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In Sachen Schwarzer ./. Kachelmann

Berichtigung: Anders als in BILD am 15.10.2010 berichtet, hat Jörg Kachelmanns Verteidigung das mutmaßliche Opfer nicht als Stalkerin bezeichnet und auch nicht verlauten lassen, der Moderator kenne es gar nicht.

“Typisch ‘Bild'”, möchte man angesichts dieser Berichtigung heute sagen, aber das wäre ungerecht. “Typisch Alice Schwarzer” träfe es vielleicht eher.

Die “Emma”-Herausgeberin berichtet bekanntlich für das Blatt über den Vergewaltigungsprozess. Manchmal müsse “man etwas selber erleben und darf sich nicht nur mit Informationen aus zweiter Hand begnügen”, erklärte sie ihr Engagement, bei dem sie sich manchmal mit Informationen aus zweiter Hand begnügt und dabei so tut, als hätte sie etwas selber erlebt.

Munter und frei von juristischem Sachverstand schreibt die Frau, die “Bild” am vergangenen Mittwoch zum “Gewinner” ernannt hatte, gegen Kachelmann und seine vermeintlichen Unterstützer in den Medien an. Freitag klagte sie über die “Spielchen” und “taktischen Manöver” der Verteidigung, weil die empört war, dass das angebliche Opfer als Zeugin nicht vom Gericht über sein Aussageverweigerungsrecht belehrt wurde: Nach Paragraph 55 der Strafprozessordnung hat ein Zeuge das Recht, die Aussage zu verweigern, wenn er sich damit selbst belasten könnte, und muss auf dieses Recht hingewiesen werden.

Der Anwalt Udo Vetter kommentiert in seinem Blog:

Der Nebenklägerin, die Kachelmann vergewaltigt haben soll, sind bereits unwahre Aussagen nachgewiesen worden (…). Darüber steht natürlich die weitaus größere Möglichkeit, dass die Nebenklägerin die Vergewaltigung insgesamt erfunden hat. (…)

Jedes Wort, das die Zeugen also sagt, kann für sie strafrechtlichen Ärger bedeuten. Um so wichtiger, dass ihr das Gericht vor der Aussage erklärt, wie sie diesen Ärger vermeiden kann. Um so unverständlicher, wieso das Landgericht Mannheim meint, ausgerechnet bei Kachelmanns Ex-Freundin bestehe für die Belehrung, die vielleicht mal anderthalb Minuten dauert, keine Notwendigkeit. (…)

Die Weigerung, die Zeugin korrekt zu belehren, wirft erneut ein schlechtes Licht auf die Richter. Denn es gibt wenige andere Erklärungsansätze als jenen, dass sie offenbar schon jetzt meinen, die Nebenklägerin lüge keinesfalls.

Alice Schwarzer, die verwirrenderweise formuliert, die Zeugin solle “zusätzlich ‘nach § 55’ vereidigt” werden, sieht in dem Bestehen auf einer rechtlichen Vorschrift aber bloß den Versuch, die Nebenklägerin als Lügnerin hinzustellen. Kachelmanns Verteidiger bezichtige sie “damit indirekt des Vortäuschens einer Straftat”.

Ihr Angriff auf Kachelmanns Verteidigung endet so:

Wir erinnern uns: Kurz nach der Verhaftung des Wetter-Moderators hieß es, Jörg Kachelmann kenne diese Frau gar nicht, sie sei eine Stalkerin. Dann hieß es, es sei “vor allem um Sex” gegangen. Sodann erfuhren wir: Die beiden hatten elf Jahre eine Beziehung, er hatte ihr die Ehe versprochen und mit ihr auch schon das gemeinsame Heim im Schwarzwald besichtigt. Alles schien gut. Bis zu der Nacht vom 9. Februar 2010…

Der (falsche) Vorwurf des Stalkings hat aber eine andere Quelle. Er stammt ironischerweise aus der “Bild”-Zeitung. Die schrieb am 23. März:

Ein enger Geschäftspartner von Kachelmann erklärte gegenüber BILD, Kachelmann habe in Schwetzingen niemals eine langjährige Bekanntschaft gepflegt. Er sprach von “Stalking”.

Weder Bild.de noch Alice Schwarzer noch Emma.de haben Schwarzers Kolumne selbst korrigiert.

