Ja, da freute er sich, der Online-Chef der „Bild“-Zeitung:
Äh, ja.
In der Geschichte ging es um einen Mann, der auf einer „Pegida“-Demo einen selbstgebauten Galgen getragen hatte („Reserviert“ für Angela Merkel und Sigmar Gabriel). „Bild“ hatte den Mann kurz darauf zu Hause besucht, dabei offenbar heimlich in seiner Wohnungstür fotografiert und die Fotos groß in der Print-Ausgabe und bei Bild.de veröffentlicht (BILDblog berichtete).
Darüber haben wir uns beim Deutschen Presserat beschwert. Der sieht es — anders als Julian Reichelt suggeriert — so wie wir:
Die Mitglieder des Beschwerdeausschusses sind mehrheitlich der Ansicht, dass die Beschwerde begründet ist. Die Verwendung der Fotos, die den Mann in seiner Wohnungstür zeigen, verstoßen gegen Ziffer 8, Richtlinie 8.8 des Pressekodex.
Der Ausschuss halte es zwar für presseethisch zulässig, „den Betroffenen auch an seiner Wohnungstür mit den Äußerungen, die er auf der Demonstration getätigt hat, zu konfrontieren“, heißt es in der Begründung. Aber:
Die Veröffentlichung heimlich angefertigter Bildaufnahmen hält er hingegen für unzulässig. (…) Auch die politischen Umstände des Sachverhalts oder die mögliche strafrechtliche Relevanz der Äußerungen des Betroffenen auf der Demonstration rechtfertigen ein heimliches Vorgehen nach Ansicht der Ausschussmehrheit nicht.
Die “Maßnahmen” des Presserates:
Hat eine Zeitung, eine Zeitschrift oder ein dazugehöriger Internetauftritt gegen den Pressekodex verstoßen, kann der Presserat aussprechen:
einen Hinweis
eine Missbilligung
eine Rüge.
Eine “Missbilligung” ist schlimmer als ein “Hinweis”, aber genauso folgenlos. Die schärfste Sanktion ist die “Rüge”. Gerügte Presseorgane werden in der Regel vom Presserat öffentlich gemacht. Rügen müssen in der Regel von den jeweiligen Medien veröffentlicht werden. Tun sie es nicht, dann tun sie es nicht.
Der Presserat sprach deshalb einen „Hinweis“ gegen „Bild“ und Bild.de aus. Julian Reichelt hatte zwar noch wortreich argumentiert …
Wir betrachten es als eine unserer herausragenden Aufgaben, politischen Bewegungen und Einzelpersonen, die Deutschland offenkundig aus dem grundgesetzlichen Rahmen herausreißen wollen, konsequent entlarvende Recherche und Berichterstattung entgegen zu setzen. Es wäre gefährlich, Berichterstattung auf das Umfeld zu beschränken, in dem sich radikale Bewegungen und Einzelpersonen nach Belieben inszenieren können. (…)
Es ist (leider) ein historisch belegtes Phänomen, dass sich in radikalen Organisationen soziale Außenseiter sammeln und durch das gemeinsame Auftreten den Eindruck von Stärke, Entschlossenheit, Tatkraft und vor allem gesellschaftlicher Legitimation zu erwecken. In der Masse treten sie quasi als Stimme der schweigenden Mehrheit auf. Die These der „schweigenden Mehrheit“, der Denk- und Redeverbote gehört zu ihrem ideologischen Standard-Repertoire.
Wir halten es daher für zwingend geboten, journalistisch gerechtfertigt und als Lehre aus der Geschichte unumgänglich, die Träger einer solch Staats- und Grundgesetzfeindlichen Ideologie in ihrem banalen Alltag zu konfrontieren und zu zeigen und den Kontext ihres Gedankenguts abseits choreographierter Flaggen- und Fackelzüge zu dokumentieren.
Ob die Fotos heimlich aufgenommen wurden, wollte Reichelt dem Presserat aber nicht verraten.
Die Bremer “Bild”-Ausgabe berichtet heute über einen Mann, der in U-Haft sitzt, weil er sein eigenes Geschäft angezündet haben soll. Bebildert ist der Artikel so:
(Verpixelung von uns, schwarzer Balken von “Bild”.)
Auf den ersten Blick ganz okay, doch was Sie durch unsere Verpixelung nicht sehen: “Bild” hat es tatsächlich geschafft, den Balken haargenau über die Augenbrauen des Mannes zu setzen, sodass er nicht die Augen bedeckt, sondern die Stirn.
Es ist zum Verzweifeln. Da passieren so unfassbar schlimme Dinge, und dann kommen Journalisten und berichten, als hätten sie aus alldenbisherigenKatastrophen nicht das Geringste gelernt.
Aber wir wollen mit einem Positivbeispiel anfangen. Ein paar Medien haben gestern in unseren Augen einen richtig guten Job gemacht. Besonders aufgefallen ist uns “Zeit Online”, wo den ganzen Tag über sorgfältig und unaufgeregt erklärt wurde, „was wir wissen“ …
… und was nicht:
Viele andere Medien haben dagegen wieder den gewohnten Weg eingeschlagen, den mit Krach und ohne Besinnung.
***
Liebe Zuschauer, anlässlich der Terroranschläge in Belgien haben wir den gewohnten Programmablauf verändert und senden jetzt im Breaking-News-Modus.
Und da haben wir schon das erste Problem: Sie versprechen Breaking News, also brauchen sie Breaking News, und wenn es keine Breaking News gibt, na dann … nehmen sie halt irgendwas.
