Das “Kuchen-Gesetz”, über das sich die Journalisten so aufregen, ist die neue Lebensmittelverordnung, die ab dem 13. Dezember greifen soll. Und warum die so gaga ist, erklärt “Bild” auf der heutigen Titelseite so:
Schon wieder eine Gaga-Verordnung aus der EU, die vor allem Eltern richtig nerven wird!
Ab 13. Dezember gilt die neue Lebensmittelverordnung, wonach künftig auch bei lose angebotenen Lebensmitteln (Kuchen, Schnittchen, Salate) alle Inhaltsstoffe aufgeführt werden müssen. Heißt im Klartext: Wer z. B. Einen Kuchen für einen Basar oder ein Fest im Kindergarten oder in der Schule backt, muss künftig eine exakte Zutatenliste mitliefern.
Das wäre tatsächlich ziemlich bescheuert — wenn es denn stimmte. Tut es aber nicht.
Das ist – mal wieder – Quatsch. Neue Regeln zur Kennzeichnung von Lebensmitteln gibt es zwar ab Dezember – aber die gelten explizit nur für Unternehmen, und eben NICHT für Privatpersonen oder z.B. den Kuchenverkauf bei Wohltätigkeitsveranstaltungen.
Auch die SPD-Europaabgeordnete Susanne Melior stellt klar:
“Eltern können natürlich weiterhin in Kindergärten und Schulen selbstgemachtes Essen zu den Geburtstagsfeiern, Frühlingsfesten und Weihnachtsbasaren mitbringen. Keine Kaffeerunde in Seniorenheimen ist gefährdet. Wer gelegentlich privat oder ehrenamtlich Essen spendet, fällt nicht unter die Kennzeichnungspflicht der neuen Lebensmittelverordnung.”
Und wer es jetzt immer noch nicht glaubt: Hier (S. 2, Punkt 15) steht es schwarz auf weiß:
Das Unionsrecht sollte nur für Unternehmen gelten, wobei der Unternehmensbegriff eine gewisse Kontinuität der Aktivitäten und einen gewissen Organisationsgrad voraussetzt. Tätigkeiten wie der gelegentliche Umgang mit Lebensmitteln und deren Lieferung, das Servieren von Mahlzeiten und der Verkauf von Lebensmitteln durch Privatpersonen z. B. bei Wohltätigkeitsveranstaltungen oder auf Märkten und Zusammenkünften auf lokaler Ebene sollten nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen.
Das hätte auch der (anonyme) Verfasser des “Bild”-Artikels wissen können, und dafür hätte er nicht mal in das Dokument schauen müssen. Denn schon vor einer Woche gab das Bundeslandwirtschaftsministerium auf Anfrage des CDU-Bundestagsabgeordneten Christian Haase Entwarnung. Im “Westfalenblatt” sagte Haase:
“Ich habe mir dazu vom Bundeslandwirtschaftsministerium bestätigen lassen, dass ‘private’ Veranstaltungen, darunter auch Feuerwehrfeste oder das Seniorencafé, von der Kennzeichnungspflicht ausgenommen sind”
Und sogar “Bild” selbst hat gestern online berichtet, dass die Verordnung “nicht für Speisenzubereitungen durch Privatleute” gilt, die Kitas also weiter “krümeln dürfen”.
Im Streit um die “Kuchen-Verordnung” der EU hat sich jetzt die Vernunft durchgesetzt…
Jean Todt, der Präsident des Automobilverbandes FIA und langjährige Freund von Michael Schumacher, hat im französischen Fernsehen vor ein paar Tagen ein kurzes Interview zu Schumachers Gesundheitszustand gegeben.
Viele deutsche Medien berichten heute darüber, und zwar vor allem so:
(“Spiegel Online”)
(“Focus Online”)
(N-tv.de)
(Bunte.de)
(Web.de)
(T-online.de)
(Express.de)
Auch viele, vieleandereMedienzitierendiesenSatz, selbst in Großbritannien und Italien kursiert er schon. Allerdings: Jean Todt hat ihn in dem Interview nie gesagt. Im Gegenteil: Er bemühte sich sogar, der Frage nach dem “normalen Leben” so gut es geht auszuweichen.
