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Gesucht: Fotograf für korrektes Bild

Man muss den Artikel von “Bild”-Autor Dirk Hoeren über Bundesumweltministerin Steffi Lemke einmal komplett lesen, um zu verstehen, wie tendenziös und einseitig und falsch er ist. Am vergangenen Samstag schrieb Hoeren in der “Bild”-Bundesausgabe:

Plant Umweltministerin Steffi Lemke (55) eine Zweit-Karriere – als Fotomodell?

In einer Ausschreibung sucht ihr Ministerium gerade einen Fotografen. Er soll die Grüne auf offiziellen Terminen begleiten – und sie zusätzlich im Rahmen von Porträt-Shootings in Szene setzen.

“Ein oder zweimal jährlich kann ein großes Porträtshooting beauftragt werden”, heißt es in der Ausschreibung. Darin solle die Ministerin “in einem aufwändigeren Aufnahmeprozess fotografisch stärker inszeniert werden”. Die Fotos sollen “in mindestens drei verschiedenen Umgebungen, unterschiedlichen Lichtverhältnissen, mit wechselnder Bekleidung” geschossen werden. “Eine Visagistin/Ein Visagist ist einzuplanen.”

Dauer der Shootings: “vier bis sechs Stunden”.

Den Auftragswert schätzt das Grünen-Ministerium auf 150 000 Euro. Bei zweimaliger Verlängerung um je ein Jahr würden sich die geschätzten Kosten sogar auf 300 000 Euro summieren.

Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel (47), sieht den Aufwand kritisch.

“Es ist den Steuerzahlern kaum zu vermitteln, dass sie auch für Visagisten und Hairstylisten von Politikern aufkommen sollen”, sagt Holznagel zu BILD. Im Zweifel müsse dafür “privat bezahlt werden”.

Überschrift:

Ausriss Bild-Zeitung - Umweltministerin sucht einen Fotografen für 150000 Euro!

Fangen wir beim Geld an.

Was die “Bild”-Leserschaft an keiner Stelle erfährt und nach dem Lesen des Artikels auch nicht ahnen kann: Die 150.000 Euro sind kein festgelegtes Honorar, das auf jeden Fall gezahlt wird, egal wieviel der Fotograf oder die Fotografin arbeitet. Es handelt sich stattdessen um das maximale Auftragsvolumen für den vertraglich festgelegten Zeitraum (dazu gleich noch mehr). So steht es auch in der “Rahmenvereinbarung”, die das Ministerium zur Ausschreibung veröffentlicht hat. Wir haben beim Ministerium nachgefragt, wie die letztendliche Höhe des Honorars zustande kommt. Die Antwort:

Die Vergütung erfolgt pro tatsächlichem Einsatz in Abhängigkeit vom Zeitbedarf nach gestuften Stundensätzen bzw. einem Tagessatz.

Was da so pro Jahr zusammenkommt? Auch darauf haben wir eine Antwort bekommen:

Die Brutto-Ausgaben im Jahr 2022 beliefen sich auf rund 9.700 €. Im laufenden Jahr betragen die bisherigen Ausgaben gut 8.800 €.

Also: bezahlt wird pro Einsatz. Und mit den Summen, die in der jüngsten Vergangenheit vom Ministerium pro Jahr ausgegeben wurden, käme man nicht ansatzweise an das maximale Auftragsvolumen von 150.000 Euro ran.

Sowieso wirft Dirk Hoeren im “Bild”-Artikel die Summen völlig durcheinander. Wenn er schreibt: “Den Auftragswert schätzt das Grünen-Ministerium auf 150 000 Euro. Bei zweimaliger Verlängerung um je ein Jahr würden sich die geschätzten Kosten sogar auf 300 000 Euro summieren”, ist das schlicht falsch. Erstens weil eben nicht pauschal, sondern pro Auftrag bezahlt wird, siehe oben. Und zweitens: Aus der bereits erwähnten “Rahmenvereinbarung” wird klar, dass sich der Maximalwert von 150.000 Euro auf den Zweijahresvertrag und die zweimalige Verlängerung um jeweils ein Jahr bezieht:

Das maximale Auftragsvolumen (Höchstwert) beträgt über die Gesamtlaufzeit des Vertrags (inkl. Verlängerungsoptionen) 150.000 € netto.

Es geht also um 150.000 Euro für vier Jahre, rechnerisch 37.500 Euro pro Jahr. Und wie gesagt: Zuletzt wurde diese Summe bei weitem nicht erreicht. Die Verdopplung der Kosten auf 300.000 Euro bei einer möglichen Vertragsverlängerung, die Dirk Hoeren bei “Bild” ins Spiel bringt, hat er sich ausgedacht.

Bei Bild.de steht inzwischen:

Bei zweimaliger Verlängerung um je ein Jahr würden sich die geschätzten Kosten sogar auf das Vielfache summieren.

Das ist aber genauso falsch. Noch einmal: Es bleiben auch bei einer Verlängerung maximal 150.000 Euro.

Was die beauftragte Person für das Honorar leisten soll, wird im “Bild”-Artikel stark einseitig beschrieben. In dem Text geht es fast ausschließlich um “‘ein großes Porträtshooting'” für Steffi Lemke. Nur an einer Stelle wird auch erwähnt, dass der Fotograf oder die Fotografin “die Grüne auf offiziellen Terminen begleiten” soll. Schaut man in die “Leistungsbeschreibung” der Ausschreibung, wird klar: Es geht hauptsächlich (“Grundlegende Anforderungen”) um Terminbegleitung und nur zusätzlich (“Optionale Leistungen”) um Porträtaufnahmen. Bei “Bild” wird dieses Verhältnis komplett umgedreht.

Und nicht nur bei der Frage, was und wie fotografiert werden soll, lässt Dirk Hoeren großzügig die Aspekte weg, die nicht in seine Erzählung passen, sondern auch bei der Frage, wer alles fotografiert werden soll. In der “Leistungsbeschreibung” ist von der “Hausleitung” des Ministeriums die Rede, die bei Terminen begleitet werden soll. Und die umfasst neben Steffi Lemke auch die Staatssekretäre und die Parlamentarischen Staatssekretäre. Bei “Bild” liest es sich hingegen so, als würde das ganze, viele Geld nur für die Bundesministerin draufgehen.

Dieser ganze “Bild”-Spin fand noch weitere Verbreitung, weil andere Redaktionen ihn dankbar abgeschrieben haben: die “Epoch Times” zum Beispiel, “De24Live” oder das Krawallportal “Nius” um den geschassten “Bild”-Chefredakteur Julian Reichelt. Manche Redaktionen haben ihn aber auch noch irrer weitergedreht. Die “Weltwoche” etwa titelt: “‘Für vier bis sechs Stunden’: Grüne Umweltministerin sucht einen Fotografen für 150.000 Euro”, und “Focus Online” schreibt von “150.000-Euro-Portaitshootings”.

