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Betr.: Jugendsünden

Es gibt eine Faustformel, wann eine öffentliche Debatte in der Bundesrepublik durch ist: Wenn Springer-Chef Mathias Döpfner in die “Bild”-Redaktion stürmt (so stellen wir uns das jedenfalls bildlich vor), ein mit Füllfederhalter beschriftetes Blatt Büttenpapier auf den Tisch wirft und sagt: “Ich hab da mal was aufgeschrieben!”

Gestern war es mal wieder soweit:

Screenshot Bild.de - Kommentar von Mathias Döpfner zur Aiwanger-Affäre - Totalschaden

In einem Text, der als “Kommentar” bezeichnet wird und der auch heute in der gedruckten “Bild” erschienen ist, sinniert Döpfner in selbst für “Bild”-Verhältnisse bemerkenswerter Kurzform über das “vorläufige Ergebnis” der Flugblattaffäre um Bayerns stellvertretenden Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger. Er schreibt unter anderem:

Widerliche antisemitische Parolen werden in Deutschland als “Jugendsünde” verbucht.

Leider geht Mathias Döpfner in seinem “Bild”-Kommentar nicht genauer darauf ein, wo und von wem die antisemitischen Parolen als “Jugendsünde” verbucht werden und wer dazu beigetragen hat. Und da müssen wir mal was aufschreiben.

Dafür gehen wir gut eineinhalb Wochen zurück, in die Zeit, als die Debatte um Hubert Aiwanger und dessen Vergangenheit – die Urheberschaft der antisemitischen Flugblätter hatte bereits Hubert Aiwangers Bruder Helmut übernommen – so richtig in Schwung gekommen ist. Zu der Zeit liefen mehrere öffentliche Diskussionen parallel: Eine drehte sich um die Eignung Hubert Aiwangers als Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident in Bayern; eine andere darum, ob die “Süddeutsche Zeitung” die Vorwürfe, die sich im Nachhinein als zumindest unscharf herausgestellt hatten, überhaupt hätte veröffentlichen dürfen; in einer dritten ging es erst einmal darum, den Begriff “Jugendsünde”, den Helmut Aiwanger für sein eigenes Flugblatt verwendet hatte, semantisch auszupendeln – um auf Basis des Ergebnisses dann eine der anderen beiden Diskussionen (oder gleich beide) weiterzuführen.

Da pendelte auch “Bild” mit:

Screenshot Bild.de - Schläger, Schummler, Kommunisten - Die Jugendsünden unserer Politiker

In der “Bild”-Redaktion fiel die Aufgabe, den Begriff “Jugendsünde” irgendwie mit Leben zu füllen, offenbar Hans-Jörg Vehlewald zu, der sich dem Thema differenziert widmen zu wollen schien:

Wie kann jemand als Jugendlicher menschenverachtende Nazi-Witze verbreiten und sich später als Erwachsener zum Demokraten wandeln?

Ist Einsicht möglich? Dieser Frage mussten sich schon andere Politiker stellen. Beispiele zeigt Beispiele.

(Vom letzten Satz nicht verwirren lassen: Es ist Bild.de, das hier Beispiele zeigt, aber so ein Fehler kann ja nun wirklich jedem mal passieren!)

Was Vehlewald zusammengetragen hat, wirkt wie das Ergebnis einer Umfrage in der Redaktionskantine, was einem alles zum Thema “Jugendsünde” einfalle – “Dalli, Dalli!”.

Los geht es zum Beispiel mit Joschka Fischer:

Ex-Außenminister Joschka Fischer (75, Grüne) prügelte als 25-jähriger Straßenkämpfer mit Motorradhelm in Frankfurt/Main auf einen wehrlos am Boden liegenden Polizisten ein. Später als Bundesminister bekannte er: “Ja, ich war militant” – und blieb nach heftigen Debatten im Amt.

Weiter mit Sawsan Chebli:

Sawsan Chebli (45, SPD), ehemals angestellt beim Berliner Senat und beim Auswärtigen Amt, gab selbst zu, als Kind palästinensischer Flüchtlinge “Juden für das Leid der Palästinenser und für das Schicksal meiner Eltern verantwortlich gemacht” zu haben: “Ich war wütend.” Auf Twitter (X) griff sie Bayerns Freie-Wähler-Chef Aiwanger für dessen “Jugendsünde” dennoch scharf an und unterstellte mittelbar allen Aiwanger-Verteidigern, selbst Nazis, Rassisten oder Antisemiten zu sein. (Der Tweet wurde später wieder gelöscht.)

Das verräterische ist hier das Konjunktionaladverb “dennoch”, das Vehlewald verwendet. So als habe Chebli das Recht verwirkt, Antisemitismus zu kritisieren. Außerdem wirken ihre Zitate in der verkürzten Wiedergabe bei Bild.de etwas anders als im Kontext des “Tagesspiegel”-Interviews, in dem sie diese geäußert hatte:

Als Jugendliche habe ich Juden für das Leid der Palästinenser und für das Schicksal meiner Eltern verantwortlich gemacht. Ich war wütend, dass Juden einen eigenen Staat haben und wir staatenlos und bitterarm sind. Ich war wütend, dass meine Eltern zwanzig Jahre in einem libanesischen Lager leben mussten, elf Geschwister dort zur Welt gekommen sind, ohne jede Perspektive, ohne Chance auf Rückkehr in ihr Land. Ich war oft wütend und habe auch Hass gespürt. […] Im Laufe der Jahre ist aus Wut und Hass der Wunsch gewachsen, Brücken zu bauen und junge Menschen auf beiden Seiten zusammenzubringen, um Hass zu überwinden.

Über Bundeskanzler Olaf Scholz weiß Vehlewald zu berichten, dass dieser als Vizechef der Jusos für die “Überwindung der kapitalistischen Ökonomie” eingetreten war, sich gegen die “aggressiv-imperialistische Nato” ausgesprochen und die Bundesrepublik als “europäische Hochburg des Großkapitals” bezeichnet hatte. Über Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, schreibt er, dass dieser “als Student und Lehrer-Anwärter zwei Jahre beim Kommunistischen Bund Westdeutschland (KBW) aktiv” war, “vom Verfassungsschutz überprüft” wurde und 1975 erklärt hatte, “er stehe der extrem linken K-Gruppe nahe.”

Es ist natürlich möglich, dass Hans-Jörg Vehlewald diese Beispiele mit Hilfe von eigenen und fremden Erinnerungen und ausführlicher Archiv-Recherche zusammengestellt hat. Er hätte sich diese Mühe aber zumindest nicht machen müssen, denn einen Tag vor seinem eigenen Artikel war beim rechten Online-Magazin “Apollo News” ein Text über die “erschreckenden Jugendsünden von Grünen- und SPD-Politikern” erschienen, in dem all diese Fälle, teilweise mit den exakt gleichen Zitaten, vorkamen.

