Suchergebnisse für ‘Presserat’

Das Magazin, Hamburger Abendblatt, BDZV

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Falschmeldung mit hoher Reichweite: Google kauft Wi-Fi-Unternehmen ICOA für 400 Millionen Dollar”
(drweb.de, Dieter Petereit)
Google hat kein Unternehmen für 400 Millionen US-Dollar übernommen. “Die falsche Pressemitteilung, eingereicht über einen kostenlosen Presseservice namens PRWeb, hatte vermutlich zum Ziel, den Wert der ICOA-Aktie, der bei einem Bruchteil eines Pennies vor sich hindümpelt, kurzfristig zu erhöhen. Das gelang sogar. Der Wert vermehrfachte sich.”

2. “Nordkorea hat die Sexbombe”
(spiegel.de)
Die chinesische Zeitung “People’s Daily” nimmt die Nachricht der Satirezeitschrift “The Onion” auf, Kim Jong-un sei zum “Sexiest Man Alive” gewählt worden.

3. “Journalisten-Kodex verletzt”
(persoenlich.com)
“Das Magazin” hat in einem Artikel versehentlich die Namen von zwei Personen unverändert abgedruckt. Ein Fall für den Presserat wurde es, weil sich das Magazin weder öffentlich für den Fehler entschuldigt, noch genügende Korrekturmaßnahmen eingeleitet hatte.

4. “Zugespitztes Zitat von Ex-Tagesschau-Sprecherin war rechtmäßig”
(heise.de/tp, Markus Kompa)
Eva Hermann verliert vor dem Bundesverfassungsgericht im Streit um eine Passage im “Hamburger Abendblatt”: “Die Beschwerdeführerin, der es nicht gelungen sei, sich unmissverständlich auszudrücken, müsse die streitgegenständliche Passage als zum ‘Meinungskampf’ gehörig hinnehmen.”

5. “Journalisten am Ende?”
(statistiker-blog.de, Tilman Weigel)
In der Zeit von 1999 bis 2011 stieg die Zahl der Beschäftigten im Bereich “Publizisten” gemäß der Bundesagentur für Arbeit um rund 25 Prozent an.

6. “BDZV: Arbeit von Suchmaschinen ist mit Ladendiebstahl vergleichbar”
(netzpolitik.org, Markus Beckedahl)
Tweets von @BdzvPresse, dem Twitter-Kanal des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger.

hna.de  

Niveau ist keine Hautcreme (5)

Auf den ersten Blick ist es ein ganz normaler Artikel, der am vergangenen Donnerstag auf hna.de, dem Online-Auftritt der “Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen Zeitung” erschienen ist:Morgens ruckzuck fertig: Wecken Sie Ihr Zeitsparpotential!

Auch inhaltlich bleibt es größtenteils eher belangharmlos. So erfährt der Leser etwa, dass er morgens Zeit sparen könne, indem er “Kajal statt Eyeliner” benutzt (lässt sich schneller auftragen) oder “sich schon am Vorabend für ein Outfit entscheidet und es bereit legt”. Soso!

Interessant wird’s aber unter der Zwischenüberschrift “Multitalente im Multitasking”. Dort heißt es:

Wer statt Tagescreme, Sonnenschutz, Abdeckstift, Make-up & Co. eine sogenannte “BB Cream” wie zum Beispiel die neue NIVEA BB Cream 5-in-1 verwendet, spart damit morgens im Bad wertvolle Minuten! Die Trendhautpflege von NIVEA ist nämlich ein wahres Multitalent: Sie glättet das Hautbild, verfeinert die Poren, deckt kleine Schönheitsmakel ab, perfektioniert den Teint, versorgt die Haut lang anhaltend mit Feuchtigkeit und schützt sie gleichzeitig mit LSF 10 vor lichtbedingter, vorzeitiger Hautalterung. BB Cream ist die perfekte, wirkungsvolle Tagespflege mit Multitaskingfaktor!

Zur Erinnerung: Dieser Text steht als “Meldung” im redaktionellen Teil von hna.de – optisch aufgemacht wie jeder andere Artikel und ohne jegliche Werbekennzeichnung.

Oder besser: So stand er da. Vier Tage lang. Am Sonntag fragten wir dann bei der Redaktion der “HNA” nach, warum eine solche Werbebotschaft ohne Kennzeichnung im redaktionellen Teil veröffentlicht wird. Wenige Stunden später sah der Artikel plötzlich so aus:Anzeige: Morgens ruckzuck fertig: Wecken Sie Ihr Zeitsparpotential!

Farblich abgehoben und mit dem deutlichen Hinweis “Anzeige”.

Der Artikel hatte in den Tagen davor zeitweise sogar auf der Startseite gestanden — ohne besondere Kennzeichnung. Die Redakteure bei hna.de haben also offenbar bis zu unserer Nachfrage entweder tagelang nicht bemerkt, dass ein PR-Text im redaktionellen Teil steht, oder sie haben ihn absichtlich so dort platziert. Was schlimmer ist, dürfen Sie selbst entscheiden.

Nun könnte man natürlich sagen: Ups, kann ja mal passieren. Klar, könnte man — wenn es denn mal passiert wäre. Allerdings war das bei weitem nicht der erste Artikel auf hna.de, in dem massiv für Nivea geworben wurde. Denn die Marke taucht dort seit Monaten immer wieder im vermeintlich redaktionellen Teil auf. Und wie.

Los ging es am 6. August 2011 mit diesem “Interview mit Dr. Henrike Neuhoff, die seit 2009 das Labor NIVEA VISAGE der Produktentwicklung leitet”:

Neue Pflegeserie von Nivea - Was ist das Besondere an Pure & Natural?

Die Fragen klangen etwa so:

Welche Philosophie steht denn eigentlich hinter Pure & Natural?

Die Antworten so:

Bei NIVEA versuchen wir schon seit Jahrzehnten, nachhaltige Pflege auf so schonende und natürliche Weise wie möglich zu formulieren. So verwenden wir natürliche Pflanzenwirkstoffe in unseren Cremes und setzen bewusst Stoffe ein, die schon in der Natur oder in der Haut vorkommen, wie z.B. körpereigenes CoEnzym Q10. Mit Pure & Natural gehen wir noch einen Schritt weiter. Die Inhaltstoffe der Pure & Natural Serie sind zu 95% natürlich oder natürlichen Ursprungs. (…)

Kaum verwunderlich also, dass dieser Text (in einer minimal anderen Version) woanders unter der Rubrik “Anzeige” zu finden ist. Bei hna.de hingegen steht er im redaktionellen Teil.

