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“Bild” entdeckt plötzlich Laschets “Wahlkampf-Turbo”

Vergangene Woche hat die “Bild”-Redaktion entdeckt, dass der Twitter-Kanal “WDR aktuell” eine Aussage Armin Laschets zumindest verzerrt wiedergegeben (und später “klargestellt”) hat, dass die WDR-Sendung “Monitor” einen Beitrag gebracht hat, in dem sie zeigt, dass Laschet als Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen “beim Klimaschutz eher auf der Bremse steht”, und dass der ARD-“Faktenfinder” eine Aussage des Union-Kanzlerkandidaten (“Wir dürfen die Fehler von 2015 nicht wiederholen”) kritisch auf deren Inhalt überprüft hat. Und schon witterte “Bild” eine große ARD-übergreifende Verhinderungskampagne:

Ausriss Bild-Zeitung - Mit Falsch-Behauptung und Negativ-Berichten - Wollen ARD-Sender Laschet als Kanzler verhindern?

Mit den Aussagen “Wahlkampf ist Sache der Parteien, nicht des öffentlichen Rundfunks” und “Der WDR entwickelt sich vom Rot-Funk zum Grün-TV” konnte die “Bild”-Redaktion sogar Unterstützung aus der Politik für die eigene These zur Anti-Laschet-ARD einsammeln (mehr Politiker kamen im “Bild”-Artikel nicht zu Wort). Das eine Zitat stammt von einer CDU-Politikerin, der die Kritik an ihrem Spitzenkandidaten offenbar nicht schmeckt, das andere von einem CSU-Politiker, dem die Kritik an seinem Spitzenkandidaten offenbar nicht schmeckt. Überraschung.

Aber wie sieht’s denn bei der “Bild”-Berichterstattung über Armin Laschet aus?

Da gab es am Samstag einen interessanten Vorgang. Kurz nach Ende des Wahlkampfauftakts von CDU und CSU in Berlin, erschien auf der Bild.de-Startseite dieser Artikel:

Screenshot Bild.de - Wahlkampfauftakt der Union! Laschet-Rede sollte den Turbo zünden - Er hat's versucht ... - Er gibt Flut und Corona die Schuld für miese Umfrage-Werte

Laut “Gnutiez”, einer Seite, die Änderungen von Überschriften verschiedener Medien trackt, soll die Schlagzeile zuvor noch schärfer gewesen sein:

LASCHET-REDE SOLLTE TURBO ZÜNDEN
Netter Versuch

Dazu hieß es im Artikel:

Schafft CDU-Chef Armin Laschet (60) noch die Wende? Auch nach seiner Rede bleiben Zweifel.

Der gesamte Beitrag verschwand dann plötzlich und ohne irgendeinen Hinweis von Bild.de. Wer die URL heute aufruft, sieht keinerlei Inhalt. Stattdessen erschien auf der Bild.de-Startseite ein neuer Artikel. Und auf einmal konnte Armin Laschet laut “Bild”-Redaktion doch den “Wahlkampf-Turbo” zünden:

Screenshot Bild.de - Laschet zündet mit Merkel und Söder den Wahlkampf-Turbo - Kanzlerkandidat fordert Anti-Links-Schwur von SPD

Noch einmal etwas später übernahm dann “Bild”-Parlamentsbüroleiter Ralf Schuler die Deutungshoheit zum Laschet-Auftritt:

Screenshot Bild.de - Wahlkampf-Auftakt der Union - Markus Söder hat keinen Bock auf Opposition Armin Lascher Ich werde kämpfen - Zwei Fäuste und kein Halleluja

Und weil das vielleicht doch etwas zu kryptisch war (zumindest wir rätseln noch immer, ob ein ausbleibendes “Halleluja” nun was Positives oder Negatives ist), schob die Redaktion auch hier noch mal eine Überarbeitung nach:

Screenshot Bild.de - Wahlkampf-Auftakt der Union - Armin Laschet - Ich werde kämpfen

Und so wurde innerhalb kürzester Zeit auf der Bild.de-Startseite aus dem “netten Versuch” Laschets, der angeblich Flut und Corona als Ausreden nutzte, ein kämpferischer Union-Spitzenkandidat mit “Wahlkampf-Turbo”. Wir haben beim “Bild”-Sprecher nachgefragt, warum der Laschet-kritische Artikel gelöscht wurde, haben bisher aber keine Antwort erhalten.

Eine besondere Nähe zwischen Armin Laschet und dessen Wahlkampfteam auf der einen Seite und der “Bild”-Redaktion auf der anderen konnte man übrigens sechs Tage zuvor beobachten. Der stellvertretende “Bild”-Chefredakteur Paul Ronzheimer schrieb bei Bild.de über “Laschets Plan für Afghanistan”, veröffentlicht um 18:42 Uhr. Erst 43 Minuten später, um 19:25 Uhr, veröffentlichte auch Laschet diesen Plan bei Twitter – interessanterweise mit demselben Rechtschreibfehler wie im Ronzheimer-Artikel. Man fühlte sich beim Lesen an die verräterischen Fehler beim Abschreiben in der Schule erinnert. Oder anders gesagt: Das Laschet-Team muss den Afghanistan-Plan vorab an die “Bild”-Redaktion gegeben haben. Nur zur Erinnerung: Seit Juni dieses Jahres gehört Tanit Koch, Ex-“Bild”-Chefredakteurin, zu Armin Laschets Beraterteam.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

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Die Opfer von “Bild” (8)

Vor Kurzem ist eine 34-jährige Frau, die vor einigen Jahren aus Afghanistan nach Deutschland geflüchtet war und in Berlin lebte, ermordet worden. Unter dringendem Tatverdacht stehen ihre beiden Brüder, die sich laut Haftbefehl “gekränkt gefühlt haben” sollen, “weil das Leben ihrer geschiedenen Schwester nicht ihren Moralvorstellungen entsprochen hatte”.

Seit Bekanntwerden des Falls ist die “Bild”-Redaktion entschieden damit beschäftigt, ihn für ihre eigene politische Agenda zu nutzen. So erschien zum Beispiel vergangene Woche ein “Bild”-Kommentar (“Wo bleibt der Aufschrei?”), in dem gefordert wird, dass es endlich ein Stoppschild geben müsse für Männer, “die in Deutschland Asyl suchen, aber die freiheitlichen Gesetze und Werte dieses Landes mit Füßen treten”. Geschimpft wird vor allem auf “die Politik”, weil es von ihr “nur dröhnendes Schweigen” gebe:

Aus Angst, in die rechte Ecke gestellt zu werden, oder weil die Diskussion darüber ungemütlich werden könnte.

Solange die Politik hier schweigt, die Dinge nicht offen benennt und nicht konsequent Maßnahmen wie Abschiebung ergreift, schützt sie die falschen – die Täter.

In einem weiteren “Bild”-Kommentar zu dem Mordfall war zuvor schon die “bittere Wahrheit” beklagt worden, dass “die Politik” zu leise und untätig sei:

Wir brauchen eine Strategie gegen die kranken Vorstellungen und Denkweisen einiger Migranten, um solche Taten auf deutschem Boden zu verhindern!

Dazu braucht es vor allem eine Migrationspolitik, die verhindert, dass solche Ideologien überhaupt erst Fuß fassen können. Es gibt diese Denkweisen in Deutschland nämlich ursprünglich nicht, sie sind gemeinsam mit den Männern nach Europa eingewandert.

Die deutsche Migrationspolitik, “sofern man diese überhaupt als solche bezeichnen kann”, sei “gescheitert”.

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "Kommentar zum Mord an Afghanin [...] in Berlin - Gescheiterte Migrationspolitik!", dazu ein Foto der Frau sowie als Hintergrundbild ein Foto des Erdlochs, in dem die Leiche der Frau gefunden wurde

Bebildert ist der Kommentar mit einem unverpixelten Foto der Frau. Wir haben es unkenntlich gemacht, weil unklar ist, auf welchem Weg es beschafft wurde (es sieht aus wie ein abfotografiertes Passfoto), und wir Zweifel daran haben, dass “Bild” zuvor die Erlaubnis der Angehörigen eingeholt hat, mit dem Gesicht der ermordeten Frau für eine härtere Abschiebepolitik zu kämpfen.