Man kann es natürlich völlig daneben finden und darüber diskutieren, dass Bundesministerien Steuergelder für Fotoaufträge ausgeben. Aber dann sollte man in der Diskussion wenigsten fair sein und sich an die Fakten halten.

Nachtrag, 8. August: Die “Bild”-Redaktion hat eine Art Teil-Korrektur veröffentlicht.

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“Bild” verlegt Vergewaltigungen in den Görlitzer Park

Im Görlitzer Park in Berlin soll es eine Gruppenvergewaltigung gegeben haben. Die Ermittlungen dazu laufen, die Polizei hat bisher zwei Verdächtige festgenommen. Die mutmaßliche Tat soll sich bereits im Juni dieses Jahres ereignet haben, öffentlich bekannt wurde sie erst vergangene Woche. Die “Bild”-Redaktion erklärte den Görlitzer Park jedenfalls vor wenigen Tagen zu:

Screenshot Bild.de - Allein dieses Jahr acht Vergewaltigungen! Deutschlands Park der Angst

Dass die Dachzeile “ALLEIN DIESES JAHR ACHT VERGEWALTIGUNGEN!” so nicht stimmt, wird bereits beim Lesen des ersten Absatzes desselben Artikels klar:

Er ist Berlins Horror-Park: Allein acht Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe gab es von Januar bis Ende Juni im Görlitzer Park.

Also: bisher “acht Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe” im Görlitzer Park im Jahr 2023 laut “Bild”. Diese Zahl taucht in aktuellen Berichten der Redaktion immer wieder auf:

Allein von Januar bis Ende Juni gab es im Görlitzer Park acht schwere Taten unter dem Stichwort “Vergewaltigung/sexuelle Nötigung/sexueller Übergriff”

Laut einer aktuellen Polizeistatistik gab es von Januar bis Ende Juni im Görlitzer Park acht schwere Taten unter dem Stichwort “Vergewaltigung/sexuelle Nötigung/sexueller Übergriff”.

Doch auch das ist falsch.

Die Polizeistatistik, die die “Bild”-Redaktion erwähnt, findet man in einer Antwort der Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport (PDF) auf eine Anfrage der Linken-Politiker Niklas Schrader und Ferat Koçak. Darin geht es um “Neue Entwicklungen am sogenannten kriminalitätsbelasteten Ort ‘Görlitzer Park/Wrangelkiez'”. Tatsächlich findet man in der Statistik die acht Fälle von “Vergewaltigung/sexuelle Nötigung/sexueller Übergriff”, die sich von Januar bis einschließlich 26. Juni ereignet haben sollen. Aber längst nicht alle im Görlitzer Park.

Die Bezeichnung “kriminalitätsbelasteter Ort” (“kbO”) geht auf eine Einordnung der Berliner Polizei zurück, die in der Stadt insgesamt sieben solcher Gebiete als Kriminalitäts-Hotspots sieht. Dort gelten für die Beamten besondere Befugnisse. Sie können beispielsweise verdachtsunabhängige Kontrollen durchführen. Der Name “kbO Görlitzer Park/Wrangelkiez” deutet ja schon an, dass das Gebiet, um das es in der Polizeistatistik geht, nicht nur den Görlitzer Park umfasst. Dieser ist etwa 140.000 Quadratmeter groß; die gesamte von der Polizei Berlin als “kbO Görlitzer Park/Wrangelkiez” deklarierte Fläche umfasst aber mehr als 300.000 Quadratmeter. Wo genau die Grenzen verlaufen, verrät die Berliner Polizei aus taktischen Gründen nicht. Auf jeden Fall gehört aber ein beachtlicher Teil des belebten Wrangelkiezes, in dem es viele Wohnhäuser, Hostels und Firmen gibt, zum “kbO”.

Unter den acht Fällen von “Vergewaltigung/sexuelle Nötigung/sexueller Übergriff” befinden sich laut Polizeistatistik sechs Vergewaltigungen oder versuchte Vergewaltigungen. Dazu hat “taz”-Redakteur Erik Peter bei der Polizei genauer nachgefragt. Mit dem Ergebnis:

Einzig die mutmaßliche Gruppenvergewaltigung aus dem Juni fand tatsächlich im Görlitzer Park statt. Sie ist zudem die einzige der registrierten Vergewaltigungen, die im öffentlichen Raum geschah.

In den fünf anderen Fällen vergewaltigten die mutmaßlichen Täter demnach in Privaträumen im umliegenden Kiez: Laut der Polizei kam es demnach zu einer versuchten Vergewaltigung in einem Gewerbebetrieb, zwei Vergewaltigungen in Hostels sowie zwei Vergewaltigungen in Wohnhäusern. Nähere Auskünfte zu den Ermittlungsständen gab die Polizei mit Verweis auf laufende Ermittlungsverfahren nicht.

Natürlich macht der Ort einer Vergewaltigung diese nicht weniger schrecklich. Aber wenn die “Bild”-Redaktion schreibt: “Allein acht Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe gab es von Januar bis Ende Juni im Görlitzer Park”, ist das grob falsch. Sie heizt damit eine eh schon hitzige Debatte mit falschen Behauptungen weiter an.

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Kennt “Bild” einen Clan-Einbruch, kennt “Bild” alle

Im November 2022 wurden bei einem Einbruch im Kelten-Römer-Museum im bayerischen Manching 483 keltische Goldmünzen und ein goldener Gusskuchen – der Kelten-Goldschatz von Manching – gestohlen. Seit dieser Woche, acht Monate nach dem Einbruch, sitzen vier Tatverdächtige in Untersuchungshaft. Zwei von ihnen wurden bei einer Übergabe von Goldstücken festgenommen, deren Legierung zum Kelten-Goldschatz passen soll. Alle vier Tatverdächtigen sollen bislang zu den Vorwürfen schweigen.

Bereits kurz nach der Tat hatte die “Bild”-Redaktion einen Verdacht, wer hinter dem Einbruch stecken könnte:

Screenshot Bild.de - Goldschatz im Manchinger Museum geklaut - Führt die Spur ins Clan-Milieu?

Auch andere Medien, etwa der “Tagesspiegel” oder die “Berliner Zeitung” (dort führten in der Überschrift die Spuren sogar ohne Fragezeichen “ins Berliner Clan-Milieu”), brachten eine mögliche Clan-Verbindung ins Spiel. Aber keine Redaktion gab sich dabei so viel Mühe wie “Bild”. In dem Artikel vom 23. November hieß es unter anderem:

Der Tatort ist neu, aber die Vorgehensweise der Einbrecher bei dem Raub des Goldschatzes erinnert an jüngste Clan-Coups …

Und:

Nach Angaben der Ermittler könnte die Spur ins Clan-Milieu führen.

