Suchergebnisse für ‘anonym’

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1. Oscar Bronner im Interview
(falter.at, Armin Thurnher)
“Er hat Österreich mit den Magazinen ‘trend’ und ‘profil’ verändert. Jetzt wird sein ‘Standard’ zwanzig. Der Journalist, Maler und Zeitungsgründer Oscar Bronner über sein Wirken und Schaffen in Wien und New York.”

2. “Die Gefährdung der Öffentlichkeit durch entbettete Medien”
(nzz.ch, Kurt Imhof)
“Erst im neoliberalen Gesellschaftsmodell erfolgte im Rahmen der Globalisierung der Wirtschaft und des Zerfalls der Parteimilieus die Entbettung der Medien von ihren sozialen Bindungen. Diese Entwicklung wird zum entscheidenden Faktor der Zerstörung der Balance zwischen Öffentlichkeit und Privatheit. Die Entbettung der Medien machte sie zu reinen Renditeunternehmen.”

3. “Der Fall Jürgen Emig”
(faz.net, Michael Hanfeld)
Grosses Dossier von faz.net zum Bestechungsskandal um den ehemaligen Sportchef des Hessischen Rundfunks: “Emig muss wegen Untreue und Bestechlichkeit für zwei Jahre und acht Monate ins Gefängnis. Über einen Zeitraum von fünf Jahren hinweg hatte er, wie das Gericht festhält, 440.000 Euro in die eigene Tasche gewirtschaftet, dabei sei ein Schaden von mindestens 285.000 Euro für den HR entstanden.”

4. “Ausreden fürs Ausziehen”
(einestages.spiegel.de, Benjamin Maack)
“Einfach blank ziehen ging gar nicht: Weil sexuelle Stimulation lange Zeit als Vorstufe zur Geisteskrankheit galt, mussten die Männermagazin-Pioniere erfinderisch sein. Als Kunstmagazin oder FKK-Postille getarnt, brachten sie ihre Hefte an den Mann – dabei ging es auch vor über hundert Jahren nur um eines.”

5. “Artisten im Wirklichkeitszirkus”
(freitag.de, Katrin Schuster)
“Sarah Kuttner, Charlotte Roche und Stefan Raab heißen drei von denen, die keine Journalisten sind, aber oftmals die interessanteren Fragen stellen; die auch keine Schauspieler sind, obwohl der Umgang mit der Kamera ein durchweg lockerer, gleichsam unbewusster ist.”

6. “Warum ich nicht mehr Lehrer bin”
(dasmagazin.ch, Martin Beglinger)
“An dieser Stelle soll nur ein einziger Lehrer zu Wort kommen: ein 35-jähriger Sekundarlehrer, den wir hier Bernhard Lorenz nennen. Der Mann will anonym bleiben. Aber umso offener redet er darüber, warum er seinen Beruf, den er im Grunde so liebt, nach sechs Jahren aufgegeben hat. Und warum so viele seiner Kolleginnen und Kollegen frustriert in der Schule zurückbleiben.”

“Bild” beschmiert Jungpolitiker mit Hakenkreuzen

Die bisherige politische Karriere des 25-jährigen CDU-Nachwuchspolitikers F. endete am 10. September 2008.

Darüber, welchen Anteil F. selbst daran hat, lässt sich diskutieren. Über den Anteil von “Bild” nicht. Denn “Bild” zeigte am 10. September unter der Überschrift “Hakenkreuz-Skandal bei der Jungen Union” ein Foto des Berliner JU-Kreisvorsitzenden und schrieb:

Mindestens drei CDU-Mitglieder sollen in einen Hakenkreuz-Skandal verwickelt sein. Jetzt tauchte ein geheimes Videoband bei der CDU-Zentrale im Abgeordnetenhaus auf.

Die Hauptdarsteller: drei Parteimitglieder, darunter [F.] (25), Kreisvorsitzender der Jungen Union […].

Der Film zeigt die CDU-Mitglieder während einer Fahrt vor zwei Jahren: Sie haben ihre Oberkörper mit Hakenkreuzen beschmiert, schreien wüste Nazi-Parolen!