***

Insgesamt veröffentlichten die “Bild”-Medien innerhalb einer Woche mindestens 29 Mal Fotos von Menschen, die Opfer eines Unglücks oder Verbrechens geworden sind.

Nur in einem Fall hatten Angehörige der Veröffentlichung laut “Bild”-Angabe zugestimmt (bei einem Kind, dessen Eltern bei einem Seilbahnunglück gestorben sind). Und nur in diesem einen Fall war das Gesicht verpixelt – in 28 Fällen gab es keinerlei Unkenntlichmachung.

***

Bild.de veröffentlichte zum Beispiel das Gesicht einer Frau, die von ihrem Ehemann erschossen wurde (der Mann wird ebenfalls unverpixelt gezeigt):

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "[...] erschoss seine Frau und ihren Liebhaber - Der Ehe-Terror des Killer-Zahnarztes", dazu ein Foto des Mannes und ein Foto der Frau

Und das Gesicht einer Frau, die in der Türkei ermordet wurde (Quelle: TikTok):

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "Stückel-Mord schockiert Türkei - Täter (48) ritzte seinen Namen in tote Studentin (21)", dazu ein Foto der Frau

Und das Gesicht einer Frau, die bei einem Tigerangriff in Chile starb:

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "Tödliches Drama in Chile - Safaripark-Angestellte von Tiger zerfleischt", dazu ein großes Foto der jungen Frau

Und die Gesichter zweier Frauen, die Anfang des Jahres in Hamburg getötet wurden:

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "[...] (29) tötete Mutter, Freundin und Hund - Bei der Festnahme übermalte er das Blut gerade mit Farbe", dazu ein Foto vom Abtransport einer Leiche sowie zwei Porträtfotos der Frauen

Und die Gesichter zweier Frauen, die in Schleswig-Holstein mutmaßlich vom selben Täter ermordet wurden:

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "Profiler Hofmann über Doppelmörder [...] - 'Töten bedeutet Gott spielen'", dazu ein Foto des Mannes sowie zwei Fotos der Frauen
Screenshot von der BILD.de-Startseite: "Mutmaßlicher Doppelmörder [...] (41) - Staatsanwältin sicher - Er sah ihnen beim Ersticken zu", dazu ein Fotos des Mannes sowie zwei Fotos der Frauen

Die Fotos hatte die Polizei während der Ermittlungen veröffentlicht, um Hinweise aus der Bevölkerung zu erhalten. Seit aber ein Verdächtiger verhaftet wurde, und der Prozess gegen ihn begonnen hat, zeigen viele Medien (sogar Boulevardblätter) die Fotos der Frauen höchstens verpixelt. Die “Bild”-Redaktion veröffentlicht sie weiter ohne Unkenntlichmachung.

“Bild” und Bild.de zeigten auch, wie schon in den Wochen zuvor, Facebookfotos einer Frau, die sie “Die Tote aus dem Nazi-Bunker” nennen:

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "26-Jährige in Nazi-Bunker umgebracht - [...] Ex-Freund bestreitet den Mord", dazu ein Foto des Verdächtigen bei seiner Festnahme sowie ein Foto der Frau
Ausriss aus der BILD-Zeitung: "Mordfall [...] - Ex-Freund bestreitet die Tat", dazu ein Foto der Frau

Und, wie ebenfalls in den Wochen zuvor, Fotos eines Paares, das bei einer Bootskollision ums Leben kam:

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "[...] und [...] auf dem Gardasee totgerast - Auf dem zertrümmerten Boot liegen noch ihre Schuhe - Untersuchungen werfen neue Fragen auf", dazu ein Foto eines Schuhs auf dem Boot sowie zwei Fotos der Opfer
Screenshot von der BILD.de-Startseite: "[...] und [...] auf dem Gardasee totgerast - Sollte der Unfall vertuscht werden?", dazu ein Foto eines Bootes und zwei Fotos der Opfer

Veröffentlicht wurde auch ein Foto eines Ehepaares, das bei den Waldbränden in der Türkei ums Leben kam – sowohl auf der Bild.de-Startseite als auch auf der Titelseite und noch mal groß im Innenteil der gedruckten Bundesausgabe:

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "Deutsches Ehepaar stirbt in Flammenhölle von Antalya - Feuertod, weil sie ihre Hunde retten wollten", dazu ein großes Foto des Paares
Titelseite der BILD-Zeitung: "Sie wollten ihre Hunde aus der Feuerhölle retten - Deutsches Ehepaar in der Türkei verbrannt", dazu ein Foto des Paares
Ausriss aus dem Innenteil der BILD-Zeitung: "Deutsches Auswanderer-Paar stirbt in Flammenhölle von Antalya - FEUERTOD, weil sie ihre Hunde retten wollten", dazu ein großes Foto des Paares, ein Foto einer ihrer Hunde und Fotos ihres verbrannten Hauses

Quelle des Fotos: “PRIVAT”.

***

Seit zwei Monaten beobachten wir diese Praxis nun etwas genauer. In dieser Zeit haben die “Bild”-Medien mindestens 253 Mal Fotos von Menschen gezeigt, die Opfer eines Unglücks oder Verbrechens geworden sind. In 24 Fällen von Minderjährigen.

Nur in neun Fällen haben Angehörige der Veröffentlichung laut “Bild”-Angabe zugestimmt.

In sieben Fällen waren die Augen verpixelt, in zwölf Fällen die Gesichter. In 234 Fällen verzichtete “Bild” auf jede Unkenntlichmachung.

***

Nach einem Verbrechen oder Unglück in Social-Media-Profilen zu wühlen und daraus Fotos der Opfer zu veröffentlichen, ist redaktioneller Alltag bei “Bild”. Häufig erscheinen solche Fotos ohne jede Verpixelung und ohne Zustimmung der Angehörigen oder Hinterbliebenen.

In vielen Fällen werden Freunde, Kollegen oder Familienmitglieder sogar von Reportern bedrängt, damit sie Fotos der Menschen herausrücken, die sie gerade verloren haben.

“Bild” begründet die Veröffentlichung solcher Bilder damit, dass “nur so” die Tragik “deutlich und fassbar” werde.

Wie jedoch viele Betroffene selbst darüber denken, kann man zum Beispiel hier nachlesen. Dort sagt der Vater eines Mädchens, das beim Amoklauf von Winnenden getötet wurde und deren Foto in den Tagen darauf immer wieder in der “Bild”-Zeitung erschien:

Die “Bild”-Zeitung und andere, auch Fernsehsender, ziehen Profit aus unserem Leid! Dreimal hintereinander sind Bilder [unserer Tochter] erschienen, ohne dass wir das gewollt hätten. Wir hätten das nie erlaubt. Die reißen die Bilder an sich und fragen nicht danach, was wir Hinterbliebenen denken und fühlen.

Pressekodex Richtlinie 8.2

Die Identität von Opfern ist besonders zu schützen. Für das Verständnis eines Unfallgeschehens, Unglücks- bzw. Tathergangs ist das Wissen um die Identität des Opfers in der Regel unerheblich. Name und Foto eines Opfers können veröffentlicht werden, wenn das Opfer bzw. Angehörige oder sonstige befugte Personen zugestimmt haben, oder wenn es sich bei dem Opfer um eine Person des öffentlichen Lebens handelt.

In einem Interview in unserem Buch sagt ein anderer Betroffener, dessen Bruder bei einem Skiunfall gestorben ist und später ohne Erlaubnis der Angehörigen groß auf der Titelseite der ”Bild”-Zeitung zu sehen war:

Das war eines der schlimmsten Dinge an der Geschichte: Dass die “Bild” die Kontrolle darüber hat, mit welcher Erinnerung mein Bruder geht. Dass das letzte Bild von der “Bild”-Zeitung kontrolliert wird und nicht von ihm selbst oder von uns.

Auch in anderen Medien kommt es vor, dass solche Fotos veröffentlicht werden. Doch niemand macht es so häufig und so eifrig wie “Bild”. Mehr als die Hälfte aller Rügen, die der Presserat je gegen die “Bild”-Medien ausgesprochen hat, bezog sich auf die unzulässige Veröffentlichung von Opferfotos.

Um zu verdeutlichen, in welchem Ausmaß “Bild” auf diese Weise Profit aus dem Leid von Menschen zieht, wollen wir hier regelmäßig dokumentieren, wie häufig die “Bild”-Medien solche Fotos veröffentlichen.