Und:

Die Fahnder stehen im engen Kontakt mit Kollegen aus Berlin und Dresden. Sie erhoffen sich Hinweise zum Vorgehen der Täter bei ähnlichen Einbruchsdiebstählen 2017 im Bode-Museum und 2019 im Grünen Gewölbe. Damals wurden in beiden Museen Ausstellungsstücke im Wert von mehr als 100 Millionen Euro geklaut. Die Spuren führten zu Tätern aus dem Clan-Milieu.

Vor allem hat “Bild” einen KriminalKunstexperten aufgetan, der von “Barbaren” spricht und von Goldgeschäften, die sich “in der Hand von arabischen und türkischen Großfamilien” befänden:

“Da werden Erinnerungen an das Grüne Gewölbe wach”, erklärt auch Kunstexperte Robert Weis (54) vom Auktionshaus Hermann Historica BILD. “Auch in Dresden wurde zuerst die Alarmelektrik lahmgelegt. Da sind Leute am Werk, die wissen, was sie tun. Das werden Barbaren sein, die das Gold einschmelzen. Das ist kein Problem. Der Goldankauf ist in der Regel in der Hand von arabischen und türkischen Großfamilien. Die sind bestens vernetzt. In Berlin gab es keine Probleme, die große Münze kleinzumachen und weiterzuverkaufen. Es können auch Nachahmungstäter gewesen sein. Um in Museum einzubrechen, braucht man ein gewisses Maß an organisierter Kriminalität und Fachwissen. Da liegt der Gedanke nah, dass es sich bei den Tätern um Clans handeln könnte.”

Gestern gab es eine Pressekonferenz zur Festnahme der Tatverdächtigen in dem Fall. Die “Süddeutsche Zeitung” schreibt über die Erkenntnisse der Ermittler:

Zumindest die Theorie, wonach der Museumseinbruch im vergangenen November von einem kriminellen Berliner Clan begangen wurde, räumen sie am Donnerstag vom Tisch. Bei den vier festgenommenen Tatverdächtigen handelt es sich demnach um vier Deutsche “ohne Migrationshintergrund” zwischen 42 und 50 Jahren. “Berufseinbrecher”, sagt [Bayerns] Innenminister Herrmann. Drei von ihnen sollen jahrelang als kriminelle Bande umhergezogen sein und in mehreren Bundesländern sowie in Österreich Einbrüche begangen haben. Seit 2014 sollen sie in elf Fällen Casinos, Supermärkte und eine Kfz-Zulassungsstelle geplündert haben, berichtet der Ingolstädter Staatsanwalt Nicolas Kaczynski. Dabei sei ein Beuteschaden von mehr als einer halben Million Euro entstanden. […] Die Vierergruppe besteht aus einem Fernmeldetechniker, einem Buchhalter, einem Filialleiter im Einzelhandel und einem Mitarbeiter einer Abbruchfirma.

Auch Bild.de berichtet über die Festnahmen. In einem Artikel erfährt man, dass die vier Männer, die nun in Untersuchungshaft sitzen, Alexander, Robert, Jörn und Maximilian heißen sollen. Von der eigenen, falschen Clan-Verdächtigung erfährt man in dem Text hingegen nichts.

Mit Dank an @zeitungsboy für den Hinweis.

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“Stern”-Titelbild, “Bild” stalkt Markus Lanz, Heizungsgesetz

1. Schreibt sie nicht größer als sie sind
(belltower.news, Simone Rafael)
Seit es die AfD gibt, gehen die Meinungen von Journalistinnen und Journalisten darüber auseinander, wie eine verantwortungsvolle Berichterstattung über die Partei aussieht: Sollte man ihre Provokationen und Tabubrüche ins Leere laufen lassen und mit Nichtbeachtung reagieren? Oder sollte man darüber berichten, womöglich etwas dagegensetzen, aber damit riskieren, sie größer und wichtiger zu machen? Simone Rafael nimmt das aktuelle “Stern”-Cover, auf dem AfD-Bundessprecherin Alice Weidel groß abgebildet ist, zum Anlass, darüber nachzudenken.

2. Mediale Mythen zum Heizungsgesetz
(deutschlandfunk.de, Ann-Kathrin Büüsker & Mirjam Kid, Audio: 5:58 Minuten)
Dass zum geplanten Heizungsgesetz viele Mythen und Falschinformationen in Medien herumgeistern, liegt nach Ansicht von Ann-Kathrin Büüsker aus dem Hauptstadtstudio des Deutschlandfunks an der Arbeitsverdichtung von politischen Journalistinnen und Journalisten, aber auch an der starken Personalisierung von Themen: “Die Frage, wer sich wo durchgesetzt hat, ist eine sehr häufige – auch weil sie sich schneller beantworten lässt als die Frage nach konkreten Inhalten. Und das führt dann auch dazu, dass Falschinformationen eine viel größere Chance haben: wenn die Debatte sich mehr auf Personen fokussiert und weniger auf Inhalte.”

3. “Bild” stalkt Markus Lanz über mehrere Tage und bis zur Schule seiner Kinder
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
Wie Boris Rosenkranz bei “Übermedien” berichtet, stellt “Bild” dem ZDF-Moderator Markus Lanz nach, beschattet ihn regelrecht und verfolgt ihn sogar bis zur Schule seiner Kinder. Lanz’ Medienanwalt Christian Schertz werde dagegen umfassende rechtliche Schritte einleiten, “auch um präventiv so etwas für die Zukunft zu unterbinden”. Rosenkranz hat sich angeschaut, wer für diese Art von Berichten bei “Bild” verantwortlich ist und wie kaltschnäuzig nachträgliche Löschungen oder Schwärzungen offenbar einkalkuliert werden.

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4. Verleger-Klage gegen Nationales Gesundheitsportal erfolgreich
(dwdl.de, Uwe Mantel)
Noch unter der alten Bundesregierung startete das Gesundheitsministerium ein Onlineportal mit “verlässlichen Informationen für Ihre Gesundheit”. Die Verlagsbranche sah dies als einen “einmaligen und neuartigen Angriff auf die Pressefreiheit”, und der Wort & Bild Verlag (unter anderem Herausgeber der “Apotheken Umschau”) ging dagegen juristisch vor. Uwe Mantel fasst den Streit zusammen und berichtet über den Ausgang.

5. Hinter den Kulissen des Reisejournalismus
(fachjournalist.de, Ulrike Bremm)
Im Gespräch mit dem “Fachjournalist” betont die renommierte Reisejournalistin Stefanie Bisping die Bedeutung von Tiefe und menschlichen Geschichten im Reisejournalismus. Obwohl sie den Stellenwert des Reisens für authentische Geschichten hervorhebt, schreibe sie ihre Artikel meistens zu Hause. Bisping rät angehenden Reisejournalisten und -journalistinnen, einen eigenen Stil zu entwickeln und sich auf unterhaltsame, tiefgründige Geschichten zu konzentrieren.

