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Winter-Einbruch bei Claus-Erich Boetzkes

Gleich drei BILDblog-Einträge zum Preis von einem hat sich die Hamburger Regionalausgabe von “Bild” mit einem Artikel über einen Einbruch beim Nachrichtensprecher Claus-Erich Boetzkes verdient.

Da wäre zunächst die Kategorie “Der lustige Verschreiber”, verbunden mit der Frage, welche einstigen “Popstars”-Gewinner wohl inzwischen aus finanziellen Gründen auf Diebstähle angewiesen sind:

Diesen Advents-Nachmittag wird "Tagesschau"-Sprecher Claus-Erich Boetzkes (54) so schnell nicht vergessen! Eine Mädchenband brach seine Wohnung an der Oderfelder Straße auf, klaute wertvollen Erbschmuck seiner Frau!

Weniger lustig:

Nachbarn hatten gegen 16.30 Uhr drei junge Frauen (vermutlich Südländerinnen) gesehen, die aus der Wohnung des Ehepaars flüchteten.

Da steht “Bild” mal wieder knietief in der Kategorie “Verstoß gegen Ziffer 12 des Pressekodex”, der bei Berichterstattungen über Straftaten dazu aufruft, die ethnische Zugehörigkeit der Verdächtigen nur dann zu erwähnen, wenn sie in einem Zusammenhang mit der Tat steht.

Und dann ist da noch der erstaunliche Umstand, dass Norbert “Das Markenlexikon” Körzdörfer offenbar auch noch einen Satz für den Artikel beisteuern durfte:

Auch bei Nachbarn des "Tagesschau"-Sprechers wurde schon eingebrochen, in einer der Wohnungen wurden Schmuck, Louis- Vuitton-Taschen und Gucci-Schuhe geklaut.

Mit Dank an Christoph A. und Alex F.

Was du nicht willst, was man dir google …

Wenn ein Boulevardmedium von einer “peinlichen Bordell-Panne” schreibt, bringt man das vielleicht nicht unbedingt direkt mit dem heute in Deutschland gestarteten “Street View”-Dienst von Google in Zusammenhang. Doch genau so ist es laut Bild.de, dem Zentralorgan der StreetViewVerdammung:

Screenshot: Bild.de

Sagen Sie nicht, der Mann auf dem Street-View-Screenshot sei ja wohl unkenntlich gemacht: “BILD hat diese Fotos massiv verfremdet”.

Dieses und sechs andere Fotos, die den Weg des Street-View-Autos vorbei an dem Bordell “in einer deutschen Großstadt” dokumentieren, bis schließlich …

Eingang noch da, Mann plötzlich weg. Ob er tatsächlich ins Bordell ging, bleibt unklar

Bild.de ist deshalb ernsthaft erzürnt:

Fatal: Die Gesichter von zwei vermeintlichen Freudenmädchen sind von Google unkenntlich gemacht. Das Gesicht des Mannes ist aber teilweise deutlich von der Seite zu sehen. Bild.de hat diese Szene unkenntlich gemacht.

Es stimmt: Auf einigen der Bilder bei Street View ist der Mann unverpixelt im Halbprofil zu sehen. Eine Position, mit der sich viele Angeklagte, die “Bild” vor Gericht fotografiert hat, wohl schon zufrieden geben würden.

Aber es heizt natürlich die Street-View-Panikmache an, wenn man jetzt schon Gefahr läuft, dass der Puffbesuch öffentlich gemacht wird.

Apropos:

Der vermeintliche Puffgänger, den “Bild” vor zwei Jahren unverpixelt zeigte, war allerdings psychisch krank.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Nachtrag, 19. November: Google hat reagiert und den Mann deutlich(er) anonymisiert.