Apples Überwachung, “RTL direkt”, Facebook vs. AlgorithmWatch

1. Überwachung durch Apple unterbinden
(verdi.de)
Medienschaffende aus Deutschland, Österreich und der Schweiz protestieren gegen Apples Ankündigung einer Bildüberwachung und bezeichnen diese als “Verstoß gegen die Pressefreiheit”. Nach Apples Angaben diene die Überwachung der Entdeckung von Bildmaterial zu Kindermissbrauch, “tatsächlich ist das aber auch ein Hilfsmittel, mit dem ein Unternehmen auf andere Daten von Nutzern auf deren eigenen Geräten zugreifen will, wie etwa Kontakte und vertrauliche Dokumente”, so Hubert Krech, Sprecher der öffentlich-rechtlichen Redakteursvereinigung AGRA.

2. Talkmaster oder Teddybär?
(spiegel.de, Christian Buß)
Christian Buß hat sich RTLs neue Nachrichtensendung mit dem ehemaligen “Tagesschau”-Sprecher Jan Hofer angesehen: “Sagen wir mal so: Falls da wirklich eine Nachrichtenoffensive bei dem frisch mit dem Zeitschriftenverlag Gruner + Jahr fusionierten Medienhaus RTL tobt, steht Jan Hofer, 71, für seinen neuen Sender allein im Schützengraben des Nachrichtenkrieges. Der Journalismus ist bei RTL noch immer ziemlich fern.” Bei “DWDL” kommentiert Alexander Krei: “Bleibt ‘RTL direkt’ so unflexibel wie zum Auftakt, dann wäre das neue Magazin so verzichtbar wie Jan Hofers Krawatte.” Und auch Matthias Schwarzer ist nach der ersten Sendung skeptisch: “Was genau man mit dem Format eigentlich erreichen will und wohin das alles führen soll, wird zumindest an diesem Montagabend nicht so richtig klar.” (rnd.de)

3. Facebook blockiert unabhängige Analyse durch AlgorithmWatch
(netzpolitik.org, Rahel Lang)
Die gemeinnützige Organisation AlgorithmWatch wollte den Newsfeed-Algorithmus von Instagram analysieren, um herauszufinden, warum bestimmte Inhalte angezeigt werden. Nach Drohungen von Facebook sehe sich die Initiative gezwungen, ihr Instagram-Forschungsprojekt einzustellen. Einen ausführlichen Bericht dazu gibt es hier.

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4. “Die Online-Medien haben stark an Bedeutung gewonnen”
(medienpolitik.net)
Im Gespräch mit medienpolitik.net nimmt Peter Frey, Chefredakteur des ZDF, unter anderem Stellung zur Berichterstattung über die Hochwasserkatastrophe: “Das große Interesse am Geschehen und Schicksalen in den Hochwassergebieten sowie am Verlauf der Corona-Pandemie hält immer noch an. Seit März vergangenen Jahres werden unsere Nachrichtensendungen überdurchschnittlich stark eingeschaltet.” Und etwas unvermittelt fügt er an: “Weil das in der medienpolitischen Debatte ja immer wieder eine Rolle spielt: uns braucht niemand zu belehren, wie wichtig schnelle Reaktionen und die Bereitschaft, aus dem geplanten Programm auszusteigen, fürs Profil sind.”

5. “ND” gründet Genossenschaft
(taz.de, Volkan Ağar)
Lange war nicht klar, ob und wie es mit der linken Tageszeitung “nd” (einst “Neues Deutschland”) weitergeht, doch nun wurden die ersten Schritte für eine ­nd.­Genossenschaft unternommen. Am Samstag hätten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Satzung verabschiedet und erste Genossenschaftsanteile gezeichnet. Das Vorhaben werde nun dem Prüfungsverband der kleinen und mittelständischen Genossenschaften vorgelegt, dessen Entscheidung in rund drei Monaten erwartet werde.

6. Kleine Pause
(sueddeutsche.de, Aurelie von Blazekovic)
Wie halten es die Öffentlich-Rechtlichen mit dem Gendern? Aurelie von Blazekovic hat sich bei den Sendern umgehört und kommt zu dem Fazit: “In einer Welt, in der viele mitsprechen, fällt es schwerer, sich auf eine Sprache zu einigen. Eine Vielzahl von Regelungen existiert nebeneinander. Bei aller Komplexität, Verwirrung und Irritation heißt das aber auch: Hier wird experimentiert, reagiert, verworfen, neu probiert. Und das ist doch eine gute Nachricht für jede, jeden, für alle.”

Rettet unsere Mitarbeiter:innen, Fehlende Analyse, “FAZ”-Kündigung

1. Rettet unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Afghanistan!
(spiegel.de)
Mehrere deutsche Verlage, Redaktionen, Sender und Medienhäuser wenden sich in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesaußenminister Heiko Maas und bitten um die Ausstellung von Visa für die afghanischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter deutscher Medien: “Ohne diese mutigen Afghan:innen hätten die deutsche Öffentlichkeit und die Politik nicht über die Rahmenbedingungen des 20-jährigen Bundeswehreinsatzes informiert werden können. Für das Engagement der Bundesrepublik in Afghanistan war die Arbeit dieser Menschen ebenso unverzichtbar wie die der Bundeswehrübersetzer. So groß die Bedeutung dieser Mitarbeiter:innen ist, so überschaubar ist ihre Zahl, die nicht mehr als wenige Dutzend Menschen umfasst, einschließlich ihrer Familien.”

2. Fehlende Analyse
(taz.de, Peter Weissenburger)
Beim Umgang mit Falschbehauptungen tue sich der deutsche Nachrichtenjournalismus aus einer falsch verstandenen Neutralität oftmals sehr schwer. Dabei dürfen und sollten Falschaussagen politischer Figuren durchaus kritisch eingeordnet werden, wie Peter Weissenburger in seinem Text ausführt. Andernfalls drohe die False Balance: “Populistische Strategien funktionieren in einem solchen Journalismus der ‘falschen Balance’ besonders gut. Das ist aus den letzten beiden US-Wahlkämpfen sowie aus der Präsidentschaft Donald Trumps bekannt. Aber auch aus der Coronapandemie. Gerade wenn fragwürdige Aussagen oder deren Inhalt direkt in Überschriften stehen, handelt es sich nicht um eine neutrale Wiedergabe dieser Aussagen, sondern um eine Verstärkung. Dasselbe gilt für scheinbar neutrale Begriffe wie ‘Kritik’, ‘Vorwurf’ oder ‘Provokation’.”

3. Happy Birthday, FragDenStaat!
(netzpolitik.org)
Das Transparenzportal “FragDenStaat” ermöglicht es jedem Bürger und jeder Bürgerin, ganz einfach Anfragen an staatliche Stellen nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu schicken, auf die diese (theoretisch) antworten müssen. Anlässlich des zehnten Geburtstags würdigt die netzpolitik.org-Redaktion die Arbeit der Initiative und sagt: “Danke, weiter so!” Wir vom BILDblog schließen uns da gern an.

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4. Das »nd« wandelt sich zur Genossenschaft und bleibt anders!
(nd-aktuell.de, Ines Wallrodt & Corinna Meisenbach & Fabian Hillebrand & Matthias Ritter & Daniel Lücking & Georg Ramsperger)
Beim “nd” (vormals “Neues Deutschland”) kündigen sich größere Veränderungen an: “Ab dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Tageszeitung von einer Genossenschaft herausgegeben, die der Belegschaft und den Leserinnen und Lesern gehört. (…) Wir werden unsere eigenen Chefs. Die Zeitung soll uns gehören, nicht mehr einer Partei oder einem Verlag. Uns, den Redakteurinnen und Redakteuren und den Verlagsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern. Und Ihnen. Sowie wir das Okay des genossenschaftlichen Prüfungsverbands haben, können Sie Mitglied werden.”