Bei Bild.de gibt es aber noch mehr:

Ex-Umweltminister Jürgen Trittin (69, Grüne) weigerte sich gegenüber dem Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts Siegfried Buback, sich von einem 1977 verfassten Pamphlet linker RAF-Sympathisanten (“Mescalero-Brief”) zu distanzieren. Der Verfasser hatte damals “klammheimliche Freude” über die RAF-Morde bekundet. Trittin stellte später klar, er habe mit dem Schreiben nie etwas zu tun gehabt, verurteile jede Form von Terror.

Vehlewald spielt hier auf eine Episode an, die im Januar und Februar 2001 die deutsche Öffentlichkeit beschäftigt hatte: In einem Zug war Siegfried Bubacks Sohn Michael zufällig auf Jürgen Trittin getroffen und hatte ihn auf den berühmt-berüchtigten Text des “Göttinger Mescaleros” über die Ermordung Siegfried Bubacks angesprochen. Trittin wusste bei dieser Begegnung im Zug offenbar nicht, dass sein Gegenüber der Sohn des Ermordeten war, und erklärte schon kurz danach, sich den Brief nie zu eigen gemacht zu haben. Und auch die “Bild”-Formulierung “Trittin stellte später klar, er habe mit dem Schreiben nie etwas zu tun gehabt” ist zumindest irreführend, denn Michael Buback wusste zum Zeitpunkt des Aufeinandertreffens im Zug bereits seit über einem Jahr, wer der Autor des Textes gewesen war. Den Abschnitt zu Jürgen Trittins “Jugendsünde” hat Bild.de mit “RAF-Nähe?” überschrieben.

Immerhin ist jemandem in der “Bild”-Redaktion noch aufgefallen, dass die Zusammenstellung der “Jugendsünden” so recht einseitig wäre. Und so finden sich neben den zwei Beispielen zu Leuten der SPD und dreien von den Grünen auch noch zwei ehemalige Unions-Politiker in der Aufstellung:

Ex-Bundesfamilienminister Heiner Geißler (starb 2017 mit 87 Jahren) half als 22-jähriger Jesuiten-Schüler in Südtirol einer nationalistischen Terrorgruppe (“Tiroler Bumser”) bei Anschlägen, transportierte sogar auf seinem Motorrad (“Adler 250”) Dynamit durch die Alpen. “Unwissentlich”, wie er später einräumte.

Okay, das klingt selbst in dieser Reihe erstaunlich drastisch – wobei Bild.de vielleicht der Fairness halber hätte erwähnen können, dass die Anschläge welche auf Strommasten waren.

Wie will man das toppen?

Bild.de versucht es so:

Seine Doktorarbeit kostete Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (51, CSU) den Posten. Seitenweise hatte der Unionspolitiker aus anderen Arbeiten abgeschrieben, tat die Affäre zunächst als läppisch ab, stürzte am Ende über die Plagiate. Inzwischen hat er eine neue Doktorarbeit an der britischen Southampton Business School (Universität Southampton) nachgereicht. Thema: Geschichte der Banküberweisungen.

Das ist insofern bemerkenswert, als die “Bild”-Medien damals alles getan hatten, um den Minister im Amt zu halten, und Karl-Theodor zu Guttenberg bei der Abgabe seiner Doktorarbeit nicht mehr ganz so jugendliche 35 Jahre alt gewesen war.

Die Zusammenstellung dieser “Jugendsünden” vor dem Hintergrund der Aiwanger-Enthüllungen ist einigermaßen rätselhaft: Die eingangs gestellte Frage “Ist Einsicht möglich?” beantwortet der Text nur teilweise. Und dort, wo Einsicht offenbar vorhanden war, etwa bei Sawsan Chebli, thematisiert Hans-Jörg Vehlewald diese Entwicklung nicht weiter. Die Art der von Bild.de ausgewählten “Jugendsünden” ist so unterschiedlich, dass man am Ende gar nicht mehr weiß, worum es jetzt eigentlich geht: um klassische linke Rhetorik, um den unwissentlichen Transport von Sprengstoff, um körperliche Gewalt gegen Polizisten, um Plagiate in Doktorarbeiten – und um antisemitische Flugblätter?!

Es kann ja immer hilfreich sein, Äpfel mit Birnen zu vergleichen, um deren Unterschiede und Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten, aber hier drängt sich dann doch der Verdacht auf, eine lose Sammlung von Notizen sei versehentlich veröffentlicht worden. Dieses Durcheinander dürfte vor allem der Argumentation Helmut Aiwangers und dessen Versuch helfen, das Flugblatt als “Jugendsünde” einordnen zu lassen – ach, lass gut sein, sind doch irgendwie alles “Jugendsünden”. Oder wie Mathias Döpfner sagen würde: “Widerliche antisemitische Parolen werden in Deutschland als ‘Jugendsünde’ verbucht.”

Da ist es dann auch egal, wenn Vehlewald seine bis hierhin schon eklektische Parade jetzt völlig über die Klippe gehen lässt:

Übrigens: Jugendsünden der weitaus harmloseren Sorte gestanden zwei weitere Politiker kürzlich ein.

► Schaumschläger: Ex-SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz (67) gab im Interview zu, er habe als Jugendlicher nach durchzechter Nacht eine Packung Waschpulver im heimischen Freibad versenkt – und sei nur knapp der Polizei entkommen.

► Schulschwänzer: Bundesfinanzminister Christian Lindner (44, FDP) gestand, er habe als Schüler den Englisch-Unterricht regelmäßig geschwänzt, sei zur Abi-Deutsch-Prüfung zu spät gekommen und habe sich für das Mathe-Abi ausschließlich mit Red-Bull und Milchschnitten vorbereitet, statt zu lernen.

Es war in diesen Tagen ausgerechnet Franz Josef Wagner, der den Begriff “Jugendsünde” für die “Bild”-Medien einmal klar mit Leben füllte:

Ich fuhr mit 17 ohne Führerschein. Ich betrank mich mit 17 und wurde von der Polizei für eine Nacht in eine Zelle gesteckt. Ich schrieb von einem Kumpel die Mathearbeit ab. Ich klaute Comic-Hefte. Ich war ein Lügner beim Sex. Ich sprach von Liebe und wollte nur grapschen.

Er fuhr fort:

Die Jugendsünden der Aiwanger-Brüder sind unverzeihbar. Als ersten Preis wird da ein Freiflug durch den Schornstein in Auschwitz ausgelobt in ihrem Pamphlet. Ich weiß nicht, wie man so etwas Krankes in sein Gehirn kriegt.

Es sind keine Jugendsünden. Jugendsünden sind fröhlich. Die Jugendsünden der Aiwangers sind schwarz und böse.

Jugendsünden, die gleichzeitig “keine Jugendsünden” und doch irgendwie welche, nur halt “unverzeihbar” sind. Das deckt sich auf logischer Ebene ungefähr mit der “Jugendsünden”-Sammlung von Bild.de.

Mit Dank auch an Jochen Z.

