Suchergebnisse für ‘Frankfurter Rundschau’

Ein Schlag ins Gesicht

Wenn ein Medium “exklusiv” über ein Thema berichtet, kann das im Wesentlichen zwei Gründe haben: entweder die Redakteure nutzen einen Wissensvorsprung gegenüber der Konkurrenz, oder sie erzählen eine Geschichte, die sich so nie ereignet hat.

Am 5. Dezember 2007 berichtete “Bild” exklusiv und bundesweit, der Eintracht-Frankfurt-Stürmer Ioannis Amanatidis habe eine Frau geohrfeigt, die ihm mit ihrem Auto den Weg versperrt habe — stilecht begleitet von einem Foto der Frau, die sich die “schmerzende Wange” hält. Am nächsten Tag legte “Bild” Frankfurt ausgiebig nach, sprach noch mal mit dem angeblichen Opfer (wieder inklusive Wangen-Foto), ließ einen “1. Zeugen” “sprechen”, der allerdings nichts von einer Ohrfeige berichtete, wies auf Amanatidis’ Position als Botschafter des hessischen Landespräventionsrates hin, ließ aber immerhin auch den Beschuldigten selbst zu Wort kommen:

Amanatidis erhebt schwere Vorwürfe gegen die Frau: “Es haben sich wieder einmal Leute bei mir gemeldet, die mit dieser Frau ähnliche Vorfälle erlebt haben. So etwas hat sie wohl nicht zum ersten Mal abgezogen.” Er fürchtet offenbar, dass er mit Schmerzensgeld abgezockt werden soll.

Amanatidis’ Version

“Kurz bevor später die Polizei kam, trat die Frau nochmals auf mich zu und sagte dann, nachdem sie mich wohl erkannt hatte, dass sie der Polizei sagen werde, dass ich sie eine Hure genannt hätte. Dann schlug sie sich selbst mit der eigenen Hand ins Gesicht und sagte mir, sie werde der Polizei angeben, dass ich sie geschlagen hätte. Ich hatte so etwas bislang nur in einem Film gesehen und war fassungslos.”
“Frankfurter Neue Presse”, 7.12.2007

Als die “Frankfurter Rundschau” (FR) ebenfalls am 6. Dezember über die Anschuldigungen gegen den Fußballer berichtete, tat sie dies unter Berufung auf “Bild” auch mit folgendem Satz:

“Als ich meinen Vater schützen wollte, hat er mir mit der vollen Handfläche auf die linke Gesichtshälfte geschlagen”, berichtete die Frau, die dafür persönlich am Dienstagabend die Frankfurt-Redaktion des Boulevardblattes aufsuchte (und ein Leserhonorar einstrich).

Und in einem Interview zitierte die “FR” den griechischen Nationalspieler so:

Ich bin sauer auf dieses Schmuddelblatt (gemeint ist die Bild-Zeitung, Anm. d. Red.), das diesen Scheißdreck in die Welt setzt.

Gestern nun hat die Frankfurter Amtsanwaltschaft das Verfahren gegen Amanatidis eingestellt und ein neues “wegen des Verdachts der falschen Anschuldigung sowie Beleidigung” gegen das angebliche Opfer und ihre Begleiter eingeleitet.

Und die “FR” fügt hinzu:

Der Fall war seinerzeit von der Bild-Zeitung enorm hochgespielt worden. Gerüchte, dass die Frau für ihre Behauptungen möglicherweise bezahlt wurde, wollte die Amtsanwaltschaft nicht kommentieren.

Die “Bild”-Zeitung selbst berichtet heute online und offenbar in ihrer Frankfurter Ausgabe über die Einstellung des Verfahrens — nicht aber, wie bei der Verbreitung der unbewiesenen Vorwürfe, bundesweit. Und bei der Formulierung für die Gründe gibt es interessante Unterschiede:

“Frankfurter Rundschau” “Bild” Frankfurt
Der 26-jährige Amanatidis hatte den Streit eingeräumt, die Ohrfeige aber bestritten. Diese Aussage wurde auch von sämtlichen befragten Zeugen vor Gericht bestätigt. Daraufhin hatte die Frau Anzeige wegen Körperverletzung und Nötigung erstattet. Doch für den Schlag fanden sich keine Zeugen. Ihre Familienangehörigen, die mit im Auto saßen, waren nicht als Zeugen zugelassen.

