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Nicht alles, was hitler ist, ist verboten (3)

Sie haben es vermutlich mitbekommen:

70 Jahre lang war Adolf Hitlers “Mein Kampf” verboten. Jetzt ist die widerliche Kampfschrift des Judenhassers wieder da, in neuer kommentierter Auflage.

Auch andere Medien nahmen den Jahreswechsel zum Anlass, sich mit “Mein Kampf” und vor allem mit dem “Verbot des Buches” zu beschäftigen. “Spiegel Online”-Autor Georg Diez zum Beispiel erklärte vergangene Woche in seiner Kolumne, “wie falsch es war, dieses Buch zu verbieten”:

Bücher sollten nie verboten werden, denn diese Art von Verboten sind Zeichen von Angst und Schwäche. Demokratien verbieten keine Bücher und keine Gedanken. Diktaturen tun das.

Doch auch wenn sie es bei “Spiegel Online” und “Bild” (und bei vielen anderen Medien) einfach nicht glauben wollen: “Mein Kampf” war in Deutschland nie verboten.

Es durften bis zum 31. Dezember 2015 lediglich keine Neuauflagen gedruckt und herausgegeben werden, weil man damit gegen die Urheberrechte Adolf Hitlers verstoßen hätte, die 1946 1948 an das bayerische Finanzministerium gefallen sind. Seit Anfang dieses Jahres gilt der Urheberschutz nicht mehr, weil Hitlers Tod nun 70 Jahre zurückliegt. Theoretisch darf es jetzt also jeder nachdrucken.

Im Sommer 2014 haben zwar die Justizminister der Bundesländer beschlossen (PDF), “dass eine unkommentierte Verbreitung von Hitlers ‘Mein Kampf’ auch nach Ablauf der urheberrechtlichen Schutzfrist zum 31. Dezember 2015 verhindert werden soll”, außerdem wurden die Generalbundesanwälte um Einschätzung gebeten (PDF, S. 10), doch konkrete Ergebnisse zum weiteren Vorgehen gibt es noch nicht.

Wie auch immer: Was jetzt “wieder da” ist, war eigentlich nie weg. Wer das Buch haben wollte, konnte es sich in den vergangenen 70 Jahren ganz legal besorgen:

Der bloße Besitz von “Mein Kampf” war bisher nicht verboten. So kursieren nach wie vor Originalausgaben von “Mein Kampf”, etwa in Antiquariaten. Sie dürfen dort verkauft und gekauft werden. Auch der Verleih in Bibliotheken ist legal.

So zu lesen etwa vor zwei Wochen — bei “Spiegel Online” und bei “Bild”.

Mit Dank an Nold.

Bild, Bild.de  etc.

Terror-Alarm ohne Gewehr

Da sind wir wieder!

… und müssen gleich mal einen Blick zurückwerfen. Denn am 27. November, zwei Wochen nach den Anschlägen in Paris, behauptete “Bild” exklusiv:

Dort hieß es:

Die ISIS-Terroristen von Paris haben bei ihrem Anschlag in der französischen Hauptstadt am 13. November Waffen verwendet, die von einem Waffenhändler aus Deutschland stammen sollen! Das legen Unterlagen der Staatsanwaltschaft und deutscher Ermittlungsbehörden nahe, die BILD vorliegen.

Danach sollen Anfang November vier Kalaschnikows (…) über das Internet bei einem Waffenhändler in Deutschland bestellt worden sein. Die vier Waffen sollen am 7. November, sechs Tage vor den Anschlägen in Paris, verkauft worden sein. DER KÄUFER WAR MUTMASSLICH ARABISCHER HERKUNFT.

Kurzum:

So sicher klang die Staatsanwaltschaft Stuttgart, die noch am selben Tag eine Pressemitteilung herausgab, allerdings nicht:

Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, in mehreren Fällen Schreckschusswaffen ungenehmigt zu illegalen Schusswaffen umgebaut und diese über das Internet verkauft zu haben. Im Rahmen einer am 23. November 2015 erfolgten Durchsuchung seiner Wohnung konnten weitere Schusswaffen aufgefunden werden. Nach den bisherigen Ermittlungen bestehen Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte im November 2015 vier Sturmgewehre an einen Abnehmer in Paris verkauft haben könnte. Mögliche Bezüge zu den Anschlägen in Paris werden geprüft.

Dennoch ließen auch andere Medien wenig Zweifel an der Verbindung nach Paris:


(“Focus Online”)


(oe24.at)


(“Huffington Post”)

Unterdessen waren die „Bild“-Reporter schon auf „Spurensuche“ im Leben des Verdächtigen unterwegs, verhörten seine Mutter, druckten ein großes, halbherzig verpixeltes Foto und veröffentlichten persönliche Details über ihn, von seinem Geburtsort bis zu seiner Schuhgröße:


(Zusätzliche Verpixelung von uns.)

Doch inzwischen hat sich herausgestellt: Der Mann hat die Waffen nicht nach Paris verkauft. Und verschickt wurden sie erst am 16. November — drei Tage nach den Anschlägen in Paris.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart teilte am 10. Dezember mit:

Nach den aktuellen Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft Stuttgart und des Landeskriminalamts Baden-Württemberg im Fall des 24-jährigen Waffenhändlers aus Magstadt kann inzwischen ausgeschlossen werden, dass die bei den Terroranschlägen in Paris eingesetzten Schusswaffen vom Beschuldigten stammen.

Der anfängliche Verdacht eines Zusammenhangs mit den Pariser Terroranschlägen hatte sich im Rahmen der Auswertung der beim Beschuldigten sichergestellten Datenträger ergeben. Diese erbrachte einen E-Mail-Verkehr, der zunächst den Verkauf von 4 Sturmgewehren an eine Pariser Lieferanschrift nahelegte. Die weiteren Ermittlungen ergaben jedoch, dass die in der fraglichen E-Mail angesprochene Lieferung erst am 16.11.2015 und nicht nach Paris versandt wurde.