Das Video:

Die Videosequenz, die kurz vor dem “Bild”-Bericht der Berliner CDU zugespielt worden war, zeigt mehrere junge, sichtlich alkoholisierte Männer, darunter auch F. und andere JU-Mitglieder (u.a. mit polnischem, tschechischem und jüdischem Hintergrund), die sich zum Zeitvertreib wie in einer Talk-Show Fragen stellen. Irgendwann hält einer der Anwesenden kurz einen Sticker mit Hakenkreuz-Motiv vors Objektiv, den er an einem Rigaer Souvenirstand erworben hat; ein anderer findet es hingegen sichtlich lustig, zum Thema Ausländer mit rechten Parolen wie der Bekämpfung “des jüdischen Bolschewismus” in die Kamera zu provozieren.

F. ist währenddessen anwesend, aber nicht im Bild.

Nach eigenen Angaben unterhielt er sich, während die Situation entglitt, mit einem Kollegen, wenig später spricht er sich im selben Video für eine multikulturelle Gesellschaft aus.

Nach unseren Informationen veröffentlichte “Bild” diese Zeilen, ohne das “geheime Videoband” überhaupt gesehen zu haben. Und so ist es vielleicht auch kein Wunder, dass der Film (ein etwa 3-minütiger Ausschnitt aus einem längeren Privatvideo, entstanden vor knapp drei Jahren auf einer Schülerunionsreise in Riga) nicht das “zeigt”, was “Bild” behauptet: Mit Hakenkreuzen beschmierte Oberkörper etwa sucht man auf dem Video vergeblich (siehe Kasten).

Mehrere Teilnehmer der Riga-Reise haben, unmittelbar nachdem die Videosequenz der Berliner CDU zugespielt worden war, Konsequenzen aus dem Bekanntwerden gezogen und sind aus der Partei aus- bzw. von ihren Ämtern zurückgetreten.

F. indes, der in “Bild” als einziger namentlich genannt und gezeigt wird, sieht sich zu Unrecht diffamiert. Seine Beteiligung am “Hakenkreuz-Skandal” bestehe, wie er uns sagt, ausschließlich in seiner Anwesenheit während der fraglichen Szenen, sein Fehler wohl eher darin, dass er damals vor Ort nicht eingeschritten sei. Darüber hinaus jedoch habe er sich nichts vorzuwerfen — zumal er sich selbst seit längerer Zeit in Sozialprojekten für Intergration einsetzt und u.a. für den “Störungsmelder”, dem Anti-Nazi-Blog der “Zeit”, als Autor tätig war. (Dort ruht seine Autorenschaft derzeit “bis zur endgültigen Klärung der Vorwürfe”.)

F. prüft derzeit rechtliche Schritte gegen “Bild”. Dort erklärt man nach unseren Informationen die falsche Behauptung, F. und seine Kollegen hätten “die Oberkörper mit Hakenkreuzen beschmiert”, mit einem “Übermittlungsfehler”.

Hinweis: Dieser Artikel wurde nachträglich anonymisiert.

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1. “Der PR fehlt ein Link”
(georgholzer.at)
Georg Holzer erklärt, wie er mit unerwünschter und unangebrachter PR umgeht: “Jeder Absender, der mir ab jetzt irrelevante Aussendungen schickt, landet im Spam-Filter.” Nicht davon betroffen sind Informationen, die man ein für alle mal mit einem leicht aufzufindenden Unsubscribe-Link abbestellen kann. “Ist so eine Kleinigkeit im Sinne eines guten Miteinanders von Journalismus und PR zu viel verlangt? Ich glaub nicht.”

2. “N24 simuliert die eigenen Zuschauer”
(medienpiraten.tv, Peer Schader)
Peer Schader hat einen starken Verdacht, dass nicht alle Teilnehmer der N24-Sendung “Debatte 2.0″ echt sind.