Diskriminalreportagen

Stellen Sie sich doch bitte einmal folgende Meldung vor:

Vor den Augen seiner 16-jährigen Tochter Kirstin hat der Deutsche Harald B. (44) gestern Vormittag seine Frau Sandra (38) erschossen. (…) Auch auf die verhassten Nachbarn hatte es der selbständige Spediteur wohl abgesehen. Nach den tödlichen Schüssen trat der Christ die Wohnungstür der Familie Z. im fünften Stock ein.

Oder die hier:

In Siegburg verübte ein Mitteleuropäer am Montag einen Brandanschlag auf einen Linienbus.

Klingt komisch, oder? Sie fragen sich bestimmt, welche Relevanz es hat, ob ein mutmaßlicher Täter “Deutscher” oder “Mitteleuropäer” ist oder welche Rolle sein Glaube spielt. Die richtige Antwort lautet – außer etwa, wenn nach einem Täter gefahndet wird – so gut wie immer: Keine Relevanz, keine Rolle.

Auf Bild.de ist von Herkunft oder Glaube in der Regel keine Rede, solange die Straftat von einem Mitglied der Bevölkerungsmehrheit begangen wurde. Handelt es sich bei mutmaßlichen Straftätern jedoch um Angehörige bestimmter ethnischer oder religiöser Minderheiten, dann werden solche überflüssigen Details scheinbar plötzlich relevant.

So lauten die betreffenden Sätze der ersten Meldung auf Bild.de in Wirklichkeit:

Vor den Augen seiner 16-jährigen Tochter Melissa hat der Bosnier Bajro H. (44) gestern Vormittag seine Frau Indira (38) erschossen. (…) Auch auf die verhassten Nachbarn hatte es der selbständige Spediteur wohl abgesehen. Nach den tödlichen Schüssen trat der Moslem die Wohnungstür der Familie Z. im fünften Stock ein.
(Hervorhebungen von uns)

Und in der zweiten Meldung heißt es:

In Siegburg verübte ein Südländer am Montag einen Brandanschlag auf einen Linienbus.
(Hervorhebung von uns)

In beiden Fällen hatten Herkunft und Glaube keinerlei Bezug zu den jeweiligen Vorfällen, was man auch daran sehen kann, dass “Stuttgart Journal” und ksta.de gut ohne ihre Nennung auskamen. Bild.de hat damit also klar gegen Ziffer 12 des Pressekodex verstoßen:

Richtlinie 12.1 – Berichterstattung über Straftaten
In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht.

Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.

Mit Dank an die Hinweisgeber!

Wie man Zustimmung zu Stuttgart 21 produziert

Das ist eine überraschende Nachricht heute in “Bild”:

Die meisten Umfragen bisher hatten eine Mehrheit gegen das Bahnhofsprojekt gesehen. Entweder gibt es also, wie “Bild” suggeriert, einen Stimmungsumschwung.

Oder nicht.

Zunächst einmal ist die Umfrage nicht repräsentativ — eine Information, zu der “Bild” sogar laut Pressekodex verpflichtet wäre.

Der Verein “Mobil in Deutschland”, auf dessen Seite die Online-Befragung veranstaltet wurde, nennt als ein zentrales Ziel seiner Arbeit, “Mobilität zu fördern”, unter anderem durch den “Ausbau der Infrastruktur (Strasse, Schiene, Flughäfen)”. “Mobil in Deutschland” kämpft auch konkret für “Stuttgart 21”.

Entsprechend jubelt der Verein in einer Pressemitteilung über die angeblichen Ergebnisse seiner Umfrage:

Was noch vor 3 oder 4 Wochen undenkbar schien, wird jetzt offenbar Realität. Eine klare Mehrheit der Bevölkerung scheint hinter Stuttgart 21 zu stehen. “Offenbar hat sich der Wind gedreht”, so Dr. Michael Haberland 1. Vorsitzender von Mobil in Deutschland e.V. “Gesprächsbereitschaft, Verhandlung und Kommunikation aber auch Beharrlichkeit in dem Ziel der Umsetzung scheint ein gutes Konzept zu sein.”