Auf die Frage, ob es “klug” sei, sich mit “Bild” anzulegen, sagte Amanatidis im Dezember übrigens zur “FR”:

Das ist mir doch egal. Ich habe keine Angst vor diesen Leuten. Was will man erwarten von einem Blatt, das im Großen und Ganzen nur Dreck schreibt und so einer Person so viel Aufmerksamkeit schenkt.

Mit Dank an Johannes B., Tobias R., Florian Z., Arndt P., Henning K. und Markus für die Hinweise damals und jetzt.

Angst und Ambition

Heute fragt “Bild”:

Haben Sie einen neuen Mann, Frau Oettinger? (...) Die Antwort ist kurz und geheimnisvoll: "Kein Kommentar."

Geheimnisvoll, soso.

Hier zum Vergleich eine wirklich geheimnisvolle Antwort. Die Frage lautet ungefähr: Herr Oettinger, sind Sie von “Bild” dazu getrieben worden, in der Zeitung zu verkünden, dass Sie sich von Ihrer Frau getrennt haben? Seine Antwort steht heute in den “Stuttgarter Nachrichten” und lautet:

“Das werde ich später mal beantworten.”

Bis dahin kann man nur spekulieren, wie freiwillig der baden-württembergische Ministerpräsident gestern in “Bild” das “Liebes-Aus” erklärt hat:

Oettinger wäre nicht der erste Prominente, der berichten würde, dass die Zeitung ihn mit einer Mischung aus Drohungen und Angeboten dazu gebracht hätte, ihrem Willen nachzugeben, etwa, indem sie ihm verschiedene mögliche Formen der Berichterstattungen aufzeigt, je nach Grad der Kooperation mit “Bild”.

Die “Frankfurter Rundschau” spricht davon, dass die “Bild”-Zeitung in den vergangenen Tagen “ihre Folterwerkzeuge auspackte”:

Zuerst berichtete das Blatt in seiner Stuttgarter Regionalausgabe, Inken Oettinger habe 170 hochmögende Damen der Gesellschaft beim Adventskaffee in der Berliner Landesvertretung mit dem Hinweis auf das Fußballtraining des Sohnes einfach sitzen gelassen. Dann titelte sie in der Deutschlandausgabe “Deutschlands seltsamstes Politiker-Ehepaar”. Nun wurde Stufe drei gezündet: “Ehe kaputt”.

Auch die “Stuttgarter Nachrichten” formulieren, Oettinger habe “dem Druck der ‘Bild’-Zeitung nachgegeben” und berichten aus der Stuttgarter Regierungszentrale:

“Die haben dem Chef doch das Messer auf die Brust gesetzt”, meint einer. Was das heißen könnte? “Bild” soll gedroht haben, die Ehe-Probleme öffentlich zu machen. So viel ist klar: In der vergangenen Woche soll es ein Telefonat zwischen “Bild”-Chef Kai Diekmann und der Regierungszentrale gegeben haben.

Seit Monaten schon habe “Bild” Oettinger angeboten, “seine privaten Dinge über den Boulevard zu regeln”, was der Ministerpräsident abgelehnt habe, schreiben die “Stuttgarter Nachrichten”, und:

“In Berlin wird kolportiert, der Springer-Konzern habe für diese Woche mit der Veröffentlichung von Details aus dem Privatleben des Paares gedroht. Das aber wollten sich die Oettingers ersparen.”

In einem Leitartikel kritisieren die “Stuttgarter Nachrichten” Oettingers Art des Coming-Outs:

Politiker und Journalisten in Baden-Württemberg wissen seit langem von den Schwierigkeiten der Eheleute Oettinger – aus Respekt vor der Privatsphäre haben sie geschwiegen. Viele Redakteure, auch dieser Zeitung, haben Oettinger auf seine Ehe angesprochen – die Antwort “Kein Kommentar” wurde stets respektiert.

Auf die Frage, warum Oettinger sein Schweigen exklusiv für und in “Bild” brach, sei im Staatsministerium von einer “Zwangslage” die Rede: “Wir konnten doch nicht anders.”