Wenn selbst die Börse nix hergibt, kann man ja immer noch irgendeinen Experten befragen, der dann alle “möglichen Szenarien” durchgeht und die “denkbaren Motive” der “angeblichen Attentäter” skizziert oder Sachen sagt wie …
Das ist natürlich jetzt alles Spekulation, aber es sieht ganz danach aus, dass das so ist.
Oder man kann, wie n-tv, zu einem Reporter schalten, der „nur 300 Kilometer von Brüssel entfernt“ steht, nämlich am Frankfurter Flughafen, um zu berichten, dass auch in Frankfurt „die Angst ein bisschen mitfliegt“.
Mutmaßungen werden zu Cliffhangern und Clickbaits, jede Kleinigkeit zur +++Sensation+++
***
Doch das ist alles nicht so tragisch, wenn die Fakten wenigstens stimmen.
Dieses Video wurde gestern Vormittag von vielen Medien verbreitet. Zunächst von belgischen wie dem Sender VRT.
Kurz darauf (unter anderem) vom ZDF:
… von RTL …
… Phoenix …
… „Focus Online“ …
… der „Huffington Post“ …
… dem „Kurier“ in Österreich …
… “TMZ” in den USA …
… stern.de …
… und der „Tagesschau“:
Als Quelle steht da: „Überwachungskamera“. Stimmt. Nur: Dieses Video aus dieser Überwachungskamera ist fünf Jahre alt und zeigt einen Anschlag in Russland. Irgendwer hat einfach das Datum von gestern eingebaut und das Video neu bei Youtube hochgeladen.
In diesem Fall hätten die Medien außerdem schon allein wegen des Zeitpunkts misstrauisch werden müssen. So ein Video kann ja eigentlich nur von der Polizei oder vom Sicherheitspersonal des Flughafens kommen, und die hatten so kurz nach dem Anschlag sicherlich Besseres zu tun, als Überwachungsvideos bei Youtube hochzuladen.
Inzwischen haben die meisten Medien das Video kommentarlos gelöscht. Der Sender VRT hat sich immerhin entschuldigt:
Und die „Huffington Post“ hat aus dem ursprünglichen Clickbait …
… einen neuen gebastelt:
***
Besonders panisch wurde es gestern, als diese „erschreckende Meldung“ (n-tv) reinkam:
Der Moderator gab sich geschockt — und große Mühe, dieses Gefühl auch bei den Zuschauern auszulösen:
Ein Atomkraftwerk ist natürlich ein Anschlagspunkt … da stehen einem die Haare zu Berge!
Kaum vorstellbar, dass es zu einem atomaren Zwischenfall kommen könnte, provoziert durch Terroristen!
Allein die Vorstellung ist natürlich ein absolutes Horrorszenario!
Tatsächlich war die Sache weit weniger dramatisch. „Zeit Online“ schrieb kurz nachdem die Meldung herumgereicht worden war:
Entwarnung aus den Atomkraftwerken in Belgien: Der Betreiber Electrabel hat klargestellt, dass keine Evakuierung laufe. Vielmehr seien auf Anforderung der Behörden alle Mitarbeiter, die nicht zwingend für den Betrieb benötigt würden, gebeten worden, nach Hause zu gehen. Der Schritt sei aus Sicherheitsgründen erfolgt.
Der Betreiber selbst twitterte:
Außerdem rieten die Behörden nicht nur den Atomkraftwerken, sondern auch anderen Einrichtungen, ihre Mitarbeiter nach Hause zu schicken, der Universität zum Beispiel, auch der Justizpalast wurde evakuiert. In die Eil-Schlagzeilen schaffte es aber nur das hier:
***
Was bei der post-katastrophalen Breaking-News-Raterei selbstverständlich nicht fehlen darf, sind Mutmaßungen über den oder die Täter.
Der Schweizer „Blick“ präsentierte schon um 13 Uhr, als noch so gut wie gar nichts feststand, einen Kandidaten:
(Der Mann ist der mutmaßliche Komplize des Terroristen, der am Freitag in Brüssel festgenommen wurde.)
Ein paar Stunden später hatten auch deutsche Medien drei Verdächtige ausgemacht:
Zu diesem Zeitpunkt hatte die Polizei immer noch keine offiziellen Fahndungsfotos veröffentlicht.
… und trotzdem wurde es sofort verbreitet.
Erst zwei Stunden später veröffentlichte die belgische Polizei offizielle Fahndungsfotos, auf denen dieselben Männer zu sehen sind.
***
Und dann gab’s natürlich: Opferfotos.
Die Leute von „Bild“ vertreten ja die Auffassung, dass man Selbstzensur betreibe und ein Feind der Pressefreiheit sei, wenn man Menschen verpixelt oder auf die Nennung grausamer Einzelheiten verzichtet. Weil man die Welt dann nicht so zeige, wie sie ist.
Nachdem „Bild“-Reporter Alexander Blum einige Fotos von Verletzten getwittert hatte und dafür kritisiert worden war, schrieb er:
Nach der Logik der „Bild“-Menschen ist es in Ordnung, ja sogar notwendig, die Gesichter von Opfern zu zeigen, ihre Verletzungen, das Blut, den HORROR in all seinen grausamen Details. Denn wer verpixelt, der verhindere, dass der Schrecken ein Gesicht bekommt. Wer verpixelt, schade den Opfern.
Darum zeigt „Bild“ — alles.
(Unkenntlichmachung — auch in allen anderen Screenshots — von uns.)
Einige davon wurden auch groß auf der Startseite gezeigt.
Auch in der Print-Ausgabe hat „Bild“ heute welche abgedruckt: Großaufnahmen von schwer verletzten Menschen, panische, blutüberströmte, unverpixelte Gesichter.