Bei Bild.de steht mittlerweile eine Korrektur unter dem “Mord-Waffen kamen aus Deutschland!”-Artikel:

In einer vorherigen Version des Artikel war das Alter von [S.] mit 34 Jahren angegeben. Diese Altersangabe war nicht korrekt.

Dass auch der Rest nicht korrekt war, verschweigt das Portal bis heute. Auch andere Medien behaupten nach wie vor (die Mitteilung der Staatsanwaltschaft ist jetzt seit einem Monat öffentlich), die Waffen stammten aus Deutschland.

In der Print-“Bild” wurde immerhin ein kleines Update versteckt:


Jaja, die doofe Staatsanwaltschaft.

BILDblog hält Winterschlaf (10)

Das war’s von unserer Seite fürs Jahr 2015.

Wie in den vergangenen Jahren auch, halten wir jetzt Winterschlaf. Wir sehen uns wieder im Januar 2016!

Falls Sie in der Zwischenzeit Entzugserscheinungen oder stressige Verwandte plagen, empfehlen wir eine Stöberrunde in unserem Archiv. Unsere Beiträge aus diesem Jahr:

»Warum wir gegen die „Bild“-Zeitung kämpfen
»Im Zweifel gegen den Griechen
»Lynchmob, bitte hier entlang!
»Wenn Schlagzeilen Menschenleben kosten
»Gestatten, Cristiano Ronaldo, Fantastilliardär
»„heute-show“ verfälscht Interview
»„Bild“ und die Sadomaso-Sabberei
»Und nun zur Hetzervorhersage
»Irgendwas vielleicht mit Hitler
»Live Action Media Bullshit
»Männer die Macher, Frauen die Objekte – über Sexismus in „Bild“
»LeFloid lässt Putins 9/11-Bombe auf Youtube hochgehen
»Kachelmann vs. Bild
»Die Radikalos-Kampagnen der Brandstifter-Journalisten
»Die Ente mit der pinken Katze
»Sibel Kekilli will nicht mit „Bild“ sprechen
»Eine Bankrotterklärung
»„Die von der ‚Bild‘ sind ja nicht doof — aber eben schlechte Menschen“
»Sterben live (2)
»Auf 799,2 Milliarden mehr oder weniger kommt es bei Griechenland auch nicht mehr an
»Presserat rügt Vergewaltiger-Selfie
»Der Griechen-Teufel mit dem Einzack
»Bild.de bringt falschen Zwanziger in Umlauf
»Absturz des Journalismus
»Kai Diekmann und Julian Reichelt diskutieren über Opferfotos
»Andreas L.
»Einzelhändler sagen Nein zu „Bild“
»Quelle: Pizzabäcker
»Meute- und Jagd-Reflexe – und wie man sich davor schützt
»Die mit den virtuellen Wölfen tanzen (2)
»„Tja, bald ist Tröglitz halt überall“
»Dirk Hoerens Hartzer-Käse
»„Bild“ braucht keine Erlaubnis für Opferfotos
»Halbgares über die Herdprämie
»Eine Frage, „Kronen Zeitung“
»Scheine nach Athen fahren
»Mergste selbst, ne?
»Seemannsgarn über die einsame Seglerin
»Das „Bild“-Tagesmenü: Gerüchte aus eigenem Anbau
»Skandal! Weselsky ist Bartträger! Und Sachse!
»Heißen alle gleich (3)
»In 80 Fehlern um die Welt
»Was „Focus Online“ dann abschrieb, ist schier unglaublich
»Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Böcken werfen
»Volle Pulle vorbeigesteuert
»„Bild“-Reporter lässt Heidi Klum schreiend aus der Halle rennen
»Dauerfeuer der Halbwahrheiten
»Fluchtfantasien
»Zur „Westfalenblatt“-Kolumne
»Die Griechenland-Blasen von „Bild“
»Fünf Jahre alter Steuersünder-Pranger in der Schweiz entdeckt
»Darf Blatter die Schweiz „nicht mehr verlassen“? – „Völliger Blödsinn“
»Die antirussische Ente vom verbotenen Oktoberfest
»„Bild am Sonntag“ serviert FIFA-Kaiserschmarrn
»Keine Reise nach Jerusalem
»Ich packe meinen Koffer und nehme ein Wechselgerücht mit
»„Bild“ lässt Leser auf Presserat los
»Du hast den Farbbeutel vergessen
»Hitlers Cognac und die falschen Flaschen von der „Bild“-Zeitung
»Presserat rügt „Bild“ für Germanwings-Opferfotos
»Malen nach russischen Zahlen
»„Bild“ schützt Guttenberg vor Lesermeinung
»Sehen alle gleich aus (diesmal sogar wirklich)
»Verwirung bei den Hauptstadtjournalisten
»Rügen-Drama! Helene Fischer und das Killer-Kommando
»Aus dem lustigen Leben eines „Bild“-Sportreporters
»“Bild” zimmert aus alten Stühlen historisches Mobiliar
»Dirk Hoerens verrenkte Rentenrechnung
»Déjà-vu mit Merkels Grexit-Plan
»Mit “Bild” beim Teenie-Sex im Spaßbad
»„FAZ“ verkalkuliert sich beim unkalkulierbaren Griechen-Risiko
»Wie die Medien den Tugçe-Prozess behindert haben
»Auf „Bild“-Informationen ist eben Verlass
»Julian Reichelts Russland-Reisepläne für Edward Snowden
»Sehen alle gleich aus (10)
»Selfies gegen Griechenland: Presserat missbilligt „Bild“
»„Unsinnig und frei erfunden“
»Fälschen und Tricksen für den Grexit
»Oh Gott! „Blick“ fällt auf Satire rein
»Ich mach’s mit heißer Luft
»Wie Glenn Greenwald mal versuchte, mit Julian Reichelt zu diskutieren
»Julian Reichelt reist mit Snowden auf dem Holzweg Richtung Russland
»Putins Panzerpropaganda oder: Brrrrum! Wrrrrom! Wahnsinn!
»„Bild“ am Grab von Andreas L.
»Wenn die Wirklichkeit nicht blutig genug ist
»Die widerliche „IS“-Propaganda bei Bild.de
»Griechen-Hetze im Glashaus der Vampire
»Mit Toten ködern
»Lassen Sie mich durch, ich bin Wirtschaftswissenschaftlerin
»Mit Pickelhaube auf Griechenland-Feldzug
»„Bild“ versteckt Rüge zu Germanwings-Opferfotos
»Bild.de lockt Leser mit frechen Früchtchen an die Spielautomaten
»Was die Polizei will, ist „Bild“ doch egal
»Die einfallsreichen Ku-Klux-Karnevalisten
»„Bild“ druckt freiwillig zu kleine Gegendarstellung
»Medien lassen John Rambo gegen „IS“-Terroristen kämpfen
»Vom „beliebtesten Lehrling der Schweiz“ zum „faulsten Azubi aller Zeiten“
