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Rezo bei “Zeit Online”, Höcke will Bürgerkrieg, Die Methode Trump

1. Horst Seehofer ist kein drolliges Kleinkind
(zeit.de, Rezo)
“Ein Nazi tötet, ein Innenminister labert Scheiße und der Rest der Bevölkerung lässt sich vom Wesentlichen ablenken.” Das sind die ersten Worte der neuen “Zeit Online”-Kolumne von Youtuber Rezo (bekannt aus “Die Zerstörung der CDU”). In seinem Text erklärt Rezo, “wieso wir in Zukunft die Äußerungen von Politikern häufiger als Bullshit bezeichnen sollten, um ein konstruktiveres Umfeld zu schaffen für die Diskussionen, die ja geführt werden müssen.” Rezos Kolumne erreicht damit Platz 1 der Social-Media-News-Charts, wie Daten-Analyst Jens Schröder in seiner #trending-Kolumne bei Meedia feststellt.
Es sind allerdings wahrlich nicht alle begeistert von Rezos Beitrag: Jana Wolf findet ihn beispielsweise inhaltlich “daneben” und im Ton “überheblich” und “selbstgefällig”.

2. Werben wie Donald Trump
(netzpolitik.org, Alexander Fanta)
Bekanntermaßen gibt es für Posten wie den des Möchtegern-Autokraten Donald Trump keinen Ausbildungsgang. Alexander Fanta hat daher auf netzpolitik.org die wichtigsten Tipps und Tricks zusammengetragen, wie sich mit Hilfe von Facebook Menschen und Wahlen manipulieren lassen: “Schritt eins: Frage Fragen und bitte um Geld. Schritt zwei: Erzähle Märchen über deine Gegner. Schritt drei: Stifte mit Troll-Armeen Verwirrung. Schritt vier: Lasse Sockenpuppen für dich sprechen.” Was sich vielleicht etwas lustig anhört, hat einen ernsten Hintergrund und ist mit unzähligen Links zum Weiterlesen gespickt.
Weiterer Lesetipp: US-Präsident Trump hat angekündigt, die “New York Times” und die “Washington Post” im Weißen Haus abbestellen zu wollen. Die Bundeseinrichtungen sollen ebenfalls ihre Abos kündigen: Trumps neues Aufbäumen gegen kritische Medien (sueddeutsche.de, Anna Ernst).
Und wer sich darüber informieren will, wie es hierzulande um den Online-Wahlkampf bestellt ist: Wahlwerbung via Social Media: CDU gab am meisten für Microtargeting aus (heise.de).

3. Höcke will den Bürgerkrieg
(zeit.de, Hajo Funke)
Die Sprache des Thüringer AfD-Politikers Björn Höcke offenbare seine Gefährlichkeit, so der Rechtsextremismusforscher Hajo Funke in seinem Gastbeitrag auf “Zeit Online”: “Wenn wir Höcke also an seiner Sprache messen, so geht es ihm um eine nicht nur ethnische, sondern auch politische “Säuberung” und um das Einsetzen staatlicher Gewalt gegen beliebig definierte Feinde. Er suggeriert mit dieser Sprache auch einen künftigen Kampf zwischen denen, die anders denken und seinen Anhängern, er will offensichtlich den Bürgerkrieg in Dörfern und Städten in Deutschland. Es ist eine Strategie der Entfesselung und der Aufschaukelung von Ressentiments und Gewalt.”
Weiterer Lesetipp: Höcke scheitert mit Eilantrag gegen Verfassungsschutz (spiegel.de, Wolf Wiedmann-Schmidt).

4. Datenschutzbeschwerde gegen Zeit Online eingereicht
(onlinejournalismus.de, Matthias Eberl)
Matthias Eberl kritisiert seit Langem die Trackingpraxis und Datenweitergabe deutscher Medienhäuser. Nachdem die Redaktion von “Zeit Online” (von der in dieser “6 vor 9”-Ausgabe auch zwei Beiträge verlinkt sind) bereits im Sommer mit dem Negativpreis Big-Brother-Award bedacht wurde, hat nun ein Leser eine Datenschutzbeschwerde eingereicht. Eberl hat mit dem Beschwerdeführer über dessen Beweggründe gesprochen: “Ich finde es frech, dass Zeit-Online meine Daten an Facebook gibt, obwohl ich zahle”.

5. 70 Jahre FAZ: Wo die Herausgeber regieren wie «Kurfürsten»
(medienwoche.ch, Adrian Lobe)
Zum 70. Geburtstag der “FAZ” hat der Historiker Peter Hoeres ein über 500-seitiges Buch über die Geschichte der Zeitung vorgelegt. Adrian Lobe stellt das Werk vor und erzählt dabei von den verschiedenen Epochen und Machtkämpfen des berühmten Medienhauses. Lobe sieht in der Geschichte der “FAZ” auch den Bedeutungsverlust der gedruckten Zeitung: “Im Rückspiegel der Geschichte sieht man die aktuellen Entwicklungen klarer. Insofern leistet das Buch — wohl etwas unfreiwillig — auch einen Beitrag zum Verständnis des Medienwandels.”

6. “Lachen bedeutet Freiheit”
(taz.de, Erica Zingher)
Seit ihrem Start 2017 wurde die rbb-“Abendshow” von Britta Steffenhagen und Marco Seiffert moderiert. Nun hat der Sender das Moderatoren-Duo abgelöst und durch den Komiker Ingmar Stadelmann ersetzt. Im Interview mit der “taz” spricht Stadelmann über seine Pläne, die Grenzen der Freiheit und darüber, warum er Dieter Nuhr verteidigt, ohne seinen Verteidiger spielen zu wollen.
Weiterer Lesetipp: Markus Ehrenberg hat sich für den “Tagesspiegel” die erste Sendung der Stadelmannschen “Abendshow” angeschaut. Sein Befund: “Noch viel Luft nach oben”.
Und noch ein Lesetipp: Cordula Nitsch und Dennis Lichtenstein schreiben in der “Medienwoche” über Satire als “Einstiegsdroge”.

Relotius vs. Moreno, AfD-Sprech analysiert, Tränen-lach-Emoji

1. Juan Moreno und der Fluch der fast perfekten Pointe
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
“Spiegel”-Fälscher Claas Relotius wirft seinem Ex-Kollegen und Fälschungsaufdecker Juan Moreno per Anwaltsschreiben “erhebliche Unwahrheiten und Falschdarstellungen” vor. Neben allerlei Petitessen geht es um eine Anekdote in Morenos Buch, die als wirkungsvolle Schlusspointe dient. Ließe diese sich nicht beweisen, sei dies ärgerlich, so Medienkritiker Stefan Niggemeier. Trotzdem sei es wichtig, “den Maßstab nicht aus den Augen zu verlieren. Moreno ist kein Relotius, in keiner Hinsicht.”
Weiterer Lesetipp: Der “6 vor 9”-Kurator erklärt seinem Vater auf Twitter “die aktuellen Vorgänge in Sachen #Relotius und #Moreno”. Dabei geht es um goldene Armbanduhren, einen Zweireiher und ein Halteverbot.