Eines der Fotos zeigt eine Frau, die sich kurz nach der Explosion auf einer Bank festklammert, die Schuhe zerfetzt, die Bluse zerrissen, man sieht ihren BH, ihren nackten Bauch, ihr blutiges Gesicht, das direkt in die Kamera guckt.
„Bild“ hat es gestern auf der Startseite präsentiert und heute groß in der Print-Ausgabe (oben links):
Und es diente „Bild“-Online-Chef Julian Reichelt als Hintergrundkulisse für ein Interview:
Und weil wir wissen, dass hier einige “Bild”-Menschen mitlesen, zum Schluss eine Bitte: Stellen Sie sich nur mal kurz vor, die Frau, die da liegt, nach einer Explosion, blutend, hilflos, völlig geschockt, in Unterwäsche, das wäre Ihre Mutter. Und dann würde jemand ein Foto von ihr machen und es mit der ganzen Welt teilen. Stellen Sie sich das nur mal vor.
Journalismus ist wie Essen. Man kann darauf achten, woher die Sachen kommen, Wert auf Qualität legen, Zeit und Mühe investieren. Oder halt Fast Food. Geht flott, schmeckt okay und kann, gerade in großen Mengen konsumiert, zu einer ernsten Gefahr für die Gesundheit werden.
Womit wir bei der “Bild”-Zeitung wären, die am 10. März fragte:
Im Artikel stellen die beiden Autorinnen unter anderem folgende Behauptung auf:
Damit sich die Euter der Kühe nicht entzünden, mischen herkömmliche Landwirte vorbeugend jeden Tag Antibiotika ins Futter, das zu einem geringen Teil in die Milch übergeht. Sind Bio-Kühe krank und schlagen homöopathische Mittel nicht an, wird zwar auch ihnen Antibiotika gegeben. Allerdings auf ein paar Tage beschränkt, nicht ein Leben lang.
Das wollte der Bauernverband Schleswig-Holstein nicht auf sich und den Bauern sitzen lassen und beschwerte sich darüber (und über weitere Aussagen in dem Artikel, dazu später mehr) auf seiner Facebook-Seite. Denn: Die prophylaktische Verabreichung von Antibiotika ist in der Tierhaltung laut Arzneimittelgesetz verboten. Zwar werden in deutschen Ställen durchaus Antibiotika eingesetzt (laut Angaben des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit etwa 1.000 Tonnen pro Jahr), in einigen Fällen sicher auch prophylaktisch. Doch dass alle “herkömmlichen Landwirte” ihren Kühen „jeden Tag“ Antibiotika ins Futter mischen — eine sehr gewagte These.
Daher forderte der Bauernverband die “Bild”-Redaktion zur Offenlegung ihrer Quellen auf. Und tatsächlich — am nächsten Tag erschienen (gut im Blatt versteckt) diese Zeilen:
In unserem Text “Wie gut ist Bio wirklich” schrieben wir gestern: “Damit sich die Euter der Kühe nicht entzünden, mischen herkömmliche Landwirte vorbeugend jeden Tag Antibiotika ins Futter.” Richtig ist: “Etwa 80 Prozent der konventionell arbeitenden Milchbauern behandeln ihre Kühe regelmäßig mit Antibiotika, damit sich die Euter nicht entzünden”, sagt Tobias Reichert von Germanwatch.
In einer Pressemitteilung hat die Umwelt- und Entwicklungsorganisation “Germanwatch” die Aussage inzwischen präzisiert:
Hierzu sind zwei Punkte zu ergänzen, die in dem sehr knappen Beitrag noch zu kurz kamen, aber gerade im Nachgang zu dem ersten BILD-Artikel klar gestellt werden sollten: Erstens erfolgt die Antibiotika-Gabe nicht über das Futter und zweitens ist mit “regelmäßig” mindestens einmal jährlich gemeint (schon dies hält Germanwatch im Hinblick auf die Förderung von Antibiotika-Resistenzen für gefährlich, was unabhängig von der Frage ist, ob die Milch nachher zum Verbraucher gelangt).
“Germanwatch” betont außerdem, dass die Autorinnen sich erst nach der Veröffentlichung des ersten “Bild”-Artikels gemeldet hätten. Worauf die ursprüngliche (falsche) Behauptung des Blattes beruhte, bleibt also weiter unklar.
Auf Anfrage des Bauernverbandes antwortete die Redaktion, sie habe für die Recherche …
Studien und die Aussagen mehrerer Experten ausgewertet.
Leider ist dabei ein großer Teil der Fakten auf der Strecke geblieben, nicht nur bei der Antibiotika-Sache. Die Autorinnen schreiben zum Beispiel:
Bio-Produkte haben jedoch oft Probleme mit Schadstoffen wie Schimmelpilzgiften oder Mineralöl.
Belege liefert “Bild” auch dafür nicht. Das Blatt zitiert nur eine “Stiftung-Warentest-Expertin”:
„Gründe können zum Beispiel ungewollte Verunreinigungen aus der Produktion sein.“
Das mag sein. Aber die “StiftungWarentest” (oder auch “Foodwatch”) findet diese Schadstoffe in den verschiedensten Produkten — ganz unabhängig davon, ob bio oder nicht.
Wir haben beim Bundeslandwirtschaftsministerium, dem Umweltbundesamt und verschiedenen Umweltverbänden nachgeforscht — nirgends fanden sich Hinweise darauf, warum insbesondere Bio-Produkte stärker betroffen sein sollen. Nur der “Bund für Umwelt und Naturschutz” schrieb uns auf Anfrage, dass die Problematik “durchaus vorhanden” sei:
Es geht dabei um die Migration von Mineralölrückständen (MOAHs) aus Druckfarben. Die können seit Ende der Nullerjahre durch eine verbesserte Analytik nachgewiesen werden und tauchen nun ab und zu auf. Die Bundestagsfraktion DIE LINKE hat dazu mehrfach Kleine Anfragen an die Bundesregierung gestellt. Gerade bei Recyclingverpackungen bestehen diese Probleme. Im Biobereich wird aus ökologischen Gründen verstärkt auf Recyclingprodukte zurückgegriffen. Viele Bio-Unternehmen haben allerdings unterdessen darauf reagiert und das Risiko abgebaut.
