Suchergebnisse für ‘LINK’

Rosarote Olympiabrille, Rechte Twitterkrieger, Kampf ums Vong

1. Tageszeitung „Kieler Nachrichten“ wirft Polizei Bespitzelung vor
(netzpolitik.org, Simon Rebiger)
Wurden wirklich mehrere Journalisten der “Kieler Nachrichten” von der Polizei Schleswig Holsteins abgehört und überwacht? Diesen Verdacht äußert zumindest die Zeitung unter Verweis auf Polizei-Quellen. An einem Fahrzeug eines der Reporter hätte es zudem Hinweise auf einen Peilsender gegeben, ein E-Mail-Konto eines Kollegen sei gehackt worden. Hintergrund ist die sogenannte Rocker-Affäre, bei der es um Ungereimtheiten in einem Ermittlungsverfahren gegen die Rockerbande „Bandidos geht. Opposition und Journalistenverbände würden nun Aufklärung verlangen. Der neue Innenminister (CDU) weist die Vorwürfe zurück.

2. Wer redet hier von Doping?
(sueddeutsche.de, Jürgen Schmieder)
Am Wochenende wurde der amerikanische Kabelkanal “Olympic Channel: Home of Team USA” für 35 Millionen US-Haushalte freigeschaltet. Die NBC-Gruppe zahlt dem IOC für die Übertragungsrechte der Olympischen Spiele von 2014 bis 2032 mehr als 12 Milliarden US-Dollar. Den neuen Kanal betreibt NBC gemeinsam mit dem IOC. Kritische Themen wie Doping, Bestechung, Vergabe der Olympischen Spiele an autoritäre Staaten etc. bleiben ausgeklammert. Eine Tatsache, für die ein NBC-Manager eine Erklärung von George-Orwellschen Dimensionen gefunden hat: “Diskussionen bringen häufig das Schlechteste im Menschen hervor, uns dagegen geht es um das Beste: um inspirierende Geschichten, die alle zwei Jahre für zwei Wochen die Leute zu begeistern scheinen.”

3. Russland kopiert Gesetz gegen Hassbotschaften
(reporter-ohne-grenzen.de)
Das russische Parlament diskutiert derzeit ein Gesetz, das sich am umstrittenen deutschen NetzDG orientiert (“Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken”). “Reporter ohne Grenzen” ist entsetzt: „Unsere schlimmsten Befürchtungen werden wahr: Das deutsche Gesetz gegen Hassbotschaften im Internet dient undemokratischen Staaten nun als Vorlage, um gesellschaftliche Debatten im Internet einzuschränken. Auch in Russland sollen in Zukunft Mitarbeiter sozialer Netzwerke unter hohem Zeitdruck darüber entscheiden, welche Informationen gelöscht werden. In einem Land ohne unabhängige Gerichte, die den Schutz der Meinungsfreiheit durchsetzen könnten, ist das eine verheerende Entwicklung.”

4. Reichweitenschnorrer, Replysurfer, Sockenpuppen?
(volkerkoenig.de)
Volker König schreibt über ein Phänomen, das ihm auf Twitter aufgefallen ist. Immer wieder würden sich Accounts in Diskussionen unter Tweets von Medien und Tageszeitungen oder auch von linken Aktivisten einmischen, die nur 50 oder deutlich weniger Follower haben. Auch nach den G20-Krawallen in Hamburg sei eine hohe Anzahl von “danke @PolizeiHamburg”-Twitterern dieser Gruppe zuzuzordnen. “Ich sehe hier eine Tendenz. Entweder sind “rechte Stammtischkrieger” auf Twitter gekommen und randalieren mit ihren Meinungen nun hier herum statt nach ein paar Bier in der Stammkneipe, oder es ist möglicherweise eine Reihe von meist AfD-nahen Personen, die mit Sockenpuppen nicht nur ihre Reichweite erhöhen, sondern durch die scheinbar große Zahl an zustimmenden Meinungen auch die Relevanz.”

5. Ein Geschenk an alle kritischen Geister
(taz.de, Ebru Tasdemir)
Am Jahrestag des türkischen Putschversuchs druckte die “Süddeutsche Zeitung” eine Erdogan-Propaganda-Anzeige und erntete heftige Kritik dafür. Zu Unrecht wie Ebru Tasdemir in der “taz” findet: Die Anzeige sei in sich schon so entlarvend, dass sich eigentlich niemand aufzuregen bräuchte. “Es ist doch ein Geschenk an alle kritischen Geister, das diese Lobbyarbeit so deutlich und plump daherkommt.” Außerdem könnten von den 86.000 Euro, die die Anzeige in etwa gekostet haben dürfte, Journalisten bezahlt werden, die weiter unabhängig über die Türkei berichten.

6. Vongolisch für Fortgeschrittene
(sueddeutsche.de, Jan Stremmel)
Wem gehört das Vong von der Urheberschaft her? Jan Stremmel hat sich auf Spurensuche begeben und mit den Vongolisch-Größen des Internets Kontakt aufgenommen: “Aus einer wunderbar albernen Idee, die deutsche Sprache gemeinschaftlich kreativ zu verhunzen, ist ein kleinlicher und ziemlich deutscher Streit um Deutungshoheit und Urheberschaft geworden. Es wird beleidigt, beschimpft, bedroht. Und ein paar der ironischsten Witzbolde des Internets keifen plötzlich wie die Hausmeister.”

“… der ja in so einer Debatte auch nicht ganz irrelevant ist”

Bei seiner Suche nach Personen, die den am Montag erschienenen G20-“Verbrecher”-Fahndungsaufruf von “Bild” und Bild.de toll finden, ist “Bild”-Oberchef Julian Reichelt auf Bayerns Justizminister Winfried Bausback gestoßen. Der hatte bei Facebook etwas zu der Aktion des Boulevardblatts gepostet, und diese Aussage zitierte Reichelt später in einem Interview mit “radioeins”.