Ebenso wie dieser, am 30. September 2011 erschienene Text:

Energie tanken in der Spätsommerzeit

Jetzt ist die ideale Jahreszeit, um die Haut zu regenerieren, bevor sie sich auf neuen Stress einstellen muss: den Wechsel zwischen klirrender Kälte und trockener Heizungsluft. Was die Haut nun also unbedingt benötigt, ist Energie. Die erhält sie durch Q10. (…)

Seine Premiere in der Hautpflege feierte der Inhaltsstoff Q10 1998, als NIVEA ihn erstmals für eine Pflegeserie einsetzte. Dem Original kann man vertrauen: Mit der Q10-Pflege von NIVEA lässt sich der natürliche Verlust von Q10 nachweislich effektiv ausgleichen. Die Haut wirkt länger jung und strahlend. Auch den Körper verwöhnt die Q10-Pflege: Die Haut wird gestrafft und geschmeidiger.

Dazu ein passendes Gewinnspiel:

Gewinnspiel: Tageslicht und Energie tanken

Auch die Haut benötigt Energie. Die erhält sie durch den Energiespender Q10. (…)

Deshalb verlost die HNA Gesundheitsredaktion gemeinsam mit NIVEA zwei Tageslichtleuchten von Philipps und zwei Produktpakete der NIVEA Q10 Pflegeserie. (…)

Das NIVEA Q10-Programm umfasst eine komplette Pflege-Serie für Gesicht und Körper. Bereits bestehende Fältchen werden gemildert, der Entstehung neuer Falten wird vorgebeugt. Denn das wertvolle Coenzym Q10 unterstützt den Zellstoffwechsel der Haut und regt dadurch den Zellschutz und die Zellregeneration an. Als Antioxidans neutralisiert Q10 zudem DNA-schädigende freie Radikale. Den Körper verwöhnt die Body Lotion Q10plus mit ihrem Geheimnis für eine spürbar straffere Haut.

Am 18. November 2011 folgte dieser Artikel:

Stets unterwegs und trotzdem immer gepflegt

Sie haben Berufe, von denen kleine Jungen träumen. Ihr Arbeitsalltag bringt Verantwortung und gleichzeitig Spaß mit sich. Piloten, Trucker, Djs (…). So unterschiedlich die Berufe sind, so verschieden sind die Männer, die sie ausüben. Dementsprechend muss auch die individuelle Hautpflege völlig unterschiedliche Ansprüche erfüllen. Und für jede Herausforderung gibt es das passende Pflegeprodukt.

Und jetzt raten Sie mal, von welcher Marke. Richtig.

Für Piloten:

Die revitalisierende Gesichtspflege Q10 von NIVEA FOR MEN füllt die Energie-Depots von müder und gestresster Haut schnell und lang anhaltend wieder auf. Die Haut fühlt sich rund um die Uhr entspannt an und strotzt vor Energie.

Für DJs:

Einen Frische-Kick bekommt das Gesicht mit dem NIVEA FOR MEN Cool Kick Arctic Freeze Feuchtigkeitsgel. Die leichte Gel- Pflege mit Freeze Cooling Agents und Guarana vitalisiert und erfrischt sofort und versorgt die Haut mit Feuchtigkeit.

Für Snowboard-Lehrer:

Zuverlässigen Schutz gegen die Einflüsse der Natur bietet die NIVEA FOR MEN Sensitive Gesichtspflege. Ihre extra milde Active Comfort System Pflegeformel mit natürlicher Kamille, Vitamin E und UVA & UVB-Filtern erhöht schrittweise die Widerstandsfähigkeit der Haut. Die Haut wird beruhigt, vor Irritationen geschützt und intensiv mit Feuchtigkeit versorgt.

Für Trucker:

Der NIVEA FOR MEN Double Action After Shave Balsam erfüllt dank seiner schnell einziehenden Formel mit dem hauteigenen Coenzym Q10 und Kamille gleich zwei Aufgaben auf einmal: Er beruhigt die gestresste Haut nach der Rasur und gibt ihr zusätzlich einen Energie- und Feuchtigkeitsschub – mit 24h Wirksamkeit. Ergebnis: Die Haut fühlt sich beruhigt und revitalisiert an.

Passend dazu am selben Tag dieses “Interview”:Interview: Männerhaut ist anders

“Experte Dr. Jens Schulz, Leiter der Produktentwicklung Nivea for men” sagt darin zum Beispiel:

Nivea hat die sich ändernden Bedürfnisse der Männer sofort erkannt und war mit seiner Sparte Nivea for men als Trendsetter von Anfang an mit dabei. (…)

Doch in Studien ergründeten die Beiersdorf-Hautforscher mit modernsten Messmethoden die geschlechts-typischen Merkmale (…)

Die richtigen Pflegeprodukte lösen die Probleme der strapazierten Haut schnell und zuverlässig. Nivea for men bietet mit den Sensitive Produkten eine Pflegeserie speziell für empfindliche Haut. Um die Widerstandsfähigkeit der Haut schrittweise zu erhöhen und ihre intensive Versorgung mit Feuchtigkeit zu gewährleisten, empfiehlt sich die Anwendung des Nivea for men Sensitive Hydro Gels mit natürlicher Kamille und Aloe Vera als tägliche Gesichtspflege. Es zieht schnell ein, ohne fettige Rückstände zu hinterlassen. Während der Rasur pflegt dann das Nivea for men Sensitive Rasiergel mit Kamille und Vitamin E die sensible Haut optimal und beugt Hautirritationen vor. (…)

Grundsätzlich ist Hautpflege auch bei Männern Typsache. Allgemein legen sie Wert auf pflegende Texturen, die sich gut verteilen lassen, wenig fetten und besonders schnell einziehen. Außerdem sollen sie einen männlichen Duft haben. Dieser Wunsch wurde in allen Pflegeprodukten von Nivea for men realisiert.