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“Bild” übernahm eine wahrscheinlich erfundene Geschichte eines Neonazis

Liest man den Bild.de-Artikel vom 16. August, findet man darin keine Zweifel:

Brutale Attacke in Chemnitz: Ein Mann wurde von unbekannten Tätern angegriffen. Mit einer Machete hackten sie dem 28-Jährigen dabei mehrere Finger ab!

Die Tat ereignete sich am Dienstag gegen 15 Uhr in einer Parkanlage an der Helbersdorfer Straße. Nach der Attacke flüchteten die schwarz Maskierten in Richtung Stadtpark.

Genauso eindeutig klingt es in der Überschrift:

Screenshot Bild.de - Brutaler Angriff in Chemnitz - Vermummte hacken Neonazi drei Finger mit Machete ab

So ist es gewesen, kein Konjunktiv, kein “soll”.

Heute, knapp zwei Wochen später, ist klar, dass etwas mehr Distanz und deutlich weniger Zueigenmachen dieser Geschichte des angeblichen Opfers besser gewesen wäre:

Screenshot Bild.de - Ermittlungen gegen vermeintliches Opfer - Neonazi soll Macheten-Überfall erfunden haben
(Augenbalken durch Bild.de, weitere Verpixelung durch uns.)

Bild.de schreibt dazu:

Jetzt die überraschende Wende: Am Montag teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit, dass gegen den Mann wegen Vortäuschens einer Straftat und gegen einen weiteren Beschuldigten wegen schwerer Körperverletzung ermittelt wird.

Dem nun Mitbeschuldigten, der sich jetzt wegen schwerer Körperverletzung verantworten muss, waren die Ermittler durch Auswertung von Mobiltelefonen auf die Schliche gekommen. Der Deutsche soll nach BILD-Informationen wie Alexander W. der rechtsextremen Szene angehören.

Laut LKA und Staatsanwaltschaft Chemnitz hat der Überfall so nie stattgefunden. Oberstaatsanwältin Ingrid Burghart (59) zu BILD: “Nach den Ermittlungen hat sich ein Überfall durch Linke nicht bestätigt.”

Der Fall habe “bundesweit für Aufsehen” gesorgt, schreibt die “Bild”-Redaktion. Zu ihrer eigenen Rolle bei der Verbreitung der wahrscheinlich erfundenen Geschichte eines Neonazis schreibt sie nichts.

Gesehen bei @jan_wiebe.

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Radio-Razzia rechtswidrig, Kritik an “SZ”, Auf ein Stück Erdbeertorte

1. Razzia bei Radio Dreyeckland war rechtswidrig
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Wie netzpolitik.org berichtet, habe das Landgericht Karlsruhe die Hausdurchsuchungen beim Freiburger Sender Radio Dreyeckland (RDL) letztinstanzlich für rechtswidrig erklärt. Dies hätten der Sender und die juristisch beteiligte Gesellschaft für Freiheitsrechte mitgeteilt. Die Durchsuchungen waren erfolgt, nachdem RDL einen Link zum Archiv der 2017 verbotenen Internetseite linksunten.indymedia.org veröffentlicht hatte. Das Gericht habe betont, dass die Durchsuchungen mehrere Grundrechte verletzt hätten und eine einschüchternde Wirkung ausüben könnten.

2. Kritik an der Berichterstattung der SZ
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers & Sören Brinkmann, Audio: 8:12 Minuten)
Am Samstag berichtete die “Süddeutsche Zeitung” über ein antisemitisches Flugblatt (nur mit Abo lesbar), das vor rund 35 Jahren in einem bayerischen Gymnasium gefunden und mit dem heutigen stellvertretenden bayerischen Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger in Verbindung gebracht wurde. Aiwanger bestreitet, das Flugblatt verfasst zu haben. Stattdessen sagt sein Bruder, er sei der Urheber. Die Art der Berichterstattung hat Kritik hervorgerufen. Stefan Niggemeier erklärt im Interview mit dem Deutschlandfunk, worum es im Einzelnen geht und was die “Süddeutsche” seiner Meinung nach hätte besser machen können.

3. Auf ein Stück Erdbeertorte bei ganz normalen Leuten
(uebermedien.de, Lisa Kräher)
Bei “Übermedien” kritisiert Lisa Kräher die Berichterstattung der “Zeit” über Menschen, die 2020 versucht haben, das Reichstagsgebäude in Berlin zu stürmen. Kräher bemängelt, dass die Redaktion den Beteiligten eine große Plattform biete, ohne deren Motive und Hintergründe ausreichend kritisch zu hinterfragen. Sie argumentiert, dass die Darstellung verharmlosend wirken könne und die tatsächlichen Probleme nicht angemessen adressiere. Besonders kritikwürdig seien aus ihrer Sicht die von der “Zeit” in deren Social-Media-Kanälen verwendeten Zitatkacheln.

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4. “Hier findet Entgrenzung statt”
(taz.de Wilfried Urbe)
Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW, spricht im Interview mit der “taz” über die Herausforderungen von Hass und Desinformation im Internet. Er betont, dass die Gesellschaft zunehmend Verantwortung übernehme, indem sie entsprechende Hassbotschaften melde. Die NRW-Initiative “Verfolgen statt nur Löschen” habe bereits zu zahlreichen Ermittlungsverfahren und Verurteilungen geführt: “Nachdem wir 2018 starteten, haben wir inzwischen 1.500 Anzeigen an das LKA NRW beziehungsweise das BKA weitergeleitet. Daraus sind 900 Ermittlungsverfahren entstanden und 400 Beschuldigte identifiziert worden. Aktuell laufen 52 Anklagen, bisher kam es zu 38 Verurteilungen.”

5. Länder wollen Intendantengehalt im RBB-Staatsvertrag deckeln
(tagesspiegel.de, Joachim Huber)
Wie Joachim Huber beim “Tagesspiegel” berichtet, sieht der neue Staatsvertrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) eine Gehaltsobergrenze für die Intendanz von 180.000 Euro vor – deutlich weniger als das derzeitige Gehalt der Senderchefin Katrin Vernau von 295.000 Euro. Die Ziele der Reform seien eine bessere Kontrolle, höhere Wirtschaftlichkeit und mehr Transparenz im Sender. Neben der Gehaltskürzung seien auch strukturelle Veränderungen wie die Verschlankung der Senderspitze und die Professionalisierung der Aufsichtsgremien geplant.

6. Youtuber sind keine Journalisten
(djv.de, Hendrik Zörner)
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) kritisiert ein Urteil des Verwaltungsgerichts Minden, das einen Youtuber mit professionellen Journalistinnen und Journalisten gleichstelle. Das Gericht habe laut “FAZ” entschieden, dass es für die unterstellte Pressetätigkeit ausreichend sei, einen Youtube-Kanal zu haben, und die Reichweite des Kanals dabei unerheblich sei. Der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall findet das befremdlich und “verhaltensoriginell”. Er fragt unter der etwas generalisierend wirkenden Überschrift “Youtuber sind keine Journalisten”: “Wie will man eigentlich noch journalistische Angebote von lustigen Katzenvideos und anderem Klamauk unterscheiden?”

