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Dokusoaps, Treberhilfe, Blogger

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Du bist Dokusoap!”
(fernsehkritik.tv/blog)
Der Fernsehkritiker dokumentiert Anmeldeformulare und Rollenbeschreibungen der TV-Produktionsfirma Norddeich. So teilt die Firma ihre Schauspieler in der Kategorie “Charakter” in die vier Kategorien “Sympath”, “Unsympath”, “Opfer” und “konservativ” ein.

2. “Wohlfeiles über die ‘Treberhilfe'”
(ndr.de, Video, 7:07 Minuten)
Dass der Chef der “Treberhilfe” einen Maserati fährt, ist durch einen Bericht des “Tagesspiegels” schon länger bekannt. Breite Aufmerksamkeit fand die Geschichte aber erst, als sie von Nachrichtenagenturen aufgenommen wurde.

3. “Massenepidemie. Doppelpunkt.”
(weltwoche.ch, Kurt W. Zimmermann)
Kurt W. Zimmermann glaubt angesichts der Berichterstattung über die Schweinegrippe, dass sich heutige Journalisten vielfach nicht mehr als Beschreiber der Wirklichkeit sehen. “Sie sehen sich als Gestalter der Wirklichkeit. Die Wirklichkeit ist für sie eine Knetmasse, die sich formen lässt. Die Realität ist ihr Plastilin. Das vereinigte Plastilin ergibt am Schluss eine publizistische Pandemie.”

4. “Deutsche Blogger besetzen die FAZ”
(carta.info, Wolfgang Michal)
Wolfgang Michal zum FAZ-Dossier “Deutsche Blogger”: “Die Tendenz der Story ist vom Anfangsmotiv vorgegeben: Willst du etwas niedermachen, vergrößere die Fallhöhe! Behaupte gleich zu Beginn, die Blogszene habe ursprünglich ein wahres Paradies schaffen wollen, sie habe hehre ‘webkommunistische’ Ziele gehabt. Dann wird die Realität – im Vergleich dazu – erst so richtig mies, kleinkariert und nichtig erscheinen.”

5. “was das blog alles kann”
(gig.antville.org, andreaffm)
Andrea Diener denkt, dass Bloggen “noch nie inhaltlich begriffen” wurde, “immer nur formal oder wirtschaftlich, und das ist der große Fehler, den alle machen.”

6. Interview mit Markus Beckedahl
(fr-online.de, Marin Majica)
Re:publica-Organisator Markus Beckedahl im Gespräch: “Blogs werden ernster genommen, der Medienwandel wird ernster genommen, weil man realisiert, dass da etwas passiert. Das war vor drei Jahren völlig anders. Da träumten noch alle davon, dass die Zeitungen 30 Jahre weiterleben werden.”

Die gekaufte Weihnacht und andere Rügen

Erinnern Sie sich an das traurige Weihnachts-Sparfestessen im “Gong”, das mit plumper Werbung für Produkte der Firma Unilever versetzt war? Das hat auch dem Presserat nicht geschmeckt. Er hat die einstmals renommierte Fernsehzeitschrift wegen dieser Schleichwerbung gerügt.

Insgesamt zwölf Rügen sprachen die Beschwerdeausschüsse jetzt aus. Gleich drei davon richteten sich gegen den Missbrauch von Fahndungsfotos durch Boulevardmedien. Die Polizei hatte jeweils Bilder von Verbrechensopfern herausgegeben, um ihre Identität zu klären. Die Online-Ableger von “Express” und “Bild” veröffentlichten die Aufnahmen von den Leichen aber auch nach dem Ende der Fahndung erneut, teils mehrfach.

In einem Fall ging es um eine geistig behinderte Frau, die grausam ermordet worden war und deren Foto Bild.de zusammen mit Details über den Zustand der zerstückelten Leiche und Einzelheiten aus ihrem Privatleben erneut veröffentlichte. Zusätzlich “unangemessen sensationell” fand der Presserat, dass Bild.de in einem anderen Fall die Leiche einer Jugendlichen wiederholt zeigte (BILDblog berichtete). Ebenso urteilte der Presserat über die Entscheidung von express.de, ein Foto, bei dem man der Leiche “unmittelbar ins Gesicht” blicke, auch nach dem Ende der Fahndung noch einmal zu zeigen.