Am 1. Dezember dann mal wieder ein Gewinnspiel:

Gewinnen und Pflegen: NIVEA-Kulturtasche für Ihn

Besonders Männer mit Berufen, die die Haut stark beanspruchen, etwa Piloten, DJs oder Trucker, brauchen eine besondere Pflege. Deshalb verlost die Gesundheit&Pflege-Redaktion der HNA gemeinsam mit NIVEA zehn Jogi Löw-Kulturtaschen samt Inhalt.

Die Weihnachtsgeschenkpackungen sind gefüllt mit den speziell für die Männerhaut entwickelten Pflegeprodukten von NIVEA FOR MEN. Im Mild Set sorgen das After Shave Mild, das Rasiergel Mild und die Dusche Muscle Relax für ein rundum gepflegtes Erscheinungsbild und ein angenehmes Hautgefühl.

Ein paar Monate später, am 12. April 2012, erschien dieser Text samt Illustrationen:

Gesichtsgymnastik: Anti-Ageing ohne Creme

Die NIVEA Haut-Expertin Nora Mohra hat sieben Übungen für einen schönen Hals, eine straffe Gesichts- und Augenpartie und klare Lippenkonturen zusammengestellt. (…)

Für alle, denen ihre bisherige Anti-Age-Pflege zu reichhaltig war, hat NIVEA die Q10 plus Anti-Falten Porenverfeinernde Pflege speziell für die Bedürfnisse von Frauen ab 30 mit Mischhaut entwickelt. Die innovative Formel mit Q10, Kreatin und einem Algenextrakt vereint die bekannte Anti-Falten-Wirkung aller NIVEA Q10 plus Produkte in einer leichten Gel-Creme, die intensiv Feuchtigkeit spendet ohne zu fetten.

Der gleiche Text ist im Internet auch an anderer Stelle zu finden, dort heißt es: “Text & Illustration: Beiersdorf” – bei hna.de gibt es keinen solchen Hinweis.

Ähnlich verhält es sich mit folgendem Text, der am 21. Juni 2012 erschien:

Eine gute Nacht zum Tag des Schlafes

NIVEA erklärt zum Tag des Schlafs, warum gut schlafen für die Haut so wichtig ist und wie man sie bei der Regeneration optimal unterstützt. (…)

Wie man der Haut helfen kann, sich in der Nacht optimal zu regenerieren, das weiß Sepideh Reshad, Leiterin Produktentwicklung Face Care bei Beiersdorf.

Auf einer anderen Internetseite trägt der Artikel (dort zusätzlich mit den Fragen “Was ist das Besondere an der NIVEA Visage Pure & Natural Regenerierenden Nachtpflege?” und “Wie bereite ich meine Haut auf das nächtliche Beautyprogramm vor?”) den Hinweis “Text: Beiersdorf”. Bei hna.de nicht.

Am 26. September 2012 ein weiteres “Interview”:

Reden ist Silber, Berührungen sind Gold

NIVEA hat in einem Experteninterview mit der Diplom-Psychologin Iris Nowacki die Bedeutung von Berührungen in der Schwangerschaft, in der Erziehung und der Familie genauer beleuchtet.

Zwei Tage später nochmal ein Gewinnspiel:

Gewinnen und gut ausschauen: Nach dem Feiern muss Mann sich pflegen

Das Oktoberfest ist in vollem Gange. Dass Mann ordentlich feiern kann und am nächsten Tag trotzdem wieder fit ist, dafür sorgt die Q10-Pflege-Serie von Nivea for Men. Deshalb verlost die HNA gemeinsam mit Nivea for Men zehn Pflegesets, die müde Männerhaut nach langen Nächten fit machen.

Und am 17. Oktober 2012 wieder ein “Interview”:

Es muss rasiert werden: "Ohne-Bart-Tag" am 18. Oktober

Männer, es muss rasiert werden! Zum “Ohne-Bart-Tag” verrät Dr. Jens Schulz, Produktentwickler bei NIVEA FOR MEN, die besten Tipps für eine perfekte Rasur.

Auch dieser Text taucht auf anderen Plattformen auf, dort heißt es dann: “Quelle: NIVEA FOR MEN” oder “Text: Beiersdorf/NIVEA”. Bei hna.de fehlt ein solcher Hinweis.

Nur mal zum Vergleich: Die Ankündigung einer Informationsveranstaltung zum Thema “Hüfterkrankungen” ist ganz klar als “Anzeige gekennzeichnet:

Anzeige: Informationsveranstaltung zu Hüftgelenkprothese

Vielleicht liegt es an den besonders cleveren Marketingleuten des Beiersdorf-Konzerns, vielleicht werden die Journalisten beim Gedanken an die blaue Dose wehmütig an ihre Kindheit erinnert und veröffentlichen deshalb alles, was von Nivea reinkommt. Wir wissen es nicht, aber es ist bemerkenswert, wie großzügig einige Medien über die gebotene Trennung zwischen Redaktion und Werbung hinwegsehen, wenn es um Nivea geht (BILDblog berichtete schon mehrfach).

Alle oben aufgeführten Artikel sind im redaktionellen Teil von hna.de erschienen, optisch aufgemacht wie jeder andere redaktionelle Beitrag. Lediglich am Ende einiger Texte steht das Kürzel “nh” — das steht in der Regel für “nicht honoriert” und wird sonst eigentlich bei Fotos verwendet.

Wir haben den “HNA”-Chefredakteur Horst Seidenfaden gefragt, welche dieser Texte von Nivea bzw. der Firma Beiersdorf selbst produziert und wie stark sie redaktionell bearbeitet wurden. Wir haben auch gefragt, ob es mit den journalistischen Grundsätzen der “HNA” vereinbar ist, solche Werbetexte ohne Kennzeichnung (oder wenn, dann lediglich mit dem unüblichen und kaum bekannten Kürzel “nh”) im redaktionellen Teil zu veröffentlichen und ob Nivea die einzige Marke ist, von der regelmäßig solche PR-Texte übernommen werden.

Er wollte uns keine dieser Fragen beantworten.

Mit Dank auch an Jens-Uwe H.

Nachtrag, 17.32 Uhr: Über den Artikeln sowie in den Unterbereichen der Rubrik “Magazin” steht seit gerade ein “redaktioneller Hinweis”:

Dieses Sonderthema im Magazin-Bereich wird von der Redaktion des HNA RD Media Pools betreut. Hier lesen Sie neben eigenen Texten der RD-Media-Redakteure auch Agentur- und Public Relations (PR)-Texte. Die Magazin-Artikel haben nichts mit den redaktionellen Beiträgen der Nachrichtenredaktionen zu tun.