Von solchen Details und Einordnungen erfahren die “Bild”-Leser nichts, das Blatt belässt es bei halbwahren Verallgemeinerungen. Hier zum Beispiel:
Konventionelle Landwirte bestellen ihre Äcker meist einseitig: Sie säen und ernten nur eine bestimmte Pflanze. Der Boden laugt aus, Nährstoffe gehen verloren. Außerdem düngen sie mit Kunstdünger, spritzen Unkraut- und Insektenvernichtungsmittel. Rückstände dieser Gifte essen wir mit.
Reste von Pestiziden können sich auf Lebensmitteln finden, das stimmt. Was “Bild” nicht schreibt: Solche Rückstände sind bis zu bestimmten Höchstwerten zulässig, weil sie bis zu diesen Grenzwerten nicht als gesundheitsgefährdend gelten. Ganz ausschließen kann eine solche Gefährdung natürlich niemand, jedoch sagen das Bundesinstitut für Risikobewertung sowie das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (PDF):
Die Überwachung [der Rückstände von Pflanzenschutzmitteln] hatte im Jahr 2012 bei etwa 98,5 % der deutschen und europäischen Obst- und Gemüseproben nichts zu beanstanden. Nur etwa 1,5 % der Proben wiesen Rückstände über den gesetzlichen Höchstgehalten auf. […]
Der Anteil der Proben, die als „möglicherweise gesundheitlich bedenklich“ eingestuft wurden, lag in den vergangenen Jahren weit unter einem Prozent. Weil die Toxikologen mit hohen Sicherheitsfaktoren rechnen, gehen sie davon aus, dass bislang noch niemand eine kritische Menge Rückstände aufgenommen hat. Dem Bundesinstitut für Risikobewertung ist auch noch kein Fall bekannt, bei dem Verbraucherinnen oder Verbraucher nach dem Verzehr von Obst und Gemüse, das Rückstände eines chemischen Pflanzenschutzmittels enthielt, krank geworden sind. […] Eine Gesundheitsgefährdung durch Rückstände ist sehr unwahrscheinlich. Zu diesem Ergebnis kommen sowohl das Bundesinstitut für Risikobewertung als auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit.
Aber so ist das im Fast-Food-Journalismus: Geht flott, schmeckt okay. Aber nährstoffreich wie ein Autoreifen.
Vorgestern, am Sonntag, ist die frühere US-First-Lady Nancy Reagan gestorben. Und wer ist schuld daran? Ist doch klar: “Bild am Sonntag”. Denn am Todestag von Nancy Reagan erschien eben auch eine neue Ausgabe der “Bild am Sonntag”.
Und das ist nur der vorzeitige Höhepunkt eines gruseligen “Bild”-Fluchs: Immer dann, wenn ein Promi stirbt, ist am selben Tag eines der “Bild”-Printmedien erschienen. Am Todestag von Alan Rickman? Eine neue Ausgabe von “Bild”. Tod von David Bowie? “Bild am Sonntag”. Robin Williams? Paul Walker? Whitney Houston? Jedes Mal erschien am Tag des Promi-Todes auch ein “Bild”-Produkt. Das kann kein Zufall sein.
Wie? Die Theorie ist völliger Blödsinn? Ja, natürlich ist sie das. Und damit genau das Richtige für “Bild” und Bild.de:
Auf Fußballer Aaron Ramsey vom Premier-League-Klub Arsenal London soll laut Bild.de ein “unheimlicher Tor-Fluch” liegen. Ramsey sei “der gefährlichste Fußballer der Welt.” Die Redaktion bringt seine Tore mit dem Ableben der oben genannten und elf weiterer Personen in Verbindung.
Und tatsächlich: Als der Mittelfeldspieler am 1. Mai 2011 in der Liga gegen Manchester United trifft, wird einen Tag später Osama bin Laden erschossen. Einen Tag nach Ramseys Champions-League-Tor gegen Olympique Marseille stirbt Muammar al-Gaddafi. Seit Oktober 2009 soll das schon so gehen, wenn Ramsey für Arsenal London oder die walisische Nationalmannschaft trifft:
Spiel
Datum
Prominenter
Todestag
Liechtenstein – Wales
14.10.2009
Andrés Montes
16.10.2009
Wales – Schottland
14.11.2009
Antonio de Nigris
16.11.2009
Arsenal – Manchester United
01.05.2011
Osama bin Laden
02.05.2011
Tottenham Hotspurs – Arsenal
02.10.2011
Steve Jobs
05.10.2011
Olympique Marseille – Arsenal
19.10.2011
Muammar al-Gaddafi
20.10.2011
AFC Sunderland – Arsenal
11.02.2012
Whitney Houston
11.02.2012
Großbritannien – Südkorea
04.08.2012
Chavela Vargas
05.08.2012
Schottland – Wales
22.03.2013
Bebo Valdés
22.03.2013
Arsenal – Wigan Athletic
14.05.2013
Jorge Rafael Videla
17.05.2013
Olympique Marseille – Arsenal
18.09.2013
Ken Norton
18.09.2013
Cardiff City – Arsenal
30.11.2013
Paul Walker
30.11.2013
Hull City – Arsenal
20.04.2014
Rubin “Hurricane” Carter
20.04.2014
Norwich City – Arsenal
11.05.2014
HR Giger
12.05.2014
Arsenal – Manchester City
10.08.2014
Robin Williams
11.08.2014
Arsenal – AFC Sunderland
09.01.2016
David Bowie
10.01.2016
FC Liverpool – Arsenal
13.01.2016
Alan Rickman
14.01.2016
Tottenham Hotspurs – Arsenal
05.03.2016
Nancy Reagan
06.03.2016
“Bild” und Bild.de haben schon früher über die “UNDHEIMLICHE ENGLAND-SERIE VON AARON RAMSEY” berichtet. Der Tod von Robin Williams im August 2014 war ein Anlass, genauso der “Doppelschlag mit Bowie und Rickman” im Januar dieses Jahres:
Und gestern dann Nancy Reagan, nachdem Aaron Ramsey am Samstag in der Premier League gegen die Tottenham Hotspurs getroffen hatte.