Zu groß ist offenbar die Angst christlich-konservativer Landespolitiker mit Ambitionen in Richtung Berlin, es sich mit “Bild” zu verderben. Sicherheit gibt da wohl nur das Gefühl, von “Bild” geliebt zu werden, egal um welchen Preis.

Und der Boulevard dankt: Als “einen der mächtigen CDU-Kronprinzen” titulierte “Bild” den baden-württembergischen Ministerpräsidenten gestern prompt. Man kann das auch anders sehen: Ein mächtiger Kronprinz braucht ein starkes Rückgrat, er braucht Souveränität, er knickt auch vor “Bild” nicht ein.

Der Kommentar schließt:

Günther Oettinger […] lässt sich am Ende des “Bild”-Berichtes mit einem Satz zitieren, der angesichts der zweidrittelseitigen Aufmachung seines Ehe-aus-Bekenntnisses so absurd wie verzweifelt anmutet: “Wir haben die Bitte, dass die Öffentlichkeit unsere Privatsphäre akzeptiert.” Wir gehen davon aus, dass sein Appell nicht dieser und anderen seriösen Zeitungen gilt. Sondern der “Bild”-Zeitung, gern auch exklusiv. Seine Chancen stehen nicht schlecht. Den Preis für künftige Wohlbehandlung hat Oettinger schließlich schon bezahlt.

“Bild” versteht unsere Politiker nicht

Unter der Überschrift “Aus Sorge ums deutsche TV: Politiker fordern Deutsch-Quote gegen US-Serien” schrieb “Bild” gestern:

Jetzt fordern erste Politiker eine Deutsch-Quote, um heimische Produktionen zu schützen.
“Die SPD ist grundsätzlich für eine Quote für deutsche Serien im Fernsehen”, sagt Medienpolitikerin Monika Griefahn (53, SPD) zu BILD. (…) Monika Griefahn: “Wir haben das Kulturstaatsministerium deshalb gebeten, zu diesem Thema die Bundesländer an einen Tisch zu holen.”

Seit gestern schreiben das (unter Berufung auf “Bild”) u.a. auch die Agenturen AP* und ddp sowie “taz”, “Tagesspiegel”, “Hamburger Abendblatt”, DWDL.de, “Frankfurter Rundschau”, “Stuttgarter Zeitung”, “Nürnberger Zeitung” usw. usf.**

Heute hingegen schreibt Monika Griefahn unter der Überschrift “Richtigstellung des BILD-Berichts zur TV-Quote”:

Die SPD ist NICHT grundsätzlich für eine Quote für deutsche Serien im Fernsehen. Zitate, die die BILD-Zeitung dahingehend am 17.10.2007 in meinem Namen verbreitete, entsprechen nicht der Wahrheit. Des Weiteren ist es ebenfalls nicht richtig, dass wir den Bundeskulturstaatsminister gebeten haben, zu diesem Thema die Bundesländer an einen Tisch zu holen. Aus diesen Gründen basiert der Artikel der BILD (…) weder auf meinen wahrheitsgemäßen Aussagen noch stellt er meine Position dar.

RICHTIG dagegen ist:
Nach wie vor, spreche ich mich für die stärkere Berücksichtigung von deutschsprachiger und in Deutschland produzierter populärer Musik im Rundfunk aus. (…) Wie auch der Deutsche Bundestag bereits 2004 in einem Antrag formuliert hat, fordere ich weiterhin einen runden Tisch, an dem Bund, Länder und Rundfunkveranstalter über dieses Thema sprechen und zu einer Selbstverpflichtung kommen. Dies allein war Inhalt des Gespräches mit der BILD-Zeitung.