5. Sender GB News wird zum Sprachrohr von Rechtspopulisten
(fr.de, Sebastian Borger)
Der britische Sender GB News sei einst als seriöser Nachrichtensender gestartet, jetzt aber nicht viel mehr als ein britischer Verschnitt von Fox News, berichtet Sebastian Borger aus London. Das habe etwas mit der Eigentümerstruktur zu tun: “Für ihre bisher 60 Millionen Pfund (70,6 Millionen Euro) teure Investition wünscht sich die Gruppe exilierter Milliardäre, darunter Hedgefonds-Veteran Paul Marshall und die in Dubai beheimatete Investmentfirma Legatum von Christopher Chandler, ein Spiegelbild ihrer eigenen Ansichten: Brexit-begeistert, skeptisch bis feindselig gegenüber jenen, die von der Klimakrise sprechen, Rassismus- und Kapitalismus-Kritik üben.”

6. Was ich mit Prozessen bei Verlagen meine, wenn ich von Prozessen bei Verlagen schreibe
(indiskretionehrensache.de)
Nach 15 Jahren kündigt Thomas Knüwer sein “FAZ”-Abo. Das, was er beim Kündigungsvorgang erlebt, enttäuscht ihn ein weiteres Mal.

Die Opfer von “Bild” (7)

In der Woche vom 26. Juli bis 1. August haben die “Bild”-Medien mindestens 31 Mal Fotos von Menschen gezeigt, die Opfer eines Unglücks oder Verbrechens geworden sind, davon fünfmal Kinder oder Jugendliche.

In zwei Fällen war das Gesicht verpixelt, in 29 Fällen gab es keinerlei Unkenntlichmachung.

***

Bild.de zeigt zum Beispiel das Gesicht eines 13-jährigen Jungen, der ermordet wurde:

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "Kaltblütige Tat schockt England - Teenager ermorden 13-Jährigen", dazu ein großes Foto des Jungen
(Unkenntlichmachung von uns.)

Und das Gesicht einer Frau, die bei einem Hundeangriff ums Leben kam:

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "Familie spricht von Massaker - Sechs Pitbulls zerfleischen 53-Jährige", dazu ein großes Foto der Frau
(Unkenntlichmachung von uns.)

Und das Gesicht einer Teenagerin, die in einem Kino in den USA erschossen wurde:

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "Niemand hörte die Schüsse - Teenagerin (18) mitten im Film in Kino erschossen", dazu ein großes Foto der jungen Frau
(Unkenntlichmachung von uns.)

Und erneut die Gesichter zweier Menschen, die bei einer Bootskollision gestorben sind:

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "[...] (25) und [...] (37) starben bei Boot-Crash - Deutscher Gardasee-Totraser wieder frei", dazu ein Foto des zerstörten Bootes sowie Porträtfotos der beiden Opfer
(Unkenntlichmachungen von uns.)

Am häufigsten veröffentlichten “Bild” und Bild.de – wie in der Woche davor – Fotos einer Frau, die sie “Die Tote aus dem Nazi-Bunker” nennen:

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "Bewegender Abschied am Nazi-Bunker - Sohn schickt ermordeter [...] (26) letzten Gruß", dazu ein Foto des Bunkers, vor dem mehrere Grabkerzen und ein Shirt mit einem Gruß des Sohnes liegen, außerdem ein Foto der Frau
Screenshot von der BILD.de-Startseite: "[...] (26) tot in Nazi-Bunker abgelegt - Polizei hat einen Verdächtigen!", dazu ein Foto des Bunkers und ein Foto der Frau
Screenshot von der BILD.de-Startseite: "Tote aus dem Nazi-Bunker - Polizei nimmt Ex-Liebhaber (29) von [...] (26) fest!", dazu ein Foto des Mannes bei der Festnahme sowie ein Foto der Frau und das Bild-Plus-Logo
Screenshot von der BILD.de-Startseite: "Ex soll [...] in Nazi-Bunker getötet haben - 'Wenn ich dich nicht haben kann, dann keiner'", dazu ein Foto der beiden sowie das Bild-Plus-Logo
Ausriss aus der BILD-Zeitung: "[...] (26) starb im Nazi-Bunker - tötete [...] (29) sie aus kranker Eifersucht? - 'Wenn ich dich nicht haben kann, soll dich keiner haben'", dazu ein Foto des Mannes bei der Festnahme sowie ein großes Foto des Paares
Ausriss aus der BILD-Zeitung: "Überführt ein Rad den Bunker-Killer?", dazu ein Foto des Mannes bei der Festnahme sowie ein Foto der Frau
(Alle Unkenntlichmachungen von uns. Dem Verdächtigen hat die Redaktion in manchen Fotos einen schwarzen Augenbalken spendiert; das Opfer bekommt keine Verpixelung.)

Mindestens 18 Mal haben die “Bild”-Medien bisher Artikel veröffentlicht, in denen private Fotos der Frau gezeigt werden. Viele davon stammen von ihrer Facebookseite.

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Nach einem Verbrechen oder Unglück in Social-Media-Profilen zu wühlen und daraus Fotos der Opfer zu veröffentlichen, ist redaktioneller Alltag bei “Bild”. Häufig erscheinen solche Fotos ohne jede Verpixelung und ohne Zustimmung der Angehörigen oder Hinterbliebenen.

In vielen Fällen werden Freunde, Kollegen oder Familienmitglieder sogar von Reportern bedrängt, damit sie Fotos der Menschen herausrücken, die sie gerade verloren haben.

“Bild” begründet die Veröffentlichung solcher Bilder damit, dass “nur so” die Tragik “deutlich und fassbar” werde.

Wie jedoch viele Betroffene selbst darüber denken, kann man zum Beispiel hier nachlesen. Dort sagt der Vater eines Mädchens, das beim Amoklauf von Winnenden getötet wurde und deren Foto in den Tagen darauf immer wieder in der “Bild”-Zeitung erschien:

Die “Bild”-Zeitung und andere, auch Fernsehsender, ziehen Profit aus unserem Leid! Dreimal hintereinander sind Bilder [unserer Tochter] erschienen, ohne dass wir das gewollt hätten. Wir hätten das nie erlaubt. Die reißen die Bilder an sich und fragen nicht danach, was wir Hinterbliebenen denken und fühlen.

Pressekodex Richtlinie 8.2

Die Identität von Opfern ist besonders zu schützen. Für das Verständnis eines Unfallgeschehens, Unglücks- bzw. Tathergangs ist das Wissen um die Identität des Opfers in der Regel unerheblich. Name und Foto eines Opfers können veröffentlicht werden, wenn das Opfer bzw. Angehörige oder sonstige befugte Personen zugestimmt haben, oder wenn es sich bei dem Opfer um eine Person des öffentlichen Lebens handelt.

In einem Interview in unserem Buch sagt ein anderer Betroffener, dessen Bruder bei einem Skiunfall gestorben ist und später ohne Erlaubnis der Angehörigen groß auf der Titelseite der ”Bild”-Zeitung zu sehen war:

Das war eines der schlimmsten Dinge an der Geschichte: Dass die “Bild” die Kontrolle darüber hat, mit welcher Erinnerung mein Bruder geht. Dass das letzte Bild von der “Bild”-Zeitung kontrolliert wird und nicht von ihm selbst oder von uns.

Auch in anderen Medien kommt es vor, dass solche Fotos veröffentlicht werden. Doch niemand macht es so häufig und so eifrig wie “Bild”. Mehr als die Hälfte aller Rügen, die der Presserat je gegen die “Bild”-Medien ausgesprochen hat, bezog sich auf die unzulässige Veröffentlichung von Opferfotos.

Um zu verdeutlichen, in welchem Ausmaß “Bild” auf diese Weise Profit aus dem Leid von Menschen zieht, wollen wir hier regelmäßig dokumentieren, wie häufig die “Bild”-Medien solche Fotos veröffentlichen.

Gezerre um Rundfunkbeitrag, Erneut eingegriffen, Stilkritik Parteiplakate

1. Rundfunkbeitrag darf erhöht werden
(tagesschau.de)
Eigentlich hatten sich alle Beteiligten auf eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags verständigt, doch Sachsen-Anhalt blockierte das Vorhaben, indem es die dafür notwendige Abstimmung im Landtag absagte. Das Bundesverfassungsgericht wertete dies nun als eine Verletzung der im Grundgesetz festgeschriebenen Rundfunkfreiheit – der Rundfunkbeitrag darf um um 86 Cent auf 18,36 Euro pro Monat erhöht werden. Bei “DWDL” kommentiert Uwe Mantel: “All jenen, die nun von einer ‘undemokratischen Entscheidung’ des Gerichts sprechen: Es hat einen guten Grund, dass der Einfluss der Politik auf ARD und ZDF begrenzt ist und die Höhe des Rundfunkbeitrags eben kein Ergebnis demokratischer Verhandlungen ist, sondern sich am Bedarf der Anstalten festmacht. Schließlich ist es die Aufgabe der Journalistinnen und Journalisten der Häuser, der Politik auf die Finger zu schauen – da sollte man sie so unabhängig wie möglich vom Wohlwollen einzelner Parteien in einzelnen Ländern machen.”
Weiterer Lesetipp: Springers rasende Wut auf das Bundesverfassungsgericht (uebermedien.de, Stefan Niggemeier).