Und Desinformation, natürlich. Anders als der Verein und “Bild” behaupten, wurden die Teilnehmer der Umfrage nämlich gar nicht gefragt, ob sie “für” oder “gegen” “Stuttgart 21” sind. Die erste Frage lautete stattdessen:

Halten Sie Stuttgart 21 für ein wichtiges Verkehrsprojekt?

59 Prozent antworteten mit Ja — aber für ein wichtiges Projekt kann man Stuttgart 21 auch halten, wenn man gegen seine Verwirklichung ist.

Die Frage, auf die sich “Bild” in seiner Überschrift bezieht, ist die zehnte. Sie lautet:

Sollte die Politik an großen Infrastruktur- und Verkehrsprojekten wie Stuttgart 21 festhalten?

Der Mobilitäts-Verein schreibt dazu:

Dies ist die entscheidende Frage in unserer Umfrage und hat ein klares Ergebnis. Fast 58 % der Befragten sind der Meinung, dass man an Stuttgart 21 festhalten soll. Nur 37 % der Befragten möchten das nicht.

Die Uminterpretation des Ergebnisses ist fast schon lächerlich plump. Es ist, als würde man die Menschen fragen: “Sollten Eltern ihre Kinder erziehen (z.B. durch Hausarrest)?” — und wenn 58 Prozent mit Ja antworten, behaupten, 58 Prozent der Menschen seien für Hausarrest.

Ein Verein macht Stimmung für sich und ein von ihm unterstütztes Projekt. Und Medien wie “Bild” und die “Abendzeitung” helfen ihm dabei.

Schnitzelkrieg, Glenn Beck, 9Live

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Schule tritt Flucht nach vorne an”
(siegener-zeitung.de)
Der angebliche “Schnitzelkrieg” (BILDblog berichtete) hat Folgen für den Leiter der Christophorus-Grundschule in Betzdorf. Er hat rund 250 E-Mails erhalten, “in denen er bedroht oder beleidigt wird”. Weiter klärt der Artikel auf über die Rolle von “Bild” und RTL. Eine Stellungnahme (von Schulleitung, Schulelternbeirat, Personalrat) ist auf der Website der Schule zu lesen.

2. “Lauterkeit der Recherche”
(presserat.ch)
In einem ausführlichen Bericht behandelt der Schweizer Presserat eine Beschwerde eines Amateurfußballers gegen die Boulevardzeitung “Blick”, in der es unter anderem darum geht, ob die Recherchen auf Facebook korrekt waren oder nicht (Zusammenfassung).

3. “Bewegung im Presserecht”
(faz-community.faz.net/blogs/wort, Joachim Jahn)
Joachim Jahn kommentiert ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, in dem es um die Wort- und Bildberichterstattung über prominente Personen geht. Zu “Promianwälten”, “die die Medien gerne schrotflintenartig verklagen”, schreibt er: “Die Aversion gegenüber der Nennung des eigenen Namens erlischt übrigens auch dann schlagartig, wenn diese Advokaten von wohlmeinenden oder ahnungslosen Journalisten als vermeintlich objektive ‘Experten’ befragt werden, etwa zur (natürlich zu beherzigenden) Unschuldsvermutung für Verdächtige.”

4. “Crazy-Con”
(heise.de/tp, Peter Mühlbauer)
Peter Mühlbauer porträtiert den US-amerikanischen TV- und Radiomoderator Glenn Beck. “Die hohen Einschaltquoten erklären sich unter anderem daraus, dass Beck unbestreitbar unterhaltsam ist. Und diese Unterhaltsamkeit rührt zu einem großen Teil aus seiner Unberechenbarkeit und aus Tabubrüchen.”

5. “Der Köder muss dem Fisch schmecken: Was denkt Deutschland über 9Live?”
(dwdl.de, Video, 3:38 Minuten)
Daniel Aßmann befragt Fußgänger, was sie von Call-In-Gewinnspielen halten.