Er sagte dort:

Der bayerische Justizminister zum Beispiel, der ja in so einer Debatte auch nicht ganz irrelevant ist, sieht das anders und schreibt auf Facebook (…)

Reichelt las dann zwei Passagen aus diesem Posting von Bausback vor:

Der Fahndungsaufruf von Bild ist meiner Meinung nach zu begrüßen und nicht zu kritisieren! Es besteht ein hohes Interesse der Gesellschaft die linksradikalen Extremisten zu finden. Laserpointer gegen Polizeihubschrauber, Stahlkugeln, Molotowcoctails: Wer das Leben seiner Mitmenschen so gering achtet, hat kein Recht auf Annonymität. Und warum soll die Freie Presse hier nicht zur Aufklärung beitragen?
(Unkenntlichmachungen durch uns.)

Winfried Bausback hat dann offenbar noch einmal darüber nachgedacht, ob es wirklich so toll ist, wenn Zeitungsredaktionen oder Privatpersonen oder sonst wer, der nicht zur Exekutiven des Landes zählt, öffentliche Fahndungsaufrufe in Umlauf bringt. Knapp zwei Tage nach seinem ersten Posting zum Thema schreibt er:

Mit meinem persönlichen Post vom 11.7.2017, 12:27 h bin ich über das Ziel hinausgeschossen. Deshalb hier nochmals zur Klarstellung: Es war und ist für mich überhaupt keine Frage: Die Verfolgung und Ahndung von Straftaten sind alleinige Aufgaben des Staates. Ich habe in der Vergangenheit immer betont und betone auch hier: Effektive Strafverfolgung durch unsere Gerichte und Staatsanwaltschaften gehört zum Markenkern unseres Rechtsstaates. Das war so, das ist so und das wird auch so bleiben. Ich hoffe, dass Polizei und Staatsanwaltschaft möglichst schnell und möglichst viele der Hamburger Kriminellen ermitteln, damit sie auch entsprechend bestraft werden können. Der Rechtsstaat muss hier eine ganz klare Kante zeigen! Und ein Zweites: Es ist sehr wichtig, dass die Gesellschaft als Ganzes ein starkes Signal setzt: In Deutschland ist kein Platz für Extremisten, egal ob links, rechts oder islamistisch geprägt. Darum geht es mir! Wie die meisten Bürgerinnen und Bürger in ganz Deutschland war und bin auch ich persönlich empört darüber, dass vermummte Chaoten und Linksextremisten aus ganz Europa eine Großveranstaltung wie den G20-Gipfel dazu missbrauchen, um aus ideologischer Verblendung ganze Stadtteile einer deutschen Großstadt zu verwüsten. Das Recht der freien Meinungsäußerung und die Demonstrationsfreiheit sind für unsere Demokratie unerlässlich. Aber niemand hat das Recht, unter dem Deckmantel dieser Freiheiten Straftaten zu begehen. So etwas darf nicht sein. Wenn man die Bilder der Krawalle live im Fernsehen sieht, die beispiellose Brutalität, die Zahl der verletzen Polizisten, die Schäden für Unbeteiligte, dann macht dies einfach wütend und traurig. Aus dieser persönlichen Empörung heraus habe ich meinen Post verfasst.

Die Aussage eines bayerischen Justizministers soll “in so einer Debatte” laut Julian Reichelt ja “auch nicht ganz irrelevant” sein.

Mit Dank an Jona C. S. für den Hinweis!

“Bild” fahndet nicht nach den G20-“Verbrechern”, “Bild” fahndet nur

Manchmal gibt es ja Versuche, mit “Bild”-Chef-Chef Julian Reichelt zu diskutieren. Der US-Journalist Glenn Greenwald hat das zum Beispiel mal probiert. Genauso Rafael Buschmann vom “Spiegel”. Die Erkenntnisse aus diesen Diskussionen halten sich in der Regel in Grenzen, und häufig scheint das Ganze auch daran zu scheitern, dass Julian Reichelt sich in Logiken bewegt, die für andere Personen schlicht nicht zugänglich sind.

Heute, bei einem Interview von Reichelt mit “radioeins” (Audio, 4:49 Minuten), konnte man das mal wieder ganz gut beobachten.

Es ging um die von “Bild” initiierte G20-“Verbrecher”-Fahndung. Moderator Volker Wieprecht sagt zu Reichelt, dass es ja Kritik gebe, dass seine Redaktion sich “zur Polizei, zum Staatsanwalt und zum Richter in einer Person” mache und damit illegal handele.

Der “Bild”-Oberchef antwortet:

Ja, das ist natürlich völliger Quatsch. Also weder zur Polizei noch zum Staatsanwalt noch zum Richter, weil wir ja nicht fahnden, das können wir nicht, weil wir nicht anklagen, das wollen wir nicht und das können wir nicht, wie es ein Staatsanwalt tun würde, und weil wir nicht urteilen, wie es ein Richter tun würde.

Bleiben wir erstmal bei Reichelts Wahrnehmung, dass “Bild” nicht fahnde. Seine Antwort auf die Vorwürfe, die Wieprecht nennt, geht noch weiter:

(…) und weil wir nicht urteilen, wie es ein Richter tun würde. Der bayerische Justizminister zum Beispiel, der ja in so einer Debatte auch nicht ganz irrelevant ist, sieht das anders und schreibt auf Facebook: “Der Fahndungsaufruf von ‘Bild’ ist meiner Meinung nach zu begrüßen und nicht zu kritisieren. Es besteht ein hohes Interesse der Gesellschaft, die linksradikalen Extremisten zu finden.” Und: “Warum soll die freie Presse hier nicht zur Aufklärung beitragen?”