2. Erneut eingegriffen
(taz.de, Volkan Ağar)
In der Theorie agiert die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) unabhängig und überparteilich, doch in der Praxis und mit Blick auf das Agieren des Bundesministeriums des Innern (BMI) muss dies bezweifelt werden: “Denn nachdem das BMI der bpb letzthin eine Links-Extremismusdefinition des Verfassungsschutzes diktiert hat, hat es auch die Veröffentlichung des Sammelbandes ‘Extreme Sicherheit. Rechtsradikale in Polizei, Verfassungsschutz, Bundeswehr und Justiz’ verzögert und erst in Begleitung eines ergänzenden Onlinedossiers erlaubt.”

3. Wenn das neue Format der Topfpflanze nicht gefällt
(journalist.de, Mark Heywinkel)
Mark Heywinkel ist Leiter der Abteilung Formatentwicklung bei “Zeit Online”. In der Reihe “Wie machen wir den Journalismus widerstandsfähiger?” verrät er seine fünf persönlichen Tipps zur Entwicklung neuer journalistischer Formate. Vieles davon ist für jeden interessant, der sich im weitesten Sinn schöpferisch, schriftstellerisch oder redaktionell betätigt.

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4. Die Plakate zur Bundestagswahl 2021
(designtagebuch.de, Achim Schaffrinna)
Der Kommunikationsdesigner Achim Schaffrinna hat sich mit den Plakaten zur anstehenden Bundestagswahl beschäftigt und dabei die Kampagnen von CDU, SPD, FDP, Grünen, AfD und Linken analysiert. Er rät jedoch dazu, sich nicht zu sehr von Äußerlichkeiten beeinflussen zu lassen: “Wahlprogramme bieten eine deutlich bessere Grundlage für einen Wahlentscheid als Plakate, unabhängig davon, wie sie gestaltet sind. Nicht, dass Ästhetik und Gestaltungsqualität nicht auch wichtig wären, gerade im Kontext der Informationsvermittlung sind sie bedeutsam! Der persönliche Geschmack in Sachen Farben sowie Bild- und Formensprache sollte jedoch nicht ausschlaggebend dafür sein, an welcher Stelle man sein Kreuzchen macht.”

5. Gerd Schulte-Hillen ist tot
(sueddeutsche.de)
Fast 20 Jahre lang leitete Gerd Schulte-Hillen den Zeitschriftenverlag Gruner + Jahr, in dem unter anderem “Stern”, “Geo” und “Brigitte” herausgegeben werden. Jetzt ist der Verlagsmanager im Alter von 80 Jahren gestorben.

6. Türkische Zeitung druckt erfundenes Laschet-Interview
(faz.net)
In der Europa-Ausgabe der türkischen Zeitung “Sabah” ist ein Interview mit Armin Laschet erschienen, das laut Düsseldorfer Staatskanzlei nie stattgefunden haben soll. “Sabah” habe erklärt, man habe das Interview von der Website von Faruk Şen übernommen, dem ehemaligen Direktor des Zentrums für Türkeistudien in Essen. Dort sei es mittlerweile gelöscht worden.

Dieses “Willkür”-Geraune ist gefährlich

Vor wenigen Tagen veröffentlichte “Bild” keinen herkömmlichen Kommentar zur Corona-Lage, sondern einen “CORONA-WUT-KOMMENTAR”, schließlich musste “Bild”-Parlamentsbüro-Leiter Ralf Schuler in seinem Urlaub in Bayern derartigen “Wahnsinn” durchleben:

Am Frühstücksbuffet geht es in Pfeilrichtung am Müsli vorbei. In Plastikhandschuhen angelt man mit der Zange nach Brötchen.

Irre.

Am Montag gab es in “Bild” erneut eine Art Wut-Kommentar, verfasst von “Bild”-Chef Julian Reichelt, allerdings nicht als “WUT-KOMMENTAR” deklariert, sondern als “Essay”.

Screenshot Bild.de - Staat verbietet Querdenker-Demos, aber andere nicht - Diese Willkür ist gefährlich!

Liest man Reichelts Text, könnte man auf die Idee kommen, dass es in Deutschland keine Gewaltenteilung mehr gibt, als wären demokratische Grundprinzipien abgeschafft worden. Der Rechtsstaat? Laut Reichelt nicht mehr existent, zumindest nicht in Berlin. Gerichtliche Entscheidungen? Alles nur noch “Willkür” im Sinne der Regierung. In jeder Zeile riecht es nach Verschwörung, der “Bild”-Chef mischt alles zusammen: “viele Politiker”, die “Regierenden”, die Justiz, die Polizei – bei Reichelt klingen sie alle wie Demokratie-Gefährder.

Reichelts zentrale Beobachtung: In Berlin werden mehrere “Querdenker”-Demos verboten, obwohl eine Woche zuvor noch die Teilnehmer des Christopher Street Day durch die Stadt ziehen durften. Er schreibt dazu:

Und immer mehr beschleicht mich das Gefühl: Recht scheint immer häufiger, was den Regierenden gefällt. Zwei Wochenenden in unserer Hauptstadt, in der unser Parlament steht, sich aber zu den wichtigsten Fragen unserer Freiheit wegduckt: Vor einer Woche der Christopher Street Day (CSD), gestern die verbotene Demo der “Querdenker”.

Erst habe er beim CSD Zehntausende Menschen auf den Straßen gesehen, “dicht an dicht, ohne Maske, tanzend, singend, feiernd, Arm in Arm”, am vergangenen Sonntag hingegen: “Polizei in der ganzen Stadt. An Autobahnabfahrten und Zufahrtsstraßen. Die deutsche Hauptstadt abgeriegelt. Blaulicht, Hubschrauber, Martinshorn.”

Seinen Artikel könnte man auf “Querdenker”-Plakate drucken: “Rechte hat, wer den Wünschen unserer Regierung folgt”. Dort, wo der Regierung der Protest nicht passe, setze sie laut Julian Reichelt Polizei und Justiz ein. Exekutive, Legislative, Judikative – für Reichelt und “Bild” alles die gleiche freiheitsberaubende oder sich wegduckende Bande.

Reichelts Gleichsetzung von CSD und “Querdenken” funktioniert auch nur, weil er sich keinerlei Mühe macht, das Verbot der “Querdenker”-Demos zu erklären. An keiner Stelle nennt er die Begründungen des Gerichts. Man kann sie nachlesen, etwa in einer der drei Pressemitteilungen des letztinstanzlichen Oberverwaltungsgerichts (OVG) Berlin-Brandenburg. Darin bestätigt das OVG zuvor getroffene Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Berlin folgendermaßen:

Der Auffassung der Antragsteller, dass das Nichttragen einer Maske sowie die Nichteinhaltung der Abstandsregeln von ihrer verfassungsrechtlich geschützten Versammlungsfreiheit gedeckt sei, hat sich das Gericht nicht angeschlossen. (…) Das Verwaltungsgericht habe eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit angenommen, weil Leben und Gesundheit von Menschen mit Blick auf die Gefahr einer COVID-19-Infektion gefährdet seien, wenn die Versammlungsteilnehmer den Mindestabstand und die jeweils zu beachtenden Hygieneregeln wie das Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske missachteten. Diese Annahme habe das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet. Nichts anderes ergebe sich daraus, dass die Polizei bei anderen Versammlungen – etwa zum Christopher Street Day – nicht gegen die Missachtung der Pflicht zum Maskentragen und zur Einhaltung des Mindestabstandes eingeschritten sei. Die vorliegenden Versammlungen seien nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts anders zu beurteilen. Sie stünden im Zusammenhang mit einer Vielzahl von für dieses Wochenende angemeldeten Versammlungen, die den Corona-Maßnahmen-Kritikern und “Querdenkern” zuzurechnen seien. Deren Versammlungen zeichneten sich deutschlandweit dadurch aus, dass die Teilnehmer sie nutzten, um öffentlichkeitswirksam gegen zur Eindämmung der Infektionsgefahr geschaffene Rechtsnormen zu verstoßen, insbesondere indem sie das Abstandsgebot und die Maskenpflicht missachteten.