Mit Dank auch an Helmut O.

  • Die (juristische) Fortsetzung der Geschichte steht hier.
Bild, RTL  

Boulevard erklärt Moslems den Schnitzelkrieg

Seit in Deutschland (mit tatkräftiger Hilfe von “Bild”) eine sogenannte Debatte über die angeblich mangelnde Integration von Ausländern tobt, versucht die Zeitung täglich, den Untergang des Abendlandes herbei zu schreiben. Zum Beispiel mit der neuen Serie “Wenn Multi-Kulti zum Irrsinn wird”:

Lehrerin gefeuert weil sie muslimischen Schülern versehentlich Schweineschnitzel gab

Die Geschichte basiert im Großen und Ganzen auf einem Bericht, den das RTL-Krawall-und-Sex-Magazin “Extra” am Montag ausgestrahlt hatte. Gedreht wurde der allerdings schon im Mai, denn der ganze Fall liegt über ein halbes Jahr zurück, war dem Sender aber offenbar ohne die aktuelle Debatte nicht aufregend genug.

Im Februar hatte die Lehrerin bei der Essensausgabe verschiedene Schnitzelsorten vertauscht und dann muslimischen Kindern versehentlich Schweineschnitzel serviert (eine willkommene Gelegenheit für RTL, den “Schnitzelkrieg” auszurufen). Einige Eltern der muslimischen Schüler beschwerten sich in der Woche darauf bei der Schulleitung, nachdem “ein Versuch der telefonischen Klärung zwischen Eltern und der betroffenen Lehrkraft für die Eltern unbefriedigend verlaufen war”, wie die Schulleitung in einem Elternbrief mitteilte, in dem auch der vorläufige Verzicht auf Schweinefleisch beim Schulmittagessen erklärt wurde.

Zwei Tage später und vor einer abschließenden Klärung des Vorfalls reichte die Lehrerin eine Krankmeldung ein und ist jetzt seit sieben Monaten fortwährend krank geschrieben. Die Frau wurde also weder “gefeuert”, wie es “Bild” in der Überschrift groß verkündet, noch sitzt sie “ohne Job” zuhause, noch wurde sie “beurlaubt” oder versetzt — wie die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier als zuständige Behörde betont. Es seien im Gegenteil überhaupt keine Disziplinarmaßnahmen vorgesehen gewesen und die Lehrerin hätte ihren Dienst ganz normal fortsetzen können, wenn sie nicht krank geworden sei. Im Übrigen werde seit Schuljahresbeginn auch wieder Schweinefleisch ausgegeben, der Vorfall sei an der Schule und im Ort kein Thema mehr.

Das hat die Sprecherin übrigens nicht nur uns erzählt, sondern auch “Bild”. Die Zeitung hat diese beiden Informationen zwar ganz am Ende des riesigen Artikels zitiert:

Eveline Dziendziol, Pressesprecherin der zuständigen Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) Trier, sagt dazu: “Die Lehrkraft wurde nicht suspendiert, sie ist erkrankt und deshalb zu Hause. Das ganze Geschehen ist kein Thema mehr. Mittlerweile gibt es auch wieder Schweinefleisch an der Schule.”

… aber im übrigen komplett ignoriert:

Lehrerin gefeuert weil sie muslimischen Schülern versehentlich Schweineschnitzel gab

Und damit das mit der Integration in Deutschland noch ein bisschen schwieriger wird, gießt Bild.de mit seiner Überschrift noch mal richtig Öl ins Feuer:

Deutsche Lehrerin von Moslems weggemobbt! Weil sie muslimischen Schülern versehentlich Schweineschnitzel gab

Mit Dank an Marcel Sch., MrB, Rhanjid und Stefan L.

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Where the fuck is Alice?

Alice Schwarzer, Herausgeberin der Zeitschrift “Emma” und “Bild”-Gerichtsreportage-Praktikantin, werde den Prozess gegen Jörg Kachelmann “weiterhin aus der Nähe verfolgen”, so schreibt es ihre Redaktion.

In der heutigen “Bild” liest sich das beispielsweise so:

In dieser vierten Verhandlungswoche im Landgericht Mannheim ist Schluss mit Spekulationen und Interpretationen.