Reichelt schmückt sich mit einem Lob des bayerischen Justizministers für eine Fahndungsaktion, die es gar nicht gibt, weil “Bild” ja überhaupt nicht fahndet. Urgh.

Die Aussage, dass “Bild” nicht urteile, ist mindestens genauso überraschend. Nur zur Erinnerung: Die Titelseite des Blatts sah am Montag so aus:


(Unkenntlichmachungen durch uns.)

“Wer kennt diese G20-Verbrecher?” steht dort. Es steht dort nicht: “Wer kennt diese Menschen, bei denen wir die Vermutung haben, dass sie eine Straftat begangen haben?” Oder, noch etwas zurückhaltender: “Wer kenn diese Menschen auf den Fotos?” Die “Bild”-Medien haben beim Verfassen der Titelzeile bereits geurteilt: Hier handelt es sich um “Verbrecher”. Sie haben auf Gerichtsentscheidungen gepfiffen. Sie haben auf die Unschuldsvermutung gepfiffen. Sie haben auf Rechtsstaatlichkeit gepfiffen.

Julian Reichelt hat sowieso, auch das zeigt sein Interview mit “radioeins”, eine mitunter sehr eigenartige Rechtsauffassung. Als Moderator Volker Wieprecht sagt, dass es “ja das Recht am eigenen Bild” gebe, “das da offensichtlich verletzt wurde”, entgegnet Reichelt:

Naja, das Recht am eigenen Bild ist dann verletzt, wenn der Betroffene sich in seinem Recht verletzt fühlt und das zur Anzeige bringt. Alle Betroffenen, die wir gezeigt haben, habe ich öffentlich auf Twitter eingeladen, dieses Recht geltend zu machen und sich an uns, an “Bild” zu wenden, gerne an mich persönlich, und zu sagen: “Hier ist mein Recht am eigenen Bild verletzt. Mein Name ist soundso. Und ich möchte dieses Recht am eigenen Bild gerne einfordern.” Wir werden das dann hier prüfen und wir werden Daten, die uns dann übermittelt werden an die Polizei weiterreichen, und dann kann entschieden werden.

Julian Reichelt wird nicht ernsthaft selber glauben, dass eine Rechtsverletzung erst dann eine Rechtsverletzung ist, wenn derjenige, dessen Recht verletzt wurde, sich dagegen wehrt. Mit so viel Doofheit wäre er nicht in die Position gekommen, in der er sich aktuell befindet.

Seine Aussage verdeutlicht aber das ekelige Kalkül hinter der ganzen “Bild”-Aktion: Wo kein Kläger, da kein Richter. Es geht nicht darum, sauber zu arbeiten. Es geht darum, sauber aus der Sache rauszukommen.

G20-Dekkreditierung, Rechte Echokammer, Boulevard-Selbstjustiz

1. G20-Akkreditierungsentzug: Scharfer Streit über Datenschutz und Pressefreiheit
(heise.de, Stefan Krempl)
Beim G20-Gipfel wurden 32 Medienvertretern aufgrund von “Sicherheitsbedenken” die bereits gewährten Akkreditierungen wieder entzogen. Der Grund: Sie standen auf einer zweifelhaften Schwarzen Liste des Bundeskriminalamts. Datenschützer und Medienexperten verurteilen den Vorgang. Verschärfend kommt hinzu, dass der Verdacht besteht, dass ausländische Geheimdienste hinter dem Ausschluss stecken. Weiterer Lesetipp: Das Protokoll zweier betroffener Journalisten: “Das kommt einem Berufsverbot gleich”

2. „Rechtspopulistische Vereinnahmung des Berliner Kurier“: DuMont geht gegen AfD-nahen Deutschland Kurier vor
(meedia.de)
Heute ist es so weit: Die AfD-nahe Wochenzeitung “Deutschland Kurier” erscheint mit einer Auflage von 300.000 Exemplaren auf dem Berliner Markt. Das Blatt wird vom rechtskonservativen “Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten” herausgegeben und hat bereits im Vorfeld für viel Gesprächsstoff gesorgt. Nun kommt ein neuer Aspekt hinzu: Das Logo der Rechts-Postille ähnelt auf frappierende Weise dem des “Berliner Kuriers”. Dort prüft man rechtliche Schritte.

3. Sieben Dinge, die ich in der rechten Facebook-Echokammer gelernt habe
(sueddeutsche.de, Simon Hurtz)
“SZ”-Autor Simon Hurtz startete 2015 ein Experiment: Auf Facebook legte er den Fake-Account “Tim” an. Tim interessiert sich für schnelle Autos, schläft in FC-Bayern-Bettwäsche und hat ein stark ausgeprägtes, rechtskonservatives Weltbild. Diesem Weltbild entsprechend liket er sich durch Facebook. Die Motivation: “Ich wollte keinen politischen Extremisten erschaffen, sondern einen möglichst realistischen Eindruck bekommen, wie Facebook für Menschen aussieht, mit denen ich außerhalb sozialer Medien kaum ins Gespräch komme.” Nach mehr als anderthalb Jahren fasst Simon Hurtz seine Erkenntnisse aus dem Versuch zusammen: “Facebook verwandelt tolerante Bürger nicht in Rassisten. Mir hat mein Experiment aber gezeigt, wie erschreckend einfach es ist, sich eine Echokammer zusammenzuklicken, in der Hass entsteht. Hier entwickeln Menschen ein “Wir da unten gegen die da oben”-Gefühl – und ich kann nachvollziehen, woher ihre Wut kommt.”