2. Twitter-Krach um rechtspopulistische Äußerungen
(sueddeutsche.de, Sandra Lohse)
Es ist schon verwirrend, was sich teilweise beim Deutschen Journalisten-Verband abspielt: Ein Landesverband (Berlin-Brandenburg) macht durch fragwürdige und mit rechtspopulistischen Vokabeln gespickte Stellungnahmen auf sich aufmerksam. Der Dachverband distanziert sich von den Äußerungen, kann nach eigenen Angaben aber nicht direkt bei Twitter darauf reagieren, weil der Landesverband den Dachverband blockiert habe. Sandra Lohse schreibt über den irritierenden Verbandszwist.
Nachtrag: BILDblog-Leser Sebastian Pertsch merkt bei Twitter an, dass im verlinkten Artikel der Hinweis zu den Regionalverbänden “DJV Berlin und JVBB” fehle: “So entsteht der Eindruck, es wäre der einzige Landesverband in Berlin. Dabei spielt der DJVBB bis auf die rechten Polemiken als AfD-Fanboy keine Rolle.”
Nachtrag zum Nachtrag: Die Redaktion der “Süddeutschen” hat auf den Hinweis reagiert und die Information im Text nachgetragen.

3. Polizei schaut bei Eklat auf Frankfurter Buchmesse nur zu
(tagesspiegel.de, Sebastian Leber)
Als der Journalist Jonas Fedders auf der Frankfurter Buchmesse über rechte Verlage recherchieren will, wird er von rechten Aktivisten und einem Szene-Verleger schikaniert, bedrängt und bedroht und an der Arbeit gehindert. Auf gewisse Weise unterstützt durch die Frankfurter Polizei, wie ein Videomitschnitt beweise. Sebastian Leber kommentiert: “So unpassend wie das Verhalten der Beamten vor Ort gerät auch die Stellungnahme der Frankfurter Polizei im Nachhinein. Obwohl das Video der Polizei bekannt ist und seine Authentizität eingeräumt wird, erklärt die Behörde vage, die Beamten vor Ort hätten die Ausübung der Pressearbeit zu keiner Zeit eingeschränkt. Das ist, wie das Video belegt, offensichtlich unwahr.”

4. Ermittler: Hetze kommt überwiegend von rechts
(deutschlandfunk.de, Ann-Kathrin Büüsker, Audio: 10:41 Minuten)
Ann-Kathrin Büüsker hat sich im Deutschlandfunk mit Staatsanwalt Christoph Hebbecker über Hasskommentare im Internet unterhalten. Hebbecker arbeitet bei der staatsanwaltschaftlichen Anlaufstelle Cybercrime des Landes Nordrhein-Westfalen und beschäftigt sich tagtäglich mit Hasskriminalität. Die Fälle seien politisch ziemlich eindeutig zuzuordnen: “Wir können ganz klar sagen, dass die ganz weit überwiegende Anzahl der Fälle, die wir täglich bearbeiten, dem rechten und rechtsextremen Spektrum zuzuordnen ist, ein kleiner Teil auch dem linken Spektrum, und ein kleiner Teil ist auch keiner politischen Orientierung zuzuordnen.”

5. Die Macht der Komposition
(zeit.de, Lena Luisa Leisten)
Die AfD ist für ihre populistische Sprache bekannt, die auf Gefühle und Framing setzt. Sie bedient sich dabei einiger sprachlicher Tricks: Besonders eingängige Wortzusammensetzungen gehören genauso dazu wie Begriffe aus dem Bereich der Naturkatastrophen oder dem Kampf- und Kriegskontext. Lena Luisa Leisten hat den AfD-Sprech anhand von echten Beispielen analysiert und klassifiziert. Eine lohnende Lektüre, die auch in den Deutsch- oder Politikunterricht gehören könnte.

6. Nicht lustig: Warum das Tränen-lach-Emoji sterben muss
(haz.de, Matthias Schwarzer)
Matthias Schwarzer geht die lachende Fratze des Tränen-lach-Emojis auf die Nerven. Der Smiley werde inflationär eingesetzt und diene vielfach als Symbol von Überheblichkeit und Hass. Aus “sehr laut lachen” sei im Laufe der Jahre ein “auslachen” geworden: “Der Tränen-lach-Smiley hilft auch dem schlimmsten Rassisten, die eigentlich nicht vorhandene Witzigkeit auszudrücken und ein Gag-Feuerwerk (natürlich auf Kosten anderer) abzufeuern. Der Tränen-lach-Smiley wird dabei in den Facebook-Kommentarspalten zum Zeichen der Ausgrenzung, zum Zeichen der Erniedrigung, zur Verniedlichung ekelhaftester Beleidigungen.”

Mädchen.de schickt junge Leserinnen ins Casino

Das Magazin MÄDCHEN begleitet bereits seit über 40 Jahren junge Frauen und Mädchen beim Erwachsen werden und das auch digital — dort wo sich die Zielgruppe heute aufhält.

MÄDCHEN.de legt seinen Fokus auf Beautytrends und Styling speziell für junge Frauen und Mädchen. Zusätzlich finden Nutzerinnen aktuelle News zu ihren Stars, Horoskope, Spiele und Test sowie natürlich alles über Schule, Liebe und Beziehung.

… und den direkten Weg in Online-Casinos und an digitale Roulettetische, was im schlimmsten Fall in einer Spielsucht enden kann, aber das haben sie beim Verlag Klambt irgendwie vergessen dazuzuschreiben.

Scrollt man die Startseite von Mädchen.de durch, findet man zwischen der, öhm, Nachricht, dass “Hottie Noah Centineo” “sich von seinen Locken getrennt” hat, und Tipps, was gegen “Pickel im Intimbereich” helfen soll, unter anderem diesen Beitrag aus der vergangenen Woche:

Screenshot Mädchen.de - Worauf stehen Jungs bei Mädchen? Die fünf Top Eigenschaften, auf die alle Jungen stehen

Manche stehen auf stille, ruhige Leseratten, andere auf laute, lustige Mädchen, wieder andere auf robuste Kämpfernaturen und einige sicherlich auch auf genau das, was auch immer du bist!

Aber es gibt fünf Eigenschaften, auf die alle Jungen stehen, sei es bei einer sportlichen Kämpferin oder einer ruhigen Denkerin

(Muss es wirklich immer noch sein, dass man Mädchen und jungen Frauen erzählt, wie sie sein sollten, damit sie Jungen und jungen Männern gefallen?)