Damit der irre Ramsey-Fluch überhaupt hinhaut, erweitert die Redaktion hier und da auch das Verständnis von Prominenz und Unmittelbarkeit: Als “Prominente” gelten nicht nur Leute wie Osama bin Laden oder Robin Williams, sondern auch spanische Sportjournalisten oder kubanische Musiker. Und manche bekannten Persönlichkeiten — beispielsweise Apple-Gründer Steve Jobs oder der frühere argentinische Diktator Jorge Rafael Videla — starben erst mehrere Tage nach Ramseys Toren. Es wackelt und knirscht an allen Enden.
Trotzdem bleibt Bild.de bei der knackigen Formel:
Immer wenn der Waliser trifft, stirbt ein Prominenter!
An dieser Stelle ist die Berichterstattung des Portals dann nicht mehr nur dämlich, sondern schlicht falsch. Denn nach der Mehrzahl von Aaron Ramseys Toren seit dem Start des vermeintlichen Fluchs im Oktober 2009 passierte — wenig überraschend — rein gar nichts:
Spiel
Datum
Prominenter
Todestag
Liechtenstein – Wales
14.10.2009
Andrés Montes
16.10.2009
Wales – Schottland
14.11.2009
Antonio de Nigris
16.11.2009
Arsenal – Stoke City
05.12.2009
FC Portsmouth – Arsenal
30.12.2009
West Ham United – Arsenal
03.01.2010
Cardiff City – Leicester City
22.02.2011
(als Leihspieler für Cardiff City)
Arsenal – Manchester United
01.05.2011
Osama bin Laden
02.05.2011
Nordirland – Wales
27.05.2011
Wales – Montenegro
02.09.2011
Tottenham Hotspurs – Arsenal
02.10.2011
Steve Jobs
05.10.2011
Wales – Schweiz
07.10.2011
Olympique Marseille – Arsenal
19.10.2011
Muammar al-Gaddafi
20.10.2011
AFC Sunderland – Arsenal
11.02.2012
Whitney Houston
11.02.2012
Großbritannien – Südkorea
04.08.2012
Chavela Vargas
05.08.2012
Arsenal – Olympiakos Piräus
03.10.2012
Schottland – Wales
22.03.2013
Bebo Valdés
22.03.2013
Arsenal – Wigan Athletic
14.05.2013
Jorge Rafael Videla
17.05.2013
Fenerbahce Istanbul – Arsenal
21.08.2013
Arsenal – Fenerbahce Istanbul
27.08.2013
Mazedonien – Wales
06.09.2013
AFC Sunderland – Arsenal
14.09.2013
Olympique Marseille – Arsenal
18.09.2013
Ken Norton
18.09.2013
Arsenal – Stoke City
22.09.2013
Swansea City – Arsenal
28.09.2013
Belgien – Wales
15.10.2013
Arsenal – Norwich City
19.10.2013
Arsenal – Liverpool
02.11.2013
Borussia Dortmund – Arsenal
06.11.2013
Cardiff City – Arsenal
30.11.2013
Paul Walker
30.11.2013
Hull City – Arsenal
20.04.2014
Rubin “Hurricane” Carter
20.04.2014
Norwich City – Arsenal
11.05.2014
HR Giger
12.05.2014
Arsenal – Hull City
17.05.2014
Arsenal – Manchester City
10.08.2014
Robin Williams
11.08.2014
Arsenal – Crystal Palace
16.08.2014
FC Everton – Arsenal
23.08.2014
Stoke City – Arsenal
06.12.2014
Galatasaray Istanbul – Arsenal
09.12.2014
Arsenal – West Ham United
14.03.2015
AS Monaco – Arsenal
17.03.2015
Israel – Wales
28.03.2015
FC Burnley – Arsenal
11.04.2015
Hull City – Arsenal
04.05.2015
Wales – Andorra
13.10.2015
FC Watford – Arsenal
17.10.2015
Arsenal – AFC Sunderland
05.12.2015
Aston Villa – Arsenal
13.12.2015
Arsenal – AFC Sunderland
09.01.2016
David Bowie
10.01.2016
FC Liverpool – Arsenal
13.01.2016
Alan Rickman
14.01.2016
Tottenham Hotspurs – Arsenal
05.03.2016
Nancy Reagan
06.03.2016
Ramseys folgenlose Treffer lässt Bild.de einfach aus.
Dass die Wenn-dann-Kausalität totaler Murks ist, hält andere Redaktionen natürlich nicht davon ab, den “Todes-Fluch” weiterzutragen:
Die 15-Jährige soll regelmäßig eine Moschee von radikalen Islamisten besucht haben, wollte angeblich nach Syrien reisen (darum “ISIS-Horror”) und steht nun im Verdacht, in Hannover einen Polizisten niedergestochen zu haben.
