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1. “Konzert-Kritik-Kritik” (hogymag.wordpress.com, almasala)
Kritiken zum Berlin-Konzert von Bob Dylan auf “Spiegel Online” und im “Nibelungen Kurier” unter der Lupe.
3. “Sat.1-Talkshows entpuppen sich als Scripted Reality” (dwdl.de, Thomas Lückerath)
Zwei Talkshows, die auf Sat.1 zur Mittagszeit ausgestrahlt werden sollen, “Annica Hansen” und “Ernst-Marcus Thomas”, werden als geskriptete Sendungen geplant: “Das heißt: Darsteller spielen Rollen.”
4. “Glücklich in der Heide” (spiegel.de, Hilal Sezgin)
Journalistin Hilal Sezgin zieht aufs Land: “Tatsächlich hat sich an meiner Arbeit als Kulturjournalistin und Kolumnistin nicht viel geändert: Ich lese dieselben Nachrichten per Internet, bekomme dieselben Bücherberge zur Rezension geschickt, führe dieselben Recherchegespräche per Telefon. Abgesehen davon, dass ab und zu der Hahn dazwischen kräht, bekommen die Gesprächspartner meinen ländlichen Hintergrund gar nicht mit.”
5. “Stafettenwechsel im journalistischen Borderlining” (wienerzeitung.at, Engelbert Washietl)
“Österreich” laufe der “Krone” den Rang in negativer Auffälligkeit ab, findet Engelbert Washietl. “Ginge die Zeitung ‘Österreich’ von einem konstruktiven Ansatz aus, könnte sie beim Presserat einfach mitmachten und sich über ihre eigene Leistung und auch die der Konkurrenzblätter auseinandersetzen. Sie arbeitet aber offenbar darauf hin, sich medienethisch unantastbar und nahezu sakrosankt zu machen.”
6. “‘Am Abend schlafe ich fern'” (bernerzeitung.ch, Fabian Sommer)
Was die 80-jährige Theresia Salzmann zum Fernsehprogramm zu sagen hat: “Ich würde Tierfilme zeigen. Tiere sind nicht so verlogen wie die Menschen.”
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1. “Presserat lässt sich nicht von ‘Österreich’ verbiegen” (diepresse.com)
Die Mediengruppe “Österreich” klagt gegen den österreichischen Presserat: “Die Klage soll offenbar darauf hinauslaufen, dass der Presserat künftig Artikel und Beiträge der Tageszeitung ‘Österreich’ nicht mehr prüfen dürfen soll und Verurteilungen nicht mehr publik gemacht werden. (…) Bei ‘Österreich’ vertritt man die Ansicht, dass sich im Presserat vor allem Konkurrenzmedien zusammengetan hätten und Entscheidungen vor diesem Hintergrund getroffen würden.”
2. “‘Wir machen nicht Online, wir machen Journalismus'” (vocer.org, Sabrina Santoro und Tobias Kröger)
Stefan Plöchinger, Chefredakteur von Süddeutsche.de, im Interview: “Medien sind im Umbruch und werden vermutlich in zehn Jahren noch mal anders aussehen als jetzt. Ob dann weniger oder mehr Leute als heute Jobs in ihnen finden, hängt in erster Linie davon ab, wie wir uns jetzt verhalten, wie wir mit den Chancen umgehen oder ob wir bloß Angst haben vor Risiken.”
3. “‘Der Teufel ist von der Kette gelassen'” (nzz.ch, Kathrin Zeiske)
Ein Bericht aus der mexikanischen Stadt Ciudad Juárez: “Der ‘Diario de Juárez’ als wichtigstes Printmedium der Grenzstadt im Drogenkrieg übt nicht selten Zurückhaltung in seiner Bildsprache. Manche Killer beziehen die Medien in ihr Kalkül ein. Sie ermorden zur Hauptsendezeit, um in die Fernsehnachrichten zu kommen.”
4. “Euro-Krise ist Medien-Krise” (wissen.dradio.de, Audio, 5:53 Minuten)
Rodothea Seralidou blickt auf die aktuelle Situation der griechischen Medien und auf die Zeit vor der Krise. Viele Redaktionen waren damals personell überdotiert und eng verflochten mit dem Staat.
5. “Hunde und Reis – Warum Journalismus im Kleinen beginnt” (media-bubble.de, Sanja Döttling)
Sanja Döttling berichtet aus dem Alltag des Lokaljournalismus: “Über all die internationale Politik und die hochgestochenen Feuilleton-Kritiken vergisst man als angehender Journalist schnell, was in jedem Artikel die Hauptrolle spielt: die Menschen.”