*) Nach Veröffentlichung von Griefahns “Richtigstellung” berichtet auch AP wieder. Die Überschrift lautet jedoch nicht etwa “Dementi”, “Korrektur” oder “Sorry, wir hatten zuerst nicht nachgefragt, sondern bloß ‘Bild’ geglaubt” — sondern: “Griefahn für mehr deutsche Musik im Rundfunk”. Am Ende der Meldung, die ganz offensichtlich ausschließlich auf Griefahns “Richtigstellung” beruht, heißt es bloß: “Griefahn (…) nahm damit Bezug auf einen Bericht der ‘Bild’-Zeitung vom Mittwoch, in dem sie mit den Worten zitiert worden war, die SPD sei grundsätzlich für eine Quote für deutsche Serien im Fernsehen.” [Ende der Meldung]

Mit Dank Monika G. für den Hinweis.

**) Nachtrag, 20.10.2007: Die “taz” schreibt in ihrer heutigen Ausgabe: “Monika Griefahn, 53, Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion für Kultur und Medien, wurde falsch zitiert: Die SPD sei nicht, wie in der taz vom 18. 10. unter Bezug auf Bild berichtet, ‘grundsätzlich für eine Quote für deutsche Serien im Fernsehen’. (…) Bild habe sie gefragt, ob bei einer Diskussion zum Thema auch eine Quote für deutsche Serien angesprochen werde. Griefahn sagte zur taz, sie habe gesagt, man könne das mitdiskutieren. Sie sei aber im Fall der Musikquote für eine Selbst-, keine Zwangsverpflichtung der Sender. Zunächst müsse die Qualität gewährleistet sein. Das gelte auch für TV-Serien.” Und DWDL.de hat eine “Richtigstellung” veröffentlicht.

Nachtrag, 23.10.2007: In der heutigen Korrekturspalte von “Bild” heißt es:

Berichtigung

Zum BILD-Bericht vom 17.10. (“Politiker fordern Deutsch-Quote gegen US-Serien”) legt die SPD-Medienpolitikerin Monika Griefahn Wert auf die Feststellung, dass sie nicht für eine Pflicht-Quote für deutsche Serien im TV ist. Grundsätzlich befürwortet Frau Griefahn jedoch eine stärkere Berücksichtigung deutscher Serienproduktionen.

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Der Eingriff
(jungewelt.de, Georg Fülberth)
“Wie sich die Schatzmeisterin der SPD über die »uninformierte« Linkspartei-Berichterstattung der Frankfurter Rundschau beschwert – und am Ende der Chefredakteur gehen muß”.

“Wollen Sie jeden Blogger kontrollieren?”
(dradio.de, Jürgen König)
“Der Chefredakteur von “Spiegel Online”, Matthias Müller von Blumencron, lehnt eine zentralisierte Medienaufsicht für das Internet ab. “Im Printbereich gibt es eine sehr gute Selbstregulierung, und etwas Ähnliches muss sich auch im Onlinebereich entwickeln”, sagte der Journalist.”

Requiem für die klassischen Medien
(werbeblogger.de, Patrick Breitenbach)
“Im folgenden möchte ich erklären, wieso die klassischen Medien für eine echte Informationsgesellschaft mehr oder weniger überflüssig geworden sind”.

Happy Birthday, DPA!
(Was mit Medien, Daniel Fiene)
“Morgen vor 58 Jahren ist die erste dpa-Meldung an die Redaktionen verschickt worden. Da lohnt es sich heute schon die Glückwunsch-Kärtchen aus der Schublade zu holen.”.

Getrübte Sicht
(sueddeutsche.de, Ingo Arzt)
“Nur 40 Prozent aller deutschen Haushalte haben – theoretisch – Zugang zu digitalem Fernsehen. Qualitätsprobleme sind nur ein Grund für die schleppende Einführung.”

Jetzt aber mal im Ernst: Kriegt Euch wieder ein!
(graubrot.blogspot.com, Björn Grau)
“‘Hört endlich auf, die Blogosphäre zu beschwören! Was auch immer Ihr Zuerstgekommenen da so unter Euch gruppengekuschelt oder ganz besonders wüst gepöbelt habt, ist vorbei. Blogs sind, was sie eigentlich waren: Eine bestimmte Form von Publikationssoftware. Aber keine Religion oder Subkultur. Ich weiß nicht, ob es ohne E-Gitarren Punk gegeben hätte. Aber es hat E-Gitarren ohne Punk gegeben, versteht ihr?”