Übersetzt lautet das Gespräch so:
Reporter: Wie geht es ihm heute? Jean Todt: Heute? Er kämpft. Und wir hoffen, dass die Dinge besser werden. Schnell. Reporter: Kann er seine Bewegungen kontrollieren? Kann er sprechen? JT: Ich will nicht ins Detail gehen, weil es zu persönlich ist. Ich glaube, dass das Wichtigste ist, dass er lebt, dass seine Familie bei ihm ist und dass es besser wird, aber wir müssen ihm Zeit geben. Wir müssen ihn in Ruhe lassen. Reporter: Ich werde die Frage anders formulieren. Wird er je wieder zu einem normalen Leben zurückfinden? JT: Er wird wahrscheinlich nie wieder F1 fahren. Reporter: Sie können ein normales Leben haben, ohne F1-Auto zu fahren. JT: Wir können nur hoffen.
Wo das falsche Zitat ursprünglich herkommt, lässt sich nur schwer nachvollziehen; einige Medien verweisen auf einen Artikel bei motorsport-magazin.com, andere auf “Spiegel Online”. Wie auch immer: Die “sensationelle Prognose von Jean Todt” (Bunte.de), die jetzt durch die europäischen Medien geistert, hat es in Wahrheit gar nicht gegeben.
Mit Dank an Basti, Hendrik L., Nils M. und Carsten P.
Nachtrag, 22.15 Uhr: “Spiegel Online” hat den Artikel transparent korrigiert. Demnach beruhte der Fehler auf einer falschen Übersetzung der australischen Nachrichtenagentur GMM.
Es kommt häufiger vor, dass ein Medium irgendeinen Quark über Helene Fischer berichtet und kurz darauf einen Rückziehermachenmuss. Das hier ist aber eine Premiere.
Über 20 Medien mussten in den vergangenen Tagen ihre Artikel löschen und Korrekturen veröffentlichen:
Anfangspunkt der Berichterstattung war eine Geschichte, die die “Bild”-Zeitung Ende August publik gemacht hatte. Demnach soll Helene Fischer einen Fan, der unter einer Nervenkrankheit leidet, nach einem Konzert angeblich ausgelacht haben. Und der will sie deswegen nun verklagen.
Da Fischer ihre Adresse verdeckt, wie viele andere Prominente übrigens auch, wird die Kontaktaufnahme nun vom Gericht erledigt – via Europol-Fahndung.
… schrieb vor zwei Wochen das österreichische Portal oe24.at. Eine nähere Erklärung oder gar Belege gab es dazu nicht. Bloß die Behauptung.
Aber die reichte vielen Journalisten schon, um die Geschichte ungeprüft zu übernehmen. Und so berichteten unter anderem “Focus Online”, die “Huffington Post”, die “Hamburger Morgenpost”, der “Berliner Kurier”, die Online-Portale von SWR3, “InTouch”, VIVA und EuroSport, außerdem Gmx.de, Web.de, Promiflash.de, News.de, Krone.at, Mittelbayerische.de, Watson.ch, port01.com, Volksstimme.de, Nordbayern.de und 20min.ch.
Sie alle haben ihre Artikel inzwischen wieder gelöscht und Korrekturen bzw. Gegendarstellungen wie diese veröffentlicht:
Dass diese Geschichte Blödsinn ist, hätten die Journalisten übrigens auch ganz allein herausfinden können, wenn sie für ein paar Sekunden ihr Gehirn oder wenigstens Google bemüht hätten.
Gestern wurde bekannt, dass der Fußballspieler Maicon aus der brasilianischen Nationalmannschaft geworfen wurde. Weil die Gründe für den Rauswurf zunächst nicht genannt wurden, sind seither viele Spekulationen im Umlauf. Die Version mit der Chili-Schote hat es den Medien aber ganz besonders angetan:
Maicon soll seinem alkoholisiert schlafenden Mitspieler Elias nach einer Party-Nacht eine Chili-Schote (mit Milch!) in den Po geschoben haben. Später soll Maicon dem aufgewachten Elias auch noch erzählt haben, er habe ihn auf einer Disko-Toilette gefunden. Vergewaltigt von vier Männern. Eine ziemlich üble Verarsche.