Der Online-Ableger des Berliner Boulevardblattes “B.Z.” erhielt eine Rüge, weil er die Persönlichkeitsrechte eines jungen Mannes verletzt hatte. Er war im vergangenen Jahr festgenommen worden, weil er verdächtigt wurde, Autos angezündet zu haben. In einer Fotostrecke zeigte die “B.Z.” online Bilder von der Festnahme und nannte diverse Details aus seinem Privatleben. Allein die Tatsache, dass der Vater des Jungen Kommunalpolitiker sei, mache den Verdächtigen nicht zur Person der Zeitgeschichte, urteilte der Presserat. Dass die “B.Z.” anderer Meinung ist (insbesondere vermutlich, wenn es sich um einen Politiker der Linken handelt), demonstrierte eindrucksvoll ihre Titelseite zum Thema (siehe links).

Einen Verstoß gegen die Menschenwürde sah der Presserat in einem Witz, den die Satirezeitschrift “Titanic” in ihrer Online-Ausgabe über den Eisenbahn-Suizid des Torwartes Robert Enke riss. Das Foto zeigt einen Lokführer mit der in “Bild”-Typographie gesetzten Schagzeile: “Jetzt meldet sich der Zugführer zu Wort: ‘Ich habe Enke überlistet!'” Es handele sich dabei nicht um Satire, die auch drastisch, überspitzt und polemisch sein dürfe, sondern um das “reine Spiel mit den Gefühlen der Angehörigen und der Bahnführer, die von einem solchen Geschehen ebenfalls traumatisiert werden”, urteilte der Presserat und sprach eine Rüge aus.

Marilyn Monroe und der Oscar-Avatar

“34,3 Zentimeter hoch, 3,85 Kilo schwer. Nickel, Kupfer, Silber mit Gelbgold beschichtet”, rattert Bild.de die äußeren und inneren Werte der Oscar-Statue herunter.

Man kann also ungefähr hochrechnen, wie groß Marilyn Monroe gewesen sein dürfte — etwa einen Meter:

1951: Marilyn Monroe zeigt stolz ihre Trophäe

Sehr sympathisch auch, dass sich die Academy den Witz erlaubt hatte, extra für das berühmte Sexsymbol einen Oscar mit Brüsten anfertigen zu lassen …

Andererseits hätte man sicher mal von diesem Spezial-Oscar gehört. Oder davon, dass Marilyn Monroe überhaupt einen Oscar gewonnen hätte.

Doch leider ist die Trophäe, die Marilyn Monroe hier so stolz zeigt, kein Oscar, sondern eine Henrietta — wie auch die Bildbeschreibung bei Getty Images unmissverständlich klar stellt:

Die amerikanische Schauspielerin Marilyn Monroe (1926 – 1962), in einem tiefgeschnittenen trägerlosen Samtkleid, posiert mit ihrer ‘Henrietta’ Statue bei der Vereinigung der Auslandspresse während Hollywoods erstem jährlichen Internationalem Filmfestival, im Club Del Mar, Santa Monica, Kalifornien, 26. Januar 1952. Der Preis war ihre erste von mehreren ‘Henriettas’ im Laufe der Jahre.

(Übersetzung von uns)

Also bestimmt ein magischer Moment für Frau Monroe, aber sicher kein Fall für die Klickstrecke “Magische Oscar-Momente aus acht Jahrzehnten”.

* * *

Auch Tagesspiegel.de kann bei seinem Oscar-Kommentar mit einer weltexklusiven Sensationsmeldung aufwarten — versteckt in einem Nebensatz:

Der erst siebte Film der kalifornischen Regisseurin in 20 Jahren war am Publikumszuspruch gemessen der David im Kampf um die Oscars; Avatar, der die Rekordsumme von 200 Milliarden Dollar in die Taschen seiner Produzenten gespült hatte, der Goliath.

200 Milliarden Dollar, das entspricht etwa 147 Milliarden Euro und damit fast der Hälfte des Bundeshaushalts 2010. In Wahrheit hat Avatar bisher “nur” rund 2,5 Milliarden Dollar eingespielt.