Die “fünf Eigenschaften”, auf die angeblich “alle Jungen stehen”, sind: “Ehrlichkeit”, “Humor”, “Gepflegtes Aussehen”, “Einen gesunder Körper und ein gesundes Eßverhalten” sowie:

Sinn für Spiel und Spaß — ohne einen Sinn für Spiel, Spaß und vielleicht auch ein bißchen Nervenkitzel geht nichts! Wer gerne spielt und eine Herausforderung wie Casinos online oder Roulette online nicht scheut, der kann auch in der Liebe nicht verlieren! Glück im Spiel und in der Liebe — das geht!

“Casinos online” und “Roulette online” sind mit direkten Links zu einem Schweizer Online-Casino versehen. “Du willst dem einen Jungen aus der Parallelklasse gefallen? Dann verzock hier doch mal ein bisschen von Deinem Taschengeld.”

Am selben Tag ist bei Mädchen.de ein anderer Artikel erschienen, der noch ein bisschen irrer ist:

Screenshot Mädchen.de - Magischer Herbst - Glück im Spiel und Glück in der Liebe! Glück in beidem zu haben wäre ja fast wie Magie

Es wird metaphysisch — und ziemlich holzhammerig:

Im September, Oktober und November liegt etwas Magisches in der Luft und wenn du dir diese magische Zeit für, zum Beispiel, live wetten oder […] Casinos zu Nutzen machen willst, dann hast du jetzt die Gelegenheit! Vor allem im Oktober sind die magischen Ströme um uns herum besonders stark und du kannst einfache magische Rituale ausprobieren, vor allem Liebes- und Glücksrituale! Willst du es mal versuchen? Hast du Lust?

Klickt die junge Zielgruppe auf “live wetten”, landet sie bei einem Anbieter für Sportwetten, klickt sie auf “Casinos”, landet sie im Online-Casino-Bereich desselben Anbieters.

Die Mädchen.de-Redaktion erklärt dann noch, dass im Oktober “die Grenze zwischen unserer Welt und der Welt der Toten” sehr dünn sei, und dass man “vor allen Ritualen einen magischen Kreis” ziehen solle, um dann doch noch mal aufs Wesentliche (und die entsprechenden Links) zurückzukommen:

Für ein einfaches Glücksritual (zum Beispiel Glück im Spiel für Online Casinos oder bei […] Sportwetten!) brauchst du nur eine Kerze (die muß aber gold, grün oder rot sein) die mit Gewürznelkenöl eingestrichen ist und eine Schale mit frischem (!) Wasser und einige Münzen. (…) Halte die Münzen erst in deinen Händen und lasse sie dann, eine nach der anderen in die Schale mit dem Wasser gleiten. Es ist wichtig, dass du vorher laut sagst, dass alles Glück und Geld, das du auf diese Weise bekommen solltest, anderen in keiner Weise schaden darf!

Diesen wichtigen Schritt, um bei der Suche nach Glück und vor allem nach (Werbe-)Geld Schaden von anderen abzuhalten, scheinen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Mädchen.de selbst ständig zu vergessen, wenn sie ihre als Artikel getarnten Anzeigen für Glücksspiel in die Welt jagen.

Und das macht sie zu allen möglichen Themen. Zum Beispiel, wenn es vermeintlich um einen “Spieleabend für Groß und Klein” geht:

Es muss nicht immer das Mensch-ärgere-Dich-nicht sein.

Genau — wie wäre es zum Beispiel, mit den Freundinnen vor dem Laptop zu hängen und zu pokern?

Einmal spielen wie die raffinierten Pokerspieler, die sich durch nichts aus der Ruhe bringen lassen und immer schön cool bleiben. Das geht bei […].

Auch die Antwort auf die Frage, was Frauen am liebsten spielen, führt bei Mädchen.de zum Glücksspiel:

Eines der populärsten Genres unter Frauen ist das Denkspiel. In diese Kategorie fallen alle möglichen Puzzlespiele, Rätsel und Kartenspiele, die aus dem Casino bereits bekannt sind. […] Doch auch Spiele wie Poker und Blackjack finden immer größeren Anklang. Bei diesen Casinospielen wird ebenfalls eine Strategie sowie eine Kombinationsfähigkeit gefordert, die vielen von uns besonders gut liegt. Diese Spiele werden ebenfalls aufgrund ihrer einfachen Zugänglichkeit für Anfänger immer populärer: So bieten manche Online Casinos Anleitungen zu den Spielen. Andere erleichtern den Einstieg mit einem Online Casino Bonus ohne Ersteinzahlung, der es ermöglicht, ein Angebot zunächst auszuprobieren. Mobilität und Ausprobieren ist bei diesen Spielen garantiert.

Bei “Online Casino Bonus” hat die Redaktion einen entsprechenden Link gesetzt.

Und wenn es um Mädchen geht, die Videospiele mögen, gibt es ebenfalls einen Link zu einem Online-Casino:

Gamer Girls sind mittlerweile genauso trendy wie Gamer Guys, und zwar nicht nur als Liebestraum eines Zockers, der darin den Topf für seinen Deckel sieht. Tun mehrere Gamer Girls sich zusammen, können sie aus einem Mädelsabend auch eine LAN-Party machen. Doch auch wenn es sich nur um Casual Gamer handelt, können Online Spiele jeden Mädelsabend versüßen. Ladies über 18 können sich dafür sogar ins Casino Online einloggen — für alle anderen gibt’s hier unterhaltsame Tipps.

Zum Thema “Stars und Casinos” schreibt das Mädchen.de-Team:

Prominente und das Glücksspiel, das ist seit Elvis untrennbar verbunden. Der Weltstar begann den wichtigsten Teil seiner Karriere in Las Vegas, dem ultimativen Ort für Glücksspiele wie Poker, Roulette und Black Jack. Heute muss aber niemand mehr bis in die Wüste fahren, um spielen zu können, denn Online Casinos haben das Internet erobert.

… und baut zwischen ein paar Promi-Geschichten aus den Casinos dieser Welt einen Link zu einer Vergleichsseite von Automatenspielen ein:

Ein besonders beliebtes Spiel ist dabei Poker, doch auch Automatenspiele, die laut der Webseite […] zu den besten Onlinespielen zählen, stehen in der Gunst ganz oben.

In einer großen Übersicht, in der die Redaktion schreibt, wonach “Dein Sternzeichen süchtig” ist, steht auch:

Wassermann

Candy-Crush? Farmville? Doodlejump? All diese Spiele hast Du auf Deinem Handy. Ganz klar: Wassermänner neigen zur Spielsucht! Aber solange es nur harmlose Handyspiele sind, brauchst Du Dir keine Sorgen machen. Gefährlich wird es erst, wenn Du regelmäßig auf Gaming-Seiten unterwegs bist oder in Casinos um Geld spielst.

Oder wenn Du Mädchen.de besuchst.

Mit Dank an Kad für den Hinweis!

