für “Berichterstattungsopfer” von vornherein in die Kalkulation eingestellt werden.

Aus dem Gutachten über Frau R.

“Zumindest ein Teil des genannten psychischen Beschwerdebildes (…) ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlich[keit] zumindest wesentlich teilursächlich, u.E. sogar wesentlich ursächlich auf die streitgegenständliche Berichterstattung der BILD-Zeitung zurückzuführen, wobei auch das Auflauern von Reportern im Wohnhaus von Frau (…) als Mitursache zu berücksichtigen ist. (…)

[Es kann] festgestellt werden, dass sich das psychische Beschwerdebild (…) bei Frau (…) in Art und Ausmaß nicht derart, wie es vorhanden gewesen ist, ausgebildet hätte, wenn es nicht zu dem BILD-Artikel und dem Auflauern im Wohnhaus der Begutachteten gekommen wäre.”

Um klären zu lassen, “ob die psychischen Folgen, unter denen die Klägerin leidet, auf den Umstand der Verhaftung oder auf die Veröffentlichung [der ‘Bild’-Zeitung] zurückzuführen sind”, gab das Gericht ein Sachverständigengutachten beim Institut für Psychotraumatologie in Auftrag. Das kam in seinem 100-seitigen Papier zu einem klaren Ergebnis: Wenigstens ein Teil der Beschwerden von Katia R. sei nach Einschätzung der Gutachter höchstwahrscheinlich “wesentlich ursächlich” auf den “Bild”-Artikel zurückzuführen.

Aus rechtlicher Sicht genügt für eine Schadensersatzpflicht sogar bereits “Mitursächlichkeit”. Demnach würde “Bild” bei einer Verurteilung letztlich für alle Kosten aufkommen müssen, die durch die psychologische Behandlung und die gesundheitlichen Probleme entstanden sind und noch entstehen.

Am kommenden Mittwoch wird das Urteil verkündet. Die Anwälte von Springer haben bereits angekündigt, nach der zu erwartenden Verurteilung in die zweite Instanz zu gehen. Es können noch Jahre vergehen, bis Katia R. tatsächlich Schmerzensgeld oder Schadensersatz von der Axel Springer AG bekommt.

*) Namen geändert.

6 vor 9

Kapitulation in der Senioren-Ecke
(Kölner Stadt-Anzeiger, Sibylle Quenett)
“Stimmt es, dass ARD und ZDF, alimentiert mit jährlich rund acht Milliarden Euro, ‘Spartensender für Senioren’ geworden sind? Müssen damit die unter Jüngeren weitaus erfolgreicheren Privatsender nicht ihren Anteil an der Grundversorgung mit Nachrichten ausbauen?” Schon fantasiert RTL von der öffentlichen Finanzierung der Nachrichten …

Vom Journalismus zum News-Marketing
(Medienheft, Roman Berger)
“Im harten Medienbusiness der USA kämpft der seriöse Journalismus ums Überleben. Auf der Strecke bleibt die politische Information – der Sauerstoff für die Demokratie.” Ist das Non-Profit-Projekt “Pro Publica”, das mit Millionen-Budget gemeinnützig investigativ recherchieren will, die Alternative?

Keine Gnade bei “Big Brother”
(Jungle World, Elke Wittich und Boris Mayer)
In der aktuellen “Big Brother”-Staffel machen zwei Teilnehmer miteinander rum und belügen Verwandte – obwohl die “Beweise” längst auf YouTube stehen. Den sollte mal jemand Bescheid stoßen, denken sich die Autoren. Aber die Produktionsfirma kennt keine Gnade. Die Jungle World auch nicht, weder mit Endemol noch mit den beiden Düpierten.

Gysi beißt Journalisten (Video)
(NDR, Zapp)
“‘Gemeine Rufschädigung, miese Medienkampagne’: Der gewiefte Anwalt klagt gegen unliebsame Berichte, gegen Redaktionen, die behaupten, er sei IM gewesen.”

“Get to the point and get out of the way”
(The News & Observer, J. Peder Zane)
Bitterböse: Ein Artikel aus der New York Times wird von einem anonymen Editor nach Strich und Faden auseinander genommen.

Rockstars nach der Show fotografiert
(78s.ch, David Bauer)
“?The Moment After The Show? heisst die Bilderserie des Basler Fotografen Matthias Willi mit rund 50 Aufnahmen von Künstlern direkt nach einem Auftritt. (…) Vom 4. – 8. Juni werden die Bilder an der ?Ping Pong Basel?, einer Nebenveranstaltung zur Kunstmesse Art Basel, erneut ausgestellt.”

Echte Rechercheprofis!