6. “Wie intelligent sich Kinder vorkommen (im Vergleich zu den Eltern)”
(graphitti-blog.de, okuhn)

In 80 Fehlern um die Welt (4)

Wenn es um Rügen geht, hat das nicht immer mit dem Presserat zu tun:

Die Nordsee nach einem langen Regen: Axel Völcker nutzte eine kurze Niederschlagspause für diese Aufnahme vom Rügener Königsstuhl hinunter aufs Meer.

Die Nordsee nach einem langen Regen: Axel Völcker nutzte eine kurze Niederschlagspause für diese Aufnahme vom Rügener Königsstuhl hinunter aufs Meer.

Um von Rügen aus die Nordsee fotografieren zu können, müsste man freilich deutlich höher klettern als auf den 118 Meter hohen Königsstuhl, denn die Nordsee ist fast 300 Kilometer entfernt. Das Meer, das die Insel umgibt, ist die Ostsee.

Ein Reiseportal wie merian.de könnte das wissen.

Mit Dank an Carsten.

Nachtrag, 13.12 Uhr: merian.de hat aus der Nord- eine Ostsee gemacht.

Guttenberg, Sportschau, Bill O’Reilly

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Die wundersame Beliebtheit der zu Guttenbergs”
(ndr.de, Video, 7:11 Minuten)
Stephanie und Karl-Theodor zu Guttenberg werden von den Medien als “politisches Power-Paar mit Glamourfaktor” inszeniert. Anna von Bayern (“Bild am Sonntag”) und Fernsehjournalistin Tamara Gräfin von Nayhauß spielen dabei eine tragende Rolle.

2. “‘Heute’ adelt alten PR-Text zu aktueller Uni-Studie”
(kobuk.at, Hans Kirchmeyr)
Eine Studie, die von der Gratiszeitung “Heute” als “aktuelle Uni-Studie” verkauft wird, stammt vom Softwarehersteller Symantec und ist fast ein Jahr alt.

3. “Der Presserat im Web 2.0”
(telemedicus.info, Adrian Schneider)
Adrian Schneider kommentiert die Meldung des Presserats, sich künftig auch für “moderierte Foren” zuständig zu sehen. “Wenn Redaktionen Forenbeiträge vorab kontrollieren, sei diese Prüfung als journalistisch-redaktionelle Leistung zu verstehen, sodass der Presserat auch für solche Nutzerkommentare zuständig sei.”

4. “Lustige Panne bei der ‘Sportschau'”
(sueddeutsche.de, Christopher Keil)
In der ARD-Sportschau wurden am Dienstagabend “vier Spielpaarungen und Spielstände, die es nie gegeben hatte”, verlesen. “Der für die Ergebnistafel zuständige Grafiker habe einen ‘Blackout’ gehabt, sagte der für die Sportschau zuständige Sportchef Steffen Simon vom WDR an diesem Mittwoch. Der technische Mitarbeiter habe offenbar eine andere, eine falsche Maske für die Resultate eingestellt.” Nachtrag, 17 Uhr: Die ersten vier Spielpaarungen hat es durchaus gegeben, nämlich am 1. Spieltag. Die Resultate dazu stammen vom 5. Spieltag.

5. “Vorsicht, Vorurteile!”
(noz.de, Burkhard Ewert)
“Warum Medien die Herkunft von Straftätern selten nennen”

6. “Jon Stewart in No Spin Zone”
(foxnews.com, Video, 6:22 Minuten, englisch)
Jon Stewart zu Besuch bei Bill O’Reilly. In Teil 2 des Gesprächs schätzt Stewart ein, warum O’Reilly nicht mehr so wichtig ist: “You’ve been overtaken by a more extreme version of you. You’re like Fox 1.0, you’re the beta version. Fox 2.0 has jumped over you.”