Nachtrag, 22. Oktober: Die Redaktion von Mädchen.de hat alle Artikel, die wir hier thematisiert haben, gelöscht — selbst den Beitrag zur angeblichen Suchtgefahr beim Sternzeichen Wassermann, in dem es lediglich um die Gefahr von Gaming-Seiten und Casinos ging und überhaupt kein fragwürdiger Link zu einem Online-Casino vorkam.

Einen Artikel, den wir bisher nicht erwähnt hatten, und in dem Mädchen.de auf eine Seite mit Testberichten zu Online-Casinos verlinkt (die dann wiederum direkt zu den getesteten Online-Casinos verlinkt), hat die Redaktion hingegen nicht gelöscht.

Nachtrag, 22. März 2020: Der Presserat hat eine Rüge gegen die Mädchen.de-Redaktion ausgesprochen. Das Gremium bezog sich dabei auf den Artikel “Worauf stehen Jungs bei Mädchen? Die 5 Top Eigenschaften, auf die alle Jungen stehen!”:

Der Presserat sah darin eine unzureichende Kennzeichnung von Werbung nach Richtlinie 7.1 des Pressekodex, da die Verlinkungen nicht als Werbung erkennbar waren. Noch schwerwiegender war nach Ansicht des Beschwerdeausschusses allerdings der Verstoß gegen den Jugendschutz nach Ziffer 11. Es ist mit den presseethischen Grundsätzen nicht vereinbar, in einem redaktionellen Angebot, das sich in erster Linie an Jugendliche richtet, für Glücksspiele zu werben.

Sehen alle gleich aus (19)

In einem Artikel über die Schauspielerin Beatrice Richter schreibt Bild.de:

Ein Foto von Beatrice Richter mit einer anderen Frau, dazu die Bildunterschrift: Die Schauspielerin mit ihrer Tochter Julia (49) Richter im August 2019 bei der Premierenfeier von Zuhause bin ich Darling in Berlin. In dem Theaterstück stehen die beiden gemeinsam auf der Bühne

Die Schauspielerin mit ihrer Tochter Julia (49) Richter im August 2019 bei der Premierenfeier von “Zuhause bin ich Darling” in Berlin. In dem Theaterstück stehen die beiden gemeinsam auf der Bühne

Blöd nur: Die Frau links ist nicht die Schauspielern Julia Richter (die mit Beatrice Richter gar nicht verwandt ist), sondern die Schauspielerin Judith Richter (die tatsächlich die Tochter ist). Sie ist auch nicht 49, sondern 40 Jahre alt.

Ist aber auch egal, bei dem Text scheint es eh nur darum zu gehen, der #MeToo-Bewegung eins reinzuwürgen:

Beatrice Richter über #MeToo

Auch zum Thema #MeToo hat Beatrice Richter eine klare Meinung: “Ich habe manchmal Schwierigkeiten, Mitleid mit Schauspielerinnen zu empfinden, denen ich zugesehen habe, wie sie sich rangeschmissen haben an die verantwortlichen Männer. Wenn diese Frauen heute klagen, diese Männer seien schrecklich übergriffig geworden, hätten ihre Macht ausgenützt, dann kann ich nur sagen: ,Mein Gott, ja!‘”

Dass sie im Originalinterview (nur mit Abo lesbar) direkt im Anschluss gesagt hat, dass man sie “nicht falsch” verstehen solle, dass sie Typen wie Harvey Weinstein “grauenhaft” finde und sie “brechen” könnte, “wenn ich ihn nur anschaue”, hat Bild.de lieber rausgelassen.

Mit Dank an Peter B. für den Hinweis!

Wirres Manifest, Handke-Gedanken, Millionenschwere Abzock-App

1. Ein wirres Manifest
(neues-deutschland.de, Leo Fischer)
Leo Fischer kommentiert den “Welt”-Leitartikel (mittlerweile hinter der Paywall) von Springer- und Verlegerchef Mathias Döpfner zum Terror-Anschlag in Halle: “Jahrelang hat Springer gezündelt und im rechten Milieu gefischt. Nun soll ausgerechnet ein rechtsradikales Attentat dafür sorgen, dass hier die letzten eventuell noch vorhandenen Schranken fallen — mit Thesen zur Migration, die der Attentäter von Halle wahrscheinlich vollinhaltlich unterschreiben könnte. Springer braucht die Rechte — die Rechte aber braucht Springer nicht. Dort spürt man, dass da einer verzweifelt ist, und bastelt lieber weiter am eigenen Medienimperium.”
Auch im eigenen Haus bekommt Döpfner (leichten) Gegenwind. Deniz Yücel schreibt: “Die jeweiligen Probleme muss man präzise benennen, weil es ohne den richtigen Befund keine Lösungen geben kann. Aber nichts davon sollte man gegeneinander aufrechnen. Nicht, weil man es nicht darf. Sondern weil es der Sache nicht gerecht wird. Und nicht hilft.”
Weiterer Lesehinweis: Der Kinderarzt und Autor (“Erziehung prägt Gesinnung”) Herbert Renz-Polster schreibt über das, Was wir von einem “Loser” lernen können: “Schutz vor Hass bildet sich dort, wo Kinder lernen, anderen Menschen angstfrei, empathisch und zugewandt zu begegnen. Schutz vor Hörigkeit bildet sich dort, wo Kinder mündig und selbstbewusst werden können. Schutz gegen Vorurteile und Ausgrenzung bietet nur die gelungene menschliche Entwicklung.”

2. Bischof verschwieg rechtsextreme Texte
(tagesschau.de, Arnd Henze)
Fassungslos fragt man sich beim Lesen dieses Textes, wie es dazu kommen konnte, dass ein Mann wie Carsten Rentzing überhaupt sächsischer Landesbischof werden konnte. Nach Informationen des WDR habe Rentzing schon während seines Studiums als Redakteur einer extrem rechten Zeitschrift gearbeitet und dort antidemokratische Beiträge verfasst. Immer wieder fänden sich rassistische und völkische Gedanken in den Aufsätzen. Nachdem Rentzing zunächst eine förmliche Distanzierung abgelehnt hatte, ist er nun zurückgetreten — um “Schaden von meiner Kirche abzuwenden”.