24-Stunden-Frist, DLF bedauert Gewaltaufruf, Gelöschte Kritik

1. ver.di kritisiert Kanzleramt wegen 24-Stunden-Frist zur Kommentierung des BND-Gesetzes
(dju.verdi.de, Daniela Milutin)
Das Bundeskanzleramt habe betroffenen Verbänden und Organisationen, einschließlich der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di, lediglich 24 Stunden Zeit gegeben, um den Referentenentwurf zur Überarbeitung des BND-Gesetzes zu kommentieren. Christoph Schmitz, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand, kritisiert diese kurze Frist und betont, dass das BND-Gesetz die Rechte von Journalistinnen und Journalisten nicht ausreichend schütze, was bereits zu Kritik vom Bundesverfassungsgericht geführt habe. Die dju fordert das Kanzleramt auf, die Frist zur Stellungnahme anzupassen und die Verbände angemessen zu beteiligen.
Weiterer Lesehinweis: Bundeskanzleramt simuliert Verbändebeteiligung mit 24-Stunden-Frist (netzpolitik.org, Markus Reuter).

2. LinkedIn löscht sachliche Kritik an AfD
(netzpolitik.org, Tomas Rudl)
Wie netzpolitik.org berichtet, hat der SPD-Bundestagsabgeordnete Robin Mesarosch auf LinkedIn vor einer Zusammenarbeit mit der AfD gewarnt. Sein Beitrag sei daraufhin von der Plattform wegen angeblicher Hassrede gelöscht worden. Mesarosch klage nun mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) gegen die Löschung, da er die Maßnahme als Einschränkung seiner Meinungsfreiheit sieht. Die GFF argumentiert, dass Plattformen nicht willkürlich vorgehen dürfen und in Mesaroschs Beitrag keine Herabwürdigung zu erkennen ist.

3. Außergerichtlich geeinigt
(taz.de, Christian Rath)
Der Axel-Springer-Verlag und der geschasste “Bild”-Chefredakteur Julian Reichelt haben ihren arbeitsgerichtlichen Streit mit einem Vergleich beigelegt, wodurch Reichelt seine Abfindung von zwei Millionen Euro behalten könne. Der ursprünglich für den 15. November angesetzte Prozess sei abgesagt worden; die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Berlin gegen Reichelt wegen Betrugs würden hingegen weiterlaufen. Die Kontroverse hatte mit Vorwürfen des Machtmissbrauchs gegen Reichelt begonnen. Als Gerüchte aufkamen, dass Reichelt nach seiner Entlassung anderen Medien Unterlagen aus seiner Springer-Zeit angeboten haben könnte, habe der Verlag die Abfindung infrage gestellt.

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4. DLF bedauert gesendeten Gewaltaufruf gegen Selenskyi
(dwdl.de, Manuel Weis)
Im Deutschlandfunk (DLF) wurde eine Hörermeinung ausgestrahlt, in der gefordert wurde, den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj “lebendig zu vierteilen”. Diese Passage der Sendung “Kontrovers” sei mittlerweile entfernt worden, der Sender habe für den Vorfall um Entschuldigung gebeten. Der DLF habe die Ausstrahlung als “Fehler eines erfahrenen Redaktionsteams” bezeichnet und interne Gespräche angekündigt, um zu klären, wie es dazu kommen konnte.

5. Fußball-Experten ohne Distanz?
(deutschlandfunk.de, Constantin Eckner, Audio: 5:14 Minuten)
Der Deutschlandfunk beschäftigt sich mit dem Transferjournalismus, also der Berichterstattung über Spielerverkäufe im Profifußball (siehe dazu auch die “6 vor 9” vom 16. August). Das Interesse an den millionenschweren Deals sei immens, die journalistische Neutralität gerate dabei jedoch manchmal in den Hintergrund, so Sportjournalist Constantin Eckner: “Transfers sind gewiss ein besonderes Spektakel. Dieses mit ausreichender journalistischer Distanz zu beobachten, ist mitunter die größte Herausforderung.”

6. Die Formel 1 und das gute Gefühl, dass jederzeit etwas passieren könnte
(uebermedien.de, Sebastian Hotz)
Im Rahmen der “Übermedien”-Serie “Geheimen Leidenschaften” reflektiert Sebastian Hotz, bekannt als “El Hotzo”, seine Faszination für die Formel 1 trotz der offensichtlichen moralischen und ökologischen Bedenken, die der Sport mit sich bringe. Für ihn liege die Magie unter anderem “in den gewaltigen Anstrengungen, die Fernsehsender auf der ganzen Welt auf sich nehmen, um diesen Sport vollends zu vermarkten und aus perfekten Athleten, die in perfekten Autos perfekte Runden um perfekte Strecken drehen, irgendetwas aufregendes zu machen. Und darauf falle ich nur allzu gerne rein.”

Lindemann-Berichterstattung, Erfundener Tweet?, Drosselung bei X

1. Wenn aus Erin­ne­rungs­lü­cken ein Ver­ge­wal­ti­gungs­ver­dacht wird
(lto.de, Felix W. Zimmermann)
Bei den ganzen gerichtlichen Entscheidungen zur Berichterstattung unterschiedlicher Medien über Rammstein-Sänger Till Lindemann kann man schnell den Überblick verlieren: Was wurde von Gerichten alles untersagt? Und was darf aktuell noch berichtet werden? Da ist es praktisch, dass Felix W. Zimmermann bei “Legal Tribune Online” genau dazu einen Überblick liefert, die aktuellsten Entscheidungen des Landgerichts Hamburg einordnet (“Erstmals werden nun auch Schilderungen von Frauen verboten, aus denen sich der Verdacht der Vergewaltigung ergibt.”) und einen Ausblick gibt, wie es juristisch weitergeht.
Weiterer Lesehinweis: Lindemann war juristisch auch gegen Formulierungen in einer Petition der Organisation Campact vorgegangen. Nach einem Hinweis des Landgerichts Berlin soll der Anwalt des Rammstein-Sängers den Unterlassungsantrag gegen Campact allerdings zurückgezogen haben. Bei Tagesschau.de folgern Daniel Drepper, Elena Kuch, Sebastian Pittelkow und Isabel Schneider aus dem Vorgang, dass man dem Landgericht Berlin zufolge “das Rekrutierungssystem um Lindemann wohl als ‘sexuellen Missbrauch’ bezeichnen” dürfe.