Kann man so sagen. Und hätte sich die “Bild”-Reporterin die Quelle (die sie natürlich nicht nennt) mal etwas genauer angesehen, hätte sie auch schnell gemerkt, wer hier eigentlich verarscht wurde — nämlich sie selbst. Das Portal, das die Chili-Geschichte in die Welt gesetzt hatte, ist eine Satire-Seite.
Überall auf der Welt sind die Medien aufdenFakereingefallen. Inzwischen hat die Satire-Seite den Artikel gelöscht und sich entschuldigt. Viele Medien (Bild.de ausgenommen) haben ihre Artikel dementsprechend korrigiert.
Doch wer glaubt, das würde die Journalisten jetzt davon abhalten, das Märchen weiter zu verbreiten, der kennt “Focus Online” nicht. Obwohl nach dreisekündiger Recherche feststeht, dass an dieser Geschichte nicht das Geringste dran ist, schrieb das Portal vor ein paar Stunden:
Im Teaser heiß es:
Offiziell ist Maicon mit der Begründung “Disziplinlosigkeit” aus der brasilianischen Nationalmannschaft geflogen. Er soll nach einem freien Tag zu spät zurückgekommen sein. Doch laut Gerüchteküche soll er einem Mitspieler ganz übel mitgespielt haben. Die Vorwürfe sind unglaublich.
In der Tat.
Mit Dank an Anita.
Nachtrag, 11. September: “Focus Online” hat den Artikel unauffällig korrigiert. Bild.de gibt den Fehler immerhin zu.
Dieser “Aufreger” geht ursprünglich auf die L.A. Times zurück. Dort hatte eine Anthropologin vor zwei Tagen behauptet (Übersetzung von uns):
Mir wurde [von der Herstellerfirma] gesagt, dass Hello Kitty keine Katze ist. Sie ist eine Cartoon-Figur. Sie ist ein kleines Mädchen. Sie ist ein Freund. Aber sie ist keine Katze. Sie wurde nie auf allen Vieren gesehen. Sie geht und sitzt wie ein zweibeiniges Wesen. Sie hat selbst eine Katze als Haustier.
Okay. Nehmen wir mal an, das stimmt alles so. Aber was ist dann zum Beispiel mit Micky Maus? Der geht und sitzt schließlich auch auf zwei Beinen und hat sogar einen Hund als Haustier. Aber würde jemand bezweifeln, dass er eine Maus ist? Und was ist mit Donald Duck? Und Bugs Bunny? Und Tom & Jerry? Und Winnie Puuh?
Das englische Blog Kotaku wollte dem katzenfreien Braten auch nicht so recht trauen und hat bei Sanrio, der Herstellerfirma von Hello Kitty, nachgehakt.
Und plötzlich klang die Sache dann doch ganz anders:
Als wir in Sanrios Hauptquartier in Tokio fragten, ob Hello Kitty wirklich eine Katze sei, erklärte eine Sprecherin: “Hello Kitty wurde nach dem Vorbild einer Katze erschaffen. Es würde zu weit gehen zu sagen, dass Hello Kitty keine Katze ist. Hello Kitty ist eine personifizierte, eine vermenschlichte Katze.”
Um sicherzugehen, fragte ich noch einmal: “Also würde es zu weit gehen zu sagen, dass Hello Kitty keine Katze ist?” Die Sprecherin antwortete: “Ja, das würde zu weit gehen”.
Dieser Blogeintrag ist heute Morgen unter dem schönen Titel “Seid nicht bescheuert, Hello Kitty ist eine Katze” erschienen und pflückt die Geschichte von der angeblichen Nicht-Katzen-Katze sehr schön auseinander, was Journalisten wie die von “Spiegel Online”, Stern.de, “Focus Online”, dpa und Süddeutsche.de aber nicht davon abgehalten hat, sie im Laufe des Tages trotzdem zu verbreiten. Letztere haben es immerhin geschafft, die neuesten Erkenntnisse in den Text einzubauen und die Überschrift (ursprünglich: “Hello Kitty ist keine Katze”) in “Mensch, Kätzchen!” zu ändern.
Na, wenigstens bei einem sollte es in Zukunft keine Missverständnisse mehr geben: Mit Dank an den Hinweisgeber
Nach der mutmaßlichen Enthauptung des US-Journalisten James Foley durch die Terrorgruppe “Islamischer Staat” haben sich die meisten deutschen Medien dazu entschlossen, das Video der Hinrichtung nicht zu zeigen, auch keine Ausschnitte davon.