3. Worum es bei Handke alles nicht geht
(medium.com, leonceundlena)
BloggerIn Leonceundlena sortiert, worum es bei der Nobelpreisverleihung an Peter Handke alles nicht und worum es tatsächlich gehe: “Soll einer Person, die Genozid und Kriegsverbrechen leugnet, die höchste Auszeichnung der Literaturwelt zugesprochen werden? Die Person ist hier wichtig, denn der Preis wird ausschließlich einem Menschen zugesprochen, der noch lebt. Wenn einem/r Genozide egal sind, sondern die Innerlichkeit und der Rückzug ins Private als Maßstab ausreicht: Wie kann es sein, dass die Akademie, deren Komitee aufgrund von Skandalen unter anderem um sexuellen Missbrauch sich neu zusammensetzen musste, einem Mann den Preis zuspricht, der frei zugibt, seine Partnerin geschlagen und getreten zu haben, um dann nachzulegen, dass er sich damit auch nicht so gut gefühlt hätte?”
Weiterer Lesehinweis: Michael Martens Essay in der “FAZ” endet mit den bitteren Worten: “Angesichts der jüngsten Stockholmer Entscheidung kann man jungen Dichtern, die Wert auf äußerlichen Erfolg legen, eigentlich nur raten: Fangt am besten gleich morgen an, öffentlichkeitswirksam Kriegsverbrechen in Syrien zu leugnen oder zu verharmlosen, besucht Assad und porträtiert ihn als großen Unverstandenen, der von einer unverständig-bösen Journalistenmeute gehetzt wird, kontrastiert solche Beobachtungen mit einer lyrischen Beschreibung der Farbe syrischer Äpfel, dem anderssüßen Geschmack syrischer Trauben auf dem Markt von Damaskus oder den sich in einer Benzinlache spiegelnden Wolken über Homs. Ein Vierteljahrhundert später winkt dann vielleicht der Nobelpreis.”

4. Pornhub und xHamster: Sexualisierte Gewalt bleibt erstmal online
(vice.com, Sebastian Meineck & Yannah Alfering)
Pornoseiten freuen sich, wenn Nutzer ihnen ihre Privatvideos zuschicken. Schließlich lässt sich aus dem Content bequem Profit schlagen. Ob es sich dabei um einvernehmliche Aufnahmen handelt, scheint erstmal sekundär zu sein. Und deswegen erscheinen auf den Plattformen voyeuristische Aufnahmen, geheime Sex-Videos oder gar Videos von Vergewaltigungen. Obwohl sich die Plattformen nach außen hin als moralisch und ethisch anständig geben. Die “Vice”-Reporter Sebastian Meineck und Yannah Alfering erzählen, was passierte, nachdem sie derartiges Material bei den Plattformen gemeldet hatten.
Weiterer Lesehinweis: Auf Facebook kritisiert Huschke Mau die mediale Verharmlosung oder gar Verklärung von Luxusprostitution und Escortwesen (dieser rbb-Beitrag dient ihr als Beispiel): “Wenn ihr demnächst wieder im Restaurant sitzt, schaut doch mal nach links oder rechts: ja, genau, der Typ da. Könnt ihr euch vorstellen, mit dem jetzt 3 Stunden essen und ins Theater zu gehen, ohne ihn merken zu lassen, dass er euch anekelt, langweilt, zuwider ist oder dass seine Meinung zu verschiedenen Dingen der euren diametral entgegensteht? Könnt ihr euch vorstellen, danach mit ihm ins Bett zu gehen, ohne ihn spüren zu lassen, dass euch das nicht gefällt? Nein? Tja. Dann ist Escort wohl doch nichts anderes als der übliche sexuelle Missbrauch, der in der Prostitution stattfindet.”

5. Warum darf der NDR zur besten Sendezeit beitragsfinanzierte Arbeitgeberpropaganda senden?
(norberthaering.de)
Der Wirtschaftsjournalist Norbert Häring bezeichnet einen “Panorama”-Beitrag (NDR) zur Rententhematik als “Schande für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk”: “Erzählt wird durchgängig eine Geschichte nach dem Geschmack und mit den Argumenten der Arbeitgeber mit einem Arbeitgeberökonomen als einzigem Experten, der aber nicht als solcher erkennbar gemacht wird. Der Beitrag lässt Wichtiges weg, verzerrt die Fakten und stellt sie in falsche Zusammenhänge. Viel schlimmer geht es eigentlich nicht.”

6. Coin Master – Abzocke mit Fun
(youtube.com, Neo Magazin Royale, Video: 19:59 Minuten)
Zahlreiche Promis und Influencer (unter anderem Dieter Bohlen und Youtube-Star Bibi) bewerben eine harmlos erscheinende Kinder-App, die sich bei näherem Hinsehen als riesige Abzocke herausstellt. Die “simulierte Glücksspiel-App” generiert hunderte Millionen von Umsatz. Geld, das oftmals aus den Sparschweinen Minderjähriger stammt. Die Böhmermann-Redaktion hat das ernste Thema in einem höchst unterhaltsamen Beitrag aufgearbeitet und fordert die Indizierung derartiger Apps bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien.

Why so incorrect?

Der Joker ist zurück im Kino — und eine Falschmeldung zurück in deutschen Medien.

“Zeit Online” schreibt:

Aufgeheizt wurde die Debatte [um den neuen Joker-Film], als bekannt wurde, dass die US-Armee ihre Mitglieder vor Attentaten möglicher Incels anlässlich der Joker-Premiere in amerikanischen Kinos gewarnt hatte. Als Incels (involuntary celibates — unfreiwillig zölibatär) bezeichnen sich Männer, die sich von Frauen — und oft von der Gesellschaft als solcher — zurückgewiesen fühlen. In Foren stacheln sie sich zu Hass und zum Teil auch zu Gewalt an.

Als einer der Vorbilder der Szene gilt ausgerechnet der Attentäter James Holmes, der während der Premiere des letzten großen Joker-Epos The Dark Knight Rises im Juli 2012 zwölf Menschen in einem Kinosaal in Aurora erschossen hatte. Der Polizei gegenüber behauptete er damals, er sei Joker.

(Link im Original.)

In “The Dark Knight Rises”, dem “letzten großen Joker-Epos”, hat der Joker gar nicht mitgespielt. Aber das nur am Rande.

Der eigentliche Punkt ist der, dass der Attentäter von Aurora gegenüber der Polizei behauptet hätte, er sei der Joker. So steht es auch im von “Zeit Online” verlinkten “Gizmodo”-Artikel:

It’s often been repeated that Holmes was inspired by the Joker, a claim that primarily rests on statements the killer reportedly made to police after the fact in which he said he “was the Joker.”

Allerdings mit einem interessanten Twist:

Speaking with the Hollywood Reporter, Daniel Oates, Aurora’s chief of police at the time, said that “there is no evidence” the shooter ever said that.

Erst vor einer Woche veröffentlichte “Vanity Fair” einen ausführlichen Artikel zu der Joker-Falschmeldung:

The rumor began in the hours after James Holmes killed 12 people and injured 70 more during a 2012 screening of The Dark Knight Rises. Speaking at a press conference in Manhattan, then-New York police commissioner Ray Kelly said that Holmes had actually referred to himself as the Joker. “He had his hair painted red, he said he was ‘the Joker,’ obviously the ‘enemy’ of Batman,” Kelly said.

Doch:

“It never happened,” said George Brauchler, the Colorado district attorney who prosecuted Holmes, citing Kelly as the source of the rumor. Brauchler and other Colorado officials have attempted to clarify for years that Holmes never referred to himself as the Joker. The story has persisted, Brauchler said, because it fits the narrative so cleanly. “Of course the crazy-hair-colored guy who shot up the Batman premiere thought he was the Joker, of course!” Brauchler added. “And yet it has no connection to reality.”