3. “Schall und Rauch”
(flashfrog.wordpress.com)
Flashfrog bringt etwas Klarheit in die Begriffe “Realname”, “Pseudonym” und “Anonymität”.

4. “Was erlaube´ DFL!”
(freitag.de, Katrin Schuster)
“Fußballspiele sind besser vor medialem Missbrauch geschützt als jeder Mensch.”

5. “Der journalistische Schein”
(blog.handelsblatt.de/indiskretion, Thomas Knüwer)
Thomas Knüwer fragt sich, was für ein Mehrwert ein Korrespondent bietet, der in einer dem Ereignis nahe gelegenen Stadt Nachrichtenkanäle guckt.

6. “Auch Basler Zeitung will keine Links”
(blogdessennamenmansichnichtmerkenkann.com, ugugu)
Schon drei Wochen nach tagesanzeiger.ch hat nun auch baz.ch den Absatz, dass man “vorgängig eine ausdrückliche, schriftliche Bewilligung” benötigt, um einen Link auf ihr Internetangebot zu setzen, herausgenommen. Ohne die Intervention von Bloggern wären die Bedingungen vermutlich noch immer unverändert.

“Bild”-Reporter bei mieser Recherche erwischt

Ein BILDblog-Leser schilderte uns vorgestern folgendes Erlebnis:

Am heutigen Montag, dem 4. August, hatte ich einen handgeschriebenen Zettel im Briefkasten auf dem stand “Lieber            , bitte ruf mich an Jörg Bergmann” und eine Handynummer (siehe Ausriss). Mein Vater hatte den Zettel gefunden, und weil ich keinen Jörg Bergmann kenne, rief mein Vater die Handy-Nummer an. Er gab sich zunächst als ich aus, reichte das Telefon aber kurz darauf an mich weiter. Der Mann am anderen Ende erklärte kurz, er sei Journalist, und sagte, es ginge um einen gewissen Stefan B. und ob ich mit ihm befreundet sei. Auf meine Frage, für welche Zeitung er denn arbeitet, antwortete der Mann zunächst nur, er sei freier Journalist. Aber ich wollte es genauer wissen und bekam etwas zögerlich zur Antwort: “Konkret für die ‘B.Z.’ und ‘Bild’.”

Ich gab dem Mann deutlich zu verstehen, dass er nichts von mir erfahren wird, und dass er keine Zitate von mir veröffentlichen darf. Daraufhin sagte der Mann, dass das dann so am nächsten Tag in der Zeitung stehen würde. Mir kam das ein wenig wie eine Drohung vor. Ich sagte dem Mann, dass ich auf keinen Fall Bestandteil der Berichterstattung werden möchte und dass er nicht mehr anrufen soll. Damit war das Gespräch beendet und ich kontaktierte noch einige Leute, die Stefan B. auch kannten, und riet ihnen, nicht mit Journalisten über Stefan B. zu reden. Zum Wohle Stefans, seiner Eltern und ihrem eigenen.

Soweit die Schilderung unseres Lesers.

Gestern fand sich dann folgende Meldung in der “Bild”-Zeitung:

"Abiturient (20) rast gegen Baum – tot!"

Abiturient Stefan B. (20) ist im grünen Skoda seiner Eltern unterwegs. Er ist mit der Schule fertig, wartet auf einen Studienplatz. Medizin oder Psychologie will der Musterschüler (Abischnitt 1,6) vom            -Gymnasium in             studieren. Doch dann rast der junge Mann gegen einen Straßenbaum. (…)

Bergmann in “Bild”:

  • “Sex-Unfall: Foto-Model (20) tot nach Fessel-Spielen”
    (31.7.2008)
  • “Anna (11) in diesem Keller vergewaltigt – Straßenmusiker festgenommen”
    (23.7.2008)
  • “Ihr Herz schlägt jetzt in der Brust eines 7-Jährigen: Michelle (15) totgerast”
    (16.2.2008)
  • “Mädchen (6) auf Schulweg vergewaltigt – Polizei jagt Mann mit weißen Schuhen”
    (31.1.2008)
  • “Liebes-Terror! Anna (13) schickte Prügel-Bande zu ihrem Ex”
    (29.1.2008)

Es ist keine besonders große Geschichte. Vielleicht gab es nichts übermäßig Aufregendes oder gar Skandalöses über Stefan B. zu berichten. Vielleicht hatte Bergmann bei anderen Mitschülern von Stefan B. genauso wenig Glück wie bei unserem Leser. Vielleicht gab es aber auch Wichtigeres.