Skandal-Skandal bei Bild.de

Ob Skandal-Rocker, Skandal-Rapper, Skandal-Schiri, Skandal-Star, Skandal-Profi, Skandal-Politikerin, Skandal-Urteil und Justiz-Skandal, TV-Skandal, Briefmarken-Skandal, Schummel-Skandal, Suff-Skandal, Sex-Skandal, Rassismus-Skandal, Kopftuch-Skandal, Prügel-Skandal, Pflege-Skandal, Nazi-Skandal, Internet-Skandal, Puff-Skandal oder Skandal um Harry Potter — Skandale sind in “Bild” beliebt. Allein in der Bundesausgabe finden sich in diesem Jahr bereits über 250 Artikel, die nicht ohne Skandal auskommen konnten.

Nur Bild.de gehen offenbar die Skandale aus. So berichtet der Online-Ableger der “Bild”-Zeitung derzeit über eine junge Frau, die sich heimlich und nackt in einem Schloß der dänischen Königsfamilie fotografiert habe, und schreibt:

"Die Stripperin im Schloss – ein Skandal."

Die “Frankfurter Rundschau” jedoch, auf die sich Bild.de ausdrücklich bezieht (“Das berichtet die “Frankfurter Rundschau”) schreibt über die öffentliche Reaktion in Dänemark:

Ein Achselzucken. Bisschen Schmunzeln, bisschen Verärgerung. Da dringt eine Nackte ins Allerheiligste der dänischen Monarchie ein, lässt sich in aufreizenden Posen knipsen, und die Dänen reagieren erfrischend unhysterisch. (…)

Die (…) Medien reagierten verhalten. Viele ignorierten die Episode, andere stellten die Frage nach der Sicherheit im königlichen Schloss (…). “Überrascht” zeigte sich Schlossverwalter Jens Greve, nicht besorgt.

Und auch im “Spiegel”, der über die Angelegenheit übrigens bereits vor zweieinhalb Wochen berichtet hatte, hieß es bloß:

Bei Hofe nahm man den Zwischenfall eher gelassen (…)

Mit Dank an Christoph E. für den Hinweis.

6 vor 9

G8-Gipfel – Die Wahrheit
(zuender.zeit.de)
Klimakiller, Chaoten, Polizeigewalt: Vor dem G8-Gipfel wurden die Etiketten für Gut und Böse schon vergeben. Zuenders Zitate-Sammlung zeigt euch, wer auf welcher Seite der Absperrung steht.

Ein Netz fürs Leben
(handelsblatt.com, Thomas Knüwer)
Weblogs, Podcasts oder Wikipedia als Hobby – wer damit seine Freizeit vor dem Computer verbringt, der muss sich häufig regelrecht dafür rechtfertigen. ?Unsoziale Zeitverschwendung?, giften Kritiker. Doch sie übersehen oft, dass die Aktivitäten im Netz Ausgangspunkt sind für reale Freundschaften und Kontakte, die Karrieren verändern können.

Gratiszeitungen: Näher am Leser
(extradienst.at, Alexander Lukacs)
Der Gratiszeitungsmarkt ist ständig am Wachsen. Auch im vergangenen Jahr expandierten bestehende Titel und neue kamen hinzu. Dabei stellt sich die Frage, wo die Grenzen der Wirtschaftlichkeit zu ziehen sind.

Fernsehführer
(spreeblick.de, Malte)
Auffallend viele Spreeblickleser schauen nie Fernsehen. Damit diese Menschen den Anschluss an das Muttermedium nicht verpassen, folgt nun ein kurzer Überblick.

Zwei Blicke auf einen Kontinent
(taz.de, Dominic Johnson)
Pünktlich zum G-8-Gipfel entdecken deutsche Tageszeitungen Afrika. Sonderausgaben von “Bild” und “Frankfurter Rundschau” zeigen zwei verschiedene Kontinente.

Der Pinkeltropfenstopper
(nzzfolio.ch, Peter Haffner)
Wer sie hat, dem wird gegeben: Wirklich brauchbare Ideen für Dinge, mit denen man Millionen verdienen könnte.