6. «Den Menschen ist bewusst: Mit dieser sprachlichen Änderung müssen sie auch ihr Weltbild ändern»
(republik.ch, Marie-José Kolly)
Es ist auffällig, dass sich rechte Parteien aus all den drängenden nationalen und globalen Problemen ausgerechnet ein Thema wie das Gendersternchen herauspicken, um es in den Mittelpunkt von Kampagnen zu stellen. Im Interview mit der Schweizer “Republik” erklärt der Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch, warum sich Politikerinnen und Politiker so auf das Thema stürzen, wie mit Sprache Politik gemacht wird und welche Argumente aus seiner Sicht für die Verwendung des Gendersternchens sprechen.

“Bild” auf Schrumpfkurs, Zum Scheitern verurteilt?, Wärmepumpen

1. »Bild« auf Schrumpfkurs
(spiegel.de)
Der Axel-Springer-Verlag will bei der “Bild”-Zeitung einen radikalen Schnitt vollziehen und kündigt einen tiefgreifenden Umbau an. Sechs der bisher 18 Regionalausgaben sollen eingestellt und Hunderte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen werden. In einer Mail, die dem “Spiegel” vorliegt, wird als Grund auch der verstärkte Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) genannt: “Wir müssen uns damit leider auch von Kollegen trennen, die Aufgaben haben, die in der digitalen Welt durch KI und/oder Prozesse ersetzt werden oder sich in dieser neuen Aufstellung mit ihren derzeitigen Fähigkeiten nicht wiederfinden”.

2. “Wir haben hier verdammt nochmal niemanden, der …”
(twitter.com, Johannes Hillje)
“Wir haben hier verdammt nochmal niemanden, der weiß, wie so eine Wärmepumpe funktioniert”, soll “Bild”-Chefredakteurin Marion Horn laut “Süddeutscher Zeitung” (nur mit Abo lesbar) in einer Konferenz mit der Belegschaft gesagt haben. Da kann man sich nur wundern: Angesichts der Tatsache, dass die “Bild”-Redaktion seit Monaten und nahezu täglich eine angstschürende und verunsichernde Kampagne gegen die Wärmepumpen-Pläne von Robert Habeck (“Heiz-Hammer” etc.) fährt, “ist das gleichzeitig das Ehrlichste und Erbärmlichste, was man als Bild-Chefredakteurin sagen konnte”, wie der “6-vor-9”-Kurator auf Twitter anmerkte. Johannes Hillje stellt Horns Aussage ein Screenshot eines Bild.de-Artikels gegenüber, in dem ironischerweise die Erklärung versprochen wird, “warum Wärmepumpen dem Klima erstmal NICHTS bringen” (Schreibweise im Original).

3. Zum Scheitern verurteilt
(taz.de, Erica Zingher)
In der “taz” äußert Erica Zingher ihre Bedenken hinsichtlich der frisch gewählten RBB-Intendantin Ulrike Demmer: “Demmer wird ihre Position noch so gut ausfüllen können, Kri­ti­ke­r:in­nen werden ihr immer wieder ihre Vergangenheit als Regierungssprecherin vorwerfen. Der Sender macht sich in Zeiten, in denen er um das Vertrauen der Bevölkerung kämpfen muss, maximal angreifbar.”

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4. Zunehmende Probleme für China-Korrespondenten
(faz.net, Hinnerk Feldwisch-Drentrup)
Hinnerk Feldwisch-Drentrup schreibt in der “FAZ” über die zunehmenden Probleme ausländischer Korrespondentinnen und Korrespondenten in China. Der Club der Auslandskorrespondenten in China befürchte, dass das chinesische Regime indische Medien vollständig aus dem Land drängen könnte. Medien aus Australien und Kanada seien bereits nicht mehr im Land mehr vertreten.

5. Internationale Top 5 der Vergessenen Nachrichten
(derblindefleck.de)
Die Initiative Nachrichtenaufklärung (INA) hat ihre “Internationalen Top 5 der vergessenen Nachrichten 2023” vorgestellt. Dabei handelt es sich um Themen und Geschichten, die aus Sicht der INA in der medialen Berichterstattung weitgehend unsichtbar geblieben sind, obwohl sie von gesellschaftlicher Bedeutung sind. Auf den ersten drei Plätzen: Das Pegasus-Projekt, das als “mächtigste Cyber-Waffe der Welt” gilt, die persönlichen Risiken von Umweltaktivismus für die beteiligten Menschen sowie der Umgang mit Künstlicher Intelligenz und deren Auswirkungen auf Beschäftigte und Ökosysteme.

6. Günther Jauch enthüllt nach 27 Jahren noch einmal einen bekannten ZDF-Skandal
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Wie in einigen Medien zu erfahren ist, hat der TV-Moderator Günther Jauch in einem Interview Unfassbares über die politische Einflussnahme beim ZDF enthüllt. Gut, dass Medienkritiker Stefan Niggemeier ein gutes Gedächtnis hat: “Die Geschichte ist wirklich unfassbar und deshalb ist es auf den ersten Blick nachvollziehbar, dass sie heute auf vielen Nachrichtenseiten steht. Sie ist aber nicht nur unfassbar, sondern auch alt und – bekannt. Sie machte nämlich auch vor 27 Jahren schon Schlagzeilen.”

“Bild” bringt Geflüchtete in “Luxus-Hotel” unter

Auf ihrer Suche nach Möglichkeiten zur Unterbringung von Geflüchteten plant die Bezirksregierung Münster, ein Hotel in Gladbeck zu mieten und in eine Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) umzuwandeln. 620 neue Plätze sollen so entstehen. BILDblog-Leserinnen und -Leser aus Gladbeck erzählen uns, dass in der Stadt über das Vorhaben zwar kontrovers, aber “zum Glück noch einigermaßen sachlich” diskutiert werde. Jedenfalls bislang, denn jetzt schaltet sich “Bild” ein.

Gestern auf der Bild.de-Startseite:

Screenshot Bild.de - Land NRW will Flüchtlinge im Vier-Sterne-Hotel unterbringen

Heute in der “Bild”-Bundesausgabe:

Ausriss Bild-Zeitung - NRW will Flüchtlinge in Luxus-Hotel unterbringen - Vier Sterne und 600000 Euro Miete pro Monat

Und größer in der heutigen Ruhrgebiet-Ausgabe:

Ausriss Bild-Zeitung - Land will Flüchtlinge in Luxus-Hotel unterbringen - Vier Sterne und 600000 Euro Miete pro Monat

Die “Bild”-Redaktion gibt sich große Mühe, das Hotel Van der Valk Gladbeck als Luxus-Unterkunft wirken zu lassen, in der es sich die Geflüchteten dann mit allerlei Annehmlichkeiten gemütlich machen können. Sie betont den “Bettwäsche- und Handtuchwechsel für bis zu 618 Personen”, der für die ZUE geplant sei, sie schreibt vom “Hausmeister und Gärtner”, der zu den “Zusatzdienstleistungen” gehöre, und sie erwähnt die “Hochzeitssuite ‘Blaue Lagune'”, die es im Hotel gibt. In einer Bildunterschrift steht (samt Einzahl/Mehrzahl-Fehler):

Das Zimmer sind mit stilvollen Design-Möbeln eingerichtet

Das dazugehörige Foto zeigt aber nicht etwa die “stilvollen Design-Möbel” eines normalen Einzel- oder Doppelzimmers des Hotels, sondern die der bereits erwähnten Hochzeitssuite.