Anscheinend hat Bergmann aber immerhin ein Foto des tödlich Verunglückten auftreiben können, wie sich aus einem Foto-Nachweis ergibt. Es ist ein wenig unscharf, und Bergmann könnte es aus einem Internet-Angebot wie StudiVZ oder SchülerVZ haben. Das sind bekanntlich beliebte und ergiebige Quellen für “Bild”-Mitarbeiter auf der Suche nach privaten Fotos von Unfall-Opfern. Und bei StudiVZ beispielsweise gibt es tatsächlich diverse Abi-Fotos des Abschlussjahrgangs von Stefan B.

Allerdings ist der junge Mann auf dem “Bild”-Foto, das einen kleinen Ausschnitt eines Gruppenfotos vom Abi-Ball zeigt, nicht der tödlich verunglückte Abiturient Stefan B. Es ist nur ein junger Mann aus demselben Jahrgang. Stefan B. war nach unseren Informationen überhaupt nicht anwesend, als das Foto entstand.

P.S.: Interessanterweise steht nirgends in der “Bild”-Meldung explizit, dass das Foto Stefan B. zeigt. Wir hoffen, das liegt nicht daran, dass man bei der “Bild”-Zeitung wusste, dass das Foto nicht Stefan B. zeigt.

Nachtrag, 18.44 Uhr: Jörg Bergmann teilt uns auf Anfrage mit, er habe das Foto nicht aus dem Internet, sondern aus dem Umfeld von Stefan B. bekommen. Den Umständen nach habe er keine Zweifel gehabt, dass Stefan B. darauf zu sehen sei. Sonst fände er das sehr schlimm.

Nachtrag, 7.8.2008: “Bild” veröffentlicht heute diese Gegendarstellung:

"Gegendarstellung"

Rügen haben kurze Beine

Einmal im Jahr veröffentlicht der Deutsche Presserat in seinem Jahrbuch alle Entscheidungen, die er im Vorjahr gefällt hat. Interessanter als seine nur selten nachvollziehbaren Urteile sind oft die (anonymisierten) Stellungnahmen der Zeitungen.

Das Jahrbuch bietet auch seltene Einblicke in die Argumentationsmuster innerhalb der notorisch öffentlichkeitsscheuen Axel-Springer-AG, wenn die Rechtsabteilung gegenüber dem Presserat ausgeruht die fragwürdigen Ad-Hoc-Entscheidungen der “Bild”-Zeitung zu rechtfertigen versucht.

Da war etwa die Beschwerde, dass “Bild” am Tag des Fußball-WM-Spiels gegen Polen 2006 dreizehn Witze über Polen veröffentlichte, von denen zwölf darauf abzielten, dass Polen Diebe seien. Ein Leser fand das diskriminierend und ehrverletzend. Der Presserat gab ihm Recht und sprach einen “Hinweis” aus. Die Rechtsabteilung von “Bild” aber erklärte in den Worten des Presserates:

Der Abdruck der Witze sei (…) dem aktuellen Ereignis geschuldet. Kollektiv abwertende Vorurteile würden nicht zum Ausdruck gebracht. (…) Die Rechtsabteilung verweist auf die gängige Praxis in der Sportberichterstattung, Schlagzeilen zu wählen, die mit dem sportlichen Wettkampf zusammenhingen und zum Ausdruck brächten, dass Deutschland hoffentlich gewinnen werde. Eine Diskriminierung oder Herabsetzung des Gegners gehe damit nicht einher. Es handele sich vielmehr um eine Motivationshilfe für das jeweilige deutsche Team.