“Bild” hält zu Söder

Vergangenen Sonntag zitierte die “Bild am Sonntag” diverse CDU- und CSU-Politiker, die sich gegen eine Begnadigung des ehemaligen RAF-Terroristen Christian Klar durch den Bundespräsidenten ausgesprochen hatten. Darunter auch den CSU-Generalsekretär Markus Söder, der im “Spiegel” eine “Begnadigung Klars als ‘schwere Hypothek’ für Köhlers Wiederwahl” bezeichnet hatte.

Am Montag zitierte auch “Bild” Söder mit dieser Äußerung, ebenso wie andere CDU- und CSU-Politiker, die sich kritisch zu einer Begnadigung Klars geäußert hatten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), die wegen dieser Kritik “Respekt” vor dem Bundespräsidenten gefordert hatten, zitierte “Bild” nicht (wir berichteten).

Am Dienstag meldeten quasi alle Agenturen, dass Markus Söder wegen der in “Bild” zitierten Äußerung von Politikern verschiedenster Parteien kritisiert werde. Manche forderten sogar Söders Rücktritt und selbst Kollegen aus der CSU griffen ihn an. Entsprechend berichteten diverse Medien am Dienstag im Internet darüber und/oder am Mittwoch in ihren Druckausgaben. Ein paar Beispiele:

“Focus Online”:

Söder wird auch in der CSU kritisiert

“Spiegel Online”:

CSU nimmt Söder unter Beschuss

“Die Welt”:

Partei-Kollegen greifen CSU-General Söder an

“Frankfurter Allgemeine Zeitung”:

CSU-General Söder in der Kritik (…) auch in der eigenen Partei wurde am Dienstag Missfallen laut.

“Frankfurter Rundschau”:

Söder soll sich bei Köhler entschuldigen (…) auch Politiker der Union haben sich von der Kritik des CSU-Generalsekretärs Söder an Bundespräsident Köhler distanziert.

“Süddeutsche Zeitung”:

Söder bringt selbst Parteifreunde gegen sich auf

“Hamburger Abendblatt”:

CSU-General Söder unter Dauerbeschuss (…) Politiker aller Parteien greifen den Mann aus Bayern an.

“tageszeitung”:

Söder muss auf Gnade der CSU hoffen

“Tagesspiegel”:

Keine Gnade für Söder

Und so weiter…

Kurz gesagt: Kaum eine Zeitung, kaum ein Online-Medium, egal welcher politischen Ausrichtung, kam an dem Thema vorbei. Selbst Boulevardzeitungen wie der “Berliner Kurier” oder gar die, wie “Bild” bei Springer erscheinende, “B.Z.” berichteten darüber.

Doch mindestens eine Zeitung, die vorher über die Äußerung Söders berichtet hatte, berichtete danach nicht über die Folgen:

“Bild”.

Weder am Dienstag, noch am Mittwoch, noch heute findet sich auch nur ein Wort dazu im Blatt*.

Mit Dank an Erik F. für den sachdienlichen Hinweis.

*) Am Mittwoch, als fast alle Zeitungen größer über die Kritik an Söder berichteten, schrieb “Bild” auf ihrer Seite 2 (der wichtigsten Politik-Seite) lieber über den Trauzeugen von “Bild”-Chef Kai Diekmann, der für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen ist. Zwei ehemalige polnische Außenminister und ein ehemaliger polnischer Ministerpräsident finden nämlich, dass Helmut Kohl ihn verdient hätte.

Allgemein  

“Eine furchtbare Instanz” II

Wir müssen noch mal darauf zurückkommen, was für eine “furchtbare Instanz” die “Bild”-Zeitung darstellen kann. Die “Frankfurter Rundschau” hatte (wir berichteten) am vergangenen Freitag über einen Mann berichtet, der gelegentlich auch im Fernsehen zu sehen war und wegen exhibitionistischer Handlungen zu einer Geldbuße verurteilt wurde:

Dass er mit einer verhältnismäßig geringen Strafe davonkommt, hat einen Grund. Die Höchststrafe hat bereits eine andere, eine furchtbare Instanz verhängt: die Bild.