»Stell dir vor, es droht Krieg, und nur chip.de berichtet darüber
»Medien spielen mit Schäubles Rücktritt
»Mörder auf der Titelseite
»„Focus Online“ ruft 27 Millionen Ikea-Kommoden zurück
»Ich trink‘ Ouzo, und welche Steuererhöhung erfindest du so?
»Das „Kollaps“-Drama von Bayreuth: Merkel fällt vom Stuhl
»Trauerspiel
»Symbolfoto LVII
»Die Unfuglotsen von Bild.de lassen es wieder beinahe krachen
»Die „taz“ bestellt ein ACAB-Eis, das der Polizei nicht schmeckt
»Kann man dem überhaupt trauen? Der ist doch Grieche!
»Im Kleinermachen ist „Bild“ ganz groß
»„Bild“ pfeift aufs Gericht – und zeigt das Gesicht
»Im „Burger-Talk“ mit dem „Bild“-Reporter
»Polizei? Da könnte ja jeder bitten!
»Wie man den Werther-Effekt ignoriert
»Multipler Drei-Minuten-Journalismus
»Die verze.ttelte HSV-Ente
»„Bild“ ist stolz auf Presserats-Rügen
»Exklusiv: „Bild“ versteht Regierungspapier falsch
»Wie „Bild“ den Hass gegen Flüchtlinge schürt
»Der Hulk in Berlin? Unglaublich!
»Die 19 Jahre alte Hetzvorlage
»Wie „Bild“ den Hass gegen Flüchtlinge schürt (2)
»Krümel und der böse Wolf
»Krebserkrankung als Clickbait
»„Bild“ überrumpelt verletzten Fußballer am Krankenhausbett
»„Alles für die Story“: 50 Shades of True
»Generation Pornojournalismus
»Amazon und der Griff ins Klo
»St. Pauli löscht RB-Leipzig-Logo – vor drei Monaten
»Nepper, Schlepper, Bauer-Medien
»Wenn „Bild“ Unschuldige zu Mördern macht
»Brandstifter im Löscheinsatz
»Mordvideo als Clickbait
»„Auf der Straße ziehen Eltern ihre Kinder zur Seite“
»Wenn die Polizisten zweimal räumen
»In allen vier Ecken soll Unsinn drin stecken
»Ist es in Ordnung, das tote Flüchtlingskind zu zeigen?
»Franz Josef Wagner und die Nazi-Scheiße in der „Bild“-Zeitung
»Ein Stürmer in Gerüchteabwehr
»Das wird man ja wohl noch zeigen dürfen!
»Wenn „Bild“ sich einer Sache annimmt, bleibt nichts von ihr übrig
»Schnellschuss in der Schmuddelecke
»In nur vier Stunden vom Obdachlosen zum Perser
»Wer nicht für „Bild“ werben will, muss gegen Flüchtlinge sein
»Wer nicht für „Bild“ werben will, muss gegen Flüchtlinge sein (2)
»Das sind KEINE schlechten Journalisten!
»Wer nicht für „Bild“ werben will, muss gegen Flüchtlinge sein (3)
»„Warum schreibt ihr dann immer solche Scheiße?“
»„Focus Online“ macht Edward Snowden zum Alien-Spinner
»Ein Schubser wie ein Schlag ins Gesicht
»Wer gegen Massenunterkünfte ist, muss gegen Flüchtlinge sein
»Klatschblätter müssen Corinna Schumacher 60.000 Euro zahlen
»„Bild“ in die Tonne
»„Bild“ in die Tonne (2)
»Bild.de hat den letzten
»„Bild“ in die Tonne (3)
»Medien sprechen Reisewarnung für Ostdeutschland aus
»Wo laufen sie denn?
»Himmelhoch jauchzend, zu Tode vergnügt
»MH17 und die ukrainische Raketen-Ente aus Stuttgart
»Sind Medienberichte über Selbstmord gefährlich?
»Bild.de streckt historischen Stoff
»Unbekanntes Flugobjekt löst Eilmeldungen aus
»Galgen und Pranger
»Geier Sturzflug
»Wer Hass sät
»Als mit Akif Pirinçci noch gut Currywurst essen war
»Alfred Draxlers Intensiv-Kumpanei
»Füreinander da zu sein
»Skandal! „Pegida“-Chef hat sich nicht bei Schwulenplattform angemeldet
»Der DFB-Außenverteidiger
»Ein Wendt für alle Fälle
»Von Notdurft-Afghanen und Hetz-Österreichern
»Schlank auf der Schleichwerbepiste
»Alfred gegen den Rest der Welt (außer Franz)
»Dirk Hoerens halbe Hartz-Wahrheit über Flüchtlinge
»Lobschummelei bei Bild.de
»Ganz Deutschland findet: „Bild“ tut nichts für das Gemeinwohl
»Der „Bild“-Mann und wir Brandstifter
»Wie falsche Bilder von Flüchtlingen entstehen
»Rosa und schwarz: Die einzigartige Bicolor-Brille der CSU im Netz
»Reschersche – nein danke!
»Der Hofnarr des Kaisers
»Sehen alle gleich aus (11)
»„Jede Woche eine neue Zahl“
»So verclickbaitet die „Huffington Post“ die Anschläge von Paris
»Die Anschläge von Paris in den Medien – eine Linksammlung
»Fallen, Fake, Alarm: Die Paris-Berichterstattung von Bild.de
»Er steht im Tor, im Tor, im Tor – und blick.ch kommt nicht dahinter
»Kein Sprengstoff-Rettungswagen und andere Dochnichtnews aus Hannover
»Die exklusive München-Terror-Falschmeldung von „Focus Online“
»Über tote Flüchtlinge lachen mit N24
»Paris-Attentäter doch nicht „als Flüchtling in Bayern registriert“
»„Bild am Sonntag“ schwingt die „Deppen“-Keule
»Nachts sind alle Bodyguards grau
»„Bild“ und die gefühlte Wahrheit über Mats Hummels
»Mehr Fiction als Science
»Gegen Recht und Ordner
»Rügenritt in Sternchenjeans
»Bild.de-Chef lässt BILDblog Seite an Seite mit „Pegida“ marschieren
»„Bild“ schummelt beim Schwanzvergleich
»Kai Diekmanns Revanchefoul an Andreas Rettig
»Die Frau beim Namen nennen
»Wie „Focus Online“ das Misstrauen gegenüber Medien schürt
»Hetzen ist nur bei „Bild“ erlaubt
»800 Euro für jeden: Medien führen Grundeinkommen in Finnland ein
»Erschreckend: Nur jeder 50. Journalist erledigt seinen Job
»Der VfL Bochum will nicht mit dem „Bild“-Reporter sprechen
»Wechselnde Wechselgerüchte
»Alle Jahre wieder
»Von Quälgeistern und Diktatoren: Der Trainer und der „Bild“-Reporter
»Falscher „The Voice“-Sieger gewählt
»Paparazzi zum Abschied
»Sehen alle gleich aus (auch nackt)
»Abgelaufener Etikettenschwindel
»So reißerisch sind die Überschriften der „Bild“-Zeitung