Toll, die Mitarbeiter von Bild.de scheuen wirklich keine Kosten und Mühen, um ihre Leser exklusiv und umfassend zu informieren.

Laut Bild.de lacht momentan “ganz Deutschland” über eine Frau mit starkem Dialekt, die vor drei Jahren bei der Polizei anrief, um sich über ihren Nachbarn zu beschweren. Ein Mitschnitt des Telefonats sei schon “mehr als 100.000 Mal” bei YouTube abgerufen worden und Bild.de verkündet stolz:

Wobei diese Rechercheleistung vielleicht etwas dadurch geschmälert wird, dass die Frau am Telefon ihre volle Adresse nennt und mehrmals ihren Namen. Ihr starker Dialekt stellt kein Problem dar, denn die hochdeutsche Übersetzung wird mitgeliefert:

Und weil Bild.de das Video auch auf der eigenen Seite zeigt, können sich jetzt zusätzlich zu den YouTube-Nutzern auch noch ein paar Millionen Bild.de-Leser darüber informieren, wie eigentlich der Nachbar heißt und wo genau er wohnt. Echt toll:

Mit Dank an Christian R., Alexander, Falk R. und Nogger für den Hinweis.

medienlese – der Wochenrückblick

Zwei Medienkampagnen, das Ende des Interviews, ein Spielverderber, neue Pop-Recherche und der entfesselte Internet-Mob.

Vor dem Ende des Interviews warnt Adrian Schimpf, Ex-Chefjustiziar der Financial Times Deutschland und Manager bei Gruner und Jahr, auf Spiegel Online. Anlass ist ein Urteil der Zivilkammer 24 des Hamburger Landgerichts, nachdem Medien für die Wahrheit von Interviewäußerungen Dritter haften. (Wir hatten dazu zwei Tage vorher auf eine Meldung von newsroom.de verlinkt.)

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Unverbesserlich IV

Der Presserat hat “Bild” für dergleichen schon gerügt und Vergleichbares missbilligt. “Bild” ist das offenbar schnurz. Und so steht auch heute eigentlich außer Frage, dass die Art und Weise, wie “Bild” über “die Baby-Werferin” berichtet (siehe Ausriss), der journalistischen Berufsethik widerspricht und die Persönlichkeitsrechte der Frau verletzt* – um so mehr, als “Bild” selbst berichtet, dass die Frau, die “Bild” beim Vornamen nennt und abbildet, psychisch krank und “nicht in U-Haft, sondern in eine psychiatrische Klinik” gebracht worden sei (siehe Kasten).

Aus dem Pressekodex

“Liegen Anhaltspunkte für eine mögliche Schuldunfähigkeit eines Täters oder Tatverdächtigen vor, sollen Namensnennung und Abbildung unterbleiben.”
(Ziffer 13, Richtlinie 13.1)

Und es ist mehr als fraglich, ob es die Sache irgendwie besser macht, wenn “Bild” über die großen Lettern “Das ist die Baby-Werferin” deutlich kleiner schreibt: “Junge Mutter aus Schöneberg auf dem Weg zum Haftrichter. Er glaubt:”

*) Was den kleinen schwarzen Balken über der Augenpartie der Frau anbelangt, hatte der Presserat die “Bild”-Redaktion bereits 2004 ausdrücklich daran erinnert, “dass Maßnahmen zur Anonymisierung einer Person auch wirksam sein müssen. So müssen Augenbalken soviel verdecken, dass eine Identifizierung über die nicht verdeckten Teile eines Gesichtes nicht möglich ist”.

6 vor 9

Quoten statt Voten
(medienheft.ch, Gerti Schön)
“Kurzatmige Nachrichten über aufgeblasene Bagatellen bestimmen die Berichterstattung über die Vorwahlen in den USA: Ob nun angebliche Heckenschützen in Bosnien, radikale Prediger oder “frustrierte Wähler” – kaum jemand, der nicht aufgeboten würde, um die Stimmung gegen die demokratischen Präsidentschaftskandidaten anzuheizen. Dabei geht es mehr um Quoten als um Voten.”

“Man muss lernen, anonym zu bleiben”
(zeit.de, Götz Hamann)
“Netzsurfer tragen selbst Verantwortung, sagt der oberste Datenschützer von Google. Peter Fleischer über die Spuren, die Nutzer hinterlassen – und über das, was der amerikanische Internetkonzern damit anstellt.”

Der Hakenkreuzzug
(spiegel.de, Ansberg Kneip)
“Wie Google Earth bei der Entnazifizierung der Welt hilft.”