2. RTL setzt Zusammenarbeit mit “Explosiv”-Moderator Maurice Gajda aus
(uebermedien.de, Frederik von Castell)
Im RTL-Magazin “Explosiv” wurde am 5. August in einem Beitrag ein angeblicher Tweet der ehemaligen AfD-Politikerin Frauke Petry eingeblendet, der inzwischen gelöscht sei. Es gibt allerdings große Zweifel daran, dass es diesen Tweet je gegeben hat. Der Vorwurf: Der Reporter habe sich den Tweet ausgedacht. Frederik von Castell berichtet, dass RTL nun erste Konsequenzen ziehe: “Der Sender teilte Übermedien auf Anfrage mit, dass er die Zusammenarbeit mit Moderator und Reporter Maurice Gajda vorerst aussetzt, ‘bis die im Raum stehenden Vorwürfe geklärt sind’.” Von Castell bietet in seinem Beitrag zusätzlich noch einen Service: “Eigentlich sollte man Journalist:innen im Jahr 2023 nicht mehr erklären müssen, wie man Inhalte, die man online findet, sichert. Muss man aber offenbar doch”. Deshalb erklärt er noch einmal, wie online das richtige Archivieren funktioniert.
Weiterer Lesehinweis: Bei “DWDL” schreibt Alexander Krei, er habe von Maurice Gajdas Management als Beweis einen Link zugeschickt bekommen, der einst zum fraglichen, aber längst gelöschten Tweet von Frauke Petry geführt haben soll. Das Problem laut Krei: Dieser Link verweist bekanntermaßen zu einem anderen gelöschten Tweet Petrys.

3. FR-Belegschaft mit Offenem Brief an Ippen: “Enorme Ungerechtigkeit” bei der Bezahlung
(journal-frankfurt.de, Katja Thorwarth)
“Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Frankfurter Rundschau sind unzufrieden mit ihrem Gehalt”, schreibt Katja Thorwarth und berichtet von einem Offenen Brief, in dem die Belegschaft von der Geschäftsführung des Ippen-Verlags eine “Rückkehr in eine tarifliche Bezahlung” fordert. Thorwarth kennt sich mit der Materie aus: Sie schrieb einst selbst für die “Frankfurter Rundschau”.

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4. RBB weist Vorwürfe gegen Chefredakteur Biesinger zurück
(dwdl.de, Manuel Weis)
Der RBB widerspreche vehement einem Bericht des Portals “Business Insider”, der sich mit dem inzwischen gestoppten Bau des Medienhauses des öffentlich-rechtlichen Senders befasse und RBB-Chefredakteur David Biesinger Fehler ankreide.

5. X verhängte Zeitstrafe für missliebige Links
(spiegel.de)
Die einst als Twitter bekannte Plattform X soll für bestimmte Links eine Drosselung eingebaut haben: “Experten entdeckten eine merkwürdige Verzögerung, die auftrat, wenn man in dem sozialen Netzwerk Links aufrief, die zur ‘New York Times’, zur Nachrichtenagentur Reuters sowie zu mehreren Konkurrenzangeboten führten.” So seien nicht nur aus Sicht von X-Eigentümer Elon Musk unliebsame Medien, sondern auch die zu X in Konkurrenz stehenden Plattformen Bluesky, Facebook und Instagram ausgebremst worden. Laut golem.de habe das Unternehmen die Verzögerung nach öffentlicher Kritik wieder aufgehoben.

6. 35 Jahre Geiseldrama von Gladbeck: Was Medien heute anders machen würden
(deutschlandfunk.de, Herwig Katzer, Audio: 5:32 Minuten)
Vor 35 Jahren, am 16. August 1988, begann das Geiseldrama von Gladbeck. Herwig Katzer nimmt das zum Anlass, noch einmal auf all die furchtbaren Aussetzer der Journalisten und Journalistinnen vor Ort zurückzublicken. Er spricht auch mit einem bemerkenswert selbstkritischen Udo Röbel, der damals nicht davor zurückschreckte, ins Fluchtauto der Geiselnehmer zu steigen und sie aus Köln zu lotsen.

Türkei-Reisen, Mit Lügen Politik machen, Berichte aus der Sahelzone

1. Journalistenverband rät von Türkeireisen ab
(spiegel.de)
Gökay Akbulut, Bundestagsabgeordnete der Partei Die Linke, wurde kürzlich bei ihrer Einreise in die Türkei für mehrere Stunden festgenommen. Vier Jahre alte Social-Media-Posts sollen ihr als “Terrorpropaganda” vorgehalten worden sein. “Wenn selbst die parlamentarische Immunität einer Abgeordneten nicht vor der Festnahme schützt, sei die Gefahr für Journalistinnen und Journalisten umso größer”, warnt der Deutsche Journalisten-Verband. Dessen Bundesvorsitzender Frank Überall sagt: “Wer sich als Journalist schon einmal kritisch in den eigenen Beträgen und in den sozialen Netzwerken über die Türkei, ihren Präsidenten oder die Regierungspartei AKP geäußert hat, sollte sich von dem Land fernhalten.”

2. Wenn mit Lügen Politik gemacht wird
(zeit.de, Kai Biermann)
“Irgendjemand hat es auf sie abgesehen und verbreitet im Internet Lügen. Sie ist das Opfer einer breit angelegten Desinformationskampagne. Steckt dahinter die Führung eines Landes, das sie als Politikerin kritisiert hat?” Kai Biermann schreibt über die EU-Parlamentarierin Hannah Neumann und rekonstruiert dabei sehr lesenswert die Kampagne, die gegen die Politikerin läuft: vom ersten Text mit haltlosen Vorwürfen über offensichtlich extra für dessen Verbreitung geschaffene Twitter-Accounts bis zu vermeintlich seriösen Websites, die die Vorwürfe aufgreifen. Biermann hat mit Expertinnen und Experten für Desinformation über den Fall gesprochen und auch den Urheber des Ausgangstextes per Telefon erreicht.

3. Berliner Sumpf oder BRD-Mief?
(taz.de, Caspar Shaller)
Gut ein Jahr ist es her, dass RBB-Intendantin Patricia Schlesinger fristlos entlassen wurde. Caspar Shaller fasst die damaligen Vorgänge noch einmal zusammen und blickt auf die aktuelle Situation beim öffentlich-rechtlichen Sender. “Doch die Affäre rbb ist weder eine Lokalposse noch eine Geschichte über die dysfunktionale Hauptstadt”, so Shaller, sondern “ein typisches Problem der miefigen BRD”.

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4. Journalist Lutz Mükke beklagt die mediale Vernachlässigung des Sahel
(deutschlandfunk.de, Antje Allroggen, Audio: 8:23 Minuten)
Lutz Mükke forscht und publiziert schon viele Jahre zur Afrika-Berichterstattung deutscher Medien. Im Interview mit dem Deutschlandfunk spricht er speziell über die Sahelzone, die nach dem Putsch im Niger wieder in den medialen Fokus gerückt ist. Deutsche Redaktionen hätten sich bisher “ganz wenig, leider Gottes ganz wenig” für den Sahelraum interessiert, “und das schon seit vielen Jahren”, so Mükke. Man habe sich schon länger nicht mehr “um tiefgreifende Berichterstattung bemüht.” Mükke nennt verschiedene Gründe, die aus seiner Sicht dazu beigetragen haben.