Damit handeln sie so, wie es auch der Presserat empfiehlt, dessen Geschäftsführer Lutz Tillmanns im Gespräch mit der dpa zu einem respektvollen Umgang mit den Bildern aufgerufen hat:
Die Medien sollten zurückhaltend mit der Veröffentlichung von Fotos umgehen und sich nicht als Propagandainstrument der Terroristen missbrauchen lassen.
Und wenn sie die Bilder doch unbedingt zeigen wollen, etwa die Szenen kurz vor der Ermordung, dann sollte das Opfer dabei “auf jeden Fall unkenntlich gemacht werden”, sagt Tillmanns. “Wer Bilder veröffentlicht, auf denen der Journalist erkennbar wird, macht sich ethisch angreifbar”. Die Würde Foleys stehe im Mittelpunkt. Letztlich müsse sich aber jede Redaktion selber die Frage stellen, wie sie mit solchen Fotos konkret umgehen wolle.
“Spiegel Online” beantwortete sie so: “Die Bilder zu zeigen, wäre reine Propaganda für den IS” — darum zeige das Portal sie nicht. Weder Videoausschnitte noch Fotos. Ähnlich argumentieren auch die ARD, das ZDF, die “Süddeutsche Zeitung”, die “FAZ”, die “taz”, “Zeit Online”, RTL und die dpa. Selbst die Online-Portale von “Bild” und “Berliner Kurier” haben das Gesicht des Mannes verpixelt.
“Focus Online” nicht.
“Focus Online” haut mal wieder alles raus und zeigt in mehreren Artikeln sowohl Standbilder als auch Sequenzen des Videos vor der Enthauptung. Das Gesicht des Opfers ist in keinem Fall unkenntlich gemacht worden.
Dabei schreibt das Portal selbst:
Unterstützer riefen dazu auf, das Video nicht anzuschauen oder zu teilen
Der Satz steht, fettgedruckt, genau unter dem eingebetteten Video.
Mit Dank an Karsten B.
Nachtrag, 22. August: Wir haben gestern Abend bei “Focus Online” nachgefragt, warum das Portal die Bilder unverpixelt zeigt — eine Antwort haben wir bislang nicht bekommen. Inzwischen sind sie aber gelöscht worden.
Das “heute journal” hat vorgestern ebenfalls ein Standbild aus dem Video gezeigt, Claus Kleber moderierte es aber mit klarer Einordnung an. Er sagte:
Es gehört zu den perversen Praktiken dieser Milizen, Videos von solchen Gräueltaten als Propaganda zu nutzen. Deshalb zeigen wir davon allenfalls unbewegte Bilder, bei denen die Opfer verdeckt bleiben, um ihre Menschenwürde zu schützen.
Dieses eine Mal haben wir anders entschieden, weil wir die gefasste Haltung von James Foley angesichts seines Todes eine Würde ausstrahlt, die dem fanatischen Killer neben ihm unbegreiflich geblieben sein muss.
Auch “Spiegel Online”, FAZ.net und “Zeit Online” zeigen — entgegen ihren Ankündigungen — Standbilder aus dem Video. Zumindest indirekt. Sie haben ein Reuters-Video übernommen, in dem britische Zeitungen abgefilmt werden, die die Fotos gedruckt hatten. Das Gesicht Foleys ist nicht unkenntlich gemacht worden — weder von den englischen Zeitungen noch von Reuters noch von den deutschen Medien.
Danke an Christian S., Sascha, Christoph S. und Andreas!
FOCUS Online ist eines der erfolgreichsten Online-Nachrichtenmedien in Deutschland. Mit schnellen Nachrichten und präzisen Analysen ist das Portal eine feste Adresse für Qualitätsjournalismus im Netz. FOCUS Online steht für hervorragenden Nachrichtenjournalismus.
(Zitat der Tomorrow Focus AG.)
Mein persönlicher Rekord im Surfen auf “Focus Online” liegt bei etwa zehn Minuten. Länger halte ich es da nicht aus.