Aus dem Pressekodex: Bei einer identifizierenden Berichterstattung muss das Informationsinteresse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegen; bloße Sensationsinteressen rechtfertigen keine identifizierende Berichterstattung. (…) Insbesondere in der Berichterstattung über Straftaten und Unglücksfälle dürfen Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres in der Regel nicht identifizierbar sein.
Das Foto des Mädchens hat „Bild“ (noch so eine alte Grundregel) bei Facebook besorgt, ebenso wie die meisten Fotos im Innenteil: das Mädchen im Kinderzimmer, auf einem Pferd, vor dem Eiffelturm …
Ob wenigstens das richtige Kind zu sehen ist, wissen wir nicht. Gut möglich, dass die Fotobeschaffer wieder mal im falschen Profil gewildert haben.
Allzu sorgfältig sind die “Bild”-Leute auf ihrer Fotojagd jedenfalls nicht vorgegangen, wie dieses Beispiel (ebenfalls aus dem Artikel) zeigt:
Das stimmt nicht. Das Foto zeigt keine Moschee, sondern ein Cem-Haus. Und es gehört nicht zum „Deutschsprachigen Islamkreis“, sondern zur „Alevitischen Gemeinde“ Hannovers.
Das mag für „Bild“-Redakteure eh alles dasselbe sein, ist es in der Realität aber nicht.
Im Gegensatz zum salafistischen Islamkreis in Hannover ist die alevitische Gemeinde Mitglied in der Deutschen Islamkonferenz und wird nicht vom Verfassungsschutz beobachtet. Von Salafisten unterscheidet Aleviten ohnehin eine ganze Menge: Männer und Frauen beten bei ihnen gemeinsam, sie deuten den Koran nicht wörtlich und lehnen die fünf Säulen des Islam ab. Mit dem „Islamischen Staat“ verbindet sie allenfalls, dass er ihnen die Köpfe abschneiden will.
Anders gesagt: Das abgebildete Haus und die Gemeinde, zu der es gehört, haben überhaupt nichts mit dem „Terror-Mädchen“ zu tun; “Bild” bringt sie zu Unrecht mit dem “ISIS-Horror” in Verbindung.
Ein Mitglied der Gemeinde sagte uns, sie würden oft beleidigt und bedroht, weil viele Leute annähmen, sie hätten was mit Terroristen zu tun. Durch die falsche Bebilderung würden sie jetzt umso mehr zur Zielscheibe.
Bei Facebook schreibt der Vorstand der Gemeinde, er fasse dies “als bewusste Tat gegen uns auf”.
Wir würden eher auf Fahrlässigkeit tippen. Wenn die “Bild”-Zeitung die Wahl hat zwischen Sorgfalt und Schnelligkeit, entscheidet sie sich eben für Letzteres. Auch wenn sie dabei in Kauf nimmt, unbeteiligte Menschen zu Hassobjekten zu machen. Alte Grundregel.
Nachtrag, 23.15 Uhr: Wie wir gerade entdeckt haben, hat “Bild” heute eine Korrektur veröffentlicht.
Falls Sie auch nicht gleich fündig werden: Ganz oben, zwischen dem toten Wal und Sarah Connor.
Die alevitische Gemeinde schreibt dazu bei Facebook:
In der heutigen #BILD Ausgabe (05.03.2016) wurde eine Richtigstellung aufgrund der #Fotoverwechslung vom Vortag vorgenommen. Die Redaktion bedaure die Verwechslung. Die Frage ist jedoch wie es zu so einer Verwechslung kommen konnte!?
Unser Dachverband #AABF und auch die Alevitische Gemeinde #Hannover ist nun seit fast 25 Jahren im Widerstand gegen Extremismus, vor allem gegen radikalen Islamismus. Denn die Alevitische Gesellschaft kennt die Folgen extremistischer Gewalt sehr gut. Dennoch werden wir nach all den Jahren mit den Feinden der Demokratie verwechselt. Kann ein knapp verfasster Artikel das wieder gut machen?
Im Artikel sagt der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, bei dem Politiker seien „0,6 Gramm einer betäubungsmittelsuspekten Substanz“ gefunden worden.
Nach Informationen von BILD soll es sich dabei vermutlich um Crystal Meth handeln.
Heißt also: Vielleicht hat “Bild” recht. Vielleicht war es auch wieder nur Salz. Oder was ganz anderes.
Volker Beck selbst erklärte bisher nur:
Und wie immer sind die Leute von „Bild” nun sehr darum bemüht, daraus eine möglichst große Sache zu machen. Allein sprachlich. Zum Beispiel nennen sie Crystal Meth konsequent die “gefährlichste Droge der Welt”. Wie sie darauf kommen, verraten sie allerdings nicht. Womöglich deshalb, weil sich über diesen Superlativ durchaus streiten lässt: In vielen “Gefährlichkeit”-Rankings belegen Alkohol, Heroin und Crack die obersten Plätze, noch vor Crystal Meth. Aber es ist ohnehin fraglich, wie groß die Aussagekraft solcher Rankings ist.
“Bild” jedenfalls bleibt dabei und lässt in den Berichten inzwischen auch die “Soll”s und “Vermutlich”s weg.
Für die heutige Titelseite hat sich die Print-Redaktion Folgendes überlegt:
Crystal Meth ist kristallisiertes Methamphetamin. Dieser Wirkstoff war einst Hauptbestandteil eines der populärsten Arzneimittel Deutschlands: Pervitin – in der Nazizeit bekannt als „Panzerschokolade“.