Zitiert wird auch der Psychiater, der den Attentäter für den Prozess mehrere Stunden lang befragt hatte. Demnach war Holmes nicht selbst auf diese Jokersache gekommen, sondern hörte erst im Gefängnis zum ersten Mal davon:

“He said that the first he heard of the Joker idea was [from] somebody in another cell,” he said. “He heard calling back and forth, ‘Hey, you’re the Joker,’ or something like that.”

Ein anderer vermeintlicher Beleg, der seit Jahren angeführt wird, ist die Tatsache, dass sich der Amokläufer die Haare rot gefärbt hatte. Bild.de etwa schrieb vor wenigen Tagen:

In Aurora hatte am 20. Juli 2012 ein Angreifer bei einer Premiere des Films “Batman — The Dark Knight Rises” wahllos ins Kinopublikum gefeuert, 12 Menschen starben. Vor Gericht erschien der Täter später mit orangerot gefärbten Haaren wie der “Joker”.

Der Joker hat grüne Haare.

Mit Dank an @JoachimKlarmann für den Hinweis!

Nachtrag, 11. Oktober: “Zeit Online” hat die Passage überarbeitet und am Ende des Artikels eine ausführliche Anmerkung veröffentlicht. Bei Bild.de steht es immer noch falsch.

Nie wieder Faschismus, “Botometer”, Gesprengter Cyberbunker

1. Nie wieder Faschismus
(krautreporter.de, Farhad Dilmaghani & Georg Diez)
“Sie drohen mit der Abschaffung von Menschenrechten und Demokratie, sie drohen Pressevertretern mit faschistischen Fantasien, sie drohen damit, demokratische Parteien verbieten zu wollen. Für solch rechtsradikale Parteivertreter braucht es klare Grenzen.” Farhad Dilmaghani und Georg Diez haben sich Gedanken zum medialen Umgang mit der AfD gemacht und schlagen neue Regeln für den Pressekodex vor. Daran gibt es allerdings auch Kritik, etwa vom Journalisten Armin Wolf, der in einem Twitter-Thread erklärt, warum er die Position “für extrem problematisch” hält.

2. Die Social Bots sitzen schon in den Parlamenten – wenn man Botometer glaubt
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Immer wieder gibt es erschreckende Meldungen über den Einsatz von Social Bots. Dabei soll es sich um als Personen getarnte Computerprogramme handeln, die in Netzwerken Stimmung für oder gegen eine Sache machen. Oftmals gehen die Nachrichten auf Ergebnisse des Analysetools “Botometer” der Indiana University Bloomington zurück. Das liefert jedoch recht zweifelhafte Resultate, wie ein Experiment des Datenforschers Michael Kreil zeigt. Kreil hat dazu den “Botometer” mit echten Daten deutscher Landtagsabgeordneter gefüttert. Das Analysetool habe sofort (falschen) Alarm geschlagen: Über 40 Prozent der saarländischen Abgeordneten wären angeblich Social Bots, in Bremen seien es 37 Prozent und auch in Baden-Württemberg mehr als ein Drittel.

3. Beschäftigung unter Wert in der Filmproduktion? Ein Gespräch mit Oliver Zenglein
(blmplus.de, Lisa Priller Gebhardt)
Der Film- und Fernsehbranche mangelt es in vielen Gewerken an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Kein Wunder, möchte man sagen, denn die Branche zahlt oft notorisch schlecht und bietet wenig sozialverträgliche Arbeitsbedingungen. Oliver Zenglein, einer der beiden Chefs eines Netzwerkes für die Film- und Fernsehbranche, erzählt von zu niedrigen Gagen sowie unterlaufenen Tarifverträgen und sagt, was in der Ausbildung anders laufen muss.

4. Condé Nast will weniger Verlag und mehr Markenagentur sein
(sueddeutsche.de, Elisa Britzelmeier)
Der Verlag Condé Nast ist für seine Hochglanzmagazine im Mode- und Lifestylebereich bekannt (“Glamour”, “GQ”, “Vogue” etc.). Doch der digitale Wandel geht auch an Condé Nast nicht spurlos vorbei: Das Unternehmen macht hohe Verluste. Nun hat die Geschäftsführerin Jessica Peppel-Schulz eine Neustrukturierung und einen Stellenabbau angekündigt. Anscheinend will man weg von einem traditionellen Verlag und hin zu einer Marken- und Kreativagentur für Lifestyle und Luxus.

5. Sieben Plattformen dominieren die digitale Welt
(infosperber.ch, Daniela Gschweng)
Der “Digital Economy Report 2019” (PDF) der Vereinten Nationen liefert interessante Daten und Erkenntnisse zur Digitalwirtschaft. Es herrscht eine erschreckende Marktkonzentration, die sich auf wenige Firmen und Länder beschränkt, dominiert von den USA und US-Unternehmen. Daniela Gschweng hat sich die wichtigsten Zahlen des Reports herausgegriffen und kommentiert die bedenkliche Entwicklung.

6. Dunkle Geschäfte im Cyberbunker
(zeit.de, Kai Biermann & Karsten Polke-Majewski)
Spannender als manche Netflix-Serie oder “Tatort”-Produktion: Die Geschichte vom ehemaligen Bundeswehrbunker an der Mosel, der zum Rechenzentrum für Cyberkriminelle ausgebaut wurde. Im “Cyberbunker” sorgten 290 Server dafür, dass zum Beispiel Darknet-Drogenportale ihre Geschäfte ungestört verrichten konnten. Allein auf der dort gehosteten Seite “Wall Street Market” hätten die Ermittler 250.000 Geschäfte mit Betäubungsmitteln identifizieren können. “Wir haben auf den Servern bisher nichts gefunden, was legal wäre”, so die Koblenzer Generalstaatsanwaltschaft.

7. Steingart-Interview erscheint geschwärzt
(journalist-magazin.de, Matthias Daniel)
Heute ein nachgereichter Zusatzlink, weil der Beitrag gerade erst veröffentlicht wurde, aber sehr lesenswert ist: Die “journalist”-Redaktion wollte in ihrer neuen Ausgabe eigentlich ein Interview mit dem Medienunternehmer Gabor Steingart veröffentlichen. Das tut sie jetzt irgendwie auch, aber in deutlich anderer Form als ursprünglich geplant: “Der journalist veröffentlicht in seiner Oktober-Ausgabe ein Interview mit Ex-Handelsblatt-Chef Gabor Steingart, in dem nur die Fragen lesbar sind. Sämtliche Antworten wurden hingegen geschwärzt. Gabor Steingart hatte seine Aussagen komplett zurückgezogen, nachdem die journalist-Redaktion bei der Autorisierung des Interviews die massiven Eingriffe und Änderungen Steingarts nicht akzeptiert hatte.” Matthias Daniel, Chefredakteur bei “journalist”, sagt zu dem Vorgang: “Dass Steingart dabei sogar versucht hat, in die Fragen der Autorin einzugreifen und diese zum Teil umzudichten, wirft ein düsteres Bild auf das Berufsverständnis eines Medienunternehmers, dessen Werbeslogan ‘100 Prozent Journalismus. Keine Märchen’ lautet”. Zusätzlich kann man sich auch alle Fragen an Steingart durchlesen — jedoch ohne die Antworten.