“Focus Online” ist der Ein-Euro-Laden des deutschen Journalismus. Die ramschige Resterampe, auf der man alles findet, was selbst Klickfängern wie Bild.de zu billig war. “Focus Online” haut alles raus. Raus, raus, raus, irgendwer wird schon draufklicken.
Gerade bei medialen Großereignissen setzt “Focus Online” — hartnäckig wie kaum ein Medium sonst — auf die So-viel-wie-geht-Taktik.
Anfang vergangenen Jahres, nach dem Amoklauf im US-amerikanischen Newtown, veröffentlichte “Focus Online” in der ersten Woche nach der Tat 45 Artikel — nicht mal Bild.de hatte mehr zu bieten. Und dann diese Schlagzeilen: “Mutter des Amokläufers hatte Angst vor dem Weltuntergang”. “Schulkrankenschwester sah den Killer auf sich zukommen”. “Amokläufer nannte seine Mutter nur ‘Excuse Me'”. Solcher Quatsch, permanent.
Oder dieser unfassbare Live-Ticker zum Gesundheitszustand von Michael Schumacher, in dem dann verkündet wurde, dass der Verkäufer des Krankenhauskiosks nichts dazu wisse. Niemand sonst blies so lange und so ambitioniert irgendwelche Schumacher-Gerüchtefetzen in die Welt wie “Focus Online”.
Oder auch jetzt, nach dem Tod von Robin Williams. Allein in den ersten vier Tagen hat das Portal über 70 (!) Artikel dazu veröffentlicht:
Robin Williams stirbt im Alter von 63 Jahren
Fans trauern in Hollywood
Tod von Robin Williams
Schock und Trauer in Hollywood
Die Welt trauert um einen ihrer größten Schauspieler: Robin Williams ist tot
Robin Williams ist tot
Hollywood-Star Robin Williams ist tot
Williams’ langer Kampf gegen Alkohol und Depressionen
So emotional nehmen Freunde und Kollegen Abschied von Robin Williams
“Wir haben dich geliebt”: So trauert Hollywood um Robin Williams
Islamisten verhöhnen toten Schauspieler Robin Williams
Seine Tochter Zelda schreibt den wohl berührendsten Tweet
Sein letzter Tweet galt seiner Tochter
Zelda Williams’ rührender Abschieds-Tweet an ihren Vater
Sah Robin Williams den Suizid als letzten Ausweg?
Oscar-Academy verabschiedet sich mit herzzerreißendem Tweet von Robin Williams
Zitate zum Tod von Robin Williams
Video: Hollywood trauert um Robin Williams
Robin Williams – “Erfolg schützt nicht vor Depressionen”
Fragen und Antworten: “Erfolg schützt nicht vor Depressionen”
Warum wollte Robin Williams nicht mehr leben?
Williams hinterließ vier unfertige Filmprojekte
Fernsehsender ändern zum Tod von Robin Williams ihr Programm
Mehrere Fernsehsender ändern ihr Programm
Der Clown, der uns zum Weinen brachte: Robin Williams
Hintergrund: Seine wichtigsten Rollen
Dieses Grimassen-Gesicht werden wir vermissen!
Auf Tischen stehend: So nimmt das Netz Abschied von Robin Williams
Robin Williams und seine Susan – Ende einer großen Liebe
Oscar-Preisträger Robin Williams ist tot
Robin Williams – sein großes Leben in Bildern
Internet-Verwechslung von Robin und Robbie Williams
Fans verwechseln Robin und Robbie Williams
Robin Williams hat […]
Tod von Robin Williams erschüttert Hollywood
Tod von Robin Williams – Polizei schließt Fremdverschulden aus
Tod von Robin Williams: Polizei sieht kein Fremdverschulden
“Tagesthemen” ehren Williams mit “Dichter”-Anmoderation
‘Hannoversche Allgemeine Zeitung’ zu Robin Williams
So fand sein Assistent den toten Robin Williams
“Robin Williams hatte das Bedürfnis, alle in Schenkelklopf-Ekstase zu versetzen”
Jetzt sprechen Robin Williams’ Kinder
Matt Damon: “Ich werde Robin Williams nie vergessen”
“Auf meinem Grabstein wird 1951-2014 stehen”
So moderierte Miosga die “Tagesthemen” für Williams auf dem Tisch
“O Captain! My Captain!” wird zum Twitter-Trend
So sorgte Robin Williams für seine Kinder vor
Pharell Williams trauert um Robin Williams
Die ergreifende Trauer seiner Kinder
Antisemitische Posts zum Tod von Robin Williams: Verroht das Internet?