Bemerkenswert ist auch die Erklärung des Verlages, warum es zulässig gewesen sei, das Porträtfoto eines 17-Jährigen zu zeigen, der gestanden hat, am Raubüberfall auf das Haus von Dieter Bohlen beteiligt gewesen zu sein — obwohl der Pressekodex eine solche Identifizierung in der Regel untersagt und bei Jugendlichen ganz besonders. Laut Presserat erklärte Springer:

Den Tätern habe auch klar sein müssen, dass ihr Überfall auf den prominenten Dieter Bohlen eine besondere öffentliche Wirkung entfalten würde. Das wiederum habe zwangsläuzfig zur Folge gehabt, dass auch sie im Fall einer Festnahme und anschließender Anklage einem besonderen Informationsinteresse ausgesetzt sein würden.

Die Erwiderung des Presserates, der in diesem Fall eine “Missbilligung” aussprach, liest sich vergleichsweise trocken: “Die Resozialisierungschancen eines Täters hängen nicht von der Prominenz des Opfers ab.” Nun ja, möchte man erwidern: dank “Bild” eben doch.

Die “Maßnahmen” des Presserates:

Hat eine Zeitung oder eine Zeitschrift gegen den Pressekodex verstoßen, kann der Presserat aussprechen:

  • einen Hinweis
  • eine Missbilligung
  • eine Rüge.

Eine “Missbilligung” ist schlimmer als ein “Hinweis”, aber genauso folgenlos. Die schärfste Sanktion ist die “Rüge”. Gerügte Presseorgane werden in der Regel vom Presserat öffentlich gemacht. Rügen müssen in der Regel von den jeweiligen Medien veröffentlicht werden. Tun sie es nicht, tun sie es nicht.

Die nüchtern zusammengefassten Stellungnahmen der Rechtsabteilung lesen sich manchmal wie erstaunliche Leugnungen des Unleugbaren. Wenn “Bild” etwa in großer, aus gutem Grund unzulässiger Ausführlichkeit die tragischen Begleitumstände einer Selbsttötung schildert, und die Juristen erklären, der Artikel sei einfühlsam und mit viel Fingerspitzengefühl geschrieben.

Dazu passt, dass “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann, der die Suizid-Berichterstattung angeblich zur Chefsache gemacht hat, im vergangenen Jahr erklärte, “Bild” sei in diesem Bereich “extrem zurückhaltend”, weil man “wisse, dass die Berichterstattung über Selbstmorde labile Menschen möglicherweise zum Nacheifern veranlasst”. “Bild” hat in den vergangenen sechs Jahren acht Rügen für ihre Suizid-Berichterstattung kassiert.

Wie immer haben wir alle Rügen, die der Presserat im vergangenen Jahr gegen “Bild” ausgesprochen hat, und die jeweilige Rechtfertigung des Verlages dokumentiert.

  • Wie “Bild” aus schwererziehbaren Jugendlichen “Gangster” macht und andere Verstöße gegen Ethik und Menschenwürde:
    “Bild”-Rügen 2007

Wochenrückblick Nr. 30

Köppel lacht, Turchet klagt, Mosley rehabilitiert und Gratiszeitungen fordern Bäume: Der medienlese.com-Rückblick auf die 30. Kalenderwoche.

Ex-Armeechef Roland Nef, Journalist Roger Köppel (Bilder Keystone)

Bild der Woche: Unter Journalisten macht gerade eine anonyme Mail mit zwei Fotos die Runde, auf denen die (rein äußerliche) Ähnlichkeit von Ex-Armeechef Roland Nef und Weltwoche-Chefredaktor Roger Köppel unverkennbar ist.

Roger Köppel kämpft aber mit anderen Problemen:

Read On…

Andreas Englisch verwählt sich bei Nummer sicher

Andreas Englisch ist “BILD-Vatikan-Sonder-Korrespondent”. Und seine aktuelle “Bild”-Kolumne vom vergangenen Samstag beginnt geheimnistuerisch geheimnisvoll:

Ich weiß, dass auf dem Schreibtisch des Papstes, der zurzeit in der Wohnung im Cathedral House des Kardinals von Sydney steht, ein Zettel mit folgender Telefonnummer liegt: Sie beginnt mit den Ziffern 02645… Mehr kann ich nicht verraten.