Mit Dank an Marco S. und Markus S.

Nachtrag, 16.25 Uhr: Bild.de hat Marilyn Monroe aus der Bildergalerie entfernt und Tagesspiegel.de hat die “200 Milliarden” auf “zwei Milliarden” heruntergestuft.

dpa  

Auch Löschen will gelernt sein

Nachdem Bundespräsident Horst Köhler am Aschermittwoch das umstrittene Zugangserschwerungsgesetz zur Einführung von Websperren gegen Kinderpornografie unterzeichnet hat, gibt es ungewohnte Allianzen — so zumindest in der Zusammenfassung der dpa von heute Nachmittag:

Nach dem Regierungswechsel vereinbarte Schwarz-Gelb im Koalitionsvertrag, dass Union und FDP ein Löschen der Seiten bevorzugen. Jedoch stößt auch dies auf Kritik: So erklärte der Bund Deutscher Kriminalbeamter vor wenigen Tagen, Löschen sei nicht wirkungsvoller als Sperren. Auch die Piratenpartei, in der sich viele Netzaktivisten engagieren, bezeichnete das Löschen als überflüssig.

Das wäre allerdings höchst erstaunlich, schließlich hatte die Piratenpartei im vergangenen Jahr sogar zu einer Demonstration unter dem Motto “Löschen statt Sperren” aufgerufen. Woher kommt der plötzliche Sinneswandel?

Aufklärung bietet der Blick in eine dpa-Meldung vom 9. Februar:

Doch der neue Plan, Internetseiten mit Fotos und Videos sexuell missbrauchter Kinder, zu löschen, greift aus Sicht von Netzgemeinde und Polizei ebenfalls zu kurz. “Das ist total überflüssig und lächerlich”, sagte der Sprecher der Piratenpartei, Simon Lange. Bestehende Gesetze reichten bereits aus, um Kinderporno-Seiten zu löschen.

So wurde aus einer Opposition gegen ein Löschgesetz die pauschale Ablehnung des Löschens von Kinderpornografie im Internet. Da hat wohl jemand zu oft auf die Löschtaste gedrückt.

Nachtrag 19:45 Uhr: Nach eiliger Krisenkommunikation hat die dpa am Abend zwar nicht wie gewünscht eine Richtigstellung veröffentlicht, aber immerhin eine Meldung, in der die Position der Piratenpartei nicht ins Gegenteil verkehrt wird:

Die Piratenpartei, in der sich viele Netzaktivisten engagieren, erklärte am Mittwoch in Berlin, es sei “unfassbar”, dass Köhler das Gesetz unterschrieben habe. Sprecher Simon Lange kritisierte zudem, für das Löschen von Seiten brauche man keine neuen Gesetze. Die bisherige Gesetzeslage erlaube dies bereits.

Hinweise auf eine vorher falsche Berichterstattung fehlen. Und so ist es auch kein Wunder, dass viele Tageszeitungen morgen mit der sinnentstellten Kurzfassung erscheinen werden. So heißt es zum Beispiel im “Tagesspiegel” von morgen:

Politische Meriten sind mit dem Thema also schwer zu erwerben. Die Piratenpartei erklärt, auch Löschen bringe nichts.

Nachtrag, 18.2.2010: Auf unsere Nachfrage erklärt die dpa, dass sie die Meldung nach Leserbeschwerden korrigiert und eine Berichtigung verschickt hat:

Berichtigung: Im letzten Absatz wurde der dritte Satz dahingehend geändert, dass die Piratenpartei ein Lösch-Gesetz rpt Lösch-Gesetz (nicht: das Löschen) für überflüssig hält. Damit wird klargestellt, dass die Partei nicht gegen das Löschen der Internetseiten ist, sondern gegen ein neues Gesetz zum Löschen der Seiten, weil die bestehenden Gesetze ausreichend seien

Warum diese Korrektur im Basisdienst der Agentur nicht angekommen ist, war bisher nicht zu klären. Die oben verlinkte Zusammenfassung im Angebot der “Märkischen Allgemeinen” wurde inzwischen durch einen korrekten Text ersetzt – der Leser wird über die nachträgliche Änderung allerdings nicht informiert.