In “Bild” werden “häufig persönlichkeitsrechtsverletzende Beiträge veröffentlicht”, Kai Diekmann sucht “bewusst seinen wirtschaftlichen Vorteil aus der Persönlichkeitsrechtsverletzung anderer” — das haben die Zeitung und ihr Chefredakteur vor neun Jahren vom Landgericht Berlin schriftlich bekommen.
Für “Bild” ist es eine Zumutung, wenn der Deutsche Presserat darauf beharrt, dass die Zeitung Gerichtsfotos von Angeklagten nur anonymisiert drucken solle. Es ist für “Bild” ja schon unerträglich, dass Verbrecher ihre Menschenrechtebehalten.
Aber da Tiere bei “Bild” ja bekanntlich mehr Respekt genießen als Menschen und die die Selbstironievortäuschungssucht von Kai Diekmann offenbar ansteckend ist, berichtetet die Zeitung heute so über einen “irren Prozess um Hahnen-Schrei”:
Ende Februar fand die Polizei in Spenge in Ostwestfalen durch Zufall eine Frauenleiche, die in einen Koffer gezwängt in einer Tiefkühltruhe lag. Ein Tatverdächtiger war schnell gefunden: Ein 42-Jähriger, gegen den bereits wegen Menschenhandels ermittelt wurde, und der die Garage angemietet hatte, in der die Tiefkühltruhe stand.
Die Identität des Opfers blieb jedoch zunächst unklar, weswegen sich die Polizei ein paar Tage später an die Presse wandte und Fotos der Leiche und ihrer Kleidungsstrücke veröffentlichte. Die Fotos erschienen in regionalen und überregionalen Medien, Zeugen identifizierten die Tote als Angestellte eines Herforder Bordells.
Noch bevor Polizei und Staatsanwaltschaft ihre gemeinsame Pressemitteilung veröffentlichten, konnten sie in “Bild” folgende Sätzen lesen:
Sie lag erdrosselt in einer Tiefkühltruhe. Weil niemand die Tote vermisste, suchte die Polizei mit Fotos der Leiche nach Zeugen. Jetzt die spektakuläre Wende in dem Fall.
Nach BILD-Informationen heißt die Tote Olga P., stammt aus der Ukraine und arbeitete in Deutschland als Prostituierte. Das erklärte ein Zeuge gestern beim Staatsanwalt.
(Inwiefern es eine “spektakuläre Wende” sein kann, wenn die Polizei eine erste Spur hat, weiß wohl auch nur “Bild” allein.)
Die mutmaßliche Identifizierung der Toten hielt “Bild” und Bild.de nicht davon ab, weiterhin das Foto der Leiche zu verbreiten, mit dem die Polizei nach Zeugen gesucht hatte. Mehr noch: Bild.de konnte das Foto jetzt (mehrfach) gemeinsam mit Bildern zeigen, die noch zu Lebzeiten der Frau entstanden waren:
Ein Leser beschwerte sich über diese Berichterstattung beim Deutschen Presserat, weil er darin eine unangemessen sensationelle Darstellung und einen Verstoß gegen die Menschenwürde der Toten sah.
Die “Maßnahmen” des Presserates:
Hat eine Zeitung, eine Zeitschrift oder ein dazugehöriger Internetauftritt gegen den Pressekodex verstoßen, kann der Presserat aussprechen:
einen Hinweis
eine Missbilligung
eine Rüge.
Eine “Missbilligung” ist schlimmer als ein “Hinweis”, aber genauso folgenlos. Die schärfste Sanktion ist die “Rüge”. Gerügte Presseorgane werden in der Regel vom Presserat öffentlich gemacht. Rügen müssen in der Regel von den jeweiligen Medien veröffentlicht werden. Tun sie es nicht, dann tun sie es nicht.
Die Rechtsabteilung von Bild.de sah das wie üblich anders. In ihrer Stellungnahme erklärte sie, bei der Aufnahme der Leiche handele es sich um ein offizielles Foto, das Polizei und Staatsanwaltschaft zu Fahndungs- bzw. Ermittlungszwecken veröffentlicht hätten. Die Aufnahme sei in allen regionalen und überregionalen Zeitungen und Newsportalen erschienen. Sie sei presserechtlich und presseethisch zulässig.
Die Berichterstattung habe sich mit den laufenden Ermittlungen beschäftigt und über eine möglicherweise gelungene Identifizierung der Toten und einen ersten Verdacht bezüglich eines Täters berichtet. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung sei der Ausnahmetatbestand, der die Veröffentlichung des Fahndungs- und Ermittlungsfotos rechtfertige, noch in vollem Umfang gegeben gewesen, denn die Fotoveröffentlichung habe weiterhin der Suche nach weiteren Hinweisen aus der Bevölkerung gedient.