In einer anderen Bildunterschrift heißt es:

Ausriss Bild-Zeitung - Man gönnt sich ja sonst nichts: Das Doppelzimmer gibt es derzeit ab 79 Euro pro Nacht, die Hochzeitssuite

Die drei Fotos, die die “Bild”-Redaktion dazu abdruckt (und die alle vom Hotelbetreiber stammen), zeigen: 1. die Hochzeitssuite, 2. eine Executive Suite und 3. die Terrasse des Hotels.

Bei all dem Bemühen, das Gladbecker Hotel im Glanz erstrahlen zu lassen, hat “Bild” eine interessante Info leider vergessen: Die Anzahl der Zimmer ist nirgends im Text zu finden. Auf wie viele “Man-gönnt-sich-ja-sonst-nichts”-Luxus-Zimmer sollen sich die 620 Geflüchteten eigentlich verteilen? Die Antwort gibt es auf der Website des Hotels: Momentan seien es 181. Das heißt: Pro Zimmer sollen rein rechnerisch drei bis vier Geflüchtete unterkommen. Das ist in der Hochzeitssuite “Blaue Lagune”, die es der “Bild”-Redaktion so angetan hat, wahrscheinlich kein größeres Problem. In einem herkömmlichen Hotel-Doppelzimmer ist das auf Dauer hingegen schon eher problematisch und hat mit einer Luxus-Unterbringung nicht mehr viel zu tun.

Während die Quantität der Zimmer von “Bild” also gar nicht thematisiert wird, scheint die Darstellung der Qualität der Zimmer – laut “Bild” ja “mit stilvollen Design-Möbeln eingerichtet”, “gut ausgestattet” und mit “4-Sterne-Komfort” – nicht so recht mit den Erfahrungen früherer Hotelgäste übereinzustimmen. Schaut man in die Bewertungen für das Hotel in Gladbeck (wir haben extra einen Zeitraum gewählt, der vor der Bekanntgabe der Pläne der Bezirksregierung Münster liegt, um irgendwie politisch motivierte Rezensionen ausschließen zu können), findet man einige Rezensenten, die mit ihrem Aufenthalt sehr zufrieden gewesen sind. Man findet aber auch zahlreiche Kommentare, die betonen, wie “abgerockt” die Zimmer seien. Möbel seien verschlissen, Teppiche fleckig, Duschen schimmelig:

Die Zimmer sind sehr in die Jahre gekommen und nicht zeitgemäß eingerichtet. Ich habe ein Upgrade auf eine Suite erhalten, diese war schon sehr abgewohnt.

Alles ziemlich alt und abgenutzt

Möbel fielen teilweise auseinander.

Die Möbilierung im Zimmer zeigte Verschleißerscheinungen.

Sehr renovierungsbefürftige Anlage.

komplett veraltet, müßte dringend renoviert und modernisiert werden

Total veraltetet Inventar in den Zimmern. Man kommt sich vor wie 1965.

Renovierung dringend erforderlich.

Raumausstattung sehr veraltet

Im Bad war Schimmel über der Dusche, Steckdosen waren nicht mehr fachgerecht angebracht und das gesamte Mobiliar aus Holz ist mittlerweile abgeplatzt.

Das Hotel ist leider in die Jahre gekommen. Die Zimmer waren eher vom Standard einer Monteur Unterkunft. Der frühere Glanz ist nur noch im Empfang und dem Speisesaal erkennbar.

Zimmer benötigen Renovierung.

Das Hotel war damals vielleicht schön, ist jetzt aber leider komplett ungepflegt, verwohnt

sehr abgewohnt

Teppiche fleckig, Fenster und Türen undicht

Fliesen gibt es auf dem Balkon nicht, dafür aber einen Estrich beton auf dem mal Fliesen waren.

Einrichtungen veraltet

der Zustand der Zimmer inklusive Möbel ist für den Preis nicht tragbar. Alles sehr abgerockt und alt.

Zimmer sind veraltet.

Die Dusche hatte Schimmelsporen an der Decke!

Alles in allem ganz schön in die Jahre gekommen, müsste alles mal dringend erneuert werden.

Auch das klingt nich gerade nach dem Luxus, den “Bild” dem Hotel in Gladbeck gern zuschreiben möchte.

All diese zusätzlichen Informationen scheint die “Bild”-Leserschaft für ihr Urteil aber sowieso nicht zu brauchen. Allein die Kombination aus “Flüchtlinge” und “Vier-Sterne-Hotel”, die die “Bild”-Redaktion ihr hinwirft, scheint zu verfangen. In den Hunderten Kommentaren unter den “Bild”-Posts bei Twitter und Facebook tobt die Wut auf Geflüchtete und auf die Politik. Es geht dabei um die gegen uns und um arm gegen ganz arm:

Für das Gesundheitssystem und Rentner ist kein Geld da, aber die Flüchtlinge wird das Geld nur so rausgeschmissenes.

Während viele Rentner zur Tafel gehen und Leute, die früher zur Mittelschicht gehörten, mittlerweile jeden Cent 2x umdrehen müssen.

Hauptsache, d. Rentner in diesem Land sammeln fleißig Flaschen. Die brauchen nicht mal über einen 3-Tage-Urlaub in einem Luxushotel nachdenken.

Unsere deutschen Mitbürger leben teils auf der Straße und viele Rentner am Existenzminimum!

Wenn hier in der Stadt die Obdachlosenunterkünfte voll sind, müssen Obdachlose, die dort keinen Platz mehr bekommen, unter der Brücke schlafen. Nix Hotel…. aber es sind halt auch Deutsche dabei.

Abartig! Wie wäre es, wenn das 4-Sterne-Hotel für die pflegebedürftigen alten Menschen hergerichtet wird!

Aber Deutsche Rentner finden keinen Platz im Altersheim. Beschämend!!!

Die “Bild”-Redaktion weiß sehr genau, was sie da tut.

Mit Dank an Bernd L. für den Hinweis!