Die “6 vor 9”-Ausgaben finden Sie hier, die “Perlen des Lokaljournalismus” hier.

Wir wünschen allen Lesern ein frohes Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr — und danken allen, die uns in diesem Jahr mit Hinweisen versorgt und unterstützt haben, ganz besonders:

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So reißerisch sind die Überschriften der “Bild”-Zeitung

Diskussionen über Flüchtlinge können schnell hitzig werden, gerade wenn es um Straftaten von Zuwanderern geht. In den sozialen Medien verbreiten sich oft Lügengeschichten über sexuelle Übergriffe durch Flüchtlinge oder über Banden, die komplette Supermärkte leerklauen.

Um etwas Differenzierung in die Debatten zu bekommen, können Zahlen helfen. Am vergangenen Donnerstag veröffentlichte Sachsens Innenminister Markus Ulbig eine “Kriminalitätsstatistik im Zusammenhang mit dem Thema ‘Zuwanderung'”. Zusammengefasst: Ja, es gebe mehr Kriminialität, seit die rund 45.000 Zuwanderer zwischen Januar und September 2015 nach Sachsen gekommen sind, allerdings sei die Anzahl der Straftaten verhältnismäßig gering gestiegen (2014: 7.029 Straftaten, 2015: 10.397). Einen Großteil der Delikte bildeten Ladendiebstähle und Schwarzfahren. Ulbig sagte zur Statistik:

Die überwiegende Mehrheit der Zuwanderer in Sachsen verhält sich rechtskonform. Bei den ermittelten Tatverdächtigen gilt es zu differenzieren. Es sind nicht die Zuwanderer, die einmalig mit Bagatelldelikten straffällig werden, die uns Sorge bereiten, sondern einige wenige Mehrfach-/Intensivtäter, die fast die Hälfte aller durch Zuwanderer begangenen Straftaten zu verantworten haben.

Die regionalen Medien berichteten über die Zahlen des Innenministeriums und griffen in ihren Überschriften entweder die Aussage Ulbigs auf, vermeldeten die Veröffentlichung der Statistik oder fassten sie kurz zusammen:


(MDR)


(sz-online.de)


(“Freie Presse”)


(“Lausitzer Rundschau”)

Die Dresden-Ausgabe der “Bild”-Zeitung berichtete ebenfalls. Im Artikel steht zwar direkt zu Beginn:

Von wegen, Ausländer seien besonders kriminell. Dieses Vorurteil will jetzt Sachsens Innenminister Markus Ulbig (51, CDU) widerlegen.

Die dazugehörige Überschrift ist allerdings nicht gerade geeignet, um hitzige Debatten abzukühlen:

Hinzu kommt die Aufmachung: Ein Foto zeigt einen “Drogendealer aus Tunesien”, der die Polizei verhöhnt; ein anderes eine Festnahme bei einer “Drogenrazzia am Wiener Platz”, obwohl (wie auch “Bild” immerhin erklärt) Rauschgiftdelikte gerade einmal fünf Prozent aller 10.397 Straftaten ausmachten.

Die “Bild”-Kollegen aus Leipzig haben ebenfalls über die Statistik berichtet. Überschrift:

Und so sieht das Umfeld des Artikels aus:

Mit Dank an Elmar!

