“FinCEN-Files”, Unbezahlbarer Journalismus, Falsche Shitstorms

1. Wie interessiert man Leute für ein Thema wie die “FinCEN-Files”?
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier, Audio: 52:32 Minuten)
Bei einem Verdacht von Geldwäsche müssen multinationale Großbanken der US-amerikanischen Finanzaufsicht FinCEN eine Meldung zukommen lassen. Dem kämen die Banken auch in erschütternd hoher Anzahl nach, doch fast immer ohne Folgen. Ein Teil dieser Informationen wurde “Buzzfeed News” zugespielt. Die Redaktion teilte den Datenschatz mit über 100 Redaktionen in 88 Ländern. Marcus Engert hat als investigativer Reporter von “Buzzfeed News Deutschland” an dem Projekt mitgewirkt. Im Gespräch mit Stefan Niggemeier schildert er die Schwierigkeit, die komplexe Materie vorstellbar zu machen und journalistisch aufzubereiten.

2. Kriegsreporterin Ramsauer: “Habe mich 20 Jahre in jedes Drecksloch gesetzt”
(derstandard.at, Oliver Mark)
Seit mehr als 20 Jahren berichtet die Journalistin Petra Ramsauer aus Kriegs- und Krisengebieten, doch damit ist nun Schluss. Ihre Arbeit als Kriegsreporterin sei nicht mehr finanzierbar. Für ihre Reportagen brauche sie wegen des erheblichen Aufwands und der Kosten für Fahrer und Fixer (Vororthelfer) zwischen 3.000 und 4.000 Euro pro Einsatz. Angeboten habe man ihr jedoch teilweise nur 150 Euro: “Ich habe abgelehnt. Das geht sich nicht mehr aus.” Ramsauer schule nun um zur Therapeutin mit dem Schwerpunkt Traumaverarbeitung.

3. Strafanzeige zu taz-Kolumne: Innenministerium wollte auch gegen Chefredaktion vorgehen
(fragdenstaat.de, Arne Semsrott)
“FragDenStaat” hat sich unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz die interne Kommunikation des Bundesinnenministeriums zur umstrittenen polizeikritischen “taz”-Kolumne (“All cops are berufsunfähig”) vorlegen lassen. Wider besseres Wissen und gegen den Rat seines Hauses habe Innenminister Horst Seehofer verkündet, die Kolumne habe mehrere Straftatbestände erfüllt. “Angesichts der Prüfung durch das Ministerium steht der Minister, der sich selbst als ‘Erfahrungsjuristen’ bezeichnet, mit dieser Ansicht alleine. Welche Straftatbestände neben Volksverhetzung überhaupt einschlägig sein sollen, ist unklar. Offiziell traf man die Entscheidung gegen eine Anzeige zum Schutze der Pressefreiheit. Viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass die fehlenden Erfolgsaussichten den Ausschlag gegeben hatten.”
Weiterer Lesehinweis: Zuvor hatte bereits der “Tagesspiegel” über das missglückte Vorgehen berichtet.

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4. Shitstorm vs. Meinungsfreiheit auf Sozialen Medien
(scilogs.spektrum.de, Markus Pössel)
Laut Duden handelt es sich bei einem “Shitstorm” um einen “Sturm der Entrüstung in einem Kommunikationsmedium des Internets, der zum Teil mit beleidigenden Äußerungen einhergeht”. Doch manchmal werde mit dem Shitstorm-Begriff lediglich legitime Kritik ausgehebelt, so Markus Pössel: “Besonders perfide ist es, Kritik pauschal als ‘Shitstorm’ abzuqualifizieren – mit dem bequemen Nebeneffekt, dass man so auch sachliche Kritik abwatschen kann, ohne dass man sich damit sachlich hätte auseinandersetzen müssen. Für diesen Kunstgriff kann man zudem ausnutzen, dass in einem breiten Spektrum kritischer Anmerkungen ab einer bestimmten Gesamtanzahl mit großer Wahrscheinlichkeit auch Menschen dabei sind, die ausfällig werden.”

5. Vielfalt und Freiheit
(sueddeutsche.de, Meredith Haaf)
Viele Redaktionen setzen gerade verstärkt auf Meinungsjournalismus, die “Zeit” beispielsweise mit ihrem “Streit”-Ressort, die “Tagesthemen” mit ihrem Pro und Contra. Wie ist die Meinung im Journalismus einzuordnen? Und dürfen die traditionellen Medien überhaupt “Meinung machen”, wie ihnen oft vorgeworfen wird? Meredith Haaf ist Redakteurin im Ressort Meinung der “Süddeutschen Zeitung” und weiß, was dieses Thema den Lesern und Leserinnen abverlangt: “Der Wunsch, vor der Meinung der anderen seine Ruhe haben zu wollen, sitzt offenbar tief im Menschen. Die Meinungsfreiheit wiederum beinhaltet die Gesetzmäßigkeit, dass es zu jeder Meinung eine Gegenmeinung gibt. Meinungen zu haben und zu hören ist eine Art Ausdauersport.”

6. Warum Comedy-Helden jetzt gelöscht werden sollen
(ardmediathek.de, Philipp Walulis, Video: 30:30 Minuten)
Das gesellschaftliche Humorverständnis hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt, und damit auch der Blick auf Comedy. In früheren Sketchen haben viele bekannte Comedians Minderheiten klischeehaft bis verletzend bewitzelt. Was tun mit dem belasteten Altmaterial? Aus dem Programm nehmen? In den USA haben sich etliche Programmmacher tatsächlich für diese Maßnahme entschieden und teilweise ganze Folgen gelöscht.

7. “Ein zweites Mal diese Tortur – das würde ich nicht schaffen”
(tagesspiegel.de, Maris Hubschmid)
Als zusätzlicher Link, weil nur eine indirekte Medienmeldung: Joachim Huber, Leiter des “Tagesspiegel”-Medienressorts, spricht über seine Corona-Erkrankung, die mit einer Lungenembolie, totalem Nierenversagen und einen Herzinfarkt einherging. Huber ist zwar mit dem Leben davongekommen, leidet jedoch noch heute unter den Folgen der Erkrankung. Ein eindringlicher Bericht, an den man sich erinnern sollte, wenn man mal wieder genervt von Hygieneregeln, Abstandhalten und Maskenpflicht ist.