Privatsphärenklänge

Die “Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung” beschäftigt sich mit einer neuen Form des Sexismus, dem sich Frauen in Castingshows und ähnlichen Wettbewerben freiwillig aussetzen.

Weil so ein langer Text zur Auflockerung und Aufmachung ein Foto braucht, zeigt die “FAS” ein dpa-Foto von zwei hoffnungsvollen Teilnehmerinnen eines Castings für “Germany’s Next Topmodel”:

Angetreten zur Demütigung

Die Bildunterschrift beginnt mit den Worten “Angetreten zur Demütigung”.

Das mit der Demütigung könnte sich durchaus noch mal auf direktem Wege wiederholen, denn auf den Teilnahmebögen, die die beiden jungen Frauen in die Kamera halten, sind etliche persönliche Daten, darunter Adresse und Telefonnummer, gut lesbar zu erkennen:

Vorname: Katja, Nachname: XXX, Adresse: XXX Telefon: XXX, Geburtsdatum: XXX

Mit Dank an Theo, Falk Z. und Björn.

Schutzrechte, Karneval, Gaschke

6 vor 9

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1. “Wenn der Leser nicht will, wie die Verlage wollen”
(carta.info, Andreas Moring)
Andreas Moring wundert sich, wie die Mitarbeiter der Printverlage mit dem Medienwandel umgehen, der sie bedroht. “Bevor sich das eigene Weltbild und Selbstverständnis ändert, soll sich die Welt den (Wert-)Vorstellungen der Journalisten und Medienmanager aus den klassischen Massenmedien anpassen. Nach dieser eigentümlichen Logik wären es also die Nutzer, die sich den Zielen der Medienmacher anzupassen hätten – und nicht umgekehrt. Das aber tun sie nicht, darum muss Zwang her, werden ‘Schutzrechte’ verlangt und der Versuch unternommen, die Nutzer zum Bezahlen zu zwingen.”

2. “Ja da geht´s humba, humba, humba, täterä…”
(blogmedien.de, Horst Müller)
Karneval wird dieses Jahr fast ausschliesslich von den öffentlich-rechtlichen Sendern übertragen – dort dafür fast achtzig Stunden lang: “In der ersten Februarhälfte bis einschließlich Rosenmontag werden allein in den abendlichen Hauptsendezeiten 33 Prunk- und Festsitzungen übertragen.”

3. “Wozu noch Verlage? Die Wirtschaft kann den Journalismus retten!”
(yuccatree.de, Jürgen Vielmeier)
Jürgen Vielmeier stellt Blogs vor, die von Hosting-Anbietern, Softwareherstellern und Internet und IT-Dienstleistern betrieben werden. “Das Prinzip kann funktionieren, wenn sich die Unternehmen an eine Selbstverpflichtung halten, nicht auf die Inhalte der Redaktion einzugreifen.”

4. “susanne gaschkes strategien gegen verdummung”
(wirres.net, Felix Schwenzel)
Felix Schwenzel rezensiert ein Buch der netzkritischen “Zeit”-Journalistin Susanne Gaschke. “ist die zeitungskrise nicht eher ein qualitätsproblem, als ein technologieproblem? warum lesen junge menschen rowling, aber nicht gaschke? ich war siebzehn, als ich neil postmans ‘wir amüsieren uns zu tode’ gelesen habe. wieso kann ich mir heute keinen siebzehnjährigen vorstellen der gaschkes ‘strategien gegen die digitale verdummung’ liest? richtig. weils kreuzöde und flach wie ein bügelbrett ist.”

5. “Die Rohwedder-Verwechslung”
(sprengsatz.de, Michael Spreng)
Für Ex-“Bild”-Mitarbeiter Michael Spreng gehört die Rohwedder-Verwechslung zu den peinlichsten Geschichten, die er in seiner Zeit bei der Zeitung erlebte.

6. “Blogs in Deutschland sind nett”
(lumma.de, Nico Lumma)
Nico Lumma kennt kein deutschsprachiges Blog, auf das er nicht auch verzichten könnte.