Der Beschwerdeausschuss des Presserats mochte sich dieser Einschätzung nicht anschließen:
Die Abbildung, insbesondere die Kombination des Fotos einer Lebenden mit dem Foto einer Leiche, berührt das Privatleben der Abgebildeten und ihrer Angehörigen in einem Maße, das nicht mehr vom öffentlichen Interesse gedeckt ist. Für das Verständnis der Tat ist das Wissen um die Identität des Opfers unerheblich. Besondere Begleitumstände, die eine Identifizierung rechtfertigen könnten, liegen hier ebenfalls nicht vor. Die Argumentation von BILD Online, das Foto diene zur abschließenden Aufklärung des Verbrechens, trägt nicht. Die Berichterstattung erweckt den Eindruck einer nahezu abgeschlossenen Ermittlung. Hierfür sprechen die Überschrift, sowie die ausführliche Beschreibung des Täters und der Ermittlungsergebnisse. Damit hat sich der Fahndungszweck, zu dem das Foto der Toten ursprünglich veröffentlicht wurde, erledigt.
Der Beschwerdeausschuss sah in der Berichterstattung einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Toten und damit einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex und sprach eine sogenannte “Missbilligung” aus.
Die Fotos der inzwischen zweifelsfrei identifizierten Leiche, die ja selbst laut Bild.de-Juristen nur “der Suche nach weiteren Hinweisen aus der Bevölkerung” dienen sollten, sind bei Bild.de indes immer noch zu sehen. Dass “Bild” anschließend die Mutter der Toten in der Ukraine besucht und ihr eine ganze Reihe privater Fotos aus den Rippen geleiert hatte, ist eine andere Geschichte.
Manche Dinge sind einfach sicher: die Rente, das Amen in der Kirche oder die sommerliche Kooperation von “Bild” und Lidl, zum Beispiel.
Nach dem “WM-Knaller” (2006), dem “EM-Paket” (2008), dem “WM-Paket” (2010) und dem namentlich nicht näher bezeichneten Paket zur Frauen-Fußballweltmeisterschaft (2011) war es letzten Freitag Zeit für die Ansage “Bitte nicht wieder wählen!” das “EM-Fan-Paket”:
Das ist die perfekte Vorbereitung auf den EM-Start! Im Paket stecken 6 Flaschen Grafenwalder Pils, 1 Paket mit 4 Gebirgsjäger-Rostbratwürsten und eine Deutschland-Autofahne. Einfach den Coupon in der Zeitung ausschneiden, in einer der mehr als 3100 Lidl-Filialen in Deutschland das Paket für 1,99 Euro holen und den Coupon an der Kasse abgeben.
Das mit den Stückzahlen hätte man Joelle (20) vielleicht noch mal genauer erklären sollen, die sich 12 Bier, 16 Würstchen und eine Fahne “geschnappt” hat:
Überhaupt hätten wir gedacht, dass sechs Flaschen Bier eigentlich ausreichen sollten, um das mit der Fahne selbständig auf die Reihe zu kriegen, aber so ein Ding fürs Auto kann ja nie schaden — falls man mal überraschend den Bundespräsidenten fahren muss, zum Beispiel.
Doch zurück zum “Fan-Paket”: In mittlerweile guter Tradition hat “Bild” nur den Coupon selbst mit dem Wort “Anzeige” versehen (das allerdings wieder doppelt).
Die Berichterstattung im Vorfeld muss demnach ebenso traditionell wohl als redaktioneller Inhalt angesehen werden:
Mittwoch, 6. Juni, Seite 1:
Donnerstag, 7. Juni, Seite 1:
Freitag, 8. Juni, Seite 1:
Seite 8:
Falls Sie sich wegen des Schleichwerbeverdachts beim Deutschen Presserat beschweren wollen: Sparen Sie sich die Mühe!
Zwar hatte der Presserat den “WM-Knaller” aus dem Jahr 2006 noch mit einem “Hinweis” beanstandet (mit einjähriger Verspätung), weil das Wort “Anzeige” fehlte, im vergangenen Jahr wies er eine Beschwerde über den Prosecco-Coupon zur Frauen-Fußball-WM aber schon frühzeitig zurück:
Im Rahmen der Prüfung gelangten wir zu dem Schluss, dass der Beitrag eine zulässige Veröffentlichung über eine gemeinsame Marketing-Aktion von BILD und LIDL darstellt. Der Leser kann sofort erkennen, das BILD hier mit dem Discounter zusammenarbeitet und im Rahmen einer Kooperation den Lesern ein spezielles Angebot offeriert. Solche Marketing- Aktionen können vorgestellt werden, wenn dabei die Regelungen der Ziffer 7 Pressekodex beachtet werden. Hier heißt es im letzten Satz: “Bei Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen, muss dieses erkennbar sein.” Dieses Eigeninteresse wird nach unserer Auffassung auf den ersten Blick deutlich, so dass keine Verwechslungsgefahr mit einem redaktionellen Beitrag besteht. Der Leser kann die Veröffentlichung als Beitrag über eine Marketing-Aktion erkennen. Ihm ist daher klar, dass es sich nicht um eine unabhängige redaktionelle Veröffentlichung handelt.