Weltweit Betroffenheit nach Tod von Robin Williams
Robin Williams wird in “World of Warcraft” verewigt
“Was schuldet man einem derartigen Menschen? Alles!”
Robin Williams war kurz vor seinem Tod bei der Suchtberatung
Michael Mittermeier: “Wir machen mit einem Bruchteil seiner Möglichkeiten Comedy”
Abschied von Robin Williams: “Der Soldat hat die Waffen niedergelegt”
Wie Robin Williams’ Gorilla-Freundin trauert
Wurde Robin Williams am Set von “The Crazy Ones” rückfällig?
Kurz vor seinem Tod war Williams bei der Suchtberatung
Was dann folgte, war einmalig in meiner Laufbahn…
Twitter will auf Belästigung von Williams’ Tochter reagieren
Das Netz diskutiert: Durfte Miosga auf den Tisch steigen?
Darum stieg Caren Miosga auf den “Tagesthemen”-Tisch
Video: Broadway knipst für Robin Williams Lichter aus
Robin Williams litt an Parkinson im Frühstadium
Ehefrau: Robin Williams litt an Parkinson
Ehefrau offenbart: Robin Williams hatte Parkinson
Robin Williams hatte Parkinson: Das emotionale Statement seiner Frau im Wortlaut
Warum zerbrechen so viele Stars am Ruhm?
Robin Williams litt an Parkinson
User zwingen Zelda Williams, Twitter-Account zu löschen
(Details zu den Begleitumständen haben wir rausgekürzt.)
Vieles davon ist Agenturmaterial, oft zusammengeschwafelt von “Spot on”, der von der dapd gegründeten Promi-Klatsch-Agentur. Aber auch solche Artikel werden auf der Startseite von “Focus Online” mitunter angeteasert wie eigene Beiträge:
Jetzt mal ehrlich. Ein Gorilla, der den Schauspieler vor 13 Jahren mal getroffen … Als Nachricht? Auf der Startseite?
Aber das ist das redaktionelle Konzept von “Focus Online”. Und es scheint zu funktionieren — die Williams-Artikel, egal wie bescheuert, zählten in den vergangenen Tagen immer zu den meistgelesenen auf “Focus Online”.
Bei dieser Artikelflut verlieren selbst die, die sie verantworten, den Überblick. Da kann es dann auch mal passieren, dass es zuerst heißt, der Tweet von Williams’ Tochter sei der “wohl berührendste Tweet des Jahres” — und nur drei Stunden später wird der Tweet der Oscar-Academy zum “emotionalsten” und “wahrscheinlich herzzerreißensten” Tweet hochstilisiert. Ein banales Beispiel zwar, aber bezeichnend dafür, wie “Focus Online” mit der gedankenlosen Raushau-Taktik auch noch den Rest der eigenen Seriosität aufs Spiel setzt.
Der Veröffentlichungswahn macht aber nicht nur anfällig für Widersprüche und Ungenauigkeiten. Gerade im aktuellen Fall widerspricht das Dauerfeuer der Berichterstattung eben genau dem, was Medienforscher bei Suiziden von Prominenten immer wieder fordern: Zurückhaltung.
“Focus Online” hält sich nicht zurück. “Focus Online” arbeitet stattdessen, wie andere auch, eifrig daran, die Selbstmordrate in die Höhe zu treiben. Das Portal berichtet sehr prominent, sehr detailliert und sehr emotional über den Suizid und missachtet (nicht nur) damit die wichtigen Richtlinien zur Verhinderung von Nachahmungstaten.
Dass “Focus Online” und andere Medien die Berichte um Williams’ Tod ganz selbstverständlich mit Werbung zuballern, ist dabei noch das geringste Übel:
“Focus Online” setzt auf Masse. Auf Emotionalisierung, Skandalisierung und Buzzfeedisierung — und ähnelt immer mehr dem, was “Bild” und andere Schundmedien in ihren Online-Portalen veranstalten. Nur dass die Leute von “Focus Online” immer noch so tun, als gebe es bei ihnen “Qualitätsjournalismus im Sekundentakt”.