Felix Austria?, “Pinkstinks” zieht Bilanz, Scheiterndes EU-Gesetz

1. Medien im Blickpunkt
(deutschlandfunk.de, Sören Brinkmann)
Am Wochenende finden in Österreich die Nationalratswahlen statt. Welche Rolle spielen die Medien im Wahlkampf und welchen Einflüssen sind sie ausgesetzt? Darauf versucht der Deutschlandfunk in einer kleinen Beitragsserie zu antworten. Der Österreichische Rundfunk (ORF) sieht sich beispielsweise stetigen Angriffen der FPÖ ausgesetzt. Reformpläne der Partei sähen drastische Eingriffe bei Finanzierung und Führungsstruktur vor. Die ÖVP wiederum geht gegen die Wochenzeitung “Falter” vor, die Seltsamkeiten bei den Parteifinanzen enthüllt hatte. Ein Skandal, der von den österreichischen Boulevardmedien weitgehend ignoriert und ausgeblendet wurde. Die Chefin von Reporter ohne Grenzen habe in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die österreichischen Medienunternehmen eher konservativ eingestellt sind. Und der Wien-Korrespondent des Deutschlandfunks macht auf eine Besonderheit aufmerksam, die Medien anfällig für politische Einflussnahme mache: In Österreich hätten Ministerien und Behörden viel Geld für Anzeigenkampagnen zur Verfügung, das sie gezielt einsetzen können.

2. Berliner Verwaltungsgericht stuft “Bild”-Livestreams als Rundfunk ein
(sueddeutsche.de)
Sind Livestream-Angebote als zulassungspflichtiger Rundfunk einzustufen? Im Fall von “Bild” und den bei Bild.de erscheinenden Videoformaten “Die richtigen Fragen”, “Bild-Sport-Talk” und “Bild-Live” hat das Berliner Verwaltungsgericht dies bejaht. Noch ist nicht bekannt, ob der Axel-Springer-Verlag gegen das Urteil in Berufung geht.

3. Warum Fake News sich so gut in deinem Gedächtnis festsetzen
(fachjournalist.de, Maren Urner)
Die Kognitions- und Neurowissenschaftlerin Maren Urner beschäftigt sich in ihrem Buch “Schluss mit dem täglichen Weltuntergang” mit den Fragen, inwieweit die tägliche Informationsflut unserem Gehirn schadet und warum es “Fake News” so leicht bei uns haben. Der “Fachjournalist” veröffentlicht einen Auszug aus dem Buch, in dem Urner auch erklärt, wie wir unser Gehirn vor Falschinformationen schützen können.

4. “Le Monde” bleibt unabhängig
(faz.net, Jürg Altwegg)
Lange Zeit wurde erbittert um die Vorherrschaft bei der französischen Tageszeitung “Le Monde” gekämpft — siehe dazu auch den “FAZ”-Text Die Schlacht um “Le Monde” wird immer heißer. Nun hat der Kampf ein für die Redaktion gutes Ende genommen: Die Haupteigentümer haben ein Abkommen getroffen, das der Redaktion Unabhängigkeit garantiert.

5. EU-Leistungsschutzrecht droht schon vor dem Start zu scheitern
(netzpolitik.org, Alexander Fanta)
Viele haben es prophezeit, jetzt scheint es einzutreten: Das EU-weite Leistungsschutzrecht ist weitgehend wirkungslos. Google schränkt die Darstellung von Links auf Medienseiten ein und entgeht somit der von Verlagen erhofften Pflicht zu Lizenzzahlungen. Alexander Fanta erklärt die verschiedenen Positionen sowie die Argumente der Kritikerinnen und Kritiker.

6. Pinkstinks zieht Bilanz aus zwei Jahren Sexismus-Monitoring
(horizont.net, Ingo Rentz)
Die Anti-Diskriminierungs-Plattform “Pinkstinks” bietet seit zwei Jahren eine Seite zum Melden von sexistischer Werbung an. Und das durchaus erfolgreich: Man habe fast zehnmal so viele Einreichungen erhalten wie der Deutsche Werberat. Bei “Horizont” werden die eingereichten Meldungen aufgeschlüsselt und analysiert.

Nein, Fridays for Future hat sich nicht zu Brandanschlägen bekannt

Mal rein hypothetisch: Wenn eine Gruppe von Aktivisten einen Brandanschlag beginge und sich anschließend in einem angeblichen Bekennerschreiben auf Texte aus dem “Cicero” beriefe, dann wäre es ja irgendwas zwischen völlig verzerrend und diffamierend, sowas zu schreiben wie: Die “Cicero”-Redaktion hat sich gerade zu Brandanschlägen bekannt.

Nun.

Bei Cicero.de schreibt Antje Hildebrandt heute in einem Artikel über Greta Thunberg und deren Rede beim UN-Klimagipfel:

Aktivisten von Fridays for Future wollen jetzt Flughäfen blockieren, um Bürger daran zu hindern, von A nach B zu gelangen. Sie haben sich gerade zu Brandanschlägen auf die S-Bahn in Berlin bekannt und damit den öffentlichen Naheverkehr lahmgelegt.

Tatsächlich brannte es gestern in den frühen Morgenstunden in Kabelschächten der Berliner S-Bahn. Der S-Bahn-Verkehr kam im Osten der Hauptstadt zeitweise zum Erliegen. Noch am selben Tag bekannte sich die offenbar militant-autonome “Vulkangruppe Ok” auf der Onlineplattform “Indymedia” zu dem Anschlag (wobei Bekennerschreiben bei “Indymedia” immer mit Vorsicht zu genießen sind). Dabei verweist sie auf den Generalstreik von Fridays for Future:

Unmissverständlich hat “Fridays for Future” zu einem Generalstreik aufgerufen. (…)

Zu einem richtigen Generalstreik gehören auch Blockaden und feurige Sabotageaktionen.

Das wäre dann auch schon die ganze Verbindung zwischen Vulkangruppe Ok und Fridays for Future. Dass Gruppe A, die vermutlich für den Brandanschlag verantwortlich ist, nicht mehr mit Gruppe B zu tun hat, als dass sie sich auf deren Generalstreik bezogen hat, und dass man zu diesem Zeitpunkt noch gar keine gesicherten Erkenntnisse hat, wer tatsächlich hinter dem Anschlag steckt — das kümmert die “Cicero”-Redaktion offensichtlich nicht.