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Ex-“Bild”-Chef mit Pieptönen, Umstrittene Quelle, Hinweisgeber

1. ARD-Sendung über Ex-“Bild”-Chef ist wieder online – aber mit Pieptönen
(tagesspiegel.de, Tobias Mayer)
Der NDR musste eine Ausgabe von “Reschke Fernsehen” über den ehemaligen “Bild”-Chefredakteur Julian Reichelt aus der Mediathek nehmen. Reichelt war juristisch gegen den NDR vorgegangen und das Landgericht Hamburg hatte per Beschluss verschiedene Äußerungen in der Sendung untersagt. Diese ist nun in einer überarbeiteten Fassung wieder abrufbar, mit einer vorangestellten Texttafel: “Diese Version ist eine bearbeitete Fassung. Einige Passagen sind derzeit Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzung. Sie sind vorläufig unkenntlich gemacht.”

2. Einigung beim Whistleblower-Gesetz
(deutschlandfunk.de, Antje Allroggen, Audio: 5:51 Minuten)
Mit fast zwei Jahren Verspätung und nach langem Hin und Her könnte in Deutschland bald das Whistleblower-Gesetz in Kraft treten, das auf eine EU-Richtlinie zurückgeht. Johannes Kuhn erklärt im Gespräch mit Antje Allroggen, welche Interessengruppen sich mit ihren jeweiligen Wünschen durchsetzen konnten.
Weiterer Lesetipp: Der Deutsche Journalisten-Verband hält den im Vermittlungsausschuss gefundenen Kompromiss zum Hinweisgeberschutzgesetz für unzureichend (djv.de, Hendrik Zörner).

3. Umstrittene Quelle: Polizei auf Social Media
(verdi.de, Julia Hoffmann)
Auch die Polizei nutzt Social Media für ihre Kommunikation. Ob jedoch Polizei-Accounts als Quellen für Journalistinnen und Journalisten geeignet sind, sei umstritten, da die Polizei ein eigenständiger Akteur in der öffentlichen Meinungsbildung ist. Der Medienwissenschaftler Michael Graßl hat die Kommunikation der Polizei in Sozialen Medien untersucht. Dabei geht es unter anderem um “kanalspezifische Unterschiede, Fehlerkultur und Corporate Influencer”.

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4. Erdogan verfolgt Journalisten auch im Exil
(reporter-ohne-grenzen.de)
Die Organisation Reporter ohne Grenzen fordert ein Ende der systematischen Einschüchterung türkischer Medienschaffender im Exil: “Die Türkei braucht ein neues politisches Klima, das die Rechte von Medienschaffenden und die Pressefreiheit sowohl im Land selber als auch im Ausland respektiert. Wir fordern die künftige Führung der Türkei auf, die seit Jahren anhaltenden, unerträglichen Schikanen gegen türkische Journalistinnen und Journalisten im Exil zu beenden.”

5. Mehr Sichtbarkeit mit LinkedIn – Tipps für Fachjournalist:innen
(fachjournalist.de, Ulrike Bremm)
Verena Bender, Expertin für “Personal Branding”, betont in einem Interview mit dem “Fachjournalist”, dass Sichtbarkeit in der Medienbranche heute nicht nur für freie Journalistinnen und Journalisten, sondern auch für festangestellte Redakteurinnen und Redakteure unerlässlich ist. Als ausgebildete Journalistin und PR-Managerin hat sie einige Tipps, wie man seine Fachkompetenz mit Hilfe des Netzwerks LinkedIn erfolgreich präsentieren kann.

6. Große Gefühle, gute Geschäfte
(taz.de, Aida Baghernejad)
Buchempfehlungen auf TikTok seien zu einer Macht im Literaturbetrieb geworden, berichtet Aida Baghernejad, aber es gebe auch Arroganz und Hass, vor allem gegen junge Frauen. Baghernejad erklärt das Phänomen, das für die Buchbranche eine Chance sein kann, junge Käuferschichten zu erreichen, aber auch Gefahren birgt.

“Bild” und das “Schauspiel im Schauspiel”, Fake-Anzeigen, KI-Fail

1. “Bild” löscht Artikel über Reichsbürger
(tagesspiegel.de, Julius Geiler)
Bei der Premiere eines Theaterstücks in Halle über die Welt der Reichsbürger war auch der in der Reichsbürgerszene bekannte und selbsternannte “König von Deutschland” Peter Fitzek als Besucher vor Ort. Die Eintrittskarten soll ihm ein “Bild”-Reporter besorgt haben, um ein “Schauspiel im Schauspiel” zu inszenieren, wie das Theater vermutet. Nach Bekanntwerden des Vorgangs entfernte die “Bild”-Redaktion den dazugehörigen Text von Bild.de.
Aktueller Lesetipp zum Thema, in dem auch besagter Peter Fitzek eine Rolle spielt: “Reichsbürger” wollen Parallelwirtschaft: “Sie sind Maler, Masseure oder Bestatter, verkaufen Solaranlagen oder vegane Lebensmittel. Dutzende Firmen sehen sich als Teil eines fiktiven ‘Königreichs Deutschland’. Der Verfassungsschutz rechnet sie der ‘Reichsbürger’-Szene zu.” (tagesschau.de, Kai Laufen)

2. So funktioniert die Abzocke mit Fake-Anzeigen
(spiegel.de, Torsten Kleinz)
Torsten Kleinz schreibt beim “Spiegel” über “die Abzocke mit Fake-Anzeigen”. In der vergangenen Woche hatte der “6-vor-9”-Kurator auf Twitter die Anzeigenpraxis des “Spiegel” kritisiert: “Lieber @derspiegel, es ist schon ziemlich, nun ja, erbärmlich, dass Ihr seit Jahren zulasst, dass auf Eurer Webseite übelste Fake-Meldungen von digitalen Trickdieben ausgespielt werden. Stoppt endlich diesen Mist! (Und ja, das gilt auch für andere Qualitätsmedien)”. Der konkrete Anlass war eine in einen Artikel eingebettete Anzeigen-Falschmeldung mit einem gefälschten Foto der vermeintlichen Verhaftung des TV-Moderators Markus Lanz und dem Locktitel: “Tausende strömen nach Lanz Verhaftung zu den Geldautomaten”. Nun erklärt der “Spiegel” wortreich und sinngemäß, wie schwierig es für Medien wie den “Spiegel” sei, das (seit vielen Jahren bekannte, Anmerkung des Kurators) Problem in den Griff zu bekommen, und dass dieses Anzeigenformat nun mal viele Einnahmen generiere, auf die man ungern verzichte. Dies erinnert den Kurator an eine Twitter-Diskussion mit einem Mitarbeiter des “Spiegel”: “Ach, und die Jobs, die an ‘dieser Art der Vermarktung’ hängen, rechtfertigen es, dass ‘Spiegel’-Leser und -Leserinnen seit Jahren und immer wieder geschädigt, geprellt und abgezockt werden? Und nein: Es ist nicht komplex. Hört endlich auf damit!”