Was die “Frankfurter Rundschau” schreibt, ist nicht bloß Rhetorik. Tatsächlich hatte der Anwalt des Mannes im Prozess geltend gemacht, dass dem Angeklagten als Folge der Berichterstattung durch die Medien sämtliche freie Arbeitsverträge gekündigt wurden. Der Anwalt bezog sich hierbei explizit auf die Berichterstattung der “Bild”-Zeitung. “Bild” war, soweit wir wissen, das einzige Medium, dass bereits einen Tag vor dem Prozess über den Fall berichtet hatte.

Außerdem ging auch die zuständige Staatsanwältin in ihrem Plädoyer explizit auf die Tatsache ein, dass dem Angeklagten durch die Berichterstattung in den Medien erheblicher Schaden entstanden war, weshalb sie eine relativ geringe Strafe forderte, wie sie uns sagt.

Und auch der vorsitzende Richter bestätigt uns, dass er bei der Strafzumessung berücksichtigt habe, dass die bürgerliche Existenz des Angeklagten als Folge der medialen Berichterstattung quasi zerstört wurde.

Das ist nicht ungewöhnlich. Ein Sprecher des Amtsgerichts Frankfurt:

Wenn ein Angeklagter durch Veröffentlichungen der Presse erheblich Schaden genommen hat, kann und muss das bei der Strafzumessung berücksichtigt werden.

"Der Onanierer aus dem TV"Die “Bild”-Zeitung hatte dann ja (wie berichtet) nach dem Prozess zum zweiten Mal groß über den Fall berichtet (siehe Ausriss). Dabei zitierte sie ausführlich den Richter, die Staatsanwältin und den Verteidiger und gab so noch einmal in allen Einzelheiten wieder, was dem Angeklagten vorgeworfen wurde. Zusammenfassend hieß es in “Bild” dazu:

ES IST DER PEINLICHSTE PROZESS DES JAHRES!
(Hervorhebung von “Bild”)

Über die unrühmliche und peinliche Rolle, die “Bild” in diesem Prozess spielte, verlor “Bild” kein Wort.

Mehr dazu hier.

neu  

“Eine furchtbare Instanz”

“Exhibitionist wird zu einer Geldbuße verurteilt”, steht heute zusammenfassend über einem Artikel in der “Frankfurter Rundschau”, in dem es weiter heißt:

Der Fall an sich ist eher lapidar, wenn auch bizarr. (…)

Das Frankfurter Landgericht verurteilt den Mann zu einer Geldbuße von 800 Euro, die er an das Frankfurter Männerzentrum zahlen muss.

Eine Geldstrafe von 2000 Euro wird zur Bewährung ausgesetzt — er muss sie nur zahlen, wenn er keine Therapie macht. Doch dazu ist er — und seine Lebenspartnerin — durchaus bereit. (…) Er bereut seine Taten und entschuldigt sich ausdrücklich bei seinen Opfern.

Dass er mit einer verhältnismäßig geringen Strafe davonkommt, hat einen Grund. Die Höchststrafe hat bereits eine andere, eine furchtbare Instanz verhängt: die Bild.
(Hervorhebung von uns.)

Denn die “Bild”-Zeitung hatte vorgestern über den Mann berichtet, hatte ein großes Foto von ihm gezeigt, seinen vollständigen Namen danebengeschrieben und ihn “TV-Moderator” genannt, weil er gelegentlich als “Schaltgast” im Programm eines Spartensenders aufgetaucht war. Die “Frankfurter Rundschau” vermutet, dass “Bild” den Mann “für eine Person des öffentlichen Interesses” halte, und fragt, “was an dem Mann, dessen Namen kaum jemand kennt, von öffentlichem Interesse sein soll”.

Leider ist die Geschichte damit noch nicht zu Ende.

Heute nämlich berichtet “Bild” wieder über den Mann (siehe Ausriss), nennt ihn “Börsenstar” — und illustriert den Artikel u.a. mit einem "Der Onanierer aus dem TV"großen Foto, auf dem die Augenpartie des Mannes halbherzig verpixelt wurde. Keine 20 Zentimeter neben diesem Foto jedoch zeigt “Bild” (und Bild.de auch) noch eines, auf dem der Mann ohne jede Unkenntlichmachung zu sehen ist und eine entwürdigende Zeichnung (“So sieht der BILD-Zeichner die ‘privaten’ Auftritte von TV-Experte [Name des ‘Börsenstars’] — mit heruntergelassener Hose”), auf dem das Gesicht des Mannes ebenfalls wiedererkennbar ist.