4. Von wann ist der Tweet?
(faktenfinder.tagesschau.de, Wolfgang Wichmann)
Twitter hat sich zu einem wichtigen Nachrichtenkanal entwickelt, der von vielen als Informationsquelle genutzt wird. Doch es gibt auch Falschmeldungen, die von den Medien ungeprüft verbreitet werden. Dabei oft besonders wichtig: Wann wurde ein Tweet verfasst? Wolfgang Wichmann vom “Faktenfinder”-Team der “Tagesschau” zeigt anhand von praktischen Beispielen, wie man bei der Verifikation vorgeht.

5. Ein bisschen Transparenz bei Facebook
(tagesschau.de, Dennis Horn)
Facebook hat erstmals Journalisten in sein Berliner Löschzentrum eingeladen, das von der Bertelsmann-Tochter “Arvato” betrieben wird. Anscheinend wollte man der kritischen Berichterstattung der Vergangenheit Transparenz entgegensetzen. Doch so recht klappen wollte das mit der Transparenz nicht. Bei Fragen nach konkreten Zahlen, zum Beispiel zur Fehlerquote bei Löschentscheidungen oder zur Zahl der Mitarbeiter, die sich konkret um deutschsprachige Inhalte kümmern, hätte man sich weiter verschlossen gegeben.

6. Über die Kraft der 140 Zeichen
(faz.net, Eric Posner)
Eric Posner ist Professor für Internationales Recht an der “University of Chicago Law School”. Und er scheint sich mit Twitter auszukennen, denn er hat 20 knackige Thesen über die “Kraft der 140 Zeichen” verfasst. Eine Frage bleibt jedoch offen: Hat er überhaupt einen Twitter-Account? Wir konnten ihn dort jedenfalls nicht aufspüren. Tipps willkommen!

7. Kommissar Reichelt und die „Bild“-Sheriffs üben Titelseiten-Selbstjustiz
(bildblog.de, Moritz Tschermak)
Ausnahmsweise heute ein zusätzlicher Link aus dem eigenen Haus: Moritz Tschermak berichtet über den fragwürdigen “Bild”-Fahndungsaufruf (“Gesucht. Wer kennt diese G20-Verbrecher?”) und die Reaktionen von Polizei und Medien darauf. Mit umfangreicher Linkliste zu weiterführenden Artikeln.

Schwarze G20-Liste, Rechtes Mediennetzwerk, Deutschland-Kurier

1. “Schwarze Liste” bei G20
(tagesschau.de, Arnd Henze)
Die “Tagesschau” spricht von einem “massiven Eingriff in die Pressefreiheit” und nennt es einen “beispiellosen Verstoß gegen den Datenschutz”, was beim G20-Gipfel in Hamburg passierte: 32 Journalisten wurden beim G20-Gipfel nachträglich und ohne Begründung die Akkreditierung entzogen. Ihre Namen tauchten in einer “Schwarzen Liste” auf, die in ausgedruckter Form und größerer Auflage unter den Polizeibeamten verteilt worden war. Den Betroffenen hätte man nicht mitgeteilt, warum sie plötzlich zum Sicherheitsrisiko erklärt worden seien. Alle hatten spätestens zwei Wochen vor dem Gipfel die Akkreditierungsunterlagen eingereicht und wurden danach bereits einer intensiven Sicherheitsprüfung unterzogen. Datenschützer sind entsetzt, auch wegen der Stigmatisierung der Betroffenen. Wie es überhaupt zu dieser Liste kommen konnte, ist derzeit unklar, es stehe jedoch der Verdacht im Raum, dass der türkische Geheimdienst beteiligt war.

2. CDU-Mitglieder in fragwürdigem Mediennetzwerk aktiv
(hessenschau.de, Volker Siefert & Wolfgang Hettfleisch)
“hr-Info” berichtet über ein fragwürdiges Mediennetzwerk, das nach Einschätzung des Verfassungsschutzes Meldungen mit rechtsextremen Inhalten verbreite. Im Hintergrund des verzweigten Medienverbunds würden an zentraler Stelle vier Mitglieder der CDU im Kreis Offenbach agieren. Zwischen unverfänglichen Meldungen würden immer wieder rechtsextreme Artikel gestreut und in kritikloser Form ausführlich über NPD-Politiker berichtet. Als Autoren seien bis vor kurzem Fake-Journalisten benannt worden, für deren Existenz sich keine Belege finden ließen.

3. “Pressefreiheit ist kein Schönwettergrundrecht”
(deutschlandfunk.de, Antje Allroggen, Audio, 7:06 Minuten)
Heribert Prantl äußert sich im “Deutschlandfunk”-Interview kritisch über das Vorgehen von Polizei und BKA beim G20-Gipfel: “Die Pressefreiheit und die Medienvertreter, die Journalisten, sind nicht Störer im demokratischen Konzert. Sie sind Mitspieler und Mitwirkende, und ich denke, das hat man in Hamburg verkannt, so wie man auch verkannt hat, dass das Demonstrationsgrundrecht zu schützen ist, auch vor den Gewalttätern, vor den Randalieren, vor den Plünderern, von den Steinewerfern.”

4. “Deutschland-Kurier” startet am 12. Juli in Berlin
(tagesspiegel.de, Joachim Huber)
Morgen startet ein neues Printprodukt: Die Wochenzeitung “Deutschland-Kurier”. Herausgeber ist der AfD-nahe “Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten”. Rund 300.000 Berliner Briefkästen will man mit der rechtskonservativen Postille bestücken. Zu den Kolumnisten gehören der ehemalige „Bild“-Chefredakteur Peter Bartels und die heute fraktionslose und frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach.