Knallharte Fakten wurden da am Mittwoch auf den Tisch gelegt. Beziehungsweise Zeugenaussagen:

Richter Siegfried B. tritt in den Zeugenstand. Er hatte nach der Verhaftung die Fortdauer der Untersuchungshaft für Jörg Kachelmann angeordnet, weil er dessen Schilderung zum Ablauf des Abends “nicht einleuchtend” fand.

Schwarzer erzählt von den “beiden erfahrenen Kriminalkommissarinnen”, die “da sind” und “berichten, dass das mutmaßliche Opfer am Boden zerstört gewesen sei”. Sie weiß, dass Hauptkommissarin Angelika S. als Erste aussagt, der Richter “nachhakt” und was die Polizisten darauf “erwidert”.

Auftritt der zweiten Kripobeamtin. Auch sie berichtet über das mutmaßliche Opfer: “Sie war fertig, völlig fertig.” Und auf Nachfrage: Nein, von einem “Verfolgungseifer” der Frau habe sie nichts bemerkt. Die habe nur gesagt: “Elf Jahre. Und jetzt ist alles aus.”

Schwarzer hat diese Gerichtsprosa gut verinnerlicht, sie beschreibt anschaulich, was da im Gerichtssaal vor sich ging. Auch der Angeklagte ist ihrem geschulten Auge nicht entgangen:

Und Jörg Kachelmann? Der schweigt, wie von seinem Verteidiger Birkenstock verordnet. Nur seine Gesten sprechen – aber welche Sprache? Mal cremt er sich die Lippen, mal fährt er sich durchs Haar, mal grinst er. Dabei gab es an diesem Tag wirklich nichts zu lachen für ihn.

Dem aufmerksamen “Bild”-Leser erzählt Alice Schwarzer damit nichts Neues, im Wesentlichen stand das gestern schon alles in der Zeitung.

Für Frau Schwarzer hingegen könnte es sich tatsächlich um Neuigkeiten gehandelt haben: Sie war nämlich am Mittwoch gar nicht im Mannheimer Landgericht, wie uns mehrere Leser berichteten, die selbst vor Ort waren.

Alice Schwarzers Büro erklärte uns auf Anfrage, Frau Schwarzer sei “zurzeit im Ausland und erst Anfang nächster Woche wieder erreichbar”.

Mit Dank auch an Boris K.

Nachtrag, 4. Oktober: Alice Schwarzer hat auf unsere Anfrage geantwortet:

Ich war in der vergangenen Woche nicht im Prozess zugegen – und habe das darum auch nicht suggeriert. Wenn Sie meine bisher sieben Bild-Beiträge genau lesen (oder auch das EMMA-Editorial und den Blog), wird deutlich bzw. schreibe ich explizit, wann ich dabei war und wann nicht.

Meine Quellen für den Verhandlungstag sind: ALLE Agenturen sowie ein minutiöses Protokoll. Es ist Ihnen sicherlich nicht entgangen, dass JournalistInnen manchmal auch über etwas schreiben, wo sie nicht daneben standen.

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Unehrlich, unbedarft und mysteriös

Es folgt: Eine ziemlich langweilige und konfuse Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Ulm und der Polizeidirektion Ulm. Lesen Sie sie bitte trotzdem genau, es könnte sich lohnen.

Ulm / Unehrlicher Finder meldete sich anonym

Der Finder eines hohen Geldbetrags konnte im April offenbar der unredlichen Versuchung nicht widerstehen. Er hat das Geld unterschlagen. Doch sein Gewissen trieb ihn offensichtlich dazu, sich beim Verlierer zu melden.

Verloren hat den Geldbetrag Anfang April ein 56-Jähriger. Mit 14.000 Euro in der Hosentasche radelte er durch das Stadtgebiet. Prompt fiel seine Geldbörse aus der Hose, ohne dass der Ulmer dies bemerkte. Erst bei der Ankunft in der Bank in der Ulmer Innenstadt bemerkte er den Verlust. Obwohl er sich sofort auf die Suche nach dem Geld machte, blieben die vielen 500-Euro-Scheine verschwunden.