Es ist eine zutiefst positive Geschichte, die die “Rhein-Zeitung” ihren Lesern am Mittwoch vergangener Woche erzählte. Das Blatt berichtet im Lokalteil von einem Medikament namens Carfilzomib, das gegen eine spezielle Art von Knochenmarkkrebs helfen soll. Es ist noch nicht zugelassen, hat aber bei einem Betroffenen aus dem Verbreitungsgebiet der Zeitung, der an einem Test mit dem Mittel teilnehmen konnte, schon phänomenale Wirkung gezeigt. Er hatte sich mit seinen Beschwerden an das Stiftungsklinikum Mittelrhein gewandt, was sich laut “Rhein-Zeitung” als Glücksfall herausstellte.
Ein kleines Detail, das den Lesern bei der Einordnung dieser Bewertung und des ganzen Berichtes helfen könnte, lässt die “Rhein-Zeitung” unerwähnt: Der Artikel stammt vom Stiftungsklinikum Mittelrhein selbst. Es hat ihn als Pressemitteilung herausgegeben, samt eines Fotos (das die “Rhein-Zeitung” übernommen hat), das den Bildtext trägt: “Werner Gibbert (links) ist glücklich und dankbar, dass er durch Prof. Naumann an einer klinischen Studie teilnehmen konnte.” Die “Rhein-Zeitung” hat diese Pressemitteilung nur leicht gekürzt und sehr sachte redigiert:
Werner Gibberts Vater ist 1987, ein halbes Jahr nach der Diagnose “Multiples Myelom”, gestorben. 2007 hat ihn diese Form des Knochenmarkkrebses selber getroffen. “Das hat mich natürlich umgehauen”, erinnert sich der heute 61-jährige aus Wolken. “Aber die Medizin hat in letzten 20 Jahren, besonders bei der Behandlung dieser Erkrankung, große Fortschritte gemacht, da habe ich meine ganze Hoffnung hineingesetzt.”
Koblenz/Wolken. Als Werner Gibberts Vater im Jahr 1987 die Diagnose “Multiples Myelom” erhielt, hatte er noch ein halbes Jahr zu leben. 20 Jahre später, im Jahr 2007, traf es dann Werner Gibbert selbst: Auch er leidet unter dieser Form des Knochenmarkkrebses. “Das hat mich natürlich umgehauen”, erinnert sich der heute 61-Jährige aus Wolken an die Zeit. Aber die Medizin hat in vergangenen 20 Jahren — besonders bei der Behandlung dieser Erkrankung — große Fortschritte gemacht”, sagt er, “da habe ich meine ganze Hoffnung hineingesetzt”. Diese Hoffnungen wurden erfüllt — Werner Gibbert wird im Stift behandelt und nimmt an einer klinischen Studie teil.
Im November 2007 unterzog er sich erstmals einer hoch dosierten Chemotherapie in der Universitätsklinik Köln. Die Blut und Knochenmarkwerte hatten sich durch diese Behandlung wieder normalisiert. „Ich wusste allerdings, dass in einigen Jahren wieder eine weitere Therapie erforderlich werden wird, denn eine 100prozentige Heilung ist bei dieser Krankheit für die Mehrzahl der Betroffenen noch nicht möglich.“
Im November 2007 unterzog er sich erstmals einer hoch dosierten Chemotherapie in der Universitätsklinik Köln. Die Blut- und Knochenmarkwerte hatten sich dadurch wieder normalisiert. “Ich wusste allerdings, dass in einigen Jahren wieder eine weitere Therapie erforderlich werden wird, denn eine 100-prozentige Heilung ist bei dieser Krankheit für die Mehrzahl der Betroffenen noch nicht möglich.”
In Köln kam Werner Gibbert erstmals mit “Klinischen Studien” in Berührung. Durch sie hatte der Beamte bei der Telekom die Möglichkeit, ein neues noch nicht zugelassenes Medikament zu erhalten, mit dem der jetzt erreichte Zustand möglichst lange erhalten werden sollte. “Ich habe überhaupt nicht daran gedacht, hier ein Versuchskaninchen zu sein! Ich habe das als Chance für mich gesehen und war froh an einer Studie teilzunehmen zu können, denn das gibt es bei weitem nicht überall.”