5. Bedeutet der linke Wahlerfolg in Grossbritannien den Anfang vom Ende des mächtigen Murdoch-Boulevards?
(medienwoche.ch, Peter Stäuber)
Viele britische Kommentatoren, darunter auch “Buzzfeed”, sprächen derzeit vom Niedergang der britischen Revolverpresse: Die Mehrheit der Bevölkerung glaube nicht mehr den rechten Scharfmachern, sondern vertraue linken Blogs und Online-Magazinen. Doch so einfach ist die Sache nicht, wie Peter Stäuber in seinem Artikel ausführt. Wenn linke Blogs und Websites so stark wären, wie sie nun im Zusammenhang mit den Wahlen dargestellt würden, hätten sie ihren Einfluss auch schon früher geltend machen können, so der Autor des Beitrags, der als freier Korrespondent direkt aus London berichtet.

6. Fünfmal mehr Medienberichte bei Muslim-Attentätern
(infosperber.ch, Daniela Gschweng)
Eine Studie der Universität Georgia fand heraus, dass Attentate, die von (ausländischen) Muslimen verübt werden, in den USA mehr als fünfmal* so viel Raum in den Medien bekommen: Wenn der Täter muslimischen Glaubens ist, steigere sich die mediale Abdeckung eines Anschlags um 449 Prozent. Basis der Studie sind mehr als zweitausend Artikel von US-Medien über Anschläge auf US-amerikanischem Boden, die nach der Definition der “Global Terrorism Database” (GTD) als Terrorattacke eingestuft werden.

*Danke an Daniel B. für den Korrekturhinweis!

Wertloses Kohlurteil, Todenhöfers Freitag, Yücel-Lesung

1. Nachrichtenchef Michael Klein über Journalisten und Politiker: Diekmanns Urteil über Kohl ist journalistisch wertlos
(kress.de, Michael Klein)
Der frühere “Bild”-Chef Kai Diekmann hat seine persönlichen Erinnerungen an Altkanzler Helmut Kohl journalistisch verarbeitet. Das sei problematisch, wie Michael Klein, der Nachrichtenchef “Wetzlarer Neue Zeitung”, findet. Diekmann sei mit Kohl persönlich befreundet gewesen, es fehle an der nötigen journalistischen Distanz. Das mache Diekmanns Urteil über Kohl journalistisch wertlos, denn Urteilsfähigkeit resultiere aus Unbefangenheit.

2. Lieber verwanz’ ich als G20
(zeit.de, Patrick Beuth)
Während die mediale Aufmerksamkeit dem G20-Gipfel gehörte, verabschiedete der Bundesrat kurz vor der Sommerpause neue Regeln zum Einsatz von Staatstrojanern. Trickreich hat man dafür gesorgt, dass das Thema wenig Beachtung findet. Dies könnte sich jedoch ändern, wenn die Verfassungsbeschwerde der “Gesellschaft für Freiheitsrechte” behandelt wird.

3. Schreiben unter Todenhöfer
(taz.de, Peter Weissenburger)
Vor etwa einem halben Jahr hat “Freitag”-Verleger Jacob Augstein den Publizisten Jürgen Todenhöfer zum Herausgeber der linken Wochenzeitung gemacht. Eine Entscheidung, die nicht unumstritten war und auch heute noch für Unruhe in der Belegschaft sorgt. So hätten die stellvertretende Chefredakteurin, der Textchef, die Art Director und eine Reihe freier AutorInnen das Blatt verlassen. Wobei Todenhöfer bisher kaum Einfluss auf die Arbeit der Redaktion genommen hätte und nur einmal im Monat zur Konferenz erscheine. Nachtrag: Der Vollständigkeit halber hier der Kommentar des “Freitag”-Chefredakteurs Christian Füller bei “turi”, der der Darstellung widerspricht.

4. Hamburger
(sueddeutsche.de, David Denk)
Der aktuelle “Spiegel” erschien ausgerechnet am G20-Wochenende in der eigenen Stadt mit einem Ernährungstitel. Dies sorgte an einigen Stellen für Unverständnis und Spott. Der G20-Gipfel sei zwar im Heft und online behandelt worden, aber die Signalwirkung sei schwierig.

5. 30.000 Meldungen in 30 Tagen: Google unterstützt Roboterjournalismus
(wired.de, Cindy Michel)
Google finanziert im Rahmen der “Digital News Initiative” ein Projekt für automatisierten Journalismus: Bots sollen für die britische Nachrichtenagentur Press Association (PA) jeden Monat bis zu 30.000 Texte verfassen. Tim Dawson, Chef einer Journalistengewerkschaft, sieht das Projekt mit gemischten Gefühlen. Es könne Journalisten entlasten, aber auch in den Augen von Verlegern überflüssig machen: “Ich habe nur Angst davor, dass wir so eine Menge drittklassiger Artikel bekommen, die nach viel aussehen, aber doch nur computergeneriert sind. So können die Verlage dann noch mehr Reporter entlassen.”

6. Macht mehr Laune als ein Autokorso
(faz.net, Oliver Jungen)
In Köln fand eine prominent besetzte Solidaritätsveranstaltung für Deniz Yücel statt. Günter Wallraff, Oliver Welke, Thomas Gottschalk und Olli Dittrich trugen Texte des von der Türkei inhaftierten Journalisten vor. “FAZ”-Autor Oliver Jungen war angetan von der Aktion: “Leichten Herzens verließ man diese Veranstaltung, die nicht nur gezeigt hat, wie wichtig öffentliche Aufmerksamkeit für die Verfolgten und Inhaftierten in Unrechtsregimen ist, sondern auch, welche gesellschaftsbildende Macht im Humor steckt.”