3. Krasser KI-Sündenfall, @ippenmedia!
(twitter.com/LarsWienand)
Offenbar lässt die Ippen-Gruppe, zumindest vereinzelt, Beiträge von einer Künstlichen Intelligenz (KI) schreiben. Die entsprechenden Texte sind jedenfalls gekennzeichnet und mit dem Hinweis versehen, dass ein Mensch sie vor der Veröffentlichung geprüft habe. Was dabei schiefgehen kann, zeigt der Journalist Lars Wienand auf Twitter mit einem Beispiel aus der Praxis: Anscheinend hat die KI einen zehn Jahre alten Beitrag über einen Fall in den USA mit dem aktuellen Fall “Jule Stinkesocke” verwoben und zu einer neuen Meldung zusammenhalluziniert.
Weiterer Lesehinweis: In zahlreichen Medien wurden bereits Algorithmen und Künstliche Intelligenz eingesetzt, um über Sportergebnisse, Wettervorhersagen, Lottozahlen oder Kochrezepte zu berichten. Doch mit dem Aufkommen von ChatGPT explodiert die Zahl der möglichen Anwendungsbereiche von KI. Beim “Fachjournalist” schreibt Dennis Fajt über die Herausforderungen, Probleme und Lösungen beim Einsatz von “denkenden Maschinen” im journalistischen Umfeld.

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4. Nur dahingesagt – oder “dahingerotzt”?
(verdi.de, Lars Hansen)
Hamburgs Schulsenator Ties Rabe soll sich kürzlich vor jungen Leuten abfällig über Medien geäußert haben. Lars Hansen will das nicht so stehen lassen und kontert: “Journalistische Medien in Zeiten zahlreicher globaler Krisen und gesellschaftlicher Umbrüche insgesamt zu diffamieren, anstatt sie wertzuschätzen und jungen Menschen näher zu bringen, ist eines Demokraten unwürdig. Journalistische Produkte, die durch mehrere Redaktionsprozesse gegangen sind, oft unter schwierigen Arbeitsbedingungen, bevor sie veröffentlicht wurden, als ‘dahingerotzt’ zu bezeichnen, ist der Stil eines ganz schlechten Lehrers. Setzen, Sechs!”

5. Hetzkampagne gegen Journalisten
(tagesspiegel.de, Sebastian Leber)
Als sich das Medienmagazin “Zapp” bei “Tagesspiegel”-Reporter Sebastian Leber meldete, wollte er es zunächst nicht glauben: Eine Reihe bekannter Verschwörungsideologen und Hetzer, so die “Zapp” vorliegenden Informationen, hätten im Geheimen eine koordinierte Kampagne geplant, um ihn und den “Tagesspiegel” zu diffamieren. Leber fragt sich: “Wenn die sich schon die Mühe machen, koordiniert gegen eine kleine Leuchte wie mich zu hetzen, gegen wie viele andere Journalist:innen in Deutschland liefen und laufen dann noch Diffamierungsaktionen?”
Transparenzhinweis: Für etwa eine halbe Stunde war hier ein anderer Beitrag verlinkt, den wir jedoch wegen inhaltlicher Mängel ausgetauscht haben.

6. Die Trump-Show LIVE
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz, Video: 2:50 Minuten)
Tappen Redaktionen erneut in Donald Trumps Medienfalle? Boris Rosenkranz hat sich angeschaut, wie deutsche Medien über die aktuellen Ereignisse rund um die Trump-Anklage berichtet haben, und hat einen Zusammenschnitt erstellt, der für sich spricht: “Donald Trump muss in New York City vor Gericht. Und was machen Medien weltweit, als hätten sie nichts gelernt? Sie filmen den amerikanischen Ex-Präsidenten auf Schritt und Tritt, sogar aus Helikoptern – und bereiten ihm damit eine ganz große Bühne.”
Lesehinweis: Bei der “taz” kommt Carolina Schwarz zu einer ähnlichen Erkenntnis: Ein reines Spektakel: “Mit Live-Berichterstattung und Helikoptern begleiten US-Medien Donald Trumps Anklage. Dabei wiederholen sie journalistische Fehler aus dem Wahlkampf 2016.”

Wenn “Bild” sämtliche pressethischen Standards einhält

In Dresden wird eine Frau erschlagen. Bild.de zeigt ein unverpixeltes Foto des Opfers. Der Presserat erteilt dafür eine Rüge: “Eine Einwilligung für eine identifizierbare Abbildung konnte die Redaktion nicht vorlegen.”

In Nürnberg wird ein Mann erschossen. “Bild” und Bild.de zeigen ein unvepixeltes Foto des Opfers. Der Presserat erteilt dafür eine Rüge: “Die Identität von Opfern muss laut Ziffer 8, Richtlinie 8.2 des Pressekodex besonders geschützt werden.”

In Ibbenbüren wird eine Frau mit mehreren Messerstichen getötet. “Bild” und Bild.de zeigen ein unverpixeltes Foto des Opfers. Der Presserat erteilt dafür eine Rüge: “Das Wissen um die Identität des Opfers ist in der Regel unerheblich. Eine Einwilligung der Angehörigen lag nicht vor, es handelte sich auch nicht um eine Person des öffentlichen Lebens.”

In Stadtallendorf wird eine Frau mit mehreren Messerstichen getötet. “Bild” und Bild.de zeigen ein unvepixeltes Foto des Opfers. Der Presserat erteilt dafür eine Rüge: Im Artikel “zeigte die Redaktion das Porträt des Opfers, für das offenbar keine Einwilligung der Angehörigen vorlag.”

In Warendorf wird eine Frau getötet. Bild.de zeigt ein unvepixeltes Foto des Opfers. Der Presserat erteilt dafür eine Rüge: “Das Bild stammte von der Gedenkseite eines Bestattungsunternehmens. Eine Einwilligung der Angehörigen zur Veröffentlichung bei BILD.DE lag offenbar nicht vor.”

Der Deutsche Presserat hat vergangene Woche Rügen verteilt: insgesamt 17 Stück, acht allein an “Bild” und Bild.de, davon fünf für “Verstöße gegen den Opferschutz”.

Gestern berichteten die “Bild”-Medien über einen “tödlichen Streit um Vermögen in Hamburg”. In der “Bild”-Bundesausgabe groß auf Seite 6:

Ausriss Bild-Zeitung - Rocker im Vorgarten hingerichtet

Bei Bild.de auf der Startseite:

Screenshot Bild.de - Tödliche Schießerei in Hamburg - Rocker D. im Vorgarten hingerichtet

Die Verpixelungen oben stammen alle von uns. “Bild” und Bild.de haben die Fotos des Opfers und des Tatverdächtigen, der auch nicht mehr lebt, ohne irgendeine Unkenntlichmachung veröffentlicht.

Wir haben bei “Bild” nachgefragt, ob der Redaktion Einwilligungen der Familien vorliegen, die Fotos ohne Verpixelung zu veröffentlichen. Ein “Bild”-Sprecher antwortete uns: Das Foto des Tatverdächtigen …

wurde uns aus dem direkten familiären Umfeld rechtefrei für unsere Berichterstattung zur Verfügung gestellt.