Die “Frankfurter Rundschau” schließt mit der “Erkenntnis”, dass sich bei “Bild” offenbar “am sorglosen Vernichten von Existenzen seit Wallraff-Zeiten nichts, aber auch gar nichts geändert hat”.

Mit Dank an die zahlreichen Hinweisgeber.

Mehr dazu hier und hier.

Ohne Kleine Anfrage kein Preis

Gestern wollte “Bild” ihren Lesern in Hessen mal auf einer ganzen Zeitungsseite erklären, welche Parlamentsabgeordneten faul und welche fleißig sind:

"Wie fleißig sind Hessens Politiker?"

Es gibt zwei Möglichkeiten, wie es zu dieser Schlagzeile gekommen ist: Entweder hat man bei “Bild” nicht sehr lange über den “BILD-Test” nachgedacht, und sich für ein einziges untaugliches Kriterium entschieden — oder man hat sehr lange nachgedacht, festgestellt, dass Politikerfleiß irgendwie nicht so richtig messbar ist, und sich dann für ein einziges untaugliches Kriterium entschieden.

“Bild” behauptet nämlich, die Zahl der Kleinen Anfragen, die Politiker an die Landesregierung stellen, belege ihren Fleiß. (Kleine Anfragen sind übrigens eher ein Instrument der Opposition, die Regierung zu kontrollieren, weshalb Regierungspolitiker naturgemäß eher weniger Kleine Anfragen stellen, wie “Bild” immerhin auch selbst andeutet.)

Die “Frankfurter Rundschau” schreibt heute zum “Bild”-Artikel:

Im hessischen Landtag tippen sich Politiker aller Couleur am Donnerstag an die Stirn. “So ein Schwachsinn”, entfährt es einem. “Irrsinnig”, sagt eine. Sie haben Recht. (…) Auch sonst missrät der Bild alles Denkbare. Die Zahlen, die sie benutzt, sind falsch. Den Namen des Spitzenreiters, den sie ausgemacht hat, schreibt sie verkehrt. Auf Rang zwei lässt sie eine Abgeordnete folgen, die dort selbst nach Bild-eigener Zählung nicht stehen dürfte. Und dann findet sich das Foto eines älteren Herrn auf der Seite, dem vorgeworfen wird, nie Fragen zu stellen. Kein Wunder. Der frühere Landtagspräsident Klaus-Peter Möller schied schon 2003 aus. Heute sitzt dort nur noch sein junger Namensvetter Klaus Peter Möller.

Und wir wollen dem allenfalls noch hinzufügen, dass man die Hessische Landesregierung, anders als “Bild” meint, natürlich auch nicht “Senat” nennt.

Mit Dank an die Hinweisgeber.

Nachtrag, 20.04 Uhr (mit Dank an Denis S.): Jetzt ahnen wir, wie es passieren konnte, dass “Bild” die Hessische Regierung als “Senat” bezeichnet: Der gleiche “BILD-Test” erschien nämlich vor vier Wochen in der Hamburger “Bild” — von einem anderen Autor, aber mit zum Teil quasi identischen Formulierungen:

Der Kerl nervt, stöhnen Senatoren. Der Mann ist fleißig, sagen Abgeordnete anerkennend. (…) Dressel ist der absolute Fragekönig der Hamburger Bürgerschaft (…).
(“Bild”-Hamburg vom 30.12.2006)

Der Kerl nervt, stöhnt die Landesregierung wohl ab und an. Der Mann ist fleißig, sagen Abgeordneten-Kollegen, meist aus dem eigenen Lager. (…) Thorsten Schäfer-Gümpel war (…) der “König der Kleinen Anfragen” (…).
(“Bild”-Frankfurt vom 1.2.2007)

Immerhin: Der Hamburger “Test” erschien nicht unter der Überschrift “Wie fleißig sind Hessens Politiker?”, sondern unter der Überschrift “Wie fleißig sind Hamburger Politiker?”. Und die getesteten Abgeordneten waren natürlich auch andere.

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