Blogs, Weltwoche, Berlin – Tag & Nacht

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Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Embedded Blogs”
(carta.info, Wolfgang Michal)
Wolfgang Michal schreibt zum Zustand der deutschsprachigen Blogs. “Die Blogszene ist für die Medien heute das geworden, was früher die taz war: die Journalistenschule der Nation, der Pool, aus dem sich die großen Medien die Vielversprechendsten herausfischen können.”

2. “Grosse Köpfe, leere Worte – wie schreibt man über Machthaber?”
(blog.tagesanzeiger.ch, Constantin Seibt)
Wie man als Interviewer eines CEOs eine “todlangweilige Doppelseite” vermeiden kann.

3. “Aufregung statt Aufklärung”
(heise.de/tp, Marcus Klöckner)
Eine Information aus einem Interview mit Hans-Peter Friedrich über untergetauchte Rechtsextreme breitet sich rasch aus. Eine “aufgeregte Berichterstattung” mache “den Eindruck, irgendwo da draußen im Land könnte sich breit angelegt eine Art zweiter Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) formieren.”

4. “Stellungnahme des Schweizer Presserats”
(presserat.ch)
Der Schweizer Presserat nimmt Stellung zum Roma-Cover der “Weltwoche”: “Die ‘Weltwoche’ hat mit der Veröffentlichung der Titelseite vom 5. April 2012 (‘Die Roma kommen: Raubzüge in die Schweiz’; ‘Familienbetriebe des Verbrechens’) die Ziffern 3 (Entstellung von Informationen, Archiv- und Symbolbilder) und 8 (Diskriminierung) der ‘Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten’ verletzt.”

5. “Programm-Macher”
(christundwelt.de, Nikolaus Brender)
Nikolaus Brender schreibt an Bundeskanzlerin Angela Merkel: “Ergreifen Sie die Initiative zum Rückzug aller Politiker aus den öffentlich-rechtlichen Aufsichtsgremien im Wahljahr 2013.”

6. “Likes für Laien”
(spiegel.de, Stefan Niggemeier)
Die erfolgreiche RTL-II-Serie “Berlin – Tag & Nacht”: “Als vor zwei Wochen in Berlin die Herbstferien zu Ende gingen, schrieb die 18-jährige Hanna eine Nachricht auf Facebook. Sie lautete: ‘Meine Ferien sind schon fast vorbei. :( Gehts euch genauso? Hanna.’ Das blieb nicht ohne Folgen. Mehr als 13.000 Personen klickten auf ‘Gefällt mir’.”

Medizinjournalismus mit Chefarztbehandlung (2)

Anfang Juni veröffentlichte die Koblenzer “Rhein-Zeitung” einen Artikel, der von den Erfolgen eines noch nicht zugelassenen Medikamentes gegen Knochenmarkkrebs schwärmte. Es handelte sich allerdings in Wahrheit um eine nur unwesentlich veränderte Pressemitteilung des Stiftungsklinikums Mittelrhein (BILDblog berichtete).

Der Presserat hat aufgrund einer Beschwerde von uns eine “Missbilligung” ausgesprochen. Der Artikel verstoße gegen die Richtlinie 1.3 des Pressekodex, wonach Pressemitteilungen als solche gekennzeichnet werden müssen. Die Chefredaktion der “Rhein-Zeitung” hatte es in ihrer Stellungnahme gegenüber dem Gremium bedauert, dass die journalistische Distanz nicht gewahrt wurde. Sie habe die Kritik zum Anlass genommen, die Redakteure schriftlich auf das Einhalten der journalistischen Grundsätze hinzuweisen. Auf Twitter hatte Chefredakteur Christian Lindner bereits damals erklärt, so etwas dürfe nicht vorkommen.

Der Presserat “empfiehlt” den Medien, “Missbilligungen” zu veröffentlichen, “als Ausdruck fairer Berichterstattung”. Die Betroffenen verzichten aber in aller Regel darauf. Anders die “Rhein-Zeitung”, in der gestern folgender Artikel erschien:

Soll schön sein: Rügen im Herbst

In den vergangenen Tagen kamen die drei Beschwerdeausschüsse des Deutschen Presserats zu ihren quartalsweisen Treffen zusammen und sprachen dabei drei öffentliche Rügen, eine nicht-öffentliche Rüge, 16 “Missbilligungen” und 27 “Hinweise” aus.

Die “Maßnahmen” des Presserates:

Hat eine Zeitung, eine Zeitschrift oder ein dazugehöriger Internetauftritt gegen den Pressekodex verstoßen, kann der Presserat aussprechen:

  • einen Hinweis
  • eine Missbilligung
  • eine Rüge.

Eine “Missbilligung” ist schlimmer als ein “Hinweis”, aber genauso folgenlos. Die schärfste Sanktion ist die “Rüge”. Gerügte Presseorgane werden in der Regel vom Presserat öffentlich gemacht. Rügen müssen in der Regel von den jeweiligen Medien veröffentlicht werden. Tun sie es nicht, dann tun sie es nicht.

Die nicht-öffentliche Rüge gab es für Bild.de wegen der Berichterstattung über einen Mann, der seine beiden Nichten umgebracht hatte. Bild.de hatte Auszüge aus Briefen des Täters aus dem Gefängnis veröffentlicht und den Artikel mit einem Foto der beiden toten Mädchen bebildert (genau genommen stammte der Artikel ursprünglich aus der “Bild am Sonntag” und Bild.de zeigt die Fotos der beiden Mädchen auch in anderen Artikeln zum Fall, aber der Presserat bewertet ja immer nur die konkrete Beschwerde). Der Beschwerdeausschuss sah in der Veröffentlichung der Fotos einen schweren Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex, Richtlinie 8.1, nach dem Opfer besonders geschützt werden müssen. Ein öffentliches Interesse an der identifizierenden Abbildung erkannte der Presserat nicht.

Eine der öffentlichen Rügen erging an “Bild”, weil die Zeitung zur Bebilderung eines Artikels über den Mord an einer 21-jährigen Berliner Studentin das Foto einer 27-jährigen lebenden Studentin aus Bremen verwendet hatte (BILDblog berichtete).