Am nächsten Tag lag die Geldbörse samt Ausweisen und Bankkarten des Ulmers in seinem Briefkasten. Deshalb entschied er sich, an das Gewissen des Finders zu appellieren. Er gab eine Annonce in einer Ulmer Zeitung auf und bot einen ehrlichen Finderlohn an. Die Annonce blieb nicht unbemerkt: Der Finder wandte sich mit einem anonymen Brief an den 56-Jährigen, in dem er seine Tat zu rechtfertigen versuchte. Offenbar plagte den Findern doch das Gewissen. Daraufhin annoncierte der Ulmer erneut. Auch diese Anzeige blieb nicht unbemerkt. Zumindest erweckte sie beim unbedarften Leser einen dubiosen Eindruck. Sie wurde mittlerweile sogar mit einer Entführung im Kreis Heidenheim in Verbindung gebracht. Staatsanwaltschaft und Polizei stellen aber klar, dass diese Verbindung offensichtlich nicht besteht.

Der unehrliche Finder hat sich bislang nicht mehr gemeldet. Der 56-Jährige Ulmer hat noch im April Strafanzeige bei der Ulmer Polizei erstattet. Die ermittelt jetzt wegen der Fundunterschlagung.

“Unbedarfte Leser”, das ist doch mal eine schöne Umschreibung für die Mitarbeiter der “Bild”-Zeitung:

Mordfall Maria Bögerl: Rätsel um diese mysteriöse Anzeige

Mit Dank an Martin M.

Bei Ronald Schill ist wer im Busch

Wenn Sie mal schauen wollen: Hier sehen wir den Ex-Politiker Ronald Schill, wie er mit drei Personen durch Hamburg läuft, in der lokalen “Bild”-Ausgabe vom 28. September:

Schill feiert sich durch die Nacht

Dann aber muss jemand in der Redaktion die blonde Frau auf dem Foto wiedererkannt haben: Jessica Stockmann, Ex-Frau des Ex-Tennisspielers Michael Stich. Das ist natürlich eine sehr viel spannendere Geschichte, als wenn Schill “zwei Herren, eine Dame” trifft oder “zwei hübsche Frauen (eine blond, die andere brünett)” — und damit ein Fall für die Bundesausgabe und für Bild.de:

Was macht die Ex von Stich mit Richter Gnadenlos?

Diese Kombination wirft natürlich ganz neue Fragen auf:

 Reine Zufallsbegegnung? Ronald Barnabas Schill und Jessica Stockmann in Hamburg

Oder auch: Wie hat sich der Mann am rechten Bildrand innerhalb weniger Augenblicke in einen Busch verwandeln können?

Mit Dank an Carsten Z. und Thomas C.

Mauerschützenfest der Ahnungslosen

“Bild” traut dem Urteilsvermögen der eigenen Leser nur bedingt. Deswegen schrieb die Zeitung gestern beispielsweise schon mal über einen Artikel, was von dessen Inhalt zu halten sei:

Widerwärtig!

Dabei würde wohl sowieso kaum jemand gut finden, was “Bild” da beschreibt:

Ein Student der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe hat ein Computerspiel entwickelt – ausgerechnet zum Todesstreifen an der DDR-Grenze (872 Tote).

Unfassbar: Man kann dort als Grenzsoldat zu den Klängen der DDR-Nationalhymne Flüchtlinge erschießen! Und bekommt dafür auch noch Orden und Punkte!

Ein Computerspiel, in dem man auf Republikflüchtlinge schießt und dafür Punkte bekommt, das ist wirklich geschmacklos — dieser Eindruck musste zumindest bei Leuten entstehen, die sich nur in “Bild” über das Spiel “1378 (km)” informierten.

Widerwärtig! DDR-Todesstreifen als Ballerspiel

Bild.de findet das Spiel auch “widerwärtig”, hat aber immerhin ein paar zusätzliche Informationen zur Hand:

Die Grenzsoldaten sollen die Flüchtlinge stoppen – mit oder ohne Waffengewalt.

Wer zu viele Flüchtlinge abschießt, wird zuerst mit einem Orden ausgezeichnet, findet sich dann aber im Jahr 2000 auf der Anklagebank eines Mauerschützenprozesses wieder.