In Köln kam Werner Gibbert erstmals mit klinischen Studien in Berührung. Durch sie hatte er die Möglichkeit, ein neues noch nicht zugelassenes Medikament zu bekommen, mit dem der erreichte Zustand möglichst lange erhalten werden sollte. “Ich habe überhaupt nicht daran gedacht, hier ein Versuchskaninchen zu sein. Ich habe das als Chance für mich gesehen.”
2011 traten bei Werner Gibbert jedoch wieder Beschwerden auf. “Ich habe gemerkt, dass mit mir irgendwas nicht stimmt”. Der Vater von drei Söhnen fuhr zwar immer noch in dreimonatigen Abständen nach Köln zur Kontrolle der Erkrankung, aber diesmal wählte er das Stiftungsklinikum Mittelrhein, um sein Unwohlsein abklären zu lassen. Die Klinik hatte er bei einem Patiententag zum Thema “Multiples Myelom” kennengelernt. Im dortigen Zentrum für Innere Medizin stellte der Klinikdirektor Prof. Dr. Ralph Naumann dann über 50% krebsbefallene Zellen in seinem Knochenmark fest. “Prof. Naumann hatte mir angeboten, an einer klinischen Studie teilzunehmen. Ich habe sofort zugesagt (…)”.
2011 traten bei Werner Gibbert jedoch wieder Beschwerden auf. “Ich habe gemerkt, dass mit mir irgendwas nicht stimmt.” Der Vater von drei Söhnen fuhr zwar immer noch in dreimonatigen Abständen nach Köln zur Kontrolle der Erkrankung, aber diesmal wählte er das Stiftungsklinikum in Koblenz, um sein Unwohlsein abklären zu lassen. Klinikdirektor Prof. Dr. Ralph Naumann stellte dann mehr als 50 Prozent krebsbefallene Zellen in seinem Knochenmark fest. “Prof. Naumann hatte mir angeboten, an einer klinischen Studie teilzunehmen. Ich habe sofort zugesagt.”
Im Herbst 2011 wurde er in eine internationale Studie aufgenommen, an der nur 800 Patienten teilnehmen. In zwei Gruppen eingeteilt erhält die erste Gruppe die “herkömmlichen” Medikamente, während die zweite Gruppe zusätzlich das neue, zu testende Medikament Carfilzomib bekommt, wie Werner Gibbert. (…)
Im Herbst 2011 wurde Gibbert in eine internationale Studie aufgenommen, an der nur 800 Patienten teilnehmen. In zwei Gruppen eingeteilt erhält die erste Gruppe die herkömmlichen Medikamente, während die zweite Gruppe zusätzlich das neue, zu testende Medikament Carfilzomib bekommt — Werner Gibbert ist einer von ihnen.
(…) Und ideal war auch das Ergebnis. “Das Medikament Carfilzomib hat phänomenal bei Herrn Gibbert angeschlagen”, bestätigt Prof. Naumann hocherfreut. “Schon nach dem ersten Therapiezyklus ist ein Großteil der Krebszellen im Knochenmark verschwunden. Die vorher katastrophalen Blutwerte lagen bereits wieder im Normalbereich.” Werner Gibbert lächelt: “Mir geht es wieder richtig gut. Insgesamt dauert die Studie 18 Monate. Nach sechs Behandlungszyklen haben sich alle Parameter im Normalbereich stabilisiert, die Erkrankung ist damit praktisch nicht mehr nachweisbar. Am liebsten würde ich die Behandlung nun beenden und in Urlaub fahren, aber natürlich ziehen wir das bis zum Ende durch.”
Der Erfolg kam bald: “Das Medikament Carfilzomib hat phänomenal bei Herrn Gibbert angeschlagen”, bestätigt Ralph Naumann. “Schon nach dem ersten Therapiezyklus ist ein Großteil der Krebszellen im Knochenmark verschwunden. Die vorher katastrophalen Blutwerte lagen bereits wieder im Normalbereich.” Werner Gibbert lächelt: “Mir geht es wieder richtig gut. Am liebsten würde ich die Behandlung nun beenden und in Urlaub fahren, aber natürlich ziehen wir das bis zum Ende durch.”
Prof. Naumann erklärt: “Der Vorteil der klinischen Studien liegt darin, dass die Patienten sonst nicht an diese Wirkstoffe kommen.” (…) Rund 11.000 Euro kostet ein Therapiezyklus monatlich. Alle Kosten wie auch die aufwendigen Blutuntersuchungen sowie die Fahrtkosten werden komplett von dem Hersteller des Prüfmedikamentes übernommen.