Seine erste Rüge überhaupt holte sich das Wirtschaftsmagazin “Brand Eins” ab. Die Redaktion hatte – im Auftrag des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie – eine Publikation geschrieben, die mit einer regulären Ausgabe der Zeitschrift verteilt wurde. Das Heft wurde auf der Titelseite von “Brand Eins” als “Ein Magazin über die Pharmaindustrie” angekündigt.

Im Vorwort des Hefts erklärte der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie, dass darin ausdrücklich auch Kritiker und Skeptiker zu Wort kommen sollten:

Es stimmt: Wir haben Fehler gemacht, denn wer verstanden werden will, muss sich erklären. Der muss sich messen lassen: Nicht an Hochglanzbroschüren, sondern an der Realität. Und dazu zählt auch die Kritik am eigenen Tun.

Deshalb haben wir dieses Magazin in Auftrag gegeben — und der Redaktion freie Hand gelassen: bei der Auswahl von Themen und Autoren, bei der Wahl von Gesprächspartnern und Inhalten, bei Umsetzung und Gestaltung. Wir haben uns in die Hände von Journalisten begeben – Angehörigen einer Berufsgruppe, die uns meist misstrauisch gegenübersteht – und sie recherchieren lassen.

Den Presserat konnte das nicht überzeugen, er sah in der Veröffentlichung einen Verstoß gegen die “gebotene klare Trennung von Redaktion und Werbung”. Der Leser könne glauben, es handele sich bei dem Heft um eine Sonderausgabe von “Brand Eins”, dabei war es in Wahrheit eine Auftragsproduktion, die von einem Verband finanziert wurde, der mutmaßlich “Einfluss auf die Grundrichtung des Heftes” genommen habe. Durch diese Art von Publikation und das dahinter stehende Geschäftsmodell gerate die Glaubwürdigkeit der Presse in Gefahr, so der Presserat.

Die letzte verbliebene Rüge bekam schließlich die Satirezeitschrift “Titanic” für ihr berühmt-berüchtigtes Papst-Cover ab, zu dem 182 Beschwerden eingingen. Der Beschwerdeausschuss bewertete die Darstellung von Papst Benedikt XVI. als “entwürdigend und ehrverletzend” und sah darin einen Verstoß gegen Ziffer 9 des Pressekodex. Zwar habe Satire “die Freiheit, Kritik an gesellschaftlichen Vorgängen mit den ihr eigenen Stilmitteln wie Übertreibung und Ironie darzustellen”, in diesem Fall sei die Grenze der Meinungsfreiheit jedoch überschritten worden. Das Gremium sah keinen Sachbezug zur Rolle des Papstes in der “Vatileaks”-Affäre gegeben, die Person Joseph Ratzinger werde der Lächerlichkeit preis gegeben.

Nicht beanstandet wurde die “Post von Wagner” vom 23. August an die “liebe Homo-Ehe”. Der Presserat urteilte, “die kritische und zugespitzte Positionierung, die als Meinungsäußerung zu erkennen war, ließ erkennbar Raum für Interpretationen der Leser”.

Tatsächlich war es bei der Empörungswelle vor einem Monat, die das Internetportal “Meedia” als “Shitstorm” bezeichnet hatte, zu Umdeutungen gekommen.

Wagner hatte geschrieben:

Früher wurden Homosexuelle in Deutschland zu Gefängnis verurteilt.

Was für eine glorreiche Zeit für Euch. Niemand steckt Euch ins Gefängnis, Ihr liebt Eure Partner, Ihr dürft sie lieben. Ihr seid deutsche Ehepartner. Eingetragen im Buch der Standesbeamten.

Das mit der “glorreichen Zeit” konnte man, wenn die Absätze anders verteilt gewesen wären, so verstehen, dass Wagner damit die Zeit meint, als Homosexuelle in Deutschland “zu Gefängnis” verurteilt wurden.

Der Beschwerdeausschuss kam aber zu der Ansicht, man müsse die Ansicht des Autors nicht teilen, sie sei aber vom Recht auf freie Meinungsfreiheit gedeckt. Eine Diskriminierung oder Herabwürdigung von Homosexuellen sah das Gremium in dem Kommentar nicht und wies die Beschwerden deshalb zurück.

Nachtrag, 18.05 Uhr: Die Redaktion von “Brand Eins” hat mit einer eigenen Pressemitteilung auf auf die Pressemitteilung des Presserats reagiert:

Der Presserat hat gestern eine Pressemitteilung verbreitet, in der er über eine gegen brand eins ausgesprochene Rüge berichtet. Über die Rüge – die brand eins bisher nicht vorliegt – heißt es in der Pressemitteilung:

“Die Redaktion des Wirtschaftsmagazins (sc. brand eins) hatte – im Auftrag des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie – eine Publikation geschrieben …”.

Dies entspricht nicht den Tatsachen. Nicht nur im Impressum der gerügten Publikation, sondern auch in der Stellungnahme, die die brand eins Redaktions GmbH & Co. KG im Rahmen des Beschwerdeverfahrens gegenüber dem Presserat abgegeben hat, wird ausdrücklich mitgeteilt, dass es sich um eine Publikation der Verlagstochter brand eins Wissen GmbH & Co. KG handelt. Dabei handelt es sich um die Corporate Publishing-Gesellschaft der brand eins Medien AG, mit eigener Geschäftsführung und eigener Redaktion, die seit 2001 Publikationen im Auftrag erstellt. Die Redaktion des Wirtschaftsmagazins brand eins war zu keinem Zeitpunkt in die Arbeit an dieser Fremdproduktion involviert.

brand eins wird gegen die Falschmeldung des Presserats juristisch vorgehen.