Das mit den Mauerschützenprozessen ist natürlich ein nicht ganz unwichtiges Detail, wie man auch erahnen kann, wenn Bild.de den Entwickler Jens M. Stober selbst zu Wort kommen lässt:

Über die virtuelle Verhaftung nach drei Abschüssen sagt Stober gegenüber BILD: “Da soll es beim Spieler Klick machen, dass er sich der geschichtlichen Besonderheit des Spiels bewusst wird.”

Stober ausführlicher zu dpa:

“In dem Spiel kann man sich selbst hinterfragen: Wie verhalte ich mich?”, erklärt Spielentwickler Stober. “Man kann zu dem Schluss kommen: Ich schieße nicht auf meine eigenen Landsleute.” Der 23- Jährige hat zahlreiche Denkanstöße in das Spiel eingebaut. Wahlloses Herumballern ist nicht vorgesehen. Entscheidet sich der Grenzsoldat zum tödlichen Schuss, wird er zwar vom DDR-Regime mit einem Orden ausgezeichnet, gleich darauf jedoch ins Jahr 2000 teleportiert: Dort wird ihm ein Mauerschützenprozess gemacht. Der Spieler ist zwischen 30 und 60 Sekunden aus dem Spiel genommen – und hat Zeit zum Nachdenken.

Selbst gespielt scheint der Bild.de-Reporter das Spiel übrigens nicht zu haben:

“1378 (km)” basiert auf einer Modifikation der Software des sogenannten Ego-Shooter-Spiels “Half-Life 2”, soll aber den Angaben nach kein typisches Ballerspiel sein.

Angeblich soll so auf neue Art und Weise das Interesse der jungen Generation “zur Auseinandersetzung mit der jüngsten deutschen Geschichte” geweckt werden, sagte Stober. “Über ein Computerspiel kann man Jugendliche besser erreichen.”

Damit ist der Reporter allerdings nicht allein: Auch der Direktor der Stiftung Berliner Mauer, Axel Klausmeier, die Politiker Markus Meckel (SPD), Norbert Geis (CSU) und Gesine Lötzsch (Die Linke), der Leiter der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, und ein ehemaliger DDR-Bürger, die sich bei dpa und “Spiegel Online” in höchster Erregung über das “Killerspiel” empören dürfen, haben das Spiel bisher nicht zu Gesicht bekommen (und würden das Angebot, sich selbst ein Bild zu machen, womöglich brüsk zurückweisen).

Um “zur Versachlichung der Diskussion beizutragen” hat die Staatliche Hochschule für Gestaltung Karlsruhe, an der Jens M. Stober das Spiel als Seminararbeit konzipiert hat, die für Sonntag geplante öffentliche Präsentation von “1378 (km)” bereits am Dienstag abgesagt, die Veröffentlichung des Spiels verschoben.

Mit Dank an Patrick, Hannes K., Oliver S., Manniac, Lars und Steven L.

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Und das ist auch keine freilaufende Frikandel!

“Bild” verriet am Mittwoch die “neuen Tricks” der Lebensmittelhersteller:

So wird bei Lebensmitteln geschummelt

Dazu gehört neben dem “Schwindel mit dem ‘Clean Label'” oder dem “Schwindel mit ‘Natur'” auch der “Schwindel mit Imitaten”. Bei denen handelt es sich streng genommen nicht um “neue Tricks”, aber man kann es ja noch mal aufschreiben.

Zum Beispiel so:

Gepresstes Fischeiweiß: Statt Surimi-Garnelen findet sich gepresstes Fischeiweiß aus nicht anders verwertbaren Fischen in der Packung. Weitere Zutaten: Geschmacksverstärker, Aromen, Farbstoffe.

Leider ist nicht überliefert, was “Bild” gehofft hatte, in “Surimi-Garnelen” zu finden, aber Surimi ist eigentlich ziemlich exakt das: gepresster Fisch — wenn auch nicht zwingend “nicht anders verwertbarer”.

Mit Dank an Gila M., Kai T., Joachim E., Maja I. Christian H. und Malte L.

Das Glashaus im Harz

In der beliebten Rubrik “Fehler finden bei Anderen” ist Bild.de mal wieder bei den Nachrichten der ARD fündig geworden:

Mini-TV-Panne bei den "Tagesthemen": Wo war denn beim Hartz-IV-Bericht das T?