“Gegen eine reine Mantellösung würde ich mich wehren”
(persoenlich.com, David Vonplon)
“Letzten Samstag ist der “Bund” in die Räumlichkeiten der “Berner Zeitung” am Dammweg gezogen. Folgt auf die geografische Zusammenlegung der Zeitungen auch eine redaktionelle? Laut “Bund”-Chefredaktor Artur K. Vogel sind solche Befürchtungen aus der Luft gegriffen: “Wir versuchen, uns klar von der ‘BZ’ abzugrenzen”, erklärt er im Interview mit “persoenlich.com” und übt scharfe Kritik an Medien, die anderslautende Berichte publizierten.”

Da geht was
(blick.ch, Lu Hai Rui)
“China ist ein ziemlich grosses Land, und in einem ziemlich grossen Land passieren ziemlich kuriose Dinge. In den vergangenen Wochen habe ich allerlei Zeitungsausschnitte für Sie gesammelt, liebe Leserinnen und Leser, und bin stolz, Ihnen nun die zehn verrücktesten Kurznachrichten des Frühlings präsentieren zu dürfen.”

Ein offener Brief vom Internet zum Tag des Geistigen Eigentums
(tim.geekheim.de)
Nach “den Kulturschaffenden” schreibt nun auch “das Internet” einen offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel.

… und nichts als die halbe Wahrheit

Beim Linksabbiegen hat ein Autofahrer im Oktober 2007 einen entgegenkommenden Motorradfahrer tödlich verletzt. Der Autofahrer hatte keinen Führerschein. Er wurde gestern vom Amtsgericht Dortmund wegen fahrlässiger Tötung zu einer Bewährungsstrafe von neun Monaten verurteilt bzw. “marschiert wieder in die Freiheit”, wie “Bild” heute formuliert, weil der Richter “ihn laufen ließ”.

“Bild”-Schlagzeilen

  • “Mit dickem BMW: Sozialhilfe-Empfänger raste Biker tot”
    (Überschrift vom 21.4.2008)
  • “Kein Asyl, kein Führerschein:             fährt Motorrad-Fahrer tot! …und marschiert wieder in die Freiheit”
    (Überschrift vom 22.4.2008)

Zuallererst aber nennt “Bild” seinen Vornamen, seine Nationalität (“Bild” gestern: “           * ist Iraker.” – “Bild” heute: “Er ist Iraker”), den Autotyp (“ein dicker 5er BMW”). “Bild” hat sein Gesicht weniger als halbherzig anonymisiert und schreibt zudem, er sei in Deutschland “nur ‘geduldet'”, bekomme “60 Euro Sozialhilfe monatlich” und sei “bereits dreimal wegen Verkehrsdelikten erwischt” worden, u.a. offenbar “wegen Fahrens ohne Führerschein”. Letzteres spricht – anders als seine Nationaliät und sein sozialer Status – fraglos gegen den Unfallverursacher mit dem “Luxusschlitten (zugelassen auf die Freundin)”. Und trotzdem nur “9 MONATE AUF BEWÄHRUNG” für den “Todesfahrer”?

Vielleicht aber liegt das Unverständnis über das Urteil, das sich beim Lesen des “Bild”-Artikels fast unwillkürlich einstellen will, nicht nur am Urteil selbst. Dort, wo “Bild” sich mit irrelevanten und ausländerfeindlich anmutenden Details aufhält, wäre hinreichend Platz gewesen für das, was uns auf Anfrage ein Gerichtssprecher sagt:

Der Motorradfahrer ist zu schnell gefahren. Hätte er die zulässige Geschwindigkeit nicht überschritten, wäre es nach der Vermeidbarkeitsberechnung eines Gutachters nicht zum Zusammenstoß gekommen.

Offenbar wollte “Bild” die Meinungsbildung ihrer Leser nicht mit dieser Information verkomplizieren.

*) Unkenntlichmachung von uns.

“Bild” dokumentiert die eigene Skrupellosigkeit

Nochmal zum Mitschreiben:

  • Am Samstag berichtete “Bild” auf der Titelseite exklusiv, aber ohne Anlass, dass ein Kandidat der RTL-Show “Deutschland sucht den Superstar” (DSDS) schwul und “mit einem Mann verheiratet” sei.
  • Am Sonntag berichtete “Bild am Sonntag”, dass der Sänger aufgrund des “Bild”-Outings “um sein Leben bangen” müsse und Angst vor schwulenfeindlichen Übergriffen habe.

Und das muss man sich vorstellen: An demselben Sonntag, an dem die “BamS”-Kollegen ausführlich über die (durch das “Bild”-Outing verursachte) potentielle Lebensgefahr für den Sänger berichten, wird die “Bild”-Zeitung vom Montag gemacht. In der Redaktion sitzen Menschen und entscheiden, was wo und wie in der heutigen “Bild”-Ausgabe Millionen lesen werden. Und wofür entscheiden sie sich? Na, sehen Sie selbst:

"Superstar F. und sein Ehemann: Das ist die Heirats-Urkunde"

“Gespräch mit BILD”?