Sie hat in der oben zitierten Passage auch einen “Tagesspiegel”-Artikel verlinkt, quasi als Beleg. Doch auch darin steht direkt im ersten Absatz:

Militante Linksextremisten versuchen offenbar, die Fridays-for-Future-Bewegung zu instrumentalisieren. Am Montag bekannte sich die “Vulkangruppe Ok” auf der linksextremen Internetplattform “indymedia.org” zum Brandanschlag auf die Berliner S-Bahn.

Wenn Antje Hildebrandt einfach behauptet, die “Aktivisten von Fridays for Future” hätten “sich gerade zu Brandanschlägen auf die S-Bahn in Berlin bekannt”, dann schiebt sie der Bewegung einen Extremismus unter, den derzeit manch einer dort vielleicht gern finden möchte, der dort aber nicht existiert. Greta Thunberg würde bei so einer Form von Diskreditierung wohl nur schnauben: “How dare you?”

Die “Cicero”-Redaktion hat den Beitrag inzwischen hinter die Paywall gestellt und, ohne irgendeinen Hinweis, eine wesentliche Einschränkung in den Artikel geschummelt:

Aktivisten von Fridays for Future (FFF) wollen jetzt Flughäfen blockieren, um Bürger daran zu hindern, von A nach B zu gelangen. Sie haben sich gerade zu Brandanschlägen auf die S-Bahn in Berlin bekannt und damit den öffentlichen Naheverkehr lahmgelegt. Oder Trittbrettfahrer, die sich auf FF beziehen.

Ja, nun, tüdelü, dann waren es halt doch vielleicht nur “Trittbrettfahrer”. Aber wen interessieren schon solche Details?

Gesehen bei @abususu.

Nachtrag, 18:11 Uhr: Die “Cicero”-Redaktion hat auf unsere Kritik reagiert, die entscheidende Stelle noch einmal überarbeitet …

Aktivisten von Fridays for Future (FFF) wollen jetzt Flughäfen blockieren, um Bürger daran zu hindern, von A nach B zu gelangen. Linksextreme, die sich “Vulkangruppe Ok” nennen und sich auf den Generalstreik von Fridays for Future beziehen, haben sich gerade zu Brandanschlägen auf die S-Bahn in Berlin bekannt und damit vorübergehend den öffentlichen Naheverkehr lahmgelegt.

… und am Ende des Artikels nun diesen Hinweis veröffentlicht:

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes war davon die Rede, die Bewegung “Fridays for Future” habe sich zu einem Brandanschlag auf die Berliner S-Bahn bekannt. Das ist nicht korrekt. Wir bitten, das nicht beabsichtigte Versehen zu entschuldigen. Wir danken einem Leser für den Hinweis.

Verdrehte Reuters-Studie, Topf Secret, Rundfunkrat Markwort

1. Linke Programme für ein linkes Publikum? Was die Reuters-Studie wirklich zeigt
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Hat eine große Studie eines renommierten Instituts tatsächlich herausgefunden, dass ARD und ZDF fast nur noch für ein linkes Publikum senden? Dies wird jedenfalls von rechtskonservativen bis rechtsextremen Kreisen behauptet und als Beleg die aktuelle Reuters-Studie angeführt. Medienjournalist Stefan Niggemeier ist der Sache nachgegangen.

2. Altherrenverein war gestern
(magazin.zenith.me, Moritz Behrendt)
Jahrzehntelang bestimmten altgediente Haudegen und Platzhirsche wie Peter Scholl-Latour und Gerhard Konzelmann, wie wir den Nahen Osten sahen und über ihn dachten. Doch die beiden Starreporter und Bestsellerautoren waren mindestens in der Fachwelt umstritten. Konzelmann galt zudem als “Allahs Plagiator”. Wie ist es derzeit um den Journalismus aus Nahost bestellt? Moritz Behrendt, Mitgründer und Mitherausgeber von “zenith – Zeitschrift für den Orient”, erzählt vom derzeitigen Stand der Nahost-Berichterstattung.

3. Der Gegner im eigenen Bett?
(deutschlandfunk.de, Michael Watzke, Audio: 4:44 Minuten)
Helmut Markwort sitzt im Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks. Das ist insofern pikant, als Markwort zugleich Miteigentümer mehrerer Konkurrenzsender ist und sich das Vorliegen eines handfesten Interessenkonflikts aufdrängt. Ein Interessenkonflikt, von dem Markwort natürlich nichts wissen will und dabei das bayerische Justizministerium auf seiner Seite weiß. Nun kann wohl nur eine Gesetzesänderung helfen. Die kann jedoch lediglich Zukünftiges regeln. Markwort wird also seinen Platz im Rundfunkrat trotz seines wirtschaftlichen Engagements bei der Konkurrenz behalten.

4. Berliner Bezirke sabotieren “Topf Secret”: Interne Dokumente offenbaren Streit zwischen Bezirken und Landesregierung
(fragdenstaat.de, Arne Semsrott)
Das Projekt “Topf Secret” setzt sich dafür ein, dass die Berliner Bezirke die Hygiene-Kontrollergebnisse zu Lebensmittelbetrieben der Stadt herausgeben müssen. Über eine Online-Plattform beziehungsweise App können Verbraucherinnen und Verbraucher dazu einen Antrag stellen. Eine Möglichkeit, von der insgesamt mehr als 30.000 mal Gebrauch gemacht wurde (in Berlin rund 3.000 mal), allein es nützt nichts: “Die Berliner Bezirksämter sabotieren die Online-Plattform “Topf Secret” und widersetzen sich damit wiederholten Empfehlungen der Landesregierung.” Nun sind interne Dokumente aufgetaucht, die einen Streit zwischen Bezirken und Landesregierung nahelegen.

5. Geheimdienst muss transparenter werden
(tagesspiegel.de, Fatina Keilani)
Das Bundesverwaltungsgericht hat entscheiden, dass der Bundesnachrichtendienst Auskunft über seine Hintergrundgespräche mit Journalistinnen und Journalisten erteilen muss. Dem Urteil vorausgegangen ist die Klage eines “Tagesspiegel”-Redakteurs. Das Gericht stellt unter anderem fest: “Dadurch, dass dem Kläger mitgeteilt wird, welche Medienvertreter jeweils eingeladen waren und an welchen Gesprächen der Präsident des BND teilgenommen hat, werden keine für eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung des BND relevanten zusätzlichen Informationen verbreitet.”

6. Fußball-Fake: Wenn das Studio zum Stadion wird
(fair-radio.net, Mario Köhne)
Beim Radiosender Life Radio Tirol kommt tolle Fußballstimmung auf, als die Moderatorin scheinbar live ins Fußballstadion in Graz zu ihrem Reporterkollegen schaltet. Doch der steht nicht im Stadion zwischen Tausenden von Fans, sondern ihr gegenüber im Studio. Herausgekommen ist der Fake, weil der Sender die Studiocam mitlaufen ließ, und die Bilder auf Youtube landeten.

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