Und:

Das Hygienekonzept lasse deutliche Zweifel an der Bereitschaft des Antragstellers aufkommen, effektiv auf die Einhaltung der infektionsschutzrechtlichen Anforderungen hinzuwirken. So sehe es etwa das Tragen eines Mund-Nasenschutzes grundsätzlich nicht vor.

Und:

Der 1. Senat weist darauf hin, dass Verstöße gegen allgemeine rechtliche Vorgaben nicht als Teil des Protests gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen von der Versammlungsfreiheit gedeckt sind, wenn sie wie hier zugleich Gefahren für die Gesundheit und das Leben von Menschen begründen.

Während die “Querdenker”-Demos laut OVG also darauf ausgelegt sind, gegen die Hygieneregeln zu verstoßen, gibt es dieses verbindende Element beim CSD nicht. Es stimmt ganz sicher, dass beim Umzug durch Berlin neulich auch zahlreiche CSD-Teilnehmer ohne Maske unterwegs waren. Aber eben nicht als zentrale Idee der Demonstration. Dafür liefert die “Bild”-Redaktion selbst den Beleg: Zur Bebilderung von Reichelts “Essay” wählte sie ein Foto des CSD, auf dem die Personen zwar sehr eng beieinander stehen, aber so gut wie alle eine Maske tragen:

Ausriss Bild-Zeitung - Foto vom CSD

Wenn Julian Reichelt schreibt, dass “mit identischen Methoden” auch der CSD verboten werden könnte, dann hat er insofern Recht, dass auch der CSD beispielsweise im nächsten Jahr nicht stattfinden dürfte, wenn sich überraschend herausstellen sollte, dass das Nicht-Tragen von Schutzmasken zum grundlegenden CSD-Konzept gehört, oder dass der Veranstalter es darauf auslegt, die rechtlichen Vorgaben zu missachten. Auch das ist ein Aspekt, den Reichelt nicht erwähnt: Das Verbot der “Querdenken”-Demos basiert auf zuvor gemachten Erfahrungen mit der Bewegung. Beim CSD gab es zuvor hingegen keine massenhafte Missachtung der Hygieneregeln, auf deren Grundlage ein Gericht ein Verbot hätte aussprechen können.

Reichelts Justiz-Verachtung gipfelt in diesem Absatz:

Gerichte haben die Verbote der “Querdenker”-Demo bestätigt. Das kann man rechtsstaatlich nennen, aber ich sage: In Berlin ist inzwischen zu vieles politisch. Die Justiz, die Straftäter aus politischen Gründen nicht mehr verfolgt, weil sie als “bunt” gelten – Hausbesetzer zum Beispiel.

Der “Bild”-Chef meint offenbar, dass sich die Berliner Justiz nicht mehr im rechtsstaatlichen Rahmen bewegt. Damit sein Weltbild passt, muss Reichelt gleich mehrere Teile der Realität ausblenden: Er verschweigt, dass die Gerichte in Berlin sehr wohl Urteile gegen Hausbesetzer sprechen. Im Oktober 2020 beispielsweise räumte die Polizei das Haus in der Liebigstraße 34 im Berliner Bezirk Friedrichshain, nachdem das Berliner Landgericht ein entsprechendes Urteil gesprochen hatte. Im Januar 2018 räumte die Polizei eine ehemalige Schule in Berlin-Kreuzberg, die von Geflüchteten besetzt wurde. Auch dazu gab es ein Urteil des Berliner Landgerichts. Zum Køpi-Wagenplatz sprach ein Gericht im Juni dieses Jahres ein Räumungsurteil, die Räumung steht noch aus. Im August 2020 räumte die Polizei die linke Kiezkneipe Syndikat in Berlin-Neukölln. Das Betreiberkollektiv hatte auf die Kündigung des Eigentümers nicht reagiert und die Kneipe weiterbetrieben. Ein Berliner Gericht sprach daraufhin ein Räumungsurteil. Und sollte es Julian Reichelt bei seinem Geraune über die politisierte “Willkür”-Justiz um die Rigaer Straße 94 gehen: Dort scheiterten die Räumungsklagen bisher nicht daran, dass die Gerichte die Bewohner für so wunderbar “bunt” hielten, sondern daran, dass für sie unklar blieb, wer der wahre Eigentümer ist, und ob die Klagenden wirklich klagebefugt sind.

Und noch ein Stück Realität, das Reichelt für seine Argumentation ausblenden muss: Derselbe Senat desselben Oberverwaltungsgerichts, der am vergangenen Wochenende die “Querdenken”-Demo verbot und dessen Treue zum Rechtsstaat der “Bild”-Chef infrage stellt, ließ Reichelts Stellvertreter Florian von Heintze Ende August 2020 noch in einem Kommentar jubeln:

Screenshot Bild.de - Gericht kippt Demo-Verbot in Berlin - Triumph für den Rechtsstaat

Das OVG Berlin-Brandenburg kippte am 29. August 2020 nämlich ein Versammlungsverbot des Berliner Polizeipräsidenten, wodurch Proteste gegen die Corona-Maßnahmen, auch der “Querdenker”-Bewegung, in der Hauptstadt stattfinden konnten. Das Gericht schrieb damals dazu:

Zur Begründung hat der 1. Senat u.a. darauf abgestellt, dass die Anmelder konkrete individuelle Hygienekonzepte vorgelegt hätten. Sowohl die ausreichend dimensionierten Versammlungsflächen als auch die Anzahl der eingesetzten Ordner und Deeskalations-Teams sowie die vorgesehene Blockbildung innerhalb des Aufzugs rechtfertigten kein Versammlungsverbot.

Es scheint ganz einfach zu sein: Wenn ein Gericht ein Urteil fällt, das der Meinung Reichelts entspricht, feiern er und sein Blatt den Rechtsstaat; lernt das Gericht dazu – auch das massenhafte Missachten der Maskenpflicht und der Abstandsregeln bei den Protesten am 29. August 2020 dürften dazu geführt haben, dass das OVG inzwischen zu einer anderen Entscheidung gelangt – und fällt ein gutes Jahr später auf einer veränderten Grundlage ein anderes Urteil, ist das laut Reichelt alles “Willkür”, politisch motiviert und nicht rechtsstaatlich.

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Die Opfer von “Bild” (6)

Nach den verheerenden Überschwemmungen in vielen Regionen Deutschlands titelte “Bild” am 21. Juli:

Ausriss aus der BILD-Zeitung: "Feuerwehrmann [...] (46) aus Altena wurde von den Wassermassen getötet, als er helfen wollte. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet sagte im TV: "ER IST EIN HELD" - dazu ein großesFoto des Feuerwehrmanns, der ein "Daumen Hoch" gibt.Sein Gesicht ist verpixelt.

Auch online erschien das Foto groß auf der Startseite:

Screenshot von BILD.de: "Feuerwehrmann [...] (46) wurde getötet, als er helfen wollte - DER FLUT-HELD VON ALTENA"

Die Unkenntlichmachung des Gesichts stammt ausnahmsweise nicht von uns, sondern von “Bild”. Neben dem Foto erklärt die Redaktion:

Feuerwehrmann […] (46) ist ein Held unseres Landes. Mit Rücksicht auf seine Witwe hat BILD ihn auf diesem Foto unkenntlich gemacht.

Die Witwen und Hinterbliebenen vieler anderer Menschen sind “Bild” hingegen egal. Allein in der Woche vom 19. bis 25. Juli haben die “Bild”-Medien mindestens 30 Mal Fotos von Menschen gezeigt, die Opfer eines Unglücks oder Verbrechens geworden sind – bis auf den Feuerwehrmann war keines der Fotos unkenntlich gemacht.

***

Bild.de veröffentlichte zum Beispiel das Foto eines Mannes, der bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam:

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "Pilot und drei Teenager sterben bei Absturz - Rundflug in den Tod", dazu ein Foto der Trümmer an der Unglücksstelle sowie ein Foto des Piloten

(Unkenntlichmachung von uns.)