5. Blackbox-Reporting: Wie Journalist*innen über KI und Algorithmen berichten können
(medium.com, Katharina Brunner & Rebecca Ciesielski & Uli Köppen & Cécile Schneider)
Künstliche Intelligenz (KI) und Algorithmen spielen eine immer größere Rolle, auch als Objekt der Berichterstattung. Aber wie können Journalistinnen und Journalisten fachkundig und angemessen kritisch über KI berichten? Ein Team des Bayerischen Rundfunks, das schon länger in dem Themenfeld recherchiert, hat dazu ein sogenanntes Whitepaper veröffentlicht. Es bietet “vier Ansätze für KI-Recherche”: 1. “Wichtig ist, was rauskommt: Recherche mit Experimenten”, 2. “Software auf dem Prüfstand: Recherche mit technischen Analysen”, 3. “Recht auf Einblick: Recherche mit juristischen Mitteln” und 4. “Erklär mir den Algorithmus: Interviews und Anfragen”. Der oben verlinkte Beitrag bietet eine Zusammenfassung, das 19-seitige Whitepaper (PDF) einen ausführlicheren Einblick.

6. Wo Hafer und Korn verloren sind
(coffeeandtv.de, Lukas Heinser)
Über den Auftritt der Medienpersönlichkeiten Markus Lanz und Richard David Precht beim Kongress “Zukunft Handwerk” wurde schon an verschiedenen Stellen geschrieben. Aber so wütend wie der Text von BILDblog-Mitarbeiter Lukas Heinser dürfte kein anderer gewesen sein. Wer sich auch über das Lanz-Precht-Geschwafel von “Hafermilch-Gesellschaft” und über das Mokieren über “Work-Life-Balance”-suchende junge Leute geärgert hat, sollte klicken. Und alle anderen auch.

Höcke-Interview, Schüsse auf die Pressefreiheit, “Barbie”-Verbot

1. Hilfe, mein Interviewer brummt!
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Nach dem MDR-“Sommerinterview” mit dem rechtsextremen thüringischen AfD-Politiker Björn Höcke gab es die Diskussion, ob man jemandem wie Höcke medial Platz geben sollte (siehe die “6 vor 9” von vergangenem Freitag). Und wenn ja, dann wäre die Frage: wie? Nach Sichtung des Interviews hat Stefan Niggemeier noch eine weitere Frage – und auch eine klare Antwort: Die Gesprächsführung des MDR-Moderators zeige, “dass es ein viel elementareres Problem gibt als die gerade mal wieder heftig diskutierte Frage, ob und wie man am besten ein Interview mit Björn Höcke führen sollte. Nämlich: Wie man überhaupt ein Interview führt. Kurz gesagt: So nicht.”

2. Artikel über Rammstein-Sänger von SZ und NDR: Lindemann erwirkt weitere einstweilige Verfügungen
(tagesspiegel.de)
Till Lindemann und dessen Anwälte haben vor dem Landgericht Hamburg einstweilige Verfügungen gegen Artikel des NDR und der “Süddeutschen Zeitung” (nur mit Abo lesbar) erwirkt. Unter dem NDR-Beitrag, der bei tagesschau.de erschienen ist, steht nun: “Das Gericht untersagte auf Antrag des Rammstein-Musikers Till Lindemann, von sexuellen Handlungen zu schreiben, denen die Frauen nicht zugestimmt hätten. Die Redaktion von tagesschau.de hat sich dazu entschieden, die Passagen zunächst entsprechend anzupassen. Der NDR prüft Rechtsmittel.” Einem Twitter-Thread zufolge stehe für die Redaktion der “SZ” bereits fest, dass sie Rechtsmittel gegen die einstweilige Verfügung einlegen wird. Das beteiligte NDR-Rechercheteam betont zu der Entscheidung des Landgerichts: “Große Teile der Berichterstattung bleiben auch nach den Verfügungen online.”

3. Drei Schüsse auf die Pressefreiheit
(taz.de, Knut Henkel)
Vergangene Woche wurde der ecuadorianische Präsidentschaftskandidat Fernando Villavicencio erschossen. Villavicencio war lange als Journalist tätig und “dank seiner investigativen Recherchen, vor allem im hochkorrupten Ölsektor, alles andere als beliebt bei den Eliten”, schreibt Knut Henkel. Der Artikel schlägt einen Bogen zur allgemeinen Lage der Pressefreiheit in Ecuador.
Weiterer Lesehinweis: Anders als im oben verlinkten Artikel zu lesen ist, wurde inzwischen doch nicht die Umweltaktivistin Andrea González Náder, sondern der Journalist Christian Zurita von Villavicencios Partei als Ersatzkandidat nominiert.

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4. Journalisten trotzen den Gefahren
(reporter-ohne-grenzen.de)
Bald jährt sich die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan zum zweiten Mal. Die Organisation Reporter ohne Grenzen erinnert daher “an das Schicksal und den Widerstand afghanischer Journalistinnen und Journalisten. Sie recherchieren trotz schwierigster Bedingungen vor Ort weiter oder informieren die Bevölkerung aus dem Exil.”

5. MDR setzte Belieferung der “Tagesschau” mit Regional-News aus
(dwdl.de, Alexander Krei)
Für mehr als zwei Wochen soll es laut einer Recherche der “Mitteldeutschen Zeitung” (nur mit Abo lesbar) in der App und auf der Website der “Tagesschau” keine Regionalnachrichten aus Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt gegeben haben. Grund dafür sei ein Streit zwischen der in Hamburg angesiedelten Redaktion ARD-aktuell und dem MDR. Alexander Krei schreibt bei “DWDL” dazu: “Im April hatte ARD-aktuell damit begonnen, die für ‘tagesschau.de’ zugelieferten Texte der Landesrundfunkanstalten nicht mehr als externe, sondern als eigene Beiträge zu kennzeichnen. Seither werden die Leserinnen und Leser nicht mehr zur jeweiligen Landesrundfunkanstalt weitergeleitet, sondern bleiben im ‘Tagesschau’-Angebot – was der MDR-Führung offenbar nicht gefällt, weil sie dadurch eine Schwächung des eigenen Angebots fürchtete.” Inzwischen könne man bei tagesschau.de wieder Neuigkeiten aus den drei Bundesländern finden.

6. Libanesische Regierung will »Barbie«-Vorführung verbieten
(spiegel.de)
Der weltweit irre erfolgreiche Film “Barbie” sollte eigentlich Ende des Monats auch im Libanon in die Kinos kommen. Dieses Vorhaben stoppte nun aber der libanesische Kulturminister Mohammed Mourtada: “Barbie” mache “Werbung für Homosexualität und Geschlechtsumwandlung” und verstoße gegen die “moralischen und religiösen Werte”.
Weiterer Lesehinweis: Auch in Kuwait wurde “Barbie” verboten, aufgrund von “Ideen und Überzeugungen, die der kuwaitischen Gesellschaft und öffentlichen Ordnung fremd” seien, teilte der fürs Kino zuständige Zensurausschuss mit.