Fehler bei der “New York Times”, “Football Leaks”, Mittelwelle

1. Systemic Change Needed After Faulty Times Article
(publiceditor.blogs.nytimes.com, Margaret Sullivan), englisch
Auf Grundlage anonymer Quellen hatte die “New York Times” schwere Vorwürfe gegen US-Behörden erhoben und ihnen Versagen bei der Kontrolle der Attentäterin von San Bernardino unterstellt. Die Anschuldigung war falsch — und Margaret Sullivan, Public Editor der “NYT”, spart nicht mit Selbstkritik: “That’s not acceptable for Times readers or for the paper’s credibility, which is its most precious asset. If this isn’t a red alert, I don’t know what will be.” Dan Gillmor fordert die Redaktion daraufhin auf, deutlich sorgfältiger und sparsamer mit Informationen aus anonymen Quellen umzugehen.

2. Journalist MacAskill: “Der wahre Held ist Edward Snowden”
(derstandard.at, Sebastian Fellner)
Der schottische Journalist Ewen MacAskill machte gemeinsam mit Glenn Greenwald und Laura Poitras die anlasslose Massenüberwachung der NSA öffentlich, nachdem Edward Snowden ihnen Dokumente zugespielt hatte. Rund zweieinhalb Jahre nach den ersten Enthüllungen blickt er zurück und lehnt Vergleiche mit Woodward und Bernstein ab: “Sie mussten es zusammenflicken, sprachen mit hunderten Menschen. Wir haben die Dokumente einfach bekommen. Okay, es war harte Arbeit, die Geschichte herauszuarbeiten, sobald wir die Dokumente hatten. Aber ich glaube nicht, dass es mit Watergate vergleichbar ist.”

3. Wie Blocher in Basel so der Milliardär in Nevada
(infosperber.ch, Urs P. Gasche)
Vergangene Woche war es nur eine Vermutung (siehe Link Nummer 6), jetzt steht es fest: Der Käufer, der für “The Las Vegas Review-Journal” 140 Millionen Dollar hingelegt hat, ist Casinomagnat Sheldon Adelson. Der Multimilliardär mache keinen Hehl daraus, “dass er mit dem Kauf von Zeitungen politischen Einfluss ausüben wolle”, schreibt Urs P. Gasche.

4. Offene Rechnungen
(deutschlandfunk.de, Jürgen Kalwa, Audio, 4:14 Minuten)
Seit Ende November veröffentlicht eine Gruppe namens “Football Leaks” pikante Unterlagen aus der Fußballwelt. Die anonymen Aktivisten hätten sich vor allem auf einen “auf den Fußball spezialisierten Investmentfonds” eingeschossen, der bei Spielertransfers ordentlich mitverdiene, so Jürgen Kalwa. Beim niederländischen Verein Twente Enschede hätten die Enthüllungen schon zum Rücktritt des Vereinsvorsitzenden und zum Ausschluss von internationalen Wettbewerben geführt, schreibt Christian Spiller bei “Zeit Online”.

5. Deutsche Mittelwelle stirbt aus
(heise.de)
Wenn der “Deutschlandfunk” Ende des Jahres die Ausstrahlung über Mittelwelle einstellt, dann war’s das mit einem “Stück deutscher Rundfunkgeschichte”.

6. “Immer feige, immer angepasst”
(taz.de, Anne Fromm, Jürn Kruse und Paul Wrusch)
Kürzlich durfte “Kress” “ein bemerkenswertes Gespräch” der “drei Alpha-Journalisten” Kai Diekmann, Julian Reichelt und Tanit Koch veröffentlichen. Bestimmt ist es reiner Zufall, dass sich nun auch die “taz” freut, “ein bemerkenswertes Gespräch (…) veröffentlichen [zu] dürfen”, bei dem “die drei Alpha-Journalisten Jürn Kruse, Anne Fromm und Paul Wrusch” Einblicke in die “Ausrichtung der starken Marke taz” geben.

Wechselnde Wechselgerüchte

Der frühere Fußballnationalspieler Stefan Kießling hat am vergangenen Wochenende stark gespielt. Beim 5:0-Sieg von Bayer Leverkusen über Borussia Mönchengladbach traf Kießling zweimal, zwei weitere Tore bereitete er vor. Eine “Gala”, wie “Bild am Sonntag” anschließend schrieb, aber nicht irgendeine:

Denn das Autoren-Quartett Vim Vomland, Dirk Krümpelmann, Phillip Arens und Christian Hornung hat herausgefunden:

Es ist die stärkste Leistung seiner Karriere — und auch die letzte vor seinen Leverkusener Fans.

Der Abschied aus Leverkusen, der schon seit einiger Zeit gerüchteweise im Raum stand, werde konkreter. Die vier Rechercheure haben dafür eindeutige Zeichen ausgemacht:

Jetzt ist es wohl so weit. Kießlings Ehefrau Norina verdrückte während des Spiels Tränen auf der Tribüne. Der Stürmer selbst verabschiedete sich nach Abpfiff von 200 Fans, die extra für ihn zurück ins Stadion gekommen waren. Bewegende Abschiedsszenen.

Vor allem aber gebe es die (nicht weiter konkretisierten) “Bild am Sonntag”-Informationen, die für Kießlings Abgang im Winter sprächen:

Nach BamS-Informationen wird Kießling innerhalb der Bundesliga wechseln.

Gestern dann bei Bild.de, Autor Vim Vomland:

Definitiv kein Wechsel! Stefan Kießling (31) bleibt bei Bayer Leverkusen.

Heute früh saßen Sportchef Rudi Völler, Manager Jonas Boldt und der Stürmer zusammen. Das Ergebnis der Gesprächsrunde: Kießling wird Leverkusen nicht verlassen.

Und nicht nur wird er Leverkusen nicht frühzeitig verlassen, sondern wahrscheinlich auch noch viel länger bleiben als bisher geplant:

Nach dem Machtwort von Rudi Völler (“Er muss bleiben!”) spricht nun Vieles dafür, dass Völler den bestehenden Vertrag noch über 2017 hinaus verlängern will. Es ist auch wahrscheinlich, dass Völler und Bayer Kießling ein Job-Angebot für die Zeit nach der aktiven Karriere machen werden.