Es ist die Telefonnummer von Steffie B. (81), Kusine von Papst Benedikt XVI. (…) Sie lebte bis zum Jahr 1956 in Weilheim in Oberbayern, dann emigrierte sie nach Cooma bei Canberra in Australien. Ich habe diese Nummer schon einmal angerufen.

„Ja, mei“, sagt sie. „Nach so langer Zeit ruft mich ein deutscher Journalist an. Ich kann es gar nicht glauben“, sagt sie auf Deutsch (…).

Und fünf Absätze später schreibt Englisch:

"Ein kleines Problem gibt es allerdings: Die katholisch erzogene Steffie Brzakovic schloss sich in den 70er-Jahren den Zeugen Jehovas an."

Doch abgesehen davon, dass man sich fragt, was daran eigentlich ein “Problem” sein soll, ist es nicht das einzige. Denn vor und nach diesem Absatz nennt Englisch die Papstkusine bloß “Steffie B.”. Und wenn man also annimmt, dass Englisch die Frau hat anonymisieren wollen, ist es ihm nicht nur nicht gelungen — es ist zudem auch überflüssig:

Dass Steffie B. Steffie Brzakovic heißt, ist schließlich kein Geheimnis. Bereits 2005 berichtete die “Canberra Times” über sie* und – was die Überraschung der Kusine über Englischs Anruf ein wenig irritierend wirken lässt – am vergangenen Donnerstag (also zwei Tage vor Erscheinen der Englisch-Kolumne) auch die italienische Zeitung “Il Giornale”, was anschließend weltweit und u.a. durch eine dpa-Meldung weiterverbreitet wurde.

*) Die “Canberra Times” berichtete damals übrigens (wie jetzt auch “Il Giornale” und dpa, nicht aber “Bild”), dass der Papst die Kusine schon mal angerufen hat. Kein Wunder also, dass er ihre Nummer kennt. Und wenn nicht: “Il Giornale” nennt nicht nur Brzakovics Namen, sondern auch Straße und Hausnummer. Der Rest steht im Telefonbuch.

Mit Dank auch an Falk F. für seinen Hinweis.

Allgemein  

Die “miese Schlägerin” und der falsche Polizist

Die folgende Geschichte beginnt mit einer ungewöhnlichen Pressemitteilung der Berliner Polizei und endet damit, dass der Axel Springer Verlag 5.000 Euro an die 30-jährige Petra B. [Name von uns geändert] zahlt. Es ist eine Geschichte über die beunruhigenden Arbeitsmethoden der “Bild”-Zeitung.

Aber beginnen wir mit der Polizeimeldung vom 13. Mai:

Ein kleines Mädchen ist am Abend des 12.5. von einer 30-jährigen Frau in Hohenschönhausen geschlagen worden. Gegen 19 Uhr 30 kam es auf einem Spielplatz zu einem Streit unter Kindern. Die 30-Jährige schlug in dessen Verlauf zweimal mit der Faust gegen den Kopf des zehnjährigen Mädchens. Außerdem beleidigte sie das Kind auf Grund seiner Hautfarbe. Polizeibeamte nahmen eine Anzeige auf, der Polizeiliche Staatsschutz hat die Ermittlungen übernommen.

Deutliche Worte für eine polizeiliche Pressemitteilung. Kein “wird verdächtigt”, kein “soll”, kein Konjunktiv weit und breit. Man könnte also sagen: eine gute Vorlage für die “Bild”-Zeitung.