***

Und Fotos einer Frau, die beim Bungeespringen gestorben ist. Quelle: Facebook.

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "Horror-Unfall in Kolumbien - Frau springt ohne Bungee-Seil von 50-Meter-Brücke - tot", dazu ein Foto der Frau

(Unkenntlichmachung von uns.)

***

Und das private Foto einer Frau, die in Frankreich ermordet wurde:

Screenshot von BILD.de: Ein großes Foto einer Frau und ein kleineres Foto eines Mannes, dazu die Bildunterschrift: "[...] (32) wurde von ihrem Killer über Monate hinweg gestalkt und schließlich ermordet"

(Unkenntlichmachungen von uns.)

***

Bild.de und “Bild am Sonntag” zeigten auch Fotos einer fünfköpfigen Familie, die mutmaßlich im Hochwasser ums Leben gekommen ist:

Titelseite der BILD am SONNTAG: "GANZE FAMILIE VON DER FLUT VERSCHLUCKT", dazu ein Foto der Eltern sowie drei Fotos der Kinder

(Unkenntlichmachungen von uns.)

***

Am häufigsten zeigten die “Bild”-Medien Fotos einer Frau, die sie “Die Tote aus dem Nazi-Bunker” nennen:

Ausriss aus der BILD-Zeitung: "Tote [...] lag im Nazi-Bunker", dazu ein Foto der Frau

Screenshot von der BILD.de-Startseite:: "ERMORDET! - 5 Tage galt [...] (26) als vermisst - Jetzt wurde die junge Mutter tot im Nazi-Bunker gefunden", dazu ein Foto des Bunkers und ein Foto der Frau

SScreenshot von der BILD.de-Startseite:: "Liche lag in Nazi-Bunker mitten im Wald - Hier wurde die ermordete [...] (26) gefunden", dazu ein Satellitenbild, auf dem der Fundort mit einem großen Pfeil markiert ist, außerdem ein Foto der Frau

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "Junge Mutter ermordet in Nazi-Bunker gefunden - [...] (26) wurde auf Waldweg abgefangen!", dazu ein Foto des Bunkers, ein Foto der Frau und das Bild-Plus-Logo

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "Tote [...] (26) aus dem Nazi-Bunker - 'Entweder liebt man mich oder man hasst mich' - Die junge Mutter mochte Schlager und hatte ein Herz für Schwächere", dazu ein Foto des Bunkers und ein Foto der Frau

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "Junge Mutter lag tot im Nazi-Bunker - Drei Theorien zum Mord an [...] (26)", dazu ein Foto des Bunkers, ein Foto der Frau und das Bild-Plus-Logo

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "Die Tote aus dem Nazi-Bunker - Die letzten Bilder von [...] (26) - Was verraten die Aufnahmen aus der Überwachungskamera am Bahnhof?", dazu ein Foto der Überwachungskamera, auf dem die Frau zu sehen ist

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "Die Tote aus dem Nazi-Bunker - Darum nahm [...] (26) den dunklen Waldweg", dazu ein Foto der Überwachungskamera, auf dem die Frau zu sehen ist

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "[...] (26) letzte Worte an Freunde - 'Ich fahre doch den anderen Weg, da ist Schatten' ++ Ihre Leiche lag in einem Nazi-Bunker ++ Wie die Ermittler das Mord-Puzzle lösen wollen ++", dazu ein Foto der Überwachungskamera, auf dem die Frau zu sehen ist

(Alle Unkenntlichmachungen von uns.)

Bild.de zeigt zahlreiche Fotos des Bunkers (unter anderem per Drohne aufgenommen), außerdem ein Foto des Hauses, in dem die Frau gelebt hat; sogar ein Foto ihrer Wohnungstür. Und immer wieder Fotos aus ihrem Facebookprofil:

Screenshot von BILD.de: Ein Foto einer Frau, dazu die Bildunterschrift: "Nachdenklich, romantisch: Auch so zeigte sich [...] (26) in ihren Facebook-Profilen. Sie liebte Schlager, hatte ein großes Herz für Schwächere" "Foto: Privat"

***

Nach einem Verbrechen oder Unglück in Social-Media-Profilen zu wühlen und daraus Fotos der Opfer zu veröffentlichen, ist redaktioneller Alltag bei “Bild”. Häufig erscheinen solche Fotos ohne jede Verpixelung und ohne Zustimmung der Angehörigen oder Hinterbliebenen.

In vielen Fällen werden Freunde, Kollegen oder Familienmitglieder sogar von Reportern bedrängt, damit sie Fotos der Menschen herausrücken, die sie gerade verloren haben.

“Bild” begründet die Veröffentlichung solcher Bilder damit, dass “nur so” die Tragik “deutlich und fassbar” werde.

Wie jedoch viele Betroffene selbst darüber denken, kann man zum Beispiel hier nachlesen. Dort sagt der Vater eines Mädchens, das beim Amoklauf von Winnenden getötet wurde und deren Foto in den Tagen darauf immer wieder in der “Bild”-Zeitung erschien:

Die “Bild”-Zeitung und andere, auch Fernsehsender, ziehen Profit aus unserem Leid! Dreimal hintereinander sind Bilder [unserer Tochter] erschienen, ohne dass wir das gewollt hätten. Wir hätten das nie erlaubt. Die reißen die Bilder an sich und fragen nicht danach, was wir Hinterbliebenen denken und fühlen.

Pressekodex Richtlinie 8.2

Die Identität von Opfern ist besonders zu schützen. Für das Verständnis eines Unfallgeschehens, Unglücks- bzw. Tathergangs ist das Wissen um die Identität des Opfers in der Regel unerheblich. Name und Foto eines Opfers können veröffentlicht werden, wenn das Opfer bzw. Angehörige oder sonstige befugte Personen zugestimmt haben, oder wenn es sich bei dem Opfer um eine Person des öffentlichen Lebens handelt.

In einem Interview in unserem Buch sagt ein anderer Betroffener, dessen Bruder bei einem Skiunfall gestorben ist und später ohne Erlaubnis der Angehörigen groß auf der Titelseite der ”Bild”-Zeitung zu sehen war:

Das war eines der schlimmsten Dinge an der Geschichte: Dass die “Bild” die Kontrolle darüber hat, mit welcher Erinnerung mein Bruder geht. Dass das letzte Bild von der “Bild”-Zeitung kontrolliert wird und nicht von ihm selbst oder von uns.

Auch in anderen Medien kommt es vor, dass solche Fotos veröffentlicht werden. Doch niemand macht es so häufig und so eifrig wie “Bild”. Mehr als die Hälfte aller Rügen, die der Presserat je gegen die “Bild”-Medien ausgesprochen hat, bezog sich auf die unzulässige Veröffentlichung von Opferfotos.

Um zu verdeutlichen, in welchem Ausmaß “Bild” auf diese Weise Profit aus dem Leid von Menschen zieht, wollen wir hier regelmäßig dokumentieren, wie häufig die “Bild”-Medien solche Fotos veröffentlichen.

Uploadfilter-Gesetz, Schleichwerbung auf Insta, 10 Jahre “FragDenStaat”

1. Was sich jetzt mit dem Uploadfilter-Gesetz ändert
(spiegel.de, Patrick Beuth)
Gestern trat das lang umkämpfte Uploadfilter-Gesetz in Kraft. Patrick Beuth hat die Unternehmen hinter Youtube, Facebook, TikTok und Twitch gefragt, wie sie ihre Plattformen umgebaut haben, um Overblocking zu vermeiden. Drei der vier Befragten wollten nicht darüber reden. Der Widerstand gegen die Regelung gehe weiter: Die ehemalige Europaabgeordnete Julia Reda will die Umsetzung des Gesetzes überprüfen und hat mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte einen Aufruf gestartet.

2. Influencer:innen müssen sich vor Gericht wegen Schleichwerbung behaupten
(netzpolitik.org, Rahel Lang)
Derzeit verhandelt der Bundesgerichtshof (BGH) anhand von drei Fällen über die Kennzeichnungspflicht von Produktempfehlungen auf Instagram. Dem für September erwarteten Urteil wird große Bedeutung beigemessen: “Die anstehende Entscheidung des BGH ist ein Meilenstein in der Frage um Kennzeichnungspflicht von Produkten auf Instagram. Das Urteil des obersten Gerichts wird sich auf die Prozesse weiterer Influencer:innen, die von dem Verband abgemahnt wurden, auswirken.”