Naumann erklärt: “Der Vorteil der klinischen Studien liegt darin, dass die Patienten sonst nicht an diese Wirkstoffe kommen.” Rund 11 000 Euro kostet ein Therapiezyklus monatlich. Alle Kosten werden vom Hersteller des Prüfmedikamentes übernommen.
Die Anforderungen an Einrichtungen, solche Studien anbieten zu dürfen, sind sehr hoch. Gesetzgeber und Ethikkommissionen kontrollieren streng. Neben Prof. Dr. Naumann verfügen die Ärzte der Praxisklinik für Hämatologie und Onkologie Koblenz (Prof. Dr. Köppler und Partner) über eine langjährige Erfahrung als Prüfärzte sowie als Leiter klinischer Prüfungen in Studien zur internistischen Onkologie und Hämatologie. “Im Rahmen der intensiven Zusammenarbeit von Stiftungsklinikum und Praxisklinik haben wir die Durchführung von klinischen Studien in beiden Einrichtungen aufeinander abgestimmt, um so mehr klinische Studien für unsere Patienten anbieten zu können”, erklärt Dr. Thomalla von der Praxisklinik. Demnächst startet die Folgestudie mit Carfilzomib, an der Patienten aus beiden Einrichtungen teilnehmen können.
Die Anforderungen an die Einrichtungen, die solche Studien anbieten, sind hoch. Neben Naumann verfügen die Ärzte der Praxisklinik für Hämatologie und Onkologie Koblenz (Prof. Dr. Hubert Köppler und Partner) über eine langjährige Erfahrung als Prüfärzte sowie als Leiter klinischer Prüfungen in Studien zur internistischen Onkologie und Hämatologie. “Im Rahmen der intensiven Zusammenarbeit von Stift und Praxisklinik haben wir die Durchführung von klinischen Studien in beiden Einrichtungen aufeinander abgestimmt, um so mehr klinische Studien für unsere Patienten anbieten zu können”, erklärt Dr. Jörg Thomalla von der Praxisklinik. Demnächst startet die Folgestudie mit Carfilzomib, an der Patienten aus beiden Einrichtungen teilnehmen können.
Weitere Informationen unter www.stiftungsklinikum.de oder www.onkologie-koblenz.de.
Weitere Informationen unter www.stiftungsklinikum.de oder www.onkologie-koblenz.de
Die Klinik hatte ihrer Pressemitteilung übrigens den Satz hinzugefügt:
Werner Gibbert ist im Vorstand der Selbsthilfegruppe Multiples Myelom, Mayen Koblenz engagiert und steht unter der Telefonnummer … gerne für ein Gespräch zur Verfügung.
Vermutlich war das die Einladung an Journalisten, sich ein eigenes Bild zu machen. Aber warum sollte die “Rhein-Zeitung” mühevoll journalistisch arbeiten, wenn die PR frei Haus kommt?
Das Projekt “Medien-Doktor”, das sich kritisch mit Medizinjournalismus auseinandersetzt, hat diese Form der Schleichwerbung entdeckt und weiß auch, dass das bei der “Rhein-Zeitung” kein einmaliges Versehen ist: Bereits im April* veröffentlichte das Blatt im Lokalteil einen scheinbar redaktionellen Artikel, der fast wörtlich der Pressemitteilung eines Klinikums entsprach.
Nachtrag, 13. Oktober. Der Presserat hat — aufgrund einer Beschwerde von BILDblog — wegen dieser Berichterstattung eine “Missbilligung” ausgesprochen. Der Artikel verstoße gegen die Richtlinie 1.3 des Pressekodex, wonach Pressemitteilungen als solche gekennzeichnet werden müssen. Die Chefredaktion der “Rhein-Zeitung” hatte es in ihrer Stellungnahme gegenüber dem Gremium bedauert, dass die journalistische Distanz nicht gewahrt wurde. Sie habe die Kritik zum Anlass genommen, die Redakteure schriftlich auf das Einhalten der journalistischen Grundsätze hinzuweisen.
Der Radiosender WDR5 hat gestern ein Gespräch des WDR-Moderators Jürgen Wiebicke mit Kai Diekmann, dem Chefredakteur der “Bild”-Zeitung, zum Thema “Verantwortung” ausgestrahlt (das man hier – unter einer ganz passablen Zusammenfassung – komplett nachhören kann).