Focus, Kriegsreporter, Merkel

6 vor 9

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1. “Der neue FOCUS: Alter Wein in bunten Schläuchen”
(nice-bastard.blogspot.com, Dorin Popa)
Dorin Popa sieht im neuen “Focus” den verzweifelten “Versuch, ein vormals stattliches Erbe in geordneten Verhältnissen zu übergeben”. Viel Neues kann er nicht erkennen: “Die ironiefreie und jeglichen Diskurses scheinbar unwillige, wenn nicht sogar unfähige Redaktion bleibt ein Reich der Textmarker-Generation, nun auch zusätzlich in der neuen Rubrik ‘Dechiffriert’, in der einige Aussagen Guido Westerwelles FDP-gelb angemarkert und in Randnotizen erläutert werden.”

2. Interview mit Hardy Prothmann
(marian-semm.de)
Ein langes Gespräch mit Hardy Prothmann, Macher von heddesheimblog.de. “Ich verlinke nach außen – das fehlt mir bei den Lokalzeitungen. Wenn ich im Netz etwas entdecke, was lokal interessant ist, weise ich meine Leser darauf hin. Und ich lege manche Quellen über Verlinkung offen. Transparente Information ist wichtig. Auch das haben Verlage nicht verstanden.”

3. “Die Zeitungen und ihre drei Probleme”
(blog-cj.de/blog, Christian Jakubetz)
Christian Jakubetz stellt drei Probleme bei den Zeitungen fest: Ignoranz, Innovationsfeindlichkeit und Überalterung. “Sieht man also von den Volontären ab, die meistens nach zwei Jahren wieder gehen, wird das Blatt vielfach von Menschen gemacht, die seit 35 oder 30 Jahren im Job sind und sehr häufig auch nicht allzu viele andere Stationen außerhalb ihrer Zeitung gemacht haben. Das würde ich jemandem persönlich nie zum Vorwurf machen, aber ob das die geeignetste Klientel ist, die ein Medium in Zeiten des Totalumbruchs irgendwie steuern soll, kann man getrost bezweifeln.”

4. Interview mit Jeff Jarvis
(faz-community.faz.net/blogs, Holger Schmidt)
Jeff Jarvis zur Kartellklage der deutschen Verlegerverbände gegen Google: “Das Verhalten der deutschen Verleger ist bedauerlich. Sie möchten jemanden die Schuld an ihren eigenen Problemen geben. Google sendet ihnen Leser und sie wissen nicht, was sie damit anfangen sollen. Es ist doch nicht die Aufgabe von Google, mit diesen Lesern Geld zu verdienen; es ist die Aufgabe der Verlage. Dieses Verhalten wird kein Problem lösen und den Verlagen langfristig schaden.”

5. “Opfer der Objektivität”
(faz.net, Harald Staun)
Harald Staun schreibt über traumatisierte Reporter: “Man braucht kein psychiatrisches Studium, um nachzuvollziehen, dass ein Leben als Kriegsreporter seelische Probleme nach sich ziehen kann.”

6. “Angela Merkel wird mit dem ‘Deutschen Medienpreis’ ausgezeichnet”
(nachdenkseiten.de, Wolfgang Lieb)
Angela Merkel wird mit dem “Deutschen Medienpreis” ausgezeichnet. “Wenn es in der deutschen Medienlandschaft noch Journalisten und Chefredakteure gäbe, die ihre ‘Wächterrolle’ in einer demokratischen Gesellschaft wirklich wahrnähmen, dann müssten sie alles tun, um dem Marktforschungsunternehmen ‘Media Control’ das Markenzeichen ‘Deutscher Medienpreis’ zu entziehen.”

Weniger bleibt mehr

Barack Obama ist auf dem absteigenden Ast. Kein Zweifel — denn man kann es schließlich überall lesen. Und so kam man auch heute Morgen kaum an den Schlagzeilen über den neusten, schwer herben Rückschlag für den US-Präsidenten vorbei:

Bei Focus.de:
Obama erleidet schweren Rückschlag. Es läuft nicht gut für Barack Obama. Bei den Nachwahlen haben die Demokraten eine Hochburg und damit ihre Mehrheit im Senat verloren. Damit können die Republikaner große Projekte blockieren – auch die Gesundheitsreform.