KW 32/23: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Wochenendausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

***

1. Vom Umgang mit Hintergrundgesprächen
(deutschlandfunk.de, Ann-Kathrin Büüsker, Audio: 49:05 Minuten)
Wie läuft das eigentlich, wenn Journalistinnen und Journalisten auf der einen Seite und Politikerinnen und Politiker auf der anderen zu Hintergrundgesprächen zusammenkommen? Was bedeutet es, wenn ein Gespräch “unter drei” läuft? Und wieso kann schon die Frage maßgeblich sein, wer zu dem Treffen überhaupt eingeladen hat? Im “Politikpodcast” des Deutschlandfunks (Dlf) sprechen Katharina Hamberger, im Dlf zuständig für die Berichterstattung über CDU/CSU und das Bundesinnenministerium, Stephan Detjen, Leiter des Hauptstadtstudios, Johannes Kuhn, der die Partei Die Linke und die Digitalisierungspolitik journalistisch bearbeitet, und Ann-Kathrin Büüsker, Klimakorrespondentin und zuständig für die FDP, über die nötige Nähe zur Politik und die genauso nötige Distanz. Ein interessanter Blick hinter die Kulissen der Politikberichterstattung – zum Glück “unter eins”, also: Alles, was das Quartett bespricht, ist zur Veröffentlichung bestimmt.

2. Brauchen wir gemeinnützigen Journalismus?
(br.de, Nina Landhofer, Audio: 30:21 Minuten)
Journalismus kann in Deutschland nicht gemeinnützig sein, zumindest aktuell nicht. Journalistische Projekte, die als gemeinnützig gelten wollen, müssen derzeit noch einen Umweg gehen, beispielsweise über zusätzliche Bildungsarbeit. Aber bräuchte es für eine vielfältige Medienlandschaft nicht einen gemeinnützigen, spendenbasierten Journalismus? Darüber spricht Nina Landhofer mit Susanne Stiefel von der gemeinnützigen “Kontext:Wochenzeitung”, mit Grünen-Politikerin Tabea Rößner, die dafür sorgte, dass das Thema gemeinnütziger Journalismus im aktuellen Koalitionsvertrag zu finden ist, und mit der Journalistin Maryse Sulimma, die Einblicke in den gemeinnützigen Journalismus in den USA liefert, wo alles schon deutlich besser klappt.

3. Das Millionengeschäft mit OnlyFans & Co.
(ardmediathek.de, Video: 32:07 Minuten)
In der Doku-Serie “Money Maker” werden Menschen porträtiert, die auf unterschiedlichste Weise Geld verdienen. Dieses Mal ist es eine Person, die sich selbst folgendermaßen vorstellt: “Hi, ich bin Bonny und ich ziehe mich für Geld aus und habe damit in den letzten zwei Jahren über eine Million gemacht.” Bonny Lang produziert Inhalte für Plattformen wie OnlyFans. In dem Beitrag geht es aber nicht nur ums große Abkassieren, sondern auch um die möglichen negativen Folgen ihres Geschäftsmodells.

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4. Kinderfernsehen unter der Lupe: Wunsch und Realität
(laeuft-programmschau.podigee.io, Alexander Matzkeit, Audio: 19:08 Minuten)
Wie sollte Kinderfernsehen aussehen? Was wünschen sich die Eltern? Und wie ist Kinderfernsehen momentan tatsächlich? Eine neue Studie (PDF) habe “Elternwünsche ans Kinderfernsehen und die Realität in den Sendern miteinander abgeglichen”. Alexander Matzkeit spricht mit Maya Götz, die die Studie durchgeführt hat, über die Erkenntnisse.

5. Bibliothek früher und heute: Von der Bücherei zum “Dritten Ort”
(buecherrausch.podigee.io, Marcus Anhäuser, Audio: 34:17 Minuten)
In der letzten Folge von “BücherRausch”, des Podcasts der Städtischen Bibliotheken Dresden, schaut sich Marcus Anhäuser die Entwicklung der Bibliothek in den vergangenen Jahrzehnten an – vom Aufbewahrungsort für Bücher hin zum sogenannten Dritten Ort, der Ausgleich zu Beruf und Zuhause bieten soll. Anhäuser blickt zum Beispiel auf die Veränderung beim Verhältnis zwischen Bibliothek und Publikum: War die Bibliothek in der DDR noch Teil des staatlichen Systems, der nicht kritisiert werden durfte, gebe es heute eine Begegnung auf Augenhöhe.

6. New York: PR und Charity
(rbb-online.de, Ortrun Schütz, Audio: 39:45 Minuten)
Der Podcast “Banksy – Rebellion oder Kitsch” nähert sich in neun Folgen dem Kunstphänomen Banksy. Diese Folge handelt davon, wie es dem Streetart-Künstler “auf einzigartige Art und Weise gelingt, politischen Aktivismus und PR für sein eigenes Werk miteinander zu verbinden.” Ortrun Schütz zeigt anhand einer Kunstaktion in New York, wie der PR-Weg von Social Media über klassische Medien hin zu einem “wahren Banksy-Hype” funktioniert.

Medien-Affäre Wolff, “Welt” im Empörungsrausch, Hollywood besorgt

1. Fundiert spekuliert
(taz.de, Carolina Schwarz)
“Wer die Debatte um den Publizisten Fabian Wolff verstehen möchte, muss bereit sein, sehr viel Text zu lesen. Denn wie das so mit Debatten im Feuilleton ist, kurz hält sich kaum jemand.” Carolina Schwarz hat sich durch die vorhandene Berichterstattung gekämpft und versucht, den Fall zu entwirren, bei dem es nicht nur um das Fehlverhalten eines Einzelnen geht, sondern auch um den Umgang der Medien und Redaktionen damit.

2. Sorgen in Hollywood: Warum streikt die Filmbranche?
(br.de, Linus Lüring, Audio: 29:23 Minuten)
Im Medienpodcast von BR24 spricht Linus Lüring mit Expertinnen und Experten über den Streik der Filmschaffenden in Hollywood: Katharina Wilhelm (ARD-Korrespondentin in Los Angeles), Nina Franoszek (Schauspielerin in Hollywood) und Christian Lex (Drehbuchautor). Sind die Ängste vor dem Einzug von Künstlicher Intelligenz berechtigt? Welche Forderungen haben Schauspielerinnen und Schauspieler, Drehbuchautorinnen und -autoren? Und warum stehen bei den Streiks vor allem auch die Streaming-Plattformen in der Kritik?

3. Salon 5: Jugendreporter:innen und Medienkompetenz
(de.ejo-online.eu, Johanna Mack)
“Salon5”, ein Webradio und Podcast von “Correctiv”, will jungen Menschen Medienkompetenz vermitteln und ihnen die Möglichkeit geben, sich gesellschaftlich zu engagieren. Die Initiative bildet Jugendliche zu Reportern und Reporterinnen aus, die ihre eigenen Themen setzen und gestalten können. Im Interview mit dem “European Journalism Observatory” erzählt Redaktionsleiterin Hatice Kahraman, was “Salon5” von anderen Formaten unterscheidet, woher die Idee stammt und welchen Stellenwert das Projekt innerhalb von “Correctiv” hat.