BKA? Da könnte ja jeder bitten! (3)

Geschichte wiederholt sich bekanntlich nicht — es sei denn als Farce. Wie die nächste Wiederholungsstufe heißt, ist bisher noch nicht überliefert, aber mit der Bezeichnung “Bild” läge man vermutlich nicht allzu falsch.

Im August 2009 fahndete das Bundeskriminalamt mit Bildern nach einem Mann, dem mehrfacher schwerer sexueller Missbrauch von Kindern vorgeworfen wurde und der sich bei seinen Taten selbst gefilmt hatte. Nachdem der Mann sich selbst gestellt hatte, bat das BKA die deutschen Medien, die Fahndungsfotos nicht weiter zu verwenden. Die Medien kamen dieser Bitte mit unterschiedlichem Eifer nach (BILDblog berichtete), “Bild” und Bild.de erhielten für den wiederholten Abdruck der Bilder in Tateinheit mit der Bezeichnung des mutmaßlichen Täters als “Dreckschwein” gar eine “Missbilligung” vom Deutschen Presserat (BILDblog berichtete ebenfalls).

Knapp einen Monat später fahndete das BKA erneut über die Medien nach einem Mann, dem schwerer sexueller Missbrauch von Kindern sowie die Herstellung und Verbreitung von Kinderpornographie zur Last gelegt wurde. Hier kam es zur erwarteten Farce, denn wie sich kurz nach der Verhaftung des Mannes herausstellte, war der Mann für seine Taten bereits 15 Jahre zuvor verurteilt worden und hatte seine Strafe abgesessen — was die Medien freilich nicht davon abhielt, die Fahndungsfotos, deren weitere Verwendung sich das BKA verbeten hatte, weiter zu verwenden (BILDblog berichtete auch hier).

Letzte Woche nun fahndete das BKA über die Fernsehsendung “Aktenzeichen XY … ungelöst” mal wieder nach einem Mann, der des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern sowie der Verbreitung kinderpornografischer Schriften “dringend verdächtig” war. Zwei Tage nach der Ausstrahlung der Sendung wurde der Mann aus Bad Oeynhausen am Freitag festgenommen und das BKA schrieb in seine Pressemitteilung die inzwischen traditionelle Bitte:

Wichtig:
Da mit der Identifizierung der Grund für die Öffentlichkeitsfahndung entfällt, werden die Medien gebeten, die veröffentlichten Fotoaufnahmen nicht weiter zu verwenden und aus den Internetportalen zu entfernen.

Was jetzt passierte, ist vielleicht am Besten mit dem Begriff “Irrsinn” zu beschreiben, denn Bild.de kam der Bitte des BKA zunächst tatsächlich nach: Der ursprüngliche Fahndungsaufruf wurde durch einen Artikel über die Festnahme des Tatverdächtigen ersetzt, in dem kein einziges Foto zu sehen war. Dann muss jemandem bei Bild.de aufgefallen sein, dass man ja Bild.de ist.

Also erschien am Samstag ein neuer Artikel, in den die zehnteilige Bildergalerie mit den Fahndungsfotos eingebunden ist, deren weitere Veröffentlichung das BKA unterbinden wollte:

Geschnappt! Der dicke Kinderschänder, der zwei Mädchen missbrauchte.

“Bild am Sonntag” wiederum verzichtete auf einen Abdruck der Fahndungsfotos — und veröffentlichte stattdessen ein anderes, besser identifizierbares Foto des Verhafteten:

Nach XY-Sendung: Kinderschänder festgenommen

Ganz andere Bilder brachte “Bild” am Montag in ihrer Regionalausgabe:

Mieser Kinderschänder aus NRW! Verhaftung nach Aktenzeichen XY

Mit Dank an Lukas S., Sven S., Kaweh und AJ.

Bild.de  etc.

Loveparade: Rüge und Missbilligungen

Es waren viele Beschwerden, die zur Berichterstattung über die Loveparade-Katastrophe beim Deutschen Presserat eingingen, sehr viele Beschwerden: 241 insgesamt, die zu 13 Sammelbeschwerden zusammengefasst wurden.