2. Nachtrag, 1. Oktober: Auch die “Titanic” hat (bereits am Donnerstag) auf die Presserats-Rüge reagiert:

Privatperson Ratzinger angeblich in seiner Ehre verletzt / Presserat widerspricht damit Papst

Der Beschwerdeausschuß des Deutschen Presserats hat sich aufgrund von 182 Beschwerden mit dem TITANIC-Titel “Halleluja im Vatikan – Die undichte Stelle ist gefunden!” beschäftigt. Er sieht in dem Titel eine Verletzung der Ziffer 9 des Pressekodex, “Schutz der Ehre”. Das Gremium “sah keinen Sachbezug zur Rolle des Papstes in der ‘Vatileaks’-Affäre” gegeben. “Die Person Joseph Ratzinger”, so der Presserat weiter, “wird von TITANIC als ‘undichte Stelle’ tituliert und durch die befleckte Soutane der Lächerlichkeit preisgegeben.” Chefredakteur Leo Fischer hält hierzu fest: “Der Presserat kann offenbar Papst Benedikt nicht an seiner Dienstkleidung erkennen.” Der Papst war in vollem Ornat und mit typischer Handbewegung seines Berufsstands abgebildet gewesen. Zudem habe der Papst nicht als Privatperson Joseph Ratzinger, sondern ausdrücklich als “Papst Benedikt XVI.” in seiner Funktion als katholisches Kirchenoberhaupt gegen das Satiremagazin auf Unterlassung geklagt.

Über den Sachbezug zwischen der Vatileaks-Affäre und dem Titelbild kann sich der Presserat in der am Freitag erscheinenden Oktoberausgabe von TITANIC informieren. In dieser findet sich der Widerspruch von TITANIC-Anwältin Gabriele Rittig gegen die päpstliche Verfügung vor dem Landgericht Hamburg in gekürzter, presseratsfreundlicher Form.

Meinungsvielfalt, Illustrationen, Hannover 96

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1. “Beim Leistungsschutzrecht hört die Meinungsvielfalt auf”
(stefan-niggemeier.de)
Die “Wetterauer Zeitung” erklärt einem Leser, warum sie seinen Leserbrief zum Thema Leistungsschutzrecht nicht veröffentlicht.

2. “Augen zu und durch!”
(danielgrosse.com)
Die “Leipziger Volkszeitung” illustriert einen Bericht über den neuen VW Golf VII mit einem Foto des VW Golf VI: “Wer auch immer die Bildunterschrift ‘Rauschende Weltpremiere: Der neue VW Golf 7. Foto: AFP’ eingefügt hat, er muss blind gewesen sein. Steht doch quasi direkt über der Autorenkennung im Nummernschild des gezeigten Golfs zu lesen: ‘Golf VI 2008-2012’.”

3. “Absurde Fotos zur Euro-Krise”
(spiegel.de, Friederike Ott)
Die Mühe von Fotografen, immer neue Symbolbilder für die Eurokrise zu finden: “Fotografen nennen diese Bilder Illustrationen. Sie sollen abstrakte Vorgänge visualisieren. Die meisten Krisen verschwinden nach einigen Wochen oder Monaten aus dem Fokus der Öffentlichkeit. Bei der Euro-Krise ist das anders.”

4. “Presserat prüft Verkauf von Kandidatenporträts in Lokalzeitung”
(aargauerzeitung.ch, Fabian Muster)
Kandidierende für das Aargauer Kantonsparlament können bei Lokalzeitungen des Verlags Effingerhof AG ein Porträt über sich kaufen: “Entweder schalten sie Inserate in der Höhe von 550 Franken [rund 455 Euro] oder bezahlen diesen Betrag direkt für einen Artikel über sich selbst.”

5. “Schwierige Dreharbeiten – Sanitäter behindern Kameramann”
(ndr.de, Video, 5:14 Minuten)
Ein Kameramann, der in und um Rostock Unfälle und Katastrophen filmt, kommt immer wieder in Konflikt mit Sanitätern und Polizisten.

6. “Zeuge Hannovas: Serienmörder, Hurensöhne und Arschlöcher”
(reesessportkultur.de, Klaas Reese)
Fans des Fußballvereins Hannover 96, Präsident Martin Kind, Serienmörder Fritz Haarmann und “Bild”.

Jonah Lehrer, Martin Meyer, Attentäter

6 vor 9

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1. “Kein Podium für ruhmsüchtige Attentäter”
(lto.de, Henning Ernst Müller)
Der Presserat empfehle bislang nicht, die Identifizierung eines Attentäters oder die Verbreitung seines Fotos zu unterlassen. “Die Täter werden in ihrem Streben nach Prominenz bislang regelmäßig zufrieden gestellt: Nationale wie internationale Medien verbreiten meist schon kurz nach einem Anschlag Namen und Bild des Tatverdächtigen. Nicht etwa eine Goldmedaille bei den olympischen Spielen, sondern ein Anschlag mit möglichst vielen Toten scheint die effektivste Methode zu sein, weltweiten Ruhm zu erlangen, sei er auch noch so negativ besetzt.”

2. “US-Journalist erfindet Bob-Dylan-Zitate”
(zeit.de)
Der 31-jährige Journalist Jonah Lehrer kündigt seinen Job beim “New Yorker”, nachdem ihm Zitatfälschungen nachgewiesen werden.

3. “Der preussische Zürcher”
(bazonline.ch, Hansjörg Müller)
Ein Porträt des NZZ-Feuilletonchefs, Martin Meyer.

4. “Ich wünsche mir eine Deutsche Nationalmediathek, oder: Das kurze Gedächtnis von RTL”
(leitmedium.de, ccm)
Caspar Clemens Mierau fordert, dass “auch private Sender in die Pflicht genommen werden, ein Archiv zu führen. Mindestens alle ausgestrahlten Sendungen sollten vorgehalten werden, wie auch wichtige Begleitmaterialien, Verträge, Pressetexte, usw. Es ist einfach bedauerlich, wenn kulturelle Geschichte nur versendet wird.”

5. “Die Schweizerische Depeschenagentur erhält schon heute zu viele Subventionen, sie braucht nicht noch mehr Steuergelder”
(arslibertatis.com)
Ars Liberatis denkt nach über die Unabhängigkeit der Medien vom Staat.

6. “Machen Sie sich das ganze Bild!”
(fernsehkritik.tv)
Fernsehkritik.tv veröffentlicht von der Sat.1-Dokusoap “Schwer verliebt” einen Drehplan, einen Kandidatenvertrag und einen Einwilligungsvertrag für Angehörige.

Schwer verliebt, Kronen Zeitung, Olympia

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1. “Schwer unter Druck gesetzt”
(fernsehkritik.tv, Video, 22:12 Minuten)
Die Sat.1-Sendung “Schwer verliebt” droht einem Kandidaten wiederholt mit Konventionalstrafen in der Höhe von 250.000 Euro.