Bei Bild.de:
 Schwerer Rückschlag  US-Präsident Obama verliert Mehrheit im Senat

Und bei Express.de:
Herber Rückschlag Obama verliert Mehrheit im Senat

Kenner der US-Politik reiben sich verwundert sie Augen: Gestern hatte Obama noch eine satte Mehrheit: zehn Stimmen mehr als die Häfte der Senatoren. Wie konnte der Präsident – oder besser: seine Partei – diesen Vorsprung quasi über Nacht verlieren, wo am Dienstag doch nur die Nachwahl eines einzigen Abgeordneten anstand?

Die Auflösung ist einfach: Natürlich meinten die deutschen Medien nicht etwa, dass Obama die Mehrheit verloren habe, sondern nur eine Mehrheit — nämlich die qualifizierte Mehrheit von 60 Prozent der Senatssitze. Die erlaubt es einer Partei, so genannte Filibuster zu unterbrechen, bei denen ein Abgeordneter des politischen Gegners durch lange Debattenbeiträge eine Abstimmung zu verhindern versucht.

Klingt kompliziert? Ist auch so. Was also der Verlust eines Sitzes im US-Senat bedeutet, erklärt uns der Express deshalb sogar fett gedruckt — ohne mit gesetzgeberischen Details zu langweilen:

Damit verfügt Obama ein Jahr nach seiner Amtsübernahme in der kleineren Kongresskammer nicht mehr über die nötige 60-Stimmen-Mehrheit zur Durchsetzung wichtiger Gesetzesvorhaben.

So ähnlich scheint es auch der Redakteur von Stern.de gesehen zu haben, der die Lage heute Morgen noch etwas prägnanter zusammenfasste:

Massachusetts republikanisch: Demokraten verlieren Senat

Inzwischen wurde die Überschrift geändert und bekam einen “-orenposten” angehängt.

Gewiss: Ein etwas harsches Urteil für eine Senatsmehrheit, die zum Beispiel weit oberhalb der Mehrheit der schwarz-gelben Koalition im Deutschen Bundestag liegt. Aber wenn Obama nun keine wichtigen Gesetze mehr durchbringen kann, ist das Fazit sicher gerechtfertigt. Außerdem klingt es so viel besser als die komplizierten Fakten.

Allerdings war Barack Obama im vergangenen Jahr der erste Präsident seit Jimmy Carter, der über diese super majority verfügte. Und dass weder Ronald Reagan, noch George Bush, Bill Clinton oder George W. Bush je ein wichtiges Gesetz durchgebracht hätten, ist eine Interpretation, die wohl nur wenige Menschen teilen würden.

Mit Dank auch an TM.

Nachtrag, 21. Januar: Focus.de hat inzwischen den Beitrag berichtigt und den Fehler richtig gestellt.

Paid Content, ZDFneo, Krawatten

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Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Doppelt missverstehen heißt trotzdem nicht verstehen”
(print-wuergt.de, Michalis Pantelouris)
Langer, aber lesenswerter Artikel über die Mühen mit dem Online-Journalismus: “Wenn man sich ansieht, wie viele Millionen der Aufbau der Online-Redaktionen und der Seiten, die sie betreuen, bis heute gekostet hat, ist es fast unerträglich zu sehen, wie wenig dabei herausgekommen ist. Einfach nur, weil es niemand gewagt hat, sich auf das zu konzentrieren, was seine Marke ausmacht.”

2. “RSS-Feeds: Eine Option für Paid Content?”
(netzwertig.com, Martin Weigert)
Martin Weigert liefert einen Paid-Content-Vorschlag: “Warum bieten führende Anbieter von journalistischen Angeboten ihren Lesern nicht an, vollständige RSS-Feeds gegen ein monatliches Entgelt zu abonnieren?”

3. “10 noch erwähnenswerte Flops 2009”
(fernsehkritik.tv, Video, ca. 15 Minuten)
10 TV-Flops 2009 mit “Zimmer frei!”, dem TV-Duell zwischen Merkel und Steinmeier, Til Schweiger, Johannes B. Kerner und, überraschend auf Platz 1, ZDFneo. Die Website Fernsehkritik.tv ist derzeit übrigens dazu gezwungen, Inhalte offline zu stellen, siehe dazu den Beitrag “Einfach mal den Stecker gezogen…”.