“In einem Gespräch mit BILD schwärmte der Ehemann des ‘Superstar’-Sängers: ‘F.* ist der liebenswerteste Mensch der Welt. Unsere Wohnung trägt fast nur seine Handschrift. F. ist Künstler, möchte sich immer nützlich machen, gestaltet deshalb unsere Einrichtung.'”
(Quelle: “Bild” vom 14.4.2008)

*) Anonymisierung von uns

Ohne irgendeinen Hinweis auf die Sorgen des DSDS-Kandidaten und/oder die möglicherweise bedrohliche Situation, in die “Bild” ihn gebracht hat, zugleich aber auch ohne irgendeinen erkennbaren Erkenntnisgewinn veröffentlicht die “Bild”-Zeitung “die Heiratsurkunde, die das Glück besiegelte” – mit weiteren identifizierbaren Details aus dem Privatleben des Sängers und seines mutmaßlichen Ehepartners, der in der heutigen “Bild” auch wörtlich zitiert wird (siehe Kasten). Nach unseren Informationen fand das “Gespräch mit BILD” jedoch schon vor längerer Zeit statt, und der Befragte hatte damals nicht als “Ehemann des ‘Superstar’-Sängers” geantwortet. Und wie uns eine RTL-Sprecherin auf Anfrage mitteilt, haben sich “weder der betroffene Kandidat noch RTL jemals öffentlich dazu geäußert”.

Aber es muss ja einen Grund dafür geben, dass “Bild” auch heute wieder das Privatleben des DSDS-Kandidaten gegen seinen Willen in die Öffentlichkeit zerrt. Und der naheliegende wäre, dass Daniel Cremer, Sven Kuschel und Uli Schüler, die als Autoren über dem “Bild”-Artikel stehen, sowie Florian von Heintze, der als Verantwortlicher der heutigen Ausgabe im “Bild”-Impressum steht, ganz besonders selbstgefällige und skrupellose… Menschen sind.

medienlese – der Wochenrückblick

Ugugu, Unreife, unveränderte Gewohnheiten.

Endlich mal erschien ein deutschsprachiger Zeitungsartikel über Weblogs, der nicht in Grund und Boden verdammt werden musste (sogar Thomas Knüwer war davon angetan). Thomas Thiel beschritt in der Frankfurter Allgemeinen eine Reise durch die Blogosphäre, die ihn zu obskuren Orten wie Ingolstadt oder Usingen führte. Wissen würde ich aber gerne, wer dieser Blogger ist, der seine Meinungsbekundungen (vorgetragen “im Dünkel argumentativer Überlegenheit und im Bewusstsein der durch die Anonymität geminderten Rechenschaftspflicht”) standardisiert mit “Ugugu” beginnt.
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Hauptsache “Privat-Porno”

Bild.de verbreitet heute über Lindsay Lohan und einen “Privat-Porno” weiter, was eigentlich die britische “Sun” über Lindsay Lohan und den “Privat-Porno” verbreitet. Auf der Start-Seite. Und groß.

"Video: Wegen Privat-Porno -- Lindsay Logan beschimpft ihren Ex"

Das Dumme daran: Was die “Sun” heute unter Berufung auf eine anonyme Quelle über Lindsay Lohan und den “Privat-Porno” verbreitet, kann so nicht stimmen. Schließlich hatte das berüchtigte AOL-Paparazziblog TMZ.com bereits am vergangenen Freitag enthüllt, dass die Frau auf dem “Privat-Porno” gar nicht Lindsay Lohan ist.

Aber wen kümmern schon solche Details, solange Bild.de doch über Lindsay Lohan und den “Privat-Porno” einfach nur weiterverbreitet, was die “Sun” über Lindsay Lohan und den “Privat-Porno” verbreitet.

Mit Dank an Rene R. und Daniel N. für den sachdienlichen Hinweis zu Lindsay Lohan und dem “Privat-Porno”.

Nachtrag, 26.3.2008: Auch der gedruckten “Bild” ist die “Sun”-Behauptungen über Lindsay Lohan und den “Privat-Porno” heute eine Meldung wert. Ganze drei (!) Mal taucht darin das für “Bild” sonst eher unbekannte Wort “angeblich” auf. Die Info, dass der “Privat-Porno” bekanntermaßen gar nicht Lindsay Lohan zeigt, sucht man hingegen auch in der gedruckten “Bild” vergebens.

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