Zwischen der Wechselankündigung in “Bild am Sonntag” und dem kompletten Gegenteil bei Bild.de gab’s am Montag auf der Titelseite der Kölner “Bild”-Ausgabe diese Schlagzeile:

In der Onlineversion rufen die zwei Autoren Vim Vomland und Phillip Arens Leverkusens Sportchef Rudi Völler zu: “Richtig, Rudi!”

Rudi Völlers Klartext in Sachen Kießling ist klug, das einzig Richtige. Es war aber auch höchste Zeit!

Es darf nicht soweit kommen, dass ein Trainer der Bayer-Legende Kießling so einfach die Lust am Fußball nimmt und ihn aus dem Klub vertreibt.

Aber ihn einfach aus dem Klub schreiben — das geht natürlich schon in Ordnung.

Mit Dank an @JulezRulez13!

Erschreckend: Nur jeder 50. Journalist erledigt seinen Job

Eine neue Schreckensmeldung treibt die besorgten Redaktionen des Landes um:

Auch in der Print-Ausgabe schnaubt “Bild”:

Die Flüchtlingskrise bringt dem Arbeitsmarkt bis 2017 rund 376 000 Arbeitslose zusätzlich. Das erwartet das Kieler Institut für Weltwirtschaft in seiner aktuellen Konjunkturprognose, die heute vorgestellt wird.

Damit rechnen die Forscher: Bis 2017 kommen 470 000 Flüchtlinge auf den Arbeitsmarkt! Nur jeder Fünfzigste (2%/Monat) findet tatsächlich einen Job!

Nur jeder Fünfzigste!

(„Welt“)

(„Focus Online“)


(“Huffington Post”)


(“n-tv”)

So schreiben es auch die Agentur „Reuters“, Web.de, News.de, “Österreich”, die “Kronen Zeitung” und natürlich die Flüchtlingshasserblogs und Anti-Islam-Portale.

Aber Moment. Was genau schreibt „Bild“?

Damit rechnen die Forscher: Bis 2017 kommen 470 000 Flüchtlinge auf den Arbeitsmarkt!

Ja, stimmt. In der Prognose (die jeder einsehen kann, PDF) heißt es:

Das Erwerbspersonenpotenzial ist in der Folge im Jahrdurchschnitt 2017 um insgesamt 470 000 Personen höher als ohne die Flüchtlingsmigration.

Und weiter, „Bild“?

Die Flüchtlingskrise bringt dem Arbeitsmarkt bis 2017 rund 376 000 Arbeitslose zusätzlich.

Stimmt auch. Das Institut schreibt:

Die Zahl der Erwerbspersonen ohne Arbeit nimmt hingegen deutlich stärker zu; der kumulierte Effekt in 2017 beträgt 376 000 Personen.

Heißt also: 94.000 (470.000 minus 376.000) finden einen Job.

Das sind aber nicht zwei Prozent, sondern 20. Nicht jeder fünfzigste der (erwerbsfähigen) Flüchtlinge, die bis 2017 nach Deutschland kommen, findet Arbeit, sondern jeder fünfte. Das hat uns auch das Institut auf Nachfrage bestätigt.

Wie kommt es also, dass sich die Medien ums Zehnfache vertun? Weil sie sich offenbar nicht die Prognose selbst angeguckt haben, sondern den irreführenden Formulierungen von „Bild“ gefolgt sind. Das Blatt schreibt:

Nur jeder Fünfzigste (2%/Monat) findet tatsächlich einen Job!

Ja, „2%/Monat“. Das Institut schreibt:

Um den Effekt auf die Erwerbstätigkeit und die Arbeitslosigkeit abzuleiten, unterstellen wir, dass monatlich 2 Prozent der Erwerbspersonen bei der Arbeitssuche erfolgreich sind und eine Erwerbstätigkeit aufnehmen.

Das heißt aber nicht zwei Prozent von allen 470.000.

Kleines Beispiel: Wenn diesen Monat 100 erwerbsfähige Flüchtlinge kommen und zwei Prozent einen Job finden, sind 98 Flüchtlinge arbeitslos. Nächsten Monat kommen noch mal 100 erwerbsfähige Flüchtlinge hinzu. Von den nun insgesamt 198 arbeitslosen Flüchtlingen finden wieder zwei Prozent eine Arbeit, also gerundet 4. Wären nach zwei Monaten sechs von 200 Flüchtlingen in Arbeit — also bereits drei Prozent. Oder anders gesagt: Pro Monat hat jeder fünfzigste, insgesamt aber schon jeder dreiunddreißigste Flüchtling Arbeit gefunden.

So kommt das Institut also auf 94.000 arbeitende von 470.000 erwerbsfähigen Flüchtlingen im Jahr 2017. Und das sind 20 Prozent.

In der (ausführlicheren) Online-Version schreibt “Bild” noch:

„Eine Abgangsrate von 2 Prozent steht mit den bisherigen Erfahrungen in Deutschland zur Arbeitsmarktintegration von Zuwanderern aus den Hauptasylzugangsländern in Einklang“, schreibt Groll da zu in der ifw-Prognose.

Den Satz, den Groll im Anschluss schreibt, verschweigt Bild.de. Im Original heißt es:

Eine Abgangsrate von 2 Prozent steht mit den bisherigen Erfahrungen in Deutschland zur Arbeitsmarktintegration von Zuwanderern aus den Hauptasylzugangsländern in Einklang. Danach erhöht sich die Beschäftigungsquote (bezogen auf die Erwerbspersonen) in den ersten vier Jahren nach Zuzug von rund 10 Prozent auf 60 Prozent.

60 Prozent der erwerbsfähigen Flüchtlinge finden in den ersten vier Jahren Arbeit! Das wäre doch mal eine Schlagzeile. Kommt man allerdings schwer drauf, wenn man sich nur blind auf “Bild” verlässt.

Mit großem Dank an Martin S.!