Die “Maßnahmen” des Presserates:

Hat eine Zeitung, eine Zeitschrift oder ein dazugehöriger Internetauftritt gegen den Pressekodex verstoßen, kann der Presserat aussprechen:

  • einen Hinweis
  • eine Missbilligung
  • eine Rüge.

Eine “Missbilligung” ist schlimmer als ein “Hinweis”, aber genauso folgenlos. Die schärfste Sanktion ist die “Rüge”. Gerügte Presseorgane werden in der Regel vom Presserat öffentlich gemacht. Rügen müssen in der Regel von den jeweiligen Medien veröffentlicht werden. Tun sie es nicht, dann tun sie es nicht.

Eine “öffentliche Rüge”, die härteste Sanktion, die dem Presserat zur Verfügung steht, hat sich Bild.de eingehandelt: In einem Artikel beschrieb ein Arzt die Todesumstände einer jungen Frau, die dazu auf einem ungepixelten Foto zu sehen war. Der Presserat sah darin Verstöße gegen die Ziffern 8 und 11 des Pressekodex.

Der Artikel, über dem nicht weniger als 18 Autoren-Namen prangten, war eine Übernahme aus der gedruckten “Bild”-Zeitung, aber weil sich niemand gesondert über die Printausgabe beschwerte, wurde nur Bild.de wegen der “unangemessen sensationellen Darstellung” gerügt.

Aber nicht alles, was in den Tagen nach dem Unglück in Zeitungen und online erschienen ist, war in den Augen des Presserats “unangemessen sensationell”: In einer großen Fotostrecke von Bild.de, über die sich allein 179 Menschen beschwert hatten, sah der Presserat nur in einem Fall eine “unangemessen sensationelle Darstellung”. Die Darstellung abgedeckter Leichen falle nicht automatisch darunter, stellten die Ausschussmitglieder klar.

Manfred Protze, Vorsitzender des Beschwerdeausschuss 1, ließ dazu verlautbaren:

Dass viele Menschen diese Fotos unerträglich finden, darf nicht darüber hinweg täuschen, dass ein solches Ereignis von hohem öffentlichen Interesse ist. Dabei dürfen Journalisten auch Situationen zeigen, die die furchtbare Realität dokumentieren.

Eine Grenze sei erst erreicht, wenn “Menschen zu bloßen Objekten herabgewürdigt” würden.

Die Opfer von der Loveparade: Wer büßt für ihren Tod?

Verschiedene Zeitungen und Online-Portale hatten die Opfer mit Fotos vorgestellt und teilweise den abgekürzten Namen, das Alter, den Wohnort und weitere Details wie Hobbies und Beruf veröffentlicht (willkürliches Beispiel: s.o.). Damit verstießen sie gegen Ziffer 8 des Pressekodex, die die Privatsphäre der Opfer schützen soll.

Für ungepixelte Fotos der Opfer mit Vornamen und abgekürztem Nachnamen gab es in drei Fällen “Hinweise”, in vier weiteren Fällen, in denen weitere Details aus dem privaten Umfeld veröffentlicht wurden, “Missbilligungen”.

Ausdrücklich betonte der Presserat, dass die Veröffentlichung von Fotos ohne Einwilligung der Hinterbliebenen “grundsätzlich unzulässig” sei. Die Frage, ob die Bilder aus sozialen Netzwerken wie Facebook entnommen wurden, klärte der Ausschuss diesmal nicht. Die Zeitungen hatten darüber auch keine Informationen abgegeben. Gleichzeitig kündigte der Presserat aber an, sich “zeitnah” mit der Thematik zu befassen, da er es “als bedenklich einstuft, wenn Journalisten hier für ihre Beiträge recherchieren und sich der dort gespeicherten Fotos bedienen.”

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