Nach gut 30 Minuten des fast einstündigen Gesprächs schließlich wird der Moderator konkret:
Diekmann antwortet darauf nach einigem Hin und Her:
Es geht darum, einer Tragödie, einer abstrakten Tragödie, ein individuelles Gesicht zu geben, um sie so erfahrbar zu machen und Empathie zu wecken. Ich war gerade eine Woche in Isreal und habe dort mit Kollegen zusammen ein Seminar in Yad Vashem gemacht, der Zentralen Holocaust-Gedenkstätte, die ein ganz neues Konzept zur Erinnerung an die Shoa erarbeitet haben. Wenn wir immer von sechs Millionen getöteten Juden sprechen, dann klingt das sehr abstrakt, dann ist das ‘ne Zahl, damit verbinde ich überhaupt nichts. Aber wenn Sie nur das Schicksal eines einzigen Kindes erklären, erzählen, mit Foto, und ihre Lebensgeschichte – wird auf einmal die Zahl, sechs Millionen, in ihrer ganzen furchtbaren Dimenson erfahrbar.
Und man mag nun lange darüber nachdenken, wie selbstgerechtunverfroren geistreich Diekmanns So-wie-die-Zentrale-Holocaust-Gedenkstätte-Fotos-von-Holocausopfern-zeigt,-druckt-auch-die-“Bild”-Zeitung-Fotos-von-Opfern-eines-Autounfalls-Analogie sein mag, aber…
… als sich der Moderator dann doch nicht mit Diekmanns Reiseerinnerungen zufriedengeben will und den “Bild”-Chef darauf hinweist, dass er und sein Blatt “von Hinterbliebenen in unzähligen Fällen geradezu dafür verflucht werden, dass Sie solche Bilder veröffentlichen”, da antwortet Diekmann:
Ich weiß nicht, dass wir in unzähligen Fällen dafür verflucht werden, dass wir solche Bilder veröffentlichen – sondern wir versuchen das natürlich immer in Übereinstimmung mit denjenigen zu tun. (…) Wenn sie es nicht wollen, dann tun wir das natürlich auch nicht. Und wenn ich wüsste, jemand will das nicht, dann würde ich es auch nicht tun. Das ist doch keine Frage.
Einen “Eid darauf ablegen” möchte Diekmann angesichts “einer Redaktion mit 850 Mitarbeitern” dann zwar lieber doch nicht. Allerdings:
Wenn ich aber wüsste, dass irgendjemand unter keinen Umständen die Veröffentlichung eines solchen Fotos wünscht, dann würde ich selbstverständlich diese Veröffentlichung auch nicht vornehmen.
Das klingt deutlich.
Es sei denn, wir zitieren mal aus ein paar Entscheidungen des Presserats:
BILD (Stuttgart) erhielt eine öffentliche Rüge für einen Bericht über ein Lawinenunglück. Darin hatte die Zeitung die Fotos dreier Todesopfer abgedruckt. Zusätzlich hatte sie das Foto eines Überlebenden ohne dessen Einwilligung gedruckt und dabei das Gesicht nur unzureichend mit einem Balken unkenntlich gemacht. (…)
Eine öffentliche Rüge erhielt BILD. Die Zeitung hatte ein Foto des zehnjährigen Jungen veröffentlicht, der im April bei einem Terroranschlag in Ägypten getötet worden war. Dies geschah ohne Einwilligung der Eltern, so dass das Persönlichkeitsrecht des Jungen verletzt wurde. (…)
Ebenfalls wegen einer Bildveröffentlichung gerügt wurde BILD (Hannover). Die Zeitung hatte zu einem Artikel über die Pisa-Studie ein aus dem Jahr 2002 stammendes Foto einer Grundschulklasse veröffentlicht. Das Bild war damals zu einem anderen Zweck aufgenommen und jetzt ohne Rücksprache mit der Schule als Symbolfoto erneut publiziert worden. (…)
Öffentlich gerügt wurde die BILD-Zeitung aufgrund der Berichterstattung zum Absturz eines Flugzeuges im Himalaya, bei dem auch zwölf deutsche Touristen starben. Die Zeitung hatte auf der ersten Seite großformatig ein Foto der Unglücksstelle abgebildet, auf dem verkohlte Leichen zu sehen waren. Im Innenteil wurden zudem Fotos einiger Passagiere veröffentlicht. Dadurch wurde ein Teil der Opfer identifizierbar. Durch den assoziativen Zusammenhang zwischen den Abgelichteten im Innenteil und den anonymen Leichen auf der Vorderseite wurden die Gefühle der trauernden Angehörigen verletzt. (…)
BILD (Bremen) erhielt eine nicht-öffentliche Rüge wegen eines Verstoßes gegen die Ziffern 8, 2 und 1 des Pressekodex. Die Zeitung hatte berichtet, dass zwei Mädchen im Alter von eins und vier Jahren auf Veranlassung ihrer Mutter zur Beschneidung nach Afrika gebracht werden sollten, was aber durch den Vater und einen Polizeieinsatz habe verhindert werden können. Ausschlaggebend für die Rüge war ein beigestelltes Foto, das beide Kinder ungeblendet zeigte. Hierfür gab es nicht die Einwilligung beider Eltern. (…)
Eine nicht-öffentliche Rüge sprach der Ausschuss gegen BILD aus. Die Boulevardzeitung hatte in der Regionalausgabe Berlin/Brandenburg das Foto eines jungen Mädchens veröffentlicht, das vor zwei Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Das Foto erschien zu einem Beitrag über den damaligen Freund des Mädchens, der Anfang dieses Jahres ebenfalls bei einem tragischen Unglück zu Tode kam. Der Ausschuss erkannte in der Veröffentlichung des Bildes, das ohne Einverständnis der Hinterbliebenen erfolgte, einen schweren Verstoß gegen die Persönlichkeitsrechte (…).