"Schäm dich, du miese Schlägerin"Die berichtete am 14. Mai unter der Überschrift “Schäm dich, du miese Schlägerin” über den Vorfall (siehe Ausriss). Sie druckte einen Ausriss der Pressemitteilung ab und zitierte einen “Polizeisprecher” mit den Worten: “Die Frau schlug zweimal mit der Faust gegen den Kopf des Mädchens. Außerdem beleidigte sie das Kind aufgrund seiner Hautfarbe”. Über ein notdürftig anonymisiertes Foto von Petra B. schrieb “Bild”: “Die Täterin”. Kurzum: “Bild” machte aus der vorverurteilenden Polizeimeldung einen eigenen vorverurteilenden Bericht. Außerdem wies “Bild” auf ein Bild.de-Video hin, das Petra B. zeigte, wie sie einen Mann beschimpft und ihm Schläge androht, falls er sie nicht in Ruhe lässt.

Petra B. jedoch schildert den Vorfall anders:

Am Abend des 12. Mai sitzt sie mit ihrer türkischen Freundin auf dem Balkon und sieht, wie ein größeres Mädchen ihre Tochter auf dem nahegelegenen Spielplatz gegen einen Zaun drückt. Petra B. läuft zum Spielplatz, stellt dort aber fest, dass der Streit schon beendet ist. Dennoch greift sie das afghanische Mädchen am Handgelenk und sagt ihm, es soll ihre Tochter, die vor einiger Zeit eine schwere Wirbelsäulenverletzung hatte, in Ruhe lassen. Kurze Zeit später trifft die Polizei ein, die von der Familie des afghanischen Mädchens gerufen wurde. Die Polizei nimmt die Zeugenaussagen auf – auch die von Petra B.s Freundin, die aussagt, dass B. das Mädchen weder geschlagen noch rassistisch beleidigt hat.

Am nächsten Tag steht ein Mann vor dem Haus, in dem Petra B. wohnt, und sagt, er sei von der Polizei. Petra B. wundert sich, da sie doch schon am Abend vorher mit der Polizei gesprochen hatte. Als sie jedoch sieht, dass sich in einem Gebüsch im Hintergrund ein weiterer Mann mit Kamera versteckt hält, ahnt sie, dass der Mann kein Polizist, sondern ein Reporter ist. Aufgebracht beschimpft Petra B. die beiden – und muss tags drauf feststellen, dass ihre Beschimpfungen mitgefilmt worden und (eingebaut in den “Schäm dich”-Artikel und ohne Hinweis auf den Anlass ihrer Empörung) auf Bild.de als Video zu sehen waren.

Soweit also Petra B.s Version, wie sie weder in der Pressemitteilung der Polizei noch in “Bild” vorkommt.

Aufgebracht über den einseitigen “Bild”-Artikel und das irreführende Video nahm sich Petra B. einen Anwalt, der von “Bild” eine Gegendarstellung verlangte. Am 3. Juli kam es deswegen zur Verhandlung vor dem Landgericht Berlin, an deren Ende der Axel Springer Verlag und Petra B. sich jedoch darauf einigten, dass der Verlag der Frau 5.000 Euro Entschädigung zahlt und das Video aus dem Netz nimmt. Im Gegenzug verzichtete Petra B. nicht nur auf den Abdruck einer Gegendarstellung, sondern auch auf eine Anzeige gegen den Reporter, der sich als Polizist ausgegeben habe – was eine Nachbarin bestätigen könne.

Zumindest für “Bild” und den falschen Polizisten ist die Geschichte damit erledigt.

Und weil Bild.de nicht ausdrücklich verpflichtet wurde, den Artikel zu löschen, ist er dort (ohne das Video) nach wie vor online.

Ein rudimentäres Protokoll der Gerichtsverhandlung gibt es auf buskeismus.de.