800 Euro für jeden: Medien führen Grundeinkommen in Finnland ein

Nehmen wir mal an, Sie betreiben einen kleinen Schuhladen in einer kleinen Stadt. Und eine Lokalzeitung schreibt, Sie würden jedem Kunden am nächsten Samstag ein paar Schuhe schenken. Dann schreiben die anderen Lokalzeitungen noch von der ersten ab. Was wird wohl am nächsten Samstag passieren?

Vielleicht kann man so noch ein bisschen besser verstehen, warum das finnische Sozialversicherungsinstitut “Kela” am vergangenen Dienstag ziemlich schnell mit einer Pressemitteilung auf weltweite Berichte reagierte, die behauptet hatten, dass Finnland bald all seinen Einwohnern ein bedingungsloses Grundeinkommen von 800 Euro im Monat zahlen werde. Zusammengefasst steht in der “Kela”-Mitteillung: Das sei totaler Quatsch. Konkrete Pläne und Summen gebe es noch keine, derzeit stünde lediglich eine vorbereitende Studie für ein geplantes Experiment im kleineren Rahmen an.

Auch deutsche Medien haben über die vermeintliche Einführung des Grundeinkommens für die Finnen berichtet. Den Start machte am Montag die “Frankfurter Allgemeine Zeitung”:

Die “Frankfurter Rundschau” hat eine mögliche Erklärung, wie die Genese dieser Meldung aussehen könnte. Der Weg in Kurzform: Die “FAZ” nenne als Quelle einen Artikel des Onlineportals “Quartz”. “Quartz” stütze sich bei der Nachricht auf die finnische öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt “Yle” sowie auf die BBC. Das Problem dabei: Die Nachricht von der BBC stamme bereits vom 20. August dieses Jahres und handele lediglich von dem Experiment der finnischen Regierung, nicht aber von der Einführung des Grundeinkommens. Und die “Yle”-Meldung sei bereits Ende Oktober veröffentlicht worden und beziehe sich wiederum auf die “regionale finnische Mediengruppe Lännen Media.” Bei “Lännen Media” sei man dann bei der Originalquelle angelangt. Und dort könne man lesen, dass das finnische Sozialversicherungsinstitut bald lediglich “mit der Arbeit an einer Studie für ein Grundeinkommen beginnen werde.”

Die Stille Post nahm dann auch in Deutschland Fahrt auf. Aus dem “offenbar” und den Vorbereitungen, von denen die “FAZ” spricht, wurde bei “Focus Online” schnell Gewissheit:

Es ist ein gigantisches politisches Experiment: Finnland hat angekündigt, ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Bürger einzuführen. (…) Nun macht die Regierung den Plan wahr: Bis zum November des kommenden Jahres sollen alle bisherigen staatlichen Zuschüsse wegfallen, stattdessen erhalten alle erwachsenen Bürger des Landes eine monatliche Zahlung von 800 Euro.

Dass das schlichtweg nicht stimmt, bestätigt ein “Vice”-Interview. Darin erklärt Olli Kangas, der für die Durchführung des finnischen Experiments verantwortlich ist, dass Finnland von der tatsächlichen Einführung des Grundeinkommens noch weit entfernt sei. Einen Zwischenbericht zu ihrer Vorstudie wollen er und sein Team im kommenden März der finnischen Regierung vorlegen, Vorschläge, wie ein Experiment zum Grundeinkommen aussehen könnte, sollen im November 2016 fertig sein.

Schon auf die Frage, woher “überhaupt dieser Betrag von 800 Euro” stamme, antwortet Kangas:

“Das ist eine gute Frage! Das ist doch nur eine Summe, mehr nicht. Dabei steht noch überhaupt nichts fest. Es könnte diese Summe oder eine höhere oder niedrigere Summe werden.”

Als das Interview erschien, war die Geschichte in den deutschsprachigen Medien schon nicht mehr einzufangen:


(“Mopo 24”)


(“Huffington Post”, inzwischen korrigiert)


(“Berliner Zeitung”)


(“Kleine Zeitung”)


(“Mitteldeutsche Zeitung”)

Mit Dank an Rüdiger S.!

Wie “Focus Online” das Misstrauen gegenüber Medien schürt

“Focus Online” hat mal wieder einen unfassbaren Flüchtlingsaufreger entdeckt. Unter der Überschrift …

Insider berichten: „Dürfen bei Lügen nichts sagen“
So ohnmächtig sind Dolmetscher im Asylverfahren

… schrieb das Portal am 30. November:

Im Asylverfahren spielen Dolmetscher eine wichtige Rolle. Zum Beispiel verlässt man sich auf sie, wenn es darum geht, ob ein Asylbewerber tatsächlich Syrer ist. Das Problem: Viele Dolmetscher, die solche weitreichenden Entscheidungen treffen, sind gar keine Profis. Und selbst die Profis stehen vor einem Dilemma: Sie dürfen nicht sagen, wenn ein Asylbewerber ihnen ins Gesicht lügt.

Für die Sache mit dem Lügen hat “Focus Online” auch zahlreiche Belege ein Indiz. Eine Dolmetscherin hat nämlich gesagt:

„Wenn jemand sagt: Ich bin in Syrien geboren, spricht aber krass Tunesisch, dann darf ich das nicht sagen“, so Dolmetscherin [N.]  zu FOCUS Online. „Ich bin nur ein Ratgeber. Der Anhörer muss sich an den Dolmetscher wenden und ihn fragen: Ist der Dialekt wirklich Syrisch? Ich darf von mir aus nicht sagen: Der lügt.“

Selbst wenn dem Dolmetscher auffällt, dass der Asylbewerber historische Fakten über sein Heimatland verdreht, dürfe er darauf nicht hinweisen, so [N.]. „Es sei denn, der Anhörer fragt. Aber das tun meiner Erfahrung nach die wenigsten.“

Ein gefundenes Fressen — vor allem für die hier:


Nun ist die Problematik rund um die Dolmetscher allerdings deutlich komplexer, als “Focus Online” sie darstellt. Fragt man etwa das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), ob die Behauptung mit den Lügen stimmt, erhält man als Antwort:

Grundsätzlich ist es so, dass der Dolmetscher lediglich das zu übersetzen hat, was der Antragsteller im Rahmen der Anhörung vorbringt. Eine gegebenfalls eigene Einschätzung des Dolmetschers über den Wahrheitsgehalt des Gesagten darf bei den Entscheidungsgründen keine Rolle spielen. Wird der Entscheider jedoch darauf hingewiesen, dass die vom Antragsteller angegebene Staatsangehörigkeit nicht stimmen kann, wird der Entscheider entsprechend nachfragen bzw. eine sogenannte Sprach-Text-Analyse durchführen, um die tatsächliche Staatsangehörigkeit des Antragstellers zu klären. Bis zur Klärung wird der Antragsteller mit der Staatsangehörigkeit „Ungeklärt“ beim Bundesamt geführt und auch nicht entschieden.

Dass “Focus Online” noch weitere Aspekte unterschlägt, wird schon deutlich, wenn man sich die Berichterstattung anderer Medien anschaut. Die “Welt” zum Beispiel hatte sich schon drei Tage vor „Focus Online“ mit den Dolmetschern in Asylverfahren befasst und nicht nur eins, sondern gleich sechs Probleme ausgemacht:

– Die Dolmetscher haben zu viel Macht
– Das BAMF hat keine Qualitätsstandards
– Falsches Dolmetschen wird nicht sanktioniert
– Das BAMF zahlt schlecht
– Die Qualität leidet unter dem Zeitdruck
– Die Flüchtlinge können sich nicht wehren

Im Text geht der „Welt“-Autor ausführlich auf diese Punkte ein, er hat eine Registrierungsstelle besucht, mit verschiedenen Verbänden und Dolmetschern gesprochen und dem BAMF Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Herausgekommen ist ein umfassender und unaufgeregter Artikel, der das Thema von verschiedenen Seiten beleuchtet.

Bei „Focus Online“ sucht man solche Bemühungen vergeblich. Das Portal zitiert lediglich zwei Dolmetscherinnen und einen Dolmetscher-Verband. “Pegida”-taugliche Überschrift, alarmistischer Teaser, fertig.

Das ist Alltag bei “Focus Online”. Trickreich und skrupellos wie kaum ein anderes deutsches Onlinemedium nutzt das Portal seit Monaten die Flüchtlingskrise und die Verunsicherung der Menschen, um Klicks abzugrasen. Das Burda-Medium verdreht Fakten, verbreitet Angst und Skepsis und setzt offenkundig gezielt auf die virale Verbreitung unter Flüchtlingsgegnern.

Im Fall der Dolmetscher-Geschichte spielt „Focus Online“ den “besorgten Bürgern” und „Lügenpresse“-Schreiern aber gleich doppelt in die Hände. Kurz nach der Veröffentlichung hat das Portal den Artikel nämlich ohne Erklärung wieder gelöscht. Wer jetzt auf den Link klickt, sieht das hier:

Seitdem lesen sich viele Facebook-Kommentare zu dem Artikel so:

Seite nicht vorhanden – alles klar

Eine Zensur FINDET statt!

Da fragt man sich doch, warum gerade DIESER Artikel offline genommen wurde. Aber Moment, es gibt in Deutschland ja keine Zensur vom System für Medien und Presse, nein nein.
Ist sicher nur ein Serverfehler oder eben purer Zufall. Fakt!

Ohh da war Mutti aber schnell!!! Die Wahrheit darf ja nicht ans dumme Volk ran!!!!

Seite war gestern abend für ca. 5 min online, danach wollte ich Sie anklicken und teilen, danach kam “Netzwerkfehler”… alles klar… Verarschung life! was will man auch erwarten? Ehrliche Berichterstattung können wir ja schon lange vergessen.

Da hat die Zensur aber schnell reagiert

hm…da wirds wohl mind. ne Abmahnung gegeben haben beim Focus für einen “ehrlichen Journalisten”…oder ein Praktikant wurde rausgeschmissen

Die Seite haben sie gelöscht: Fehlerseite
Die Seite kann nicht angezeigt werden LOL – alle “eingemerkelt

Seltsam, aber es wird einen Grund haben wieso der Artikel komplett verschwunden ist. Passt ja ins Bild zur Skepsis über die Berichterstattung.

Einige Leser haben „Focus Online“ über soziale Medien auf das Verschwinden des Artikels angesprochen – ohne Reaktion.

(Hier kann man den ursprünglichen Artikel übrigens noch lesen.)

Vergangene Woche haben wir “Focus Online”-Chefredakteur Daniel Steil gefragt, warum der Artikel gelöscht wurde und warum die Leser nicht über die Hintergründe aufgeklärt werden. Ein Sprecher von „Focus Online“ antwortete:

Der Artikel wurde veröffentlicht, bevor er komplett fertig war.

Ah ja. Erst raushauen, dann denken, so läuft das bei „Focus Online“.

Veröffentlichung und Verschwinden des Artikels liegen jetzt über eine Woche zurück, einen Hinweis für die Leser gibt es immer noch nicht, einen neuen Artikel auch nicht. Und der (eigentlich tote) Link wird weiterhin fleißig geteilt:

„Focus Online“ ist laut Burda-Verlag „die klare Nummer eins unter Deutschlands digitalen Qualitätsmedien“. Welche Kriterien bei diesem Ranking eine Rolle spielen, wissen wir nicht. Wenn es aber darum geht, die Leser in die Irre zu führen, Fremdenfeinde mit Scheinargumenten zu versorgen und das Misstrauen gegenüber Medien und Politik zu vergrößern, hat sich “Focus Online” den Spitzenplatz zweifelsohne verdient.

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