Vor allem Soldaten der Wehrmacht hätten die Pillen im Zweiten Weltkrieg genommen, schreibt „Bild“. Jedoch:
Was Süchtige heute konsumieren, entspricht dem Tausendfachen dessen, was Wehrmachtsoldaten geschluckt haben
Dem „Tausendfachen“?
Die “Nazi-Pillen” (Bild.de) sollen etwa drei Milligramm Wirkstoff enthalten haben. Laut „Spiegel“ wurde den Soldaten die Einnahme von ein bis zwei Tabletten empfohlen. Das entspricht also drei bis sechs Milligramm.
Heutzutage liegt eine mittlere Dosis bei 10 bis zu 40 Milligramm. Das ist nicht das Tausend-, sondern maximal das Dreizehnfache.
Gewöhnte Konsumenten dosieren oft höher. „Bild“ selbst schreibt:
Ein Gramm Crystal entspricht dem Tageskonsum eines Langzeitkonsumenten
Aber auch das wäre “nur” das 150- bis 300-fache. Noch dazu sind diese Dosierungen häufig verunreinigt, die Menge des reinen Wirkstoffs liegt also oft darunter. Wahrscheinlich wird es auch Leute geben, die noch höher dosieren, doch bis zum „Tausendfachen“ dürften wohl die wenigsten gehen.
Wie viele der anderen „Informationen von BILD“ im Fall Beck der Realität entsprechen, wird sich zeigen. Bisher hat die Staatsanwaltschaft keine Ermittlungen aufgenommen.
Bundesjustizminister Heiko Maas und seine Frau haben sich getrennt. Der Anwalt der beiden hat die Trennung am vergangen Mittwoch bekanntgegeben, seitdem haben sie sich nicht mehr öffentlich geäußert.
„Bild“ vermeldete das …
… am Mittwochabend online und wusste am Tag darauf in der Print-Ausgabe exklusive Details zu berichten:
Dass der Minister und seine Frau darum gebeten hatten, „ihre Privatsphäre strikt zu respektieren“, steht in dem Artikel natürlich nicht.
Am nächsten Tag ging es weiter, diesmal nannte “Bild” auch den Namen der angeblichen Affäre:
(Wir haben die Frau hier und in den folgenden Screenshots unkenntlich gemacht.)
Genüsslich gibt „Bild“-Reporter Michael Schacht in dem Artikel das „Getuschel“ wieder, das es im “Umfeld” der beiden gebe, und erklärt: „Wie die Ehe von SPD-Hoffnungsträger Maas zerbrach“.
Doch so eklig dieser Voyeurismus auch ist — rechtlich gesehen ist der Fall nicht ganz eindeutig. “Bild” greift zwar in die Privatsphäre der Betroffenen ein, doch das heißt nicht, dass sie vor Gericht automatisch Recht bekämen, sollten sie dagegen vorgehen.
Rechtsanwalt Ralf Höcker sagte 2014 in der „taz“ auf die Frage, ob es zulässig sei, über die Affäre eines Politikers zu berichten:
Das hängt vom Vorleben ab. Wer sein Privatleben schon vorher öffentlich macht, der muss auch später unangenehme Berichterstattung dulden. Man müsste also die Archive nach freiwilligen privaten Selbstveröffentlichungen (…) durchsuchen, um zu wissen, was er sich gefallen lassen muss.
Das entscheidende Kriterium ist, ob man selber in guten Zeiten seine Familie zum Gegenstand öffentlicher Wahrnehmung macht, die Frau präsentiert, Homestorys zulässt.
Im vergangenen Jahr trafen sich Heiko Maas und die Schauspielerin zum Doppel-Interview mit der “Bild am Sonntag”, um über ihre Freundschaft zu plaudern. Ob das genug “Homestory” ist, um auch über eine (angebliche) Affäre berichten zu dürfen, werden im Zweifel Gerichte entscheiden müssen.
Ob man alles machen muss, was man machen darf, ist eine andere Frage. Man könnte auch Privates einfach im Privaten lassen. Oder zumindest abwarten, bis sich die Betroffenen selbst zu Wort melden.
Eine ganze Reihe von Medien hat sich entschieden, nicht abzuwarten und stattdessen die Affärengerüchte der „Bild“-Zeitung nachzuplappern. Darunter natürlich Klatschmedien wie “Gala”, vip.de und stern.de:
Aber auch Medien wie der „Tagesspiegel“, die “WAZ” und das „Handelsblatt:
Die Gerüchte gingen ins Ausland …
… wurden zum Clickbait …
… und dienten selbst den Fremdenfeinden von „Politically Incorrect“ für was auch immer:
Am eifrigsten aber sind die Leute von „Bild“. Vergangenen Samstag gab’s die dritte Titelstory.
Heiko Maas hatte sich zwar immer noch nicht geäußert („WARUM SCHWEIGT DER MINISTER?“), und die Schauspielerin „ließ BILD über ihr Management wissen, dass es eine gemeinsame Erklärung geben werde“. Doch so lange wollte das Blatt nicht warten. Reporter Michael Schacht hatte sich ja ohnehin bereits im “Umfeld” der beiden umgehört, was ihm reichte, um das “Liebes-Wirrwarr” zu konstruieren und einen der schmierigsten “Bild”-Artikel seit Langem abzuliefern:
Die Schauspielerin ist maaslos verliebt. Er hat das Direktmandat für ihr Herz gewonnen.
Der Minister leidet, wie aus seinem Umfeld zu hören ist. Nicht nur seine Ehe ist zerbrochen, er weiß auch, dass jedes Wort zu viel nun politisch riskant wäre, jedes Wort zu wenig aber seine neue Liebe aufs Spiel setzt.