6-vor-9-Spezial: G20-Gipfel in Hamburg

1. BKA entzieht Journalisten G20-Zulassung – Presseverbände verlangen Klärung
(stern.de, Petra Gasslitter)
Während des G20-Gipfels entzogen Beamte des Bundeskriminalamtes mehreren Journalisten die Akkreditierung. Und zwar ohne Begründung und wiederholt. Beim Mediensekretär der Gewerkschaft Verdi hätten sich verschiedene Journalisten gemeldet, denen man die Akkreditierung abgenommen hätte. Der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes, Frank Überall, hat sich beim BKA beschwert. Dort heißt es in einer Stellungnahme: “Im Rahmen der Akkreditierung für den G20-Gipfel wird eine Sicherheitsprüfung durchgeführt.” Und weiter: “Das Bundespresseamt entscheidet gemeinsam mit den Sicherheitsbehörden über einen möglichen Entzug der Akkreditierung. Das war in einigen Fällen gegeben.”
Auch der ARD-“Faktenfinder” berichtet über die Vorfälle: Keine Auskunft zum Ausschluss von Journalisten

2. Die Presse ist beim G20-Gipfel in Hamburg nicht mehr sicher
(huffingtonpost.de, Flo Smith)
Der Fotojournalist Flo Smith hat nach eigenen Angaben bereits an zahlreichen Brennpunkten der Welt als Reporter gearbeitet, unter anderem drei Jahre im Irak und in der Türkei bei den Gezi-Protesten. Und doch empfand er seine bisherigen Einsätze als “Ponyhof” im Vergleich zu dem, was er in Hamburg erlebt hätte: Ihm und seinem Kameramann sei von einer Polizistin mit voller Absicht und dem Kommentar “”Fuck the press, fuck, fuck!” Pfefferspray ins Gesicht gesprüht worden.

3. Kampf gegen “Online-Hetzjagd”
(faktenfinder.tagesschau.de, Wolfgang Wichmann)
Im Zuge der Auseinandersetzungen um den G20-Gipfel kam es in den sozialen Medien mehrfach zu Falschmeldungen und Gerüchten. In Hamburg wurden zum G20-Gipfel beispielsweise keine Panzer eingesetzt, es gab keinen Angriff auf ein Krankenhaus, die “Rote Flora” wurde nicht gestürmt und Tote gab es bei den Krawallen auch nicht. Doch derartige Falschmeldungen wieder einzufangen ist nicht einfach. Die Hamburger Polizei habe es durch Richtigstellungen auf Twitter versucht, während die “Deutsche Polizei-Gewerkschaft” (DPolG) und “Bild” dafür gesorgt hätten, dass sich die Falschmeldungen munter weiter verbreiten.

4. Journalisten in Demos – wie funktioniert das?
(ennolenze.de)
Enno Lenze erzählt von seinen persönlichen Erfahrungen als Journalist auf politischen Demonstrationen, ob links oder rechts. Von der Polizei sei er fast immer ordentlich behandelt worden und sogar mehrfach am Rande von Demos eskortiert worden, wenn er aus der Menge bedroht wurde. Sein Fazit: “Insofern bin ich mit dem System zufrieden – es müssen aber alle Beteiligten ihre jeweiligen und wenigen Kriminellen outen und der Strafverfolgung zuführen.”

5. Selfie vor Krawallkulisse
(spiegel.de)
Das Bild des jungen Manns, der sich mit seinem iPhone vor dem Lagerfeuer der Kapitalismusgegner fotografiert, verbreitete sich rasend schnell im Netz. Viele bezweifelten die Echtheit des Bildes und unterstellten eine Photoshop-Montage. Doch dem sei nicht so: “Eine Prüfung der Metadaten des Bildes deckt sich mit den Angaben des Fotografen zum Entstehungszeitpunkt und Aufnahmeort. Eine einfache fotoforensische Analyse unserer Bildredaktion liefert keine Anhaltspunkte für eine Manipulation. Bei Twitter melden sich Personen zu Wort, die die Szene mit eigenen Augen gesehen haben wollen.” Mittlerweile hat sich das Bild des “Riothipsters von der Schanze” zu einer Art Meme entwickelt.

6. Mein Abend mit Ivanka
(abendblatt.de, Ulrich Gassdorf)
Zum Abschluss die Einladung zu einer Runde Fremdschämen: Der Chefreporter des “Hamburger Abendblatts” berichtet in einer Sternstunde des Journalismus über seine Begegnung mit Ivanka Trump in einem Hamburger Restaurant.

Polizeigewerkschaft liefert Zündstoff für Medienhasser

Die “Tagesschau” von gestern Abend war noch nicht mal zu Ende, da twitterte der Berliner Landesverband der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG):

Der Tweet machte rasch die Runde, bisher wurde er über 1.000 Mal retweetet und sammelte mehr als 200 Antworten — von denen sehr viele so klingen:

Tja, liebe @tagesschau, schon scheiße, wenn euerLügengebilde anfängt zu bröckeln... Könnt Ihr morgens eigentl. noch in den Spiegel schauen?

Die Art und Weise wie Linke 'Journalisten' die Polizei öffentlich im GEZ-Funk verleumden, widert mich an!

Diese Schrottpresse, finanziert von Steuergelder, berichtet nur einseitig von Aktivisten. Da sind verletzte Polizisten nur störend...

Kann man Medien eigentlich verklagen wegen falscher Berichterstattung? Aber würd nix nützen, Schaden ist angerichtet. [Wütender Smiley]

Kein Respekt vor verletzten Polizisten! Das wahre Gesicht der Tagesschau! Schämt euch!