(Die Auflistung ist alles andere als vollständig – zumal sie nur Entscheidungen des Presserats berücksichtigt.)
8.52 Uhr: Viele Journalisten und Fotografen warten darauf, dass die angeklagten Geschwister in den Gerichtssaal geführt werden. Vor dem Beginn der Verhandlung darf für einige Minuten fotografiert werden. Einzige Bedingung, die Gesichter der Angeklagten müssen vor Veröffentlichung in den Medien unkenntlich gemacht werden.
Und so (also ohne die gelben Kleckse, die sind von uns) berichtet die “Bild”-Zeitung heute über den Prozess:
P.S.: Außer “Bild” (und Bild.denatürlich) ist uns kein anderes Medium untergekommen*, das sich nicht an die Bedingung des Gerichts gehalten hätte.
Mit Dank an Martin V.!
*) Nachtrag, 16.18 Uhr(mit Dank an Tim): Während das ZDF am Mittwoch in der “drehscheibe deutschland” die Angeklagten noch unkenntlich gemacht hatte, verzichtete der Sender darauf in späteren Sendungen ebenfalls.
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. “Der Erfinder des analogen Dauershitstorms” (begleitschreiben.net, Gregor Keuschnig)
Gregor Keuschnig widmet sich dem 100. Geburtstag von Axel Springer und dem “analogen Dauer-Shitstorm BILD”: “Ich behaupte, dass BILD heute nicht mehr derart beim Publikum verfängt wie zu ihren Hochzeiten. Die Leute sind skeptischer geworden. Selbst ein BILD-Leser glaubt nicht mehr alles, was im Blatt steht. BILD funktioniert eher wie moderne Werbung: Entscheidend ist, was dann doch irgendwo haften bleibt.” Siehe dazu auch “Springer ohne Schneider” (sueddeutsche.de, jja).
2. “Fünf Jahre nachtkritik.de – eine kleine Zwischenbilanz” (nachtkritik.de, Dirk Pilz)
Heute wird das Theaterkritikportal Nachtkritik.de fünf Jahre alt. “Ich kenne keinen Pressespiegel, der nicht die positive Kritik aus der Zeit immer vor die aus der, zum Beispiel, Lausitzer Rundschau heftet. Die Markengläubigkeit ist enorm, das Lesevermögen gering ausgebildet. Es gilt hier offenbar, was auch sonst gilt: Argumente allein überzeugen kaum. Man kann das beklagen – es ist beklagenswert! –, aber man muss zur Kenntnis nehmen, dass alle Debatten, gerade im Theaterbetrieb, macht- und oft genug filzgesteuert sind. Das schadet, auf lange Sicht, allen Beteiligten.”
5. “Freie Fahrt für Trolle?” (medienwoche.ch, Nick Lüthi)
Der Schweizer Presserat beschäftigt sich mit einem vom Chefredakteur der Zeitung “Südostschweiz” für das Online-Portal gesperrten Nutzer: “Eine Redaktion kann zwar frei darüber entscheiden, ob sie einzelne Leserbriefe, Einträge in Internet-Foren oder Kommentare im Internet veröffentlicht. Wenn sie aber einzelne Personen, Personengruppen oder Institutionen in einem Medium mit einer Publikationssperre belegt, kann dies gegen die Grundsätze der freien Meinungsbildung, der Meinungspluralität und der Fairness verstossen. Für eine Publikationssperre braucht es sehr gute Gründe. Solche liegen hier nicht vor. Deshalb ist die Publikationssperre nicht gerechtfertigt.” Siehe dazu auch “Die Rückkehr des Trolls” (suedostschweiz.ch, David Sieber).