Unverbesserlich V

Es ist doch eigentlich gar nicht so schwer:

Bei der Berichterstattung über Unglücksfälle, Straftaten, Ermittlungs- und Gerichtsverfahren (…) veröffentlicht die Presse in der Regel keine Informationen in Wort und Bild, die eine Identifizierung von Opfern und Tätern ermöglichen würden. (…) Immer ist zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen abzuwägen. Sensationsbedürfnisse allein können ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht begründen.
(Richtlinie 8.1 des Pressekodex)

Zwar könnte man sich bei “Bild” fragen, ob beispielsweise in Fällen, wo eine Mutter ihr Neugeborenes tötet, eine Ausnahme von dieser “Regel” greife (obgleich das Verhältnis von Ausnahme zu Regel bei “Bild” ohnehin eigentümlich ist). Aber der Presserat hat “Bild” die Antwort bereits gegeben: Nein und nochmals nein. Trotzdem zeigt “Bild” regelmäßig Fotos von Frauen, die ihre Kinder getötet haben oder dessen verdächtigt werden (wir berichteten hier und hier).

Auch heute wieder.

Eine 23-Jährige hat offenbar ihr Neugeborenes in der Badewanne ertränkt und versuchte später sich das Leben zu nehmen. Jetzt steht sie vor Gericht. Der “Tagesspiegel” schreibt:

Die junge Frau (…) will von den Fotografen nicht abgelichtet werden. (…) Kopf und Oberkörper versteckt sie unter einer Kapuzenjacke, die sie erst ablegt, als die Fotografen den Saal verlassen.

"Diese Mutter-Hände haben ein Baby ertränkt"“Bild” zeigt ein Foto von ihr, auf dem sie gerade besagte Kapuzenjacke anhebt (siehe Ausriss). Nicht einmal einer der bei “Bild” so beliebten kleinen schwarzen Alibi-Balken verdeckt die Augen der jungen Frau.

Bild.de indes zeigte dasselbe Foto verpixelt – allerdings nur im Text. Auf der Bild.de-Startseite war das unverfremdete Foto der Frau geraume Zeit in einem großen Teaser zu sehen.

Ein Versehen? Offenbar schon.

Inzwischen nämlich ist das Foto der 23-Jährigen auch im Text bei Bild.de nicht mehr verpixelt. Und den Teaser von der Startseite können Bild.de-Leser in einer etwas kleineren Version auf der “News”-Seite begaffen:

Das ist immerhin genau so konsequent wie rücksichtslos.

Mit Dank an die überaus zahlreichen Hinweisgeber.

“Bild” ist fotokleptomanisch

Im November vergangenen Jahres hatte die “Bild”-Zeitung mal wieder Fotos geklaut und sie zum Teil großformatig bundesweit und online ihren Lesern gezeigt. Wie so oft, ohne die abgebildeten Personen unkenntlich zu machen.

"60-Jähriger erwürgt seine brasilianische Ehefrau (26)"Anlass war der Tod einer 26-jährigen Brasilianerin, die offenbar von ihrem Ehemann erwürgt und in einem Kanal versenkt worden war (siehe Ausriss). Auch vom mutmaßlichen Täter druckte “Bild” ein Foto. Ebenfalls ohne Genehmigung. Die Fotos hatte “Bild” sich kurzerhand von der Internetseite eines Karnevalsvereins besorgt.

Deshalb hat sich der Axel Springer Verlag nun zur Zahlung von Schadensersatz an den Fotografen verpflichtet. In einer Pressemitteilung des Rechtsanwalts Dierk Straeter heißt es:

Im Auftrag des Urhebers wurde die Axel Springer AG (…) von uns abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewährten Unterlassungserklärung und zur Zahlung eines fünfstelligen Schadensersatzes aufgefordert.

Zur Vermeidung weiterer gerichtlicher Schritte hat sich der Springerverlag daraufhin mit einer Unterlassungserklärung unter Anerkennung einer Vertragsstrafe unterworfen und einen Schadensersatzbetrag an den Fotografen gezahlt.

Nach unseren Informationen zahlte Springer letztlich eine höhere vierstellige Summe. Immerhin, könnte man sagen. Doch die Axel Springer AG wird den Schadensersatz verschmerzen können.

Und es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass “Bild” sich in Zukunft davon abhalten lässt, auf dubiosem oder unzulässigem Weg Fotos zu beschaffen, um sie dann millionenfach zu verbreiten. Sicher immer in dem Wissen, dass die wenigsten deswegen gegen “Bild” vorgehen.

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