Diese Scheißsender müssen endlich weg !!! Dafür berichtet die Auslandspresse um so mehr über die verletzten Polizisten. #LandohneKontrolle

Dass nennt man wohl auf neudeutsch #FakeNews... Die @tagesschau ist die neue aktuelle Kamera

Liebe Polizei, sollte einer dieser Linken-ARD-Marktschreier Eure Hilfe benötigen, dann lasst ihn einfach links liegen. #Linksfaschismus

Bloß: In der “Tagesschau” wurde sehr wohl über verletzte Polizisten berichtet:

Neben friedlichen Protesten gab es in verschiedenen Stadtteilen gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten. Vermummte steckten Autos in Brand und zerstörten Fensterscheiben. Die Polizei setzte Wasserwerfer ein und forderte weitere Verstärkung aus dem Bundesgebiet an. Auf beiden Seiten gab es zahlreiche Verletzte.

Danach wurden die gewalttätigen Angriffe auf die Polizei noch mehrfach erwähnt; es seien “Flaschen, Böller, Gegenstände” auf Polizisten geworfen worden. Auch der zugeschaltete Reporter vor Ort sagte:

Wir haben gesehen, wie Flaschen und andere Gegenstände auf die Polizei geflogen sind.

Im anschließenden “Brennpunkt” der ARD wurde das sogar noch deutlicher: Dafür hatte eine Reporterin den ganzen Tag lang eine Einheit der Bereitschaftspolizei begleitet. Im Beitrag unter anderem zu sehen: Wie die Polizisten mit Fahrrädern, Flaschen und Böllern beworfen werden; verletzte Polizisten, die auf dem Boden liegen; Polizisten, die versuchen, ihre verletzten Kollegen aus der Menge herauszubringen.

Heute Morgen legte die Berliner DPolG noch einmal nach:

Begrüßenswert wäre es, wenn auch Polizeigewerkschafter Medienkritik an Fakten festmachen würden und nicht an falschen Unterstellungen.

Gewaltfixierte G20-Medien, Schweizer Rechtsdruck, Unprivilegierte Quelle

1. Journalisten fixieren sich auf Gewaltdarstellungen
(deutschlandfunk.de, Claudia van Laak)
Das Berliner “Institut für Protest- und Bewegungsforschung” nimmt die G20-Proteste zum Anlass, um eine Studie zur Berichterstattung über Großdemonstrationen vorzustellen. Die mediale Berichterstattung gehorche ungeschriebenen Gesetzen. Gewaltfixierung ist eines davon. Die Studie kritisiere, dass Demonstrationen in vielen Fällen als lediglich folkloristisch beschrieben würden, es fehlten Hinweise darauf, welche wichtige Rolle Demonstrationen für eine funktionierende Demokratie hätten. In Bezug auf den G20-Gipfel in Hamburg appelliere einer der Protestforscher an die Journalistinnen und Journalisten, die Rolle der Polizei kritischer zu hinterfragen als bislang.
Dazu gleich noch eine weitere Leseempfehlung: Schrödingers Camp oder die Versammlungsfreiheit vor dem Gesetz, in der der gesamte Ablauf um das Protestcamp von einem Juristen, auch für Nicht-Juristen lesbar, aufgearbeitet wird.

2. Rechtsdruck
(sueddeutsche.de, Charlotte Theile)
Nach Angaben der “NZZ am Sonntag” will ein ominöser, AfD-naher Verein mit Verbindungen in die Schweiz eine eigene Zeitung herausbringen: den “Deutschland-Kurier”. Das Blatt soll angeblich mit einer Druckauflage von 200.000 Exemplaren starten und 30 Cent pro Zeitung kosten. Bei dem Projekt mit dabei: Der ehemalige Chefredakteur der “Bild”-Zeitung Peter Bartels. Aber auch andere Schweizer Publikationen planen die Expansion nach Deutschland. “SZ”-Autorin Charlotte Theile dazu: “Aus Schweizer Sicht ist die Deutschland-Strategie naheliegend: Im Vergleich ist die deutsche Medienlandschaft politisch eher links, man vermutet eine Lücke rechts der bestehenden Zeitungslandschaft – und sieht im deutschen Medienmarkt vieles in Bewegung. Hier mitzumischen, das ist sowohl für bürgerlich-liberale Stimmen wie die NZZ als auch für stramm rechtskonservative Journalisten interessant.”

3. Merkel macht’s nur zu sechst: Die bizarren Verhandlungen ums TV-Duell
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Am Sonntag, den 3. September findet das TV-Duell zwischen Bundeskanzlerin und SPD-Kanzlerkandidaten statt, das von “ARD”, “ZDF”, “RTL” und “Sat1” ausgerichtet wird. Hinter den Kulissen wurde zäh um die Modalitäten gerungen, zu einem bestimmten Zeitpunkt stand die Veranstaltung sogar auf der Kippe. Ein Vorgang, den Stefan Niggemeier auf “Übermedien” zu Recht als “bizarr” bezeichnet und der verschiedene Deutungsmöglichkeiten zulässt.

4. Merkel muss Freilassung von Journalisten fordern
(reporter-ohne-grenzen.de)
Noch vor Beginn des G20-Gipfels wird sich Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping treffen. Dies nimmt “Reporter ohne Grenzen” zum Anlass, an die Unterdrückung von Journalisten und Blogger in China zu erinnern. Mindestens 103 Medienschaffende säßen derzeit wegen ihrer Arbeit in Haft. Auf der Rangliste der Pressefreiheit stehe China auf Platz 176 von 180 Staaten.