2. “‘Krone’ dramatisiert Foto aus Syrien: Leser wenden sich an Presserat”
(derstandard.at, Sabine Bürger)
Christoph Dichand, Chefredakteur der “Kronen Zeitung”, nimmt Stellung zum manipulierten Foto aus Syrien: “Während wir die Copyrights beider Fotos korrekt angegeben haben, fehlte leider der Hinweis darauf, dass es sich eben um das journalistische Stilmittel einer Fotomontage handelt.”

3. “Leistungsschutzrecht: Google will Runden Tisch bei Angela Merkel”
(deutsche-wirtschafts-nachrichten.de)
Kay Oberbeck von Google zum neuen Entwurf des von Presseverlegern angestrebten Leistungsschutzrechts: “Der jetzt vorgelegte Gesetzesvorschlag bedeutet einen Eingriff in die Informationsfreiheit und würde Deutschland weltweit isolieren. Schon jetzt kann sich jeder Verlag durch eine einfache Programmierungszeile aus der Google Suche herausnehmen – dafür bedarf es keines neuen Gesetzes. Presseverlage profitieren in erheblichem Umfang von Suchmaschinen und anderen Online-Diensten. Alleine durch Google werden pro Minute 100.000 Klicks auf Verlagsseiten weiter geleitet. Es ist absurd, dass nun ausgerechnet Suchmaschinen Adressaten des Gesetzes sein sollen.”

4. “ARD&ZDF: Disqualifikation bei den Olympischen Spielen”
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
ARD und ZDF weisen in ihrer Olympia-Übetragung nicht sauber aus, was live ist und was aufgezeichnet: “Während also in Wirklichkeit oft schon Medaillen verteilt sind, gaukeln ARD und ZDF mit zeitversetzt gezeigten Aufzeichnungen noch Spannung vor – ohne das kenntlich zu machen. (…) Da man annehmen darf, dass die beiden Sender doch technisch in der Lage sind, dies umzusetzen, will man die Fernsehzuschauer also bewusst in die Irre führen.”

5. “Trauerberichterstattung”
(sueddeutsche.de, Saskia Aleythe)
ARD und ZDF beschwören aufgrund ausbleibender Medaillen deutscher Athleten eine Trauerstimmung: “Im gefühlten Halbstundentakt schoben die Kollegen von Katrin Müller-Hohenstein einen dreiminütigen Film zum ‘Schwarzen Tag der deutschen Schwimmer’ ein. (…) Mit langem Gesicht saß Expertin Franziska van Almsick vor der Kamera und hielt das Mikrofon starr wie eine brennende Kerze, bei der jede Schieflage ein Wachsdesaster zur Folge hätte.”

6. “Dicker Mann auf Sofa empört über schlechte Leistung deutscher Athleten bei Olympia”
(der-postillon.com)

Opfer eines Autounfalls instrumentalisiert

Das Foto zeigt einen Vater, der weinend auf der Straße hockt und Abschied nimmt von seinem Sohn, der an dieser Stelle gerade bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist.

Die “Bild am Sonntag” stellte diesen intimen Moment groß aus; die “Bild”-Zeitung zeigte das Foto am nächsten Tag noch einmal (BILDblog berichtete). Sie taten das angeblich nicht, um die Schaulust zu befriedigen, sondern um die Zahl der Opfer von alkoholisierten Autofahrern zu reduzieren.

Die “Maßnahmen” des Presserates:

Hat eine Zeitung, eine Zeitschrift oder ein dazugehöriger Internetauftritt gegen den Pressekodex verstoßen, kann der Presserat aussprechen:

  • einen Hinweis
  • eine Missbilligung
  • eine Rüge.

Eine “Missbilligung” ist schlimmer als ein “Hinweis”, aber genauso folgenlos. Die schärfste Sanktion ist die “Rüge”. Gerügte Presseorgane werden in der Regel vom Presserat öffentlich gemacht. Rügen müssen in der Regel von den jeweiligen Medien veröffentlicht werden. Tun sie es nicht, dann tun sie es nicht.

Der Presserat missbilligte ihre Berichterstattung trotzdem.

Mehrere Menschen hatten sich über “Bild am Sonntag” und “Bild” beschwert. Sie hätten die Betroffenen ein zweites Mal zu Opfern gemacht und ihre Gefühle der Angehörigen nicht respektiert.

Das Justiziariat der Axel Springer AG erwiderte, die ausschließliche Motivation der Berichterstattung sei es gewesen, auf die schrecklichen Folgen von Alkoholmissbrauch am Steuer hinzuweisen. Es sei unstreitig, dass weniger Unfälle passieren würden, wenn Verkehrsteilnehmern diese Folgen deutlich gemacht würden — auch die Deutsche Verkehrswacht nutze Plakate mit drastischen Darstellungen.

Außerdem sei die Leiche abgedeckt und keiner der Beteiligten identifizierbar.

Der Presserat sah in den Veröffentlichungen zwar keinen Verstoß gegen die Menschenwürde (Ziffer 1 des Pressekodex) und auch keine unangemessen sensationelle Darstellung von Leid (Ziffer 11). “Bild am Sonntag” habe aber die Privatheit der Opfer missachtet (Ziffer 8). In Richtlinie 8.3 heißt es:

Bei Familienangehörigen und sonstigen durch die Veröffentlichung mittelbar Betroffenen, die mit dem Unglücksfall oder der Straftat nichts zu tun haben, sind Namensnennung und Abbildung grundsätzlich unzulässig.

Die Familie sei aufgrund vieler Details identifizierbar. Ihre private Trauer werde einer großen Öffentlichkeit gezeigt. Wenn die Zeitung auf die Gefahren von Alkohol am Steuer hinweisen wollte, hätte sie über den Unfall auch in anderer Form berichten können. “Bild am Sonntag” habe die Betroffenen “instrumentalisiert”.

Gesünder Werben mit AOK Plus

Drei- bis viermal im Jahr laden die “Dresdner Neuesten Nachrichten” für einen Tag einen “Gast-Chefredakteur” ein, der gemeinsam mit der Redaktion eine Ausgabe mit einem thematischen Schwerpunkt entwickelt. Darauf ist der Chefredakteur der “Dresdner Neuesten Nachrichten” offenbar so stolz, dass er in einer Stellungnahme gegenüber dem Deutschen Presserat ausführlich über dieses Projekt referiert und auflistet, welche prominenten und nicht-prominenten “Gast-Chefredakteure” es schon gegeben habe und welche Themen diese dabei bearbeitet hätten.