Mit Dank auch an Karl-Heinz U.
Betroffene von Depressionen können sich rund um die Uhr und anonym bei der Telefon-Seelsorge beraten lassen: 0800-1110111 oder 0800-1110222 (beide kostenfrei)
Journalisten sollten den Werther-Effekt kennen. Jene Tatsache also, dass sich mehr Menschen das Leben nehmen, wenn zuvor ausführlich über einen Suizid berichtet wurde. Dieser Effekt ist schon in vielen Untersuchungen bestätigt worden: Je länger und prominenter über einen Suizid berichtet wurde, desto größer war der folgende Anstieg der Selbstmordrate.
Darum fordern viele Institutionen — darunter der Deutsche Presserat, die Weltgesundheitsorganisation und die Deutsche Depressionshilfe –, dass Medien zurückhaltend über Suizide berichten sollen. Insbesondere dann, wenn es sich um einen Prominenten handelt.
Journalisten wissen also, dass sie eine große Verantwortung tragen, wenn sie über solche Fälle berichten. Dass sie ganz genau abwägen sollten, was und wie sie berichten — weil sie im schlimmsten Fall dazu beitragen könnten, dass sich Menschen das Leben nehmen.
Doch vielen scheint das egal zu sein.
Nach dem Tod von Robert Enke hatten etliche Medien tagelang ohne jede Rücksicht über dessen Suizid berichtet. Die Zahl der Selbsttötungen stieg daraufhin massiv an. „In Anbetracht früherer Befunde zum Werther-Effekt scheint sich dieser Zusammenhang ohne Einfluss der Medienberichterstattung kaum zu erklären“, schrieben Kommunikationswissenschaftler der Uni Mainz später in einer Analyse der Enke-Berichterstattung. Auch sie kamen zu dem Ergebnis, dass sich in der Berichterstattung über Selbstmorde einiges ändern muss, um Nachahmungstaten zu verhindern.
Nur leider ist das vielen Journalisten immer noch egal.
Gestern wurde bekannt, dass sich der Schauspieler Robin Williams das Leben genommen hat.
Genügt das nicht schon an Informationen? Ist es für das Verständnis dieses Ereignisses wirklich erforderlich zu erfahren, wo, wie und womit er sich umgebracht hat, was er dabei anhatte, wie er aufgefunden wurde? Reicht es nicht, wenn die Leser erfahren, dass es ein Suizid war?
Offenbar nicht:
Viele Überschriften wollen wir gar nicht zitieren, weil sie einzig aus der Beschreibung der Suizidmethode bestehen. Und es sind nicht nur die Boulevardmedien, die ausführlich auf die “traurigen Details seiner letzten Minuten” eingehen. Beschrieben werden die Begleitumstände unter anderem bei den Agenturen AFP und AP, in der “Berliner Morgenpost”, im “Südkurier”, im “Express”, bei “RP Online”, “Focus Online” und der “Huffington Post”, auf den Internetseiten der “Tagesschau”, der “Welt”, der “FAZ”, der “Deutschen Welle”, der “tz”, des “Hamburger Abendblatts”, der “Mopo”, der “Gala”, der “Bunten”, der “inTouch”, von N24, RTL, der österreichischen “Krone”, dem Schweizer “Blick” und vielen, vielen mehr.
Aber es gibt zum Glück auch positive Entwicklungen. Ein paar Medien halten sich tatsächlich zurück, etwa die dpa, die nicht auf die Begleitumstände von Williams’ Tod eingegangen ist. Eine bewusste Entscheidung, wie uns dpa-Sprecher Christian Röwekamp auf Anfrage mitteilte. Es habe “intensive Gespräche” gebeben, auch mit den Kollegen in den USA, woraufhin die Agentur beschlossen habe, “eine sehr zurückhaltende Linie zu fahren”.
Und die “Bild”-Zeitung nennt unter ihrem heutigen Artikel immerhin die Nummer der Telefon-Seelsorge. Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass ihr wirklich etwas daran liegt, die Zahl der Nachahmer gering zu halten — ein paar Zeilen weiter oben beschreibt auch sie ganz ausführlich, wo und wie sich Williams das Leben genommen hat.