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4. Facebook muss um Zustimmung bitten
(verdi.de)
Meta, der Konzern hinter Facebook, Instagram und WhatsApp, habe angekündigt, sich künftig an die EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) halten und die Zustimmung seiner Nutzerinnen und Nutzer in der EU einzuholen zu wollen, bevor deren Daten verwendet werden. Die Entscheidung folge auf eine Geldstrafe in Höhe von 390 Millionen Euro, die Meta im Januar 2023 wegen Verstößen gegen die DSGVO auferlegt worden sei. Meta werde nun die Zustimmung der Nutzerinnen und Nutzer in der EU einholen, bevor es personalisierte Werbung auf der Grundlage des Nutzungsverhaltens schaltet.

5. Twitter heißt jetzt “X” – sonst ändert sich alles
(gutjahr.biz)
Richard Gutjahr schreibt über die Transformation von Twitter zu X. Was die von Elon Musk angestrebte Verwandlung zu einer Art “Super-App” anbelangt, mit der man chatten, shoppen und bezahlen kann, ist Gutjahr skeptisch: “Anders als die anderen Musk-Unternehmen SpaceX oder Starlink ist das Führen eines Sozialen Netzwerks offenbar keine Raketenwissenschaft. Es ist schwerer.”

6. “Welt” erfindet Aufregung um “Rolling Stone”-Bestenliste
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Die deutsche Ausgabe des Musikmagazins “Rolling Stone” hat 135 Personen aus der Musikbranche nach deren Lieblingsalben gefragt und daraus eine Liste der “500 besten Alben aller Zeiten” erstellt. Ein Autor der “Welt” will daraufhin einen große Empörung über diese Besten-Liste entdeckt haben. Die vermeintliche öffentliche Erregung findet sich jedoch vor allem in den Kommentaren der “Welt”-Leserschaft, meint Medienkritiker Stefan Niggemeier. Die “erhitzte öffentliche Debatte”, die die “Welt” sich ausgedacht habe, sei nur ein “warmes Flatulenz-Lüftchen in der eigenen Leserkommentarspalte”.

“Bild” verlegt Vergewaltigungen in den Görlitzer Park

Im Görlitzer Park in Berlin soll es eine Gruppenvergewaltigung gegeben haben. Die Ermittlungen dazu laufen, die Polizei hat bisher zwei Verdächtige festgenommen. Die mutmaßliche Tat soll sich bereits im Juni dieses Jahres ereignet haben, öffentlich bekannt wurde sie erst vergangene Woche. Die “Bild”-Redaktion erklärte den Görlitzer Park jedenfalls vor wenigen Tagen zu:

Screenshot Bild.de - Allein dieses Jahr acht Vergewaltigungen! Deutschlands Park der Angst

Dass die Dachzeile “ALLEIN DIESES JAHR ACHT VERGEWALTIGUNGEN!” so nicht stimmt, wird bereits beim Lesen des ersten Absatzes desselben Artikels klar:

Er ist Berlins Horror-Park: Allein acht Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe gab es von Januar bis Ende Juni im Görlitzer Park.

Also: bisher “acht Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe” im Görlitzer Park im Jahr 2023 laut “Bild”. Diese Zahl taucht in aktuellen Berichten der Redaktion immer wieder auf:

Allein von Januar bis Ende Juni gab es im Görlitzer Park acht schwere Taten unter dem Stichwort “Vergewaltigung/sexuelle Nötigung/sexueller Übergriff”

Laut einer aktuellen Polizeistatistik gab es von Januar bis Ende Juni im Görlitzer Park acht schwere Taten unter dem Stichwort “Vergewaltigung/sexuelle Nötigung/sexueller Übergriff”.

Doch auch das ist falsch.

Die Polizeistatistik, die die “Bild”-Redaktion erwähnt, findet man in einer Antwort der Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport (PDF) auf eine Anfrage der Linken-Politiker Niklas Schrader und Ferat Koçak. Darin geht es um “Neue Entwicklungen am sogenannten kriminalitätsbelasteten Ort ‘Görlitzer Park/Wrangelkiez'”. Tatsächlich findet man in der Statistik die acht Fälle von “Vergewaltigung/sexuelle Nötigung/sexueller Übergriff”, die sich von Januar bis einschließlich 26. Juni ereignet haben sollen. Aber längst nicht alle im Görlitzer Park.

Die Bezeichnung “kriminalitätsbelasteter Ort” (“kbO”) geht auf eine Einordnung der Berliner Polizei zurück, die in der Stadt insgesamt sieben solcher Gebiete als Kriminalitäts-Hotspots sieht. Dort gelten für die Beamten besondere Befugnisse. Sie können beispielsweise verdachtsunabhängige Kontrollen durchführen. Der Name “kbO Görlitzer Park/Wrangelkiez” deutet ja schon an, dass das Gebiet, um das es in der Polizeistatistik geht, nicht nur den Görlitzer Park umfasst. Dieser ist etwa 140.000 Quadratmeter groß; die gesamte von der Polizei Berlin als “kbO Görlitzer Park/Wrangelkiez” deklarierte Fläche umfasst aber mehr als 300.000 Quadratmeter. Wo genau die Grenzen verlaufen, verrät die Berliner Polizei aus taktischen Gründen nicht. Auf jeden Fall gehört aber ein beachtlicher Teil des belebten Wrangelkiezes, in dem es viele Wohnhäuser, Hostels und Firmen gibt, zum “kbO”.

Unter den acht Fällen von “Vergewaltigung/sexuelle Nötigung/sexueller Übergriff” befinden sich laut Polizeistatistik sechs Vergewaltigungen oder versuchte Vergewaltigungen. Dazu hat “taz”-Redakteur Erik Peter bei der Polizei genauer nachgefragt. Mit dem Ergebnis:

Einzig die mutmaßliche Gruppenvergewaltigung aus dem Juni fand tatsächlich im Görlitzer Park statt. Sie ist zudem die einzige der registrierten Vergewaltigungen, die im öffentlichen Raum geschah.

In den fünf anderen Fällen vergewaltigten die mutmaßlichen Täter demnach in Privaträumen im umliegenden Kiez: Laut der Polizei kam es demnach zu einer versuchten Vergewaltigung in einem Gewerbebetrieb, zwei Vergewaltigungen in Hostels sowie zwei Vergewaltigungen in Wohnhäusern. Nähere Auskünfte zu den Ermittlungsständen gab die Polizei mit Verweis auf laufende Ermittlungsverfahren nicht.

Natürlich macht der Ort einer Vergewaltigung diese nicht weniger schrecklich. Aber wenn die “Bild”-Redaktion schreibt: “Allein acht Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe gab es von Januar bis Ende Juni im Görlitzer Park”, ist das grob falsch. Sie heizt damit eine eh schon hitzige Debatte mit falschen Behauptungen weiter an.

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