3. 10 Jahre FragDenStaat: Fortschritte sind durchaus erkennbar
(fragdenstaat.de, Arne Semsrott)
Wohl kaum eine Institution hat sich um die Informationsfreiheit in Deutschland so verdient gemacht wie die Transparenz-Initiative “FragDenStaat”. Nun feiert das mittlerweile 13-köpfige Team den zehnten Geburtstag der Plattform: “Wir sind stolz darauf, dass es uns mit FragDenStaat trotz aller Widerstände seit zehn Jahren immer besser gelingt, Menschen dabei zu unterstützen, sich für Informationsfreiheit einzusetzen und zu zeigen, was für demokratische Möglichkeiten im freien Zugang zu Informationen stecken. Mehr als 100.000 Personen haben fast 200.000 Anfragen über die Plattform gestellt.”

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4. Die Zeitungsfälscher: Wie ein skurriles Netzwerk aus Fake-Accounts auf Facebook Stimmung macht
(correctiv.org, Alice Echtermann)
Eine “Correctiv”-Recherche hat ein Netzwerk gefälschter Profile rund um die erfundene Zeitung “NRW Kurier” aufgedeckt: “Dahinter steckt ein Mann, der uns gegenüber seine Identität nicht preisgeben wollte. Er bezeichnet das Ganze als privates Kunstprojekt. Eine ‘Liebhaberei’, die er weiter betrieb, obwohl seine Seite schon seit einiger Zeit so gut wie keine Aufmerksamkeit auf Facebook mehr erzeugte. Dies ist eine Geschichte über die Skurrilität von Desinformation und über Menschen, die aus Wut über die ‘Lügenpresse’ beginnen, ‘Fake News’ zu produzieren.”

5. Kein Einzelfall
(taz.de, Jessica Ramzcik)
Der Fotojournalist Tim Mönch soll ins Visier des sächsischen Verfassungsschutz geraten sein, weil er 2019 (in rechtlich zulässiger Weise) einen rechten “Zeitzeugenvortrag” im sächsischen Leubsdorf fotografierte. Er gelte beim Staatsschutz nun als Linksextremist. Mönch wolle sich gegen diese Einstufung wehren. Das werde – trotz anwaltlicher Hilfe – jedoch “wahrscheinlich noch Jahre dauern”.

6. Wer stärkt hier eigentlich wen?
(deutschlandfunkkultur.de, Vera Linß & Dennis Kogel, Audio: 21:06 Minuten)
Die ARD hat seriöse Inhalte und sehnt sich nach jungem Publikum. TikTok hat das junge Publikum und sehnt sich nach seriösen Inhalten. Da liegt der Gedanke einer Zusammenarbeit nahe. Doch neben Zukunftschancen bietet eine derartige Kooperation auch Gefahren. Die Liste der Vorwürfe an TikTok ist recht umfassend. Erst jüngst ist das Unternehmen wieder ins Gerede gekommen: Es habe laut “Spiegel” versucht, verdeckte Spenden an die Junge Union zu zahlen (nur mit Abo lesbar).

KW 30: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, endlich Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Samstagsausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

***

1. ZAPP Spezial: Strategien im Online-Wahlkampf
(ndr.de, Nils Altland & Johannes Jolmes & Kim Kristin Mauch, Video: 28:43 Minuten)
94 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung sind laut Onlinestudie von ARD und ZDF zumindest gelegentlich online. Da drängt es sich geradezu auf, den Wahlkampf nicht nur offline, sondern auch online zu führen. Vielleicht war der Online-Wahlkampf sogar noch nie so entscheidend wie bei der kommenden Bundestagswahl. Wie gehen die Parteien vor? Welche Strategien verfolgen sie? Das Medienmagazin “Zapp” hat sich auf Social Media umgeschaut und mit verschiedenen Politikerinnen und Politikern gesprochen.

2. Pressefreiheit grenzenlos
(reporter-ohne-grenzen.de)
Im neuen Podcast von Reporter ohne Grenzen geht es um die Leute, für die sich die Organisation tagtäglich einsetzt. Welchen Gefahren sind Medienschaffende durch ihre Arbeit ausgesetzt? Und wie gelingt es, dass sie frei berichten können? Die aktuelle Folge von “Pressefreiheit grenzenlos” führt nach Belarus: Mit der Macht der Bilder gegen die Mächtigen.

3. Sabine Rückert, wie kamen Sie zum Verbrechen?
(zeit.de, Jochen Wegner & Christoph Amend, Audio: 7:31:15 Stunden)
Beim “Zeit”-Podcast “Alles gesagt?” wird so lange geplaudert, bis alle Fragen beantwortet sind und alles gesagt wurde, was zu sagen war. Auch wenn das, wie im vorliegenden Fall, siebeneinhalb Stunden dauert. Deswegen das Geständnis des Kurators: Ich habe diese Folge nicht komplett gehört, empfehle sie trotzdem. Zu Gast ist Sabine Rückert, stellvertretende Chefredakteurin der “Zeit” und erfolgreiche Podcast-Macherin (“Zeit Verbrechen”). Es geht unter anderem um ihren persönlichen Werdegang, auch um ihre Zeit bei “Bild”, ihren Blick auf den heutigen Feminismus sowie ihr Verhältnis zum Journalismus und zum Fall Kachelmann.

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4. Generation Praktikum: Kampf um den Lebenslauf
(druckausgleich.podigee.io, Annkathrin Weis & Luca Schmitt-Walz, Audio: 36:32 Minuten)
“Alle Praktika, die ich gemacht habe, waren eine mega Erfahrung. Aber …”, sagt die Journalistin Luisa Thomé. Um exakt jenes “Aber” geht es in der aktuellen Folge von “Druckausgleich”, dem Podcast über den Berufsstart in der Medienbranche. Der Talk dreht sich um Bezahlung, Einbindung und Wertschätzung für Praktikanten und Praktikantinnen im Medienbusiness.

5. Blick hinter die Fassade politischer Kampfbegriffe
(deutschlandfunkkultur.de, Arno Orzessek, Audio: 6:29 Minuten)
In David Ranans Sammelband “Sprachgewalt” dreht sich alles um missbrauchte Wörter und andere politische Kampfbegriffe. Arno Orzessek hat das Buch gelesen: “‘Sprachgewalt’ verknüpft Begriffsgeschichte mit Realgeschichte, blickt kritisch auf den Medienhype, in dem manche Wörter jeden präzisen Sinn verlieren, entlarvt die sprachpolitischen Strategien von Rechten und Linken, von Konservativen und Revoluzzern, von Israel-Freunden und -Feinden.”

6. Unsere Väter – die größten Showmaster Deutschlands
(ndr.de, Andreas Gerling & Christian Stöffler, Video 2:19:00 Stunden)
Wie haben die Kinder der größten Showmaster der deutschen Fernsehgeschichte ihre Väter erlebt? Wie sehen die Söhne und Töchter jetzt, aus der zeitlichen Distanz, das Werk und Schaffen ihrer Väter? Wie war es früher, das Kind eines berühmten Fernsehstars zu sein? Welche Schattenseiten, welche Brüche gab es im Leben und in der Karriere der Väter? In der mehr als zweistündigen Doku erinnern sich die Töchter und Söhne von Hans Rosenthal, Hans-Joachim Kulenkampff, Peter Frankenfeld, Wim Thoelke, Harald Juhnke, Dieter Thomas Heck, Kurt Felix, Rudi Carrell und Heinz Quermann sowie die Enkelin von Peter Alexander an die Zeiten von damals.

7. Was können wir von der BILD im Wahlkampf erwarten?
(wasmitmedien.de, Audio: 1:32:44 Stunden)
Als zusätzliche Empfehlung, weil in eigener Sache: In der neuen Ausgabe von “Was mit Medien” ist mein BILDblog-Kollege Moritz Tschermak zu Gast und spricht unter anderem über das von ihm und Mats Schönauer verfasste Buch “Ohne Rücksicht auf Verluste – Wie BILD mit Angst und Hass die Gesellschaft spaltet”.

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