Leider sagt er nicht, von wem genau. Es könnte die Verlobte des Mannes sein, jedenfalls scheint “Bild” mit ihr gesprochen zu haben, sie wird im Artikel zitiert. Ob das mit Blick auf den Pressekodex für eine Veröffentlichung reichen würde, ist fraglich. In dem eingangs erwähnten Fall aus Nürnberg hatte “Bild” das Foto offenbar von einem Cousin des Opfers erhalten. Das reichte dem Presserat nicht: “Die für eine identifizierbare Berichterstattung notwendige Einwilligung eines nahen Angehörigen konnte die Redaktion nicht vorlegen, lediglich die eines Cousins.” Die Entscheidung des Presserats: “Zustimmung des Cousins zur Verwendung eines Opferfotos reichte nicht aus”.

Doch zurück zum Hamburger Fall. Zur Veröffentlichung des Fotos, das das Opfer zeigt, schreibt der “Bild”-Sprecher: Die Aufnahme sei …

in sozialen Medien mit großer Reichweite öffentlich und dort ebenfalls unverpixelt einsehbar.

Die Argumentation ist gleich in mehrfacher Hinsicht interessant. Erstmal scheint keine Einwilligung der Familie vorzuliegen, jedenfalls erwähnt der “Bild”-Sprecher sie nicht. Mit der Begründung macht er es sich bemerkenswert einfach: Dass irgendwer irgendwas irgendwo in irgendwelchen “sozialen Medien” postet, soll für “Bild” und Bild.de ein legitimer Grund für eine identifizierende Berichterstattung sein? Und was meint der “Bild”-Sprecher überhaupt, wenn er davon schreibt, das Foto sei “in sozialen Medien mit großer Reichweite öffentlich”?

Die “Bild”-Redaktion gibt selbst an, wo sie das Foto her hat: von der Instagram-Seite eines Hells-Angels-Charters (auch nicht unbedingt die typische “Bild”-Quelle). Dort trauern sie um das verstorbene Mitglied. Der Account hat aktuell 3.172 Follower, der Beitrag mit dem Foto, das sich die “Bild”-Redaktion geschnappt hat, wurde bislang 392 Mal geliket, es gibt 75 Kommentare. Nun ja.

Eine gute halbe Stunde nach der ersten Mail des “Bild”-Sprechers schickt er uns eine zweite. Wir “dürfen bitte noch ergänzen”:

Die Veröffentlichung der Fotos erfolgte unter Einhaltung sämtlicher presserechtlicher und pressethischer Regeln und Standards.

Ob das stimmt, werden wir vermutlich nach der nächsten Sitzung des Deutschen Presserats erfahren.

Bei “Bild” geforscht, Spar-Wellen, Das Bild der “arabischen Clans”

1. Medienethik bei BILD (PDF)
(edoc.ku.de, Volker Lilienthal)
Hochschulprofessor Volker Lilienthal hat eine Untersuchung zur “Medienethik bei BILD” vorgelegt. Die Grundlage dafür bilden sogenannte Leitfadeninterviews mit 43 “Bild”-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern, die Lilienthal im Jahr 2020 durchführen konnte. Außerdem durfte er an Redaktionskonferenzen teilnehmen. Im Vorwort weist Lilienthal auf eine wichtige Erkenntnis hin: “Die bei BILD arbeitenden Menschen sollte man nicht voreilig gleichsetzen mit dem, was BILD produziert und an Meinung und stark geframter Information veröffentlicht.” Die verlinkte, 92-seitige PDF bietet einen tiefen und seltenen Einblick in den “Bild”-Kosmos.

2. Feindbild Journalist:in 7: Berufsrisiko Nähe
(ecpmf.eu)
Wie das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit mitteilt, ist die Zahl der Angriffe auf Medienschaffende in Deutschland nach zwei Negativrekorden in Folge im Jahr 2022 wieder gesunken. Der Rückgang sei vor allem auf die Marginalisierung der Proteste der “Querdenker”-Bewegung zurückzuführen.

3. Gericht: Unternehmen von Julian Reichelt darf trans Frau nicht misgendern
(queer.de)
Wie der Rechtsanwalt Jasper Prigge mitteilt, hat das Landgericht Frankfurt der Firma Rome Medien von Ex-“Bild”-Chefredakteur Julian Reichelt und deren Autorin Judith Sevinç Basad untersagt, die Journalistin Janka Kluge in einem veröffentlichten Artikel als “Mann” zu bezeichnen. Damit habe erstmals ein Landgericht im Wege einer einstweiligen Verfügung das Misgendern einer trans Frau untersagt. Die Entscheidung sei allerdings noch nicht rechtskräftig.

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4. SWR: Kai Gniffke will 12 Millionen pro Jahr einsparen
(dwdl.de, Timo Niemeier)
SWR-Intendant Kai Gniffke habe auf der jüngsten Sitzung des Rundfunkrates ein 12 Millionen Euro umfassendes Sparpaket vorgestellt. Bei “DWDL” berichtet Timo Niemeier, an welchen Stellen die Einsparungen erfolgen sollen.

5. Kritik an Intendant Peter Limbourg
(deutschlandfunk.de, Annika Schneider, Audio: 5:29 Minuten)
Auch der Intendant der Deutschen Welle, Peter Limbourg, hat Sparmaßnahmen angekündigt, die zudem einen Stellenabbau nach sich ziehen. Davon könnten die Arbeitsplätze von 200 bis 300 Personen betroffen sein. Das Ausmaß der Sparmaßnahmen habe alle überrascht, die Leute seien erschüttert, so Personalratsmitglied Michael Stegemann: “Die Kolleginnen und Kollegen stellen sich die Frage: Wie konnte die Führung in diesem Maße versagen, dass wir uns vor einem solchen Loch wiederfinden?”

6. Das Bild der “arabischen Clans” in deutschen Medien
(belltower.news, Mahmoud Jaraba)
Immer mehr Medien, von lokalen Tageszeitungen bis hin zu überregionalen Wochenzeitungen, würden über “Clan-Kriminalität” berichten, oft mit recycelten Geschichten und reißerischen Schlagzeilen. Der Politikwissenschaftler Mahmoud Jaraba kommentiert: “Um zu vermeiden, dass unschuldige Menschen zu Schaden kommen und laufende Ermittlungen gefährdet werden, sollte die Medienberichterstattung auf Fakten und Beweisen beruhen und nicht auf Sensationslust und Spekulationen. Bei der Berichterstattung über kriminelle Aktivitäten müssen die Medien vorsichtig und verantwortungsbewusst vorgehen, um zu vermeiden, dass sie Kriminellen unbeabsichtigt helfen oder unnötige Panik schüren.”

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