5. Warum viele Journalisten der Polizei alles glauben
(medium.com, Lorenz Matzat)
Lorenz Matzat plädiert dafür, nicht alle Aussagen der Polizei ungeprüft hinzunehmen, obwohl diese oft als “privilegierte Quelle” eingestuft wird: “Es ist zwar nachvollziehbar, dass es bequem für Redaktionen ist, nicht jede Polizeimeldung über einen Autounfall nachrecherchieren zu müssen. Doch wie kann eine Presse behaupten, sie sei frei und unabhängig, wenn sie staatliche Quellen nicht gleich behandelt wie alle anderen auch? Ist ihr nicht klar, dass sie funktionalisiert wird? Nämlich von der Seite, die von der ungefilterten Weitergabe und dem Nicht-Hinterfragen ihrer Mitteilungen profitiert.”

6. Journalist erteilt «SVP-Blatt» eine Absage
(persoenlich.com)
Krsto Lazarevic arbeitet zurzeit als Osteuropa-Korrespondent für verschiedene Print- und Onlinemedien. Als sich die Schweizer “Weltwoche” bei ihm nach den Nachdruckrechten eines Artikels erkundigt, nutzt er die Situation für eine Generalabrechnung mit dem Blatt. Hier soll nicht alles verraten werden, aber Lazarevic würde eher den “Paradeplatz mit seiner Zunge sauberlecken” …

B.Z., Bild  

“Bild” und “B.Z.” legen Grünen-Politikerin falsches Zitat in den Mund

Rummms!

Mit dieser Haudrauf-Interjektion zeigt die “Bild”-Zeitung in der Regel, dass irgendjemand irgendetwas Knalliges/Heftiges/Stammtischiges gesagt hat. Und sie freut sich in der Regel dann, weil sie dadurch eine Debatte anheizen kann.

Gestern gab es in der Berliner Regionalausgabe mal wieder einen “Bild”-“Rummms!”, in einem Vorabbericht zur inzwischen durchgeführten Zwangsräumung des linken Kiezladens Friedel54 im Neuköllner Reuterkiez:

In BILD spricht jetzt Grünen-Politikerin Katrin Schmidberger (34) Klartext: Sie wohnt in diesem Kiez, befürchtet gewalttätige Ausschreitungen.

Schmidberger sagt: “Ich will nicht, dass Rigaer-Straße-Wixxer in meinen Kiez kommen und alles zerdeppern. Das ist unser Kiez. Schreiben Sie Wixxer mit zwei x.”

Und weiter: “Spaß haben, sich auf den Gipfel in Hamburg eingrooven, das können sie meinetwegen auf dem Tempelhofer Feld. Da haben sie genug Platz zum Steineschmeißen.”

Rummms!

Das Problem dabei: Katrin Schmidberger hat weder das eine noch das andere gesagt. Sie hat überhaupt nicht mit “Bild”-Autor Olaf Wedekind gesprochen. Und sie wohnt auch nicht “in diesem Kiez”. Es ist alles völlig falsch.

Doch der Reihe nach.

Gestern veröffentlichte die Berliner “Bild”-Redaktion einen großen Artikel über eventuelle Ausschreitungen während der Friedel54-Räumung:

Das Aufmacher-Foto zeigt Katrin Schmidberger, Sprecherin für Wohnen und Mieten der Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Sie setzt sich schon lange für bezahlbaren Wohnraum und gegen die Verdrängung aus den Kiezen ein. Dass ausgerechnet sie, wie von “Bild” durch die Sprechblase illustriert, die Aktivisten in der Rigaer Straße in Berlin-Friedrichshain als “Wixxer und Steinewerfer” bezeichnet, wäre eine große Überraschung. Genau das richtige “Rummms!”-Potential, nach dem “Bild” stets sucht.

Die Redaktion warb mit dieser Geschichte auch auf Aufstellern, die vor Kiosken in der ganzen Stadt stehen — unter anderem vor einem Laden in der Rigaer Straße, wo die “‘Rigaer-Straße-Wixxer'” vorbeikommen.

“Bild”-Rechercheur Peter Rossberg erklärte den Artikel am Abend vor dessen Erscheinen bei Twitter zu seiner “Lieblingsgeschichte morgen”:


(Den Tweet hat Rossberg inzwischen gelöscht.)

Die “B.Z.” brachte ebenfalls einen Text von Olaf Wedekind zum Thema, zwar etwas kürzer, aber genauso falsch:

Die Zitate in “Bild” und “B.Z.” stammen nicht von Katrin Schmidberger, sondern von ihrer Fraktionskollegin Anja Kofbinger. Die hat, anders als Schmidberger, auch tatsächlich ihr Wahlkreisbüro im Reuterkiez. Die Verwechslung der beiden Politikerinnen durch “Bild” und “B.Z.” dürfte nach Angaben der Grünen in etwa so zustande gekommen sein: Nach einem Anruf der Redaktion bei den Grünen in Neukölln, hat Anja Kofbinger zurückgerufen. Ein Kollege von Olaf Wedekind leitete den Anruf an diesen weiter, womöglich mit der Ansage, dass Katrin Schmidberger am Apparat sei. Wedekind hat dann mit der Frau am anderen Ende der Leitung telefoniert, ohne wirklich zu wissen, mit wem er da spricht. Anja Kofbinger soll allerdings mehrfach gesagt haben, dass sie Anja Kofbinger ist.

Katrin Schmidberger veröffentlichte gestern auf ihrer Website eine “Richtigstellung zu angeblichen Zitaten in der Bild/B.Z.” und schrieb bei Facebook, dass sie mit niemandem aus dem Springer-Verlag gesprochen habe.

“Bild” hat heute eine “Richtigstellung” veröffentlicht:

Sie finden sie nicht auf Anhieb? Sie steckt dort rechts, eingeklemmt zwischen “Bier-Botschafter” und “U-Bahn-Strecken”:

Und auch in der “B.Z.” gibt es eine “Berichtigung”:

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