Diese Stellungnahme war nötig geworden, weil sich ein Leser beim Presserat über die “DNN”-Ausgabe vom 15. Februar beschwert hatte, deren “Gast-Chefredakteur” Rolf Steinbronn, Vorstandsvorsitzender der Krankenkasse AOK Plus, war.

In seinem Leitartikel hatte Steinbronn erklärt, wie viel Geld die AOK Plus (die “größte gesetzliche Krankenkasse in Sachsen und Thüringen”) wofür ausgibt, und dass die AOK Plus allein im vergangenen Jahr 70 Millionen Euro durch Rabattvertäge mit Pharmafirmen gespart habe.

Und solche Einsparungen sind natürlich was Tolles für die Versicherten der AOK Plus:

Vom Spareffekt profitieren letztlich alle Versicherten, indem sie sich darauf verlassen können, bei der AOK Plus bis mindestens 2014 von Zusatzbeiträgen verschont zu bleiben.

Und was die AOK Plus sonst noch tolles macht, konnte der Leser fast überall in dieser Ausgabe der “DNN” erfahren:

  • Im Lokalteil etwa kamen die Mitarbeiter eines Jugendgästehauses zu Wort, die dank der Gesundheitsförderung der Dresdner AOK jetzt drei Übungsstunden à 60 Minuten mit individuellen, arbeitsplatzbezogenen Rückenübungen bekommen haben.
  • Im Kulturteil stand ein Artikel über ein Präventionsprojekt, bei dem Musiker des Landesjugendorchesters Sachsen spezielle Übungen zur Stärkung ihres Bewegungsapparats lernen sollten, um Haltungsschäden zu vermeiden. Gefördert von der AOK Plus, wie der Leser erfuhr.
  • Und im Sportteil erschien ein Interview mit dem Leiter des Betriebssportvereins der AOK in Dresden, das “Entspannung bei Zumba in der Mittagspause” versprach. Man muss aber gar nicht bei der AOK arbeiten, um dort mitmachen zu dürfen: “Unser Sportverein richtet sich aber nicht nur an AOK-Mitarbeiter, sondern ist für alle offen.”

Der Beschwerdeführer fand insgesamt acht Artikel, in denen er das Gebot der klaren Trennung von Redaktion und Werbung verletzt sah.

Der Chefredakteur der “DNN”, Dirk Birgel, betonte in seiner Stellungnahme, dass die Veröffentlichung weder von dritter Seite bezahlt noch durch geldwerte Vorteile belohnt worden sei. Auch ein Kopplungsgeschäft liege nicht vor.

Die “DNN” beharrte auf ihre redaktionelle Unabhängigkeit: Nur der Leitartikel sei vom Chef der AOK Plus verfasst und durch den Chefredakteur selbst geprüft worden. Alle anderen Beiträge seien durch die Redaktion selbst erarbeitet worden. Es sei “naheliegend”, dass sie thematisch im Zusammenhang mit dem Gast-Chefredakteur stünden.

Wenn überhaupt, so der Chefredakteur, dann könnte allenfalls in der Mitteilung, dass die AOK bis 2014 keine Zusatzbeiträge erheben wolle, eine werbliche Wirkung gesehen werden. Er erklärte aber auch eindrucksvoll, warum das eigentlich nicht sein könne: Da die Meldung die überwiegende Anzahl der Leser betreffe, überlagere hier das öffentliche Interesse einen möglichen Werbeeffekt. Auch in allen anderen Artikeln überlagere der Informationswert eindeutig eine mögliche Werbewirkung für die AOK.

Einer der vom Leser kritisierten Artikel mit dem Titel “Last-Minute-Fitness für Wintersportler” gehöre übrigens gar nicht zu den mit dem AOK-Chef vorbereiteten Texten, führte der Chefredakteur weiter aus: Es handele sich dabei vielmehr um den vorletzten Teil der zwölfteiligen Serie “Gesund und aktiv”, die von der AOK lediglich durch die Schaltung einer Anzeige in Form eines Logos begleitet werde. Dieser Text sei aber auch keine AOK-Veröffentlichung, sondern ein von einem Facharzt für Orthopädie verfassten Beitrag zum Thema “Skilanglauf und Abfahrtski” ohne Bezug zur AOK. Auf der Seite finde sich zudem ein Interview mit einer Ernährungsberaterin, in dem der einzige Bezug zur AOK sei, dass diese bei der Krankenkasse arbeite.

Die “Maßnahmen” des Presserates:

Hat eine Zeitung, eine Zeitschrift oder ein dazugehöriger Internetauftritt gegen den Pressekodex verstoßen, kann der Presserat aussprechen:

  • einen Hinweis
  • eine Missbilligung
  • eine Rüge.

Eine “Missbilligung” ist schlimmer als ein “Hinweis”, aber genauso folgenlos. Die schärfste Sanktion ist die “Rüge”. Gerügte Presseorgane werden in der Regel vom Presserat öffentlich gemacht. Rügen müssen in der Regel von den jeweiligen Medien veröffentlicht werden. Tun sie es nicht, dann tun sie es nicht.

Der Beschwerdeausschuss des Presserats konnte sich der Argumentation der “Dresdner Neuen Nachrichten” nicht anschließen und erkannte in der Berichterstattung eine Verletzung des Grundsatzes der klaren Trennung von Redaktion und Werbung. Die gemeinsam mit der AOK Plus entstandenen Beiträge überschritten die Grenze zwischen einer Berichterstattung von öffentlichem Interesse und Schleichwerbung nach Richtlinie 7.2 Pressekodex.

Die Häufung von Beiträgen, in denen über die Krankenkasse und ihr im Wettbewerb stehendes Angebot berichtet wird, sei redaktionell nicht mehr zu begründen. Es entstehe dabei eine Werbewirkung für die AOK, die nicht durch ein Leserinteresse an der Berichterstattung zu rechtfertigen ist.

Der Presserat sprach deshalb eine “Missbilligung” gegen die “Dresdner Neuesten Nachrichten” aus.

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