4. “Dirk Mantheys Medientrends für 2010”
(meedia.de, Dirk Manthey)
“1. Paid Content wird viele Enttäuschungen bringen, 2. Markenartikel werden auf breiter Front ins Internet gehen, 3. Der ganz große Trend heißt Mobiles Internet, 4.Das iPhone wird weltweit Smartphone Nr. 1 – trotz Google, 5. Das Print-Sterben wird auch 2010 weitergehen, 6. Verlage konzentrieren sich auf Internet-Only-Produkte, 7. Digitale Lesegeräte schaffen 2010 den Durchbruch, 8. Der Widerstand gegen Google dürfte stärker werden, 9. Echtzeitsuche wird keine große Rolle spielen, 10. Noch ein Winner für 2010: Foursquare”

5. “Jahrelange Desinformation”
(spiegelblog.net, T. Engelbrecht)
“Wie der SPIEGEL nun endlich realisiert, dass die ‘Spanische Grippe’ von 1918 nicht allein durch ein Virus verursacht worden sein kann.”

6. “Guttenberg-Krawatten-Gedächtnis-Spiel”
(extra3.blog.ndr.de, Pausenbrot)
Unter der investigativen Lupe der Satiresendung “Extra 3” sind die Krawatten von Verteidigungsminister zu Guttenberg, auf denen süße, harmlose Tiere zu finden sind. “Hoppelhäschen und Tintenfischbabys, die sich fröhlich tanzend an den Ärmchen halten, nehmen auch aus den härtesten Verhandlungen ein wenig Schärfe.” Erst kürzlich widmete sich Kurt Kister in der “Süddeutschen Zeitung” den Kleidern des Ministers.

Bild  

Schuldig bis zum Beweis des Gegenteils

Seit gestern hat die “Bild” einen Schauspieler (“erfolgreich, gut aussehend und beliebt”) in der Mangel. Genauer gesagt: Seit er unter dem Verdacht, zwei Frauen vergewaltigt zu haben, verhaftet wurde. Was bis jetzt gegen den Mann vorliegt, ist — erstmal ein Verdacht. Angeblich wurde seine DNA am Tatort gefunden, “ein Ermittler” sagte deswegen zu “Bild”: “Für uns gilt er als überführt.” Eine DNA-Spur und die Meinung eines nicht näher benannten Ermittlers, das reicht für “Bild” zu folgender Schlagzeile aus:

TV-Star vergewaltigt Mutter und Tochter
(Unkenntlichmachung von uns)

Weitere Begründung von “Bild” für diese doch gewagte Behauptung: Die Staatsanwaltschaft sei sich sicher, den Schauspieler auch der Vergewaltigung überführen zu können. Sagt zumindest “Bild”. Das offizielle Statement des zuständigen Oberstaatsanwalts liest sich schon weitaus zurückhaltender: “Wir ermitteln wegen Vergewaltigung, gefährlicher Körperverletzung, schweren Raubes, Freiheitsberaubung und Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz.”

Dabei war Bild.de am Tag davor noch ein wenig vorsichtiger mit dem Schauspieler umgegangen: Aufgrund ungefähr der gleichen Faktenlage formulierte man da die Überschrift wenigstens noch als Frage. Am Tag darauf wird daraus schon eine Feststellung.

Auch die von “Bild” ins Feld geführte DNA-Spur ist erst einmal nichts anderes als ein Indiz. DNA-Auswertungen dürfen bei einer Gerichtsverhandlung nie als alleiniges Beweismittel gewertet werden. Sollte also tatsächlich die DNA des Schauspielers am Tatort gefunden worden sein, rechtfertigt das noch lange nicht die Aussage, dass der Verdächtige als überführt zu gelten hat.

Indes: Wenn jemand erst einmal in der “Bild”-Redaktion irgendwie als “überführt” gilt, dann bleibt er das — solange, bis ein Gericht im das Gegenteil attestiert. Andreas Türck und eine bekannte Sängerin, eine vermeintliche “Feuer-Chaotin” und sicher nicht nur sie können davon Geschichten erzählen.

Für “Bild” gilt unter Umkehrung von Recht und Pressekodex: die Schuldsvermutung.

Mit Dank an Stephan F.,  B.W.,  Ellen L. und  Annika H.

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