[Die Schauspielerin] ist eine selbstbewusste Frau. Sie kennt die Spielregeln auf Berlins glattem gesellschaftlichen Parkett, wo Macht und Glamour sich umarmen. Da muss man schweigen können. Aber geht das, wenn zwei Herzen so laut schlagen, dass es ganz Berlin hört?
Am nächsten Tag: nächste Titelstory.
Die Reporter hatten anscheinend vor dem Haus der Schauspielerin campiert; im Blatt zeigen sie ein Foto, auf dem sie gerade das Haus verlässt und zum Auto geht. Offenbar sind sie ihr auch weiter gefolgt (sie wissen zumindest, wohin sie dann gefahren ist).
Und sie bleiben dran. Heute der nächste Artikel.
Der nächste Akt in diesem „Boulevardtheater mit Starbesetzung“, wie es die „Bild am Sonntag“ nennt. Als wäre es bloß ein Spiel, eine weitere amüsante Aufführung auf dem „Klatsch-Parkett“ („Bild“).
Um dieses Spiel zu beenden, bleibt Maas und der Schauspielerin im Grunde nur, sich öffentlich dazu zu äußern oder sich juristisch dagegen zu wehren. In jedem Fall haben sie es mit einem verdammt unbequemen Gegner zu tun.
Anwalt Eisenberg sagte damals im Interview mit dem „Freitag“ noch:
Die Bild ist jedenfalls besonders rücksichtslos, und sie müssen überhaupt nicht aufs Geld achten. Wenn ein Politiker sich mit der Bild anlegt, hat er erst einmal schlechte Karten. Politiker haben ja in der Regel kein größeres einsetzbares Vermögen für eine Auseinandersetzung mit einem weltweit operierenden Konzern, der Milliardengewinne macht. Ich habe noch keinen einzigen Politiker gesehen, der in einer echten Krise das Geld hatte oder aufbringen wollte, der Bild Paroli zu bieten und die 80.000 Euro oder so Prozesskosten zu riskieren.
Mir hat kürzlich ein Richter gesagt, der in dem anschließenden Urteil die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung feststellte: „Ihr kriegt den Deckel sowieso nicht mehr zu.“ Das ist genau das Kalkül: Wenn die Sache in der Welt ist, fragt niemand danach, ob die Medien berechtigt waren, sie in die Welt zu setzen. Sie ist dann nicht mehr rückholbar. Und genau darauf setzen die Medien.
„Mag“? „Vergöttert“ trifft es viel besser. In der Welt von „Bild“ ist Zuckerberg nämlich nichts weniger als ein übermenschlicher Held, der Franz Beckenbauer des Internets. „Bild“-Oberchef Kai Diekmann nennt Zuckerberg den „Charity-Gott“. Springer-Vorstand Mathias Döpfner schwärmt, er sei „a wonderful human being“. Franz Josef Wagner nennt ihn in einem rasselnden Atemzug mit Nelson Mandela und Mutter Teresa.
Umso aufgedrehter war die Springer-Bande gestern — denn der Facebook-Chef hatte angekündigt, sie am Abend in ihrem Hauptquartier zu beehren.
Schon morgens jauchzte Kai Diekmann:
Zu Ehren ihres Gastes hatten die Springer-Leute nicht nur schnell einen Award ins Leben gerufen, sondern gleich noch ihre Dachterrasse umgebaut …
… ein Stück Berliner Wald abgeholzt …
… und alles ganz facebookblau-kuschelig gemacht für den man of the evening.
Da die Frage zu denen mit den meisten Likes gehörte (vielen Dank für die Unterstützung!), ist Zuckerberg auch darauf eingegangen. Er sagte:
Well, this is a tricky one. If it’s not a public photo, then someone should not be taking your photo and using it publicly. You know, in general, the rule is that you control all the content that you post on facebook. (…) If we’re building a community and people are sharing stuff that they don’t intend to be public, and then someone else is making it public, then that’s an issue. Right? And that’s gonna undermine the trust that our community has in us to making sure that, you know, when you share something with just your friends then that’s actually going to only the people that you want.
This is a tricky area for us, because we don’t control … you know, the law in most countries around the world, I believe, is that you post a photo, you own that photo. And that people don’t have the ability to use that photo without your permission. So if you find out that someone, you know, whether it’s on a blog or … you know, someone else is using your photo without your permission, you should have the right to be able to send them an e-mail and get in touch with them and tell them that that they don’t have permission to do that and they should take it down. In (…) most countries I can think of, if people don’t respect your rights for the content that you own, you have legal recourse to go after that.
But this is obviously an issue for facebook, because we want people to feel completely comfortable, that if they share something with their friends or with a community of a hundred people, then that’s not somehow gonna be taken and shared with more people. Unfortunately, we don’t have complete control if someone takes a screenshot or something, but you do own those photos and have the right to have it distributed only how you want, wheter that’s on our service or outside.
Man darf also sagen: Er findet’s eher nicht okay.
Das hatten wir ehrlich gesagt vermutet, und wir hatten die Hoffnung (zumindest ein kleines bisschen), dass — wenn es schon die Justiz, die Polizei, Angehörige von Betroffenen, der Presserat, wir und auch sonst keiner schafft, den “Bild”-Mitarbeitern die Fotoklauberei bei Facebook auszutreiben — dass vielleicht ja Mark Messias Zuckerberg etwas in seinen Jüngern auszulösen vermag.
Jene Jünger waren natürlich auch bei seiner Fragestunde, haben live getickert und später einen Artikel gebracht, in dem sie die Fragen und Antworten zusammenfassen. Über das Thema Täter- und Opferfotos schreiben sie sowohl im Ticker als auch im Artikel — kein Wort.
Aber dafür, heute auf Bild.de:
(Unkenntlichmachung von uns.)