Und weil die “Tagesthemen” in der Vergangenheit womöglich wichtigeres zu tun hatten, als über die entsprechenden “Mini-Pannen” in “Bild zu berichten, holen wir das kurz nach:

Wegen Harz IV – Jetzt zoffen sich Berlins Politiker

(“Bild”, 26. Juli 2004)

Richard Schröder: “Die PDS hat sich gegen Harz IV festgelegt und will sogar eine Bundesratsinitiative starten, wenn sie in Regierungsverantwortung kommt – da ist keinerlei Konsens mit Matthias Platzeck, der ja Hartz IV zu recht verteidigt, drin. (…) “

(“Bild”, 23. September 2004)

Edyta F(…) (25) und Tochter Sara (3) aus Kreuzberg: “Ich bekomme Harz IV und hole gerade mein Abitur nach, will Gerichtsmedizinerin werden. (…)”

(“Bild”, 1. Juni 2005)

Wirtschaftsinformatiker Stefan M(…) (25) wurde vor einer Woche mit seinem Studium fertig. “Wollte nur Harz IV beantragen. Als Student habe ich 500 Euro Bafög bekommen. Jetzt wird es wohl auch nicht mehr”

(“Bild”, 2. Juni 2005)

Im sonnigen Florida lebt Gregor P. (59) aus Hannover von unserem Geld. Er kassiert Harz IV plus Wohngeld.

(“Bild”, 28. März 2006)

Die Kosten für Unterkunft und Heizung bei Harz-IV-Empfängern belasten die Kommunen in Brandenburg.

(“Bild”, 11. Dezember 2006)

Doch der Harz-IV-Empfänger verschaffte sich noch am selben Tag um 20.30 Uhr Zutritt zu ihrer Wohnung.

(“Bild”, 22. März 2007)

Er verlor den Job als Fleischer, den Führerschein. Alkohol am Steuer. Er wollte seinen Schmerz betäuben. Heute lebt er von Harz IV.

(“Bild”, 20. September 2007)

Franz Josef Jung: Er wird Minister für Arbeit und Soziales, Harz IV und Hoffnung

(Bild.de, 25. Oktober 2009)

Mit Dank an Diamandis V., Tobias T. und besonders an Thomas H.

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Draufhauen und Zähneklappern

Seit gestern erscheint in “Bild” der Vorabdruck eines Buchs über den Fußballer Robert Enke, der unter Depressionen litt und sich im vergangenen November das Leben genommen hat. Anlass genug für Franz Josef Wagner, Enkes Witwe Teresa am Montag mit einem Brief zu behelligen:

Liebe Teresa Enke, es ist erst ein Jahr her – und ich erinnere mich, dass wir uns alle gelobten, offener mit unseren Versagungsängsten umzugehen. (...) Es ist ein Jahr her. Was ist geschehen seitdem? Nichts ist geschehen. Die Bundesliga tobt. Es hat sich auch in unserer Gesellschaft nichts geändert.

Wagner schließt mit einer Feststellung, von der man nicht ganz genau weiß, ob sie resigniert oder vorwurfsvoll sein soll:

Klose schießt kein Tor, Gomez auf der Ersatzbank. Wir hauen auf sie drauf und bejubeln sie.

Dieses “wir”, das Wagner da verwendet, ist diesmal keine seiner üblichen Anmaßungen im Sinne von “alle, die meiner Meinung sind”, “wir Deutschen” oder “wir Menschen” — Wagner spricht von der Zeitung, für die er arbeitet.

Denn 16 Seiten hinter seinem Brief wurde auch gestern ordentlich draufgehauen:

BILD gibt

Allerdings war “Bild” sowieso schon im Januar wieder zu alter Form aufgelaufen.

Die Ironie hielt sich für Leser der Printausgabe allerdings in Grenzen: Wagners Schlusssatz mit dem “wir” fehlt in der gedruckten “Bild”.

Mit Dank an Benjamin K.

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Rekordpferdächtig

Es gibt ja die verrücktesten Wettläufe: Zwischen Hase und Igel, zum Südpol, ins All.

Gestern kam es in Leipzig zu einem Rennen zwischen einem Pferd und einem Porsche, die bei einer Aktion der MDR-Jugendwelle Jump gegeneinander (im Sinne von “nacheinander”) antraten. Der Sportwagen war ein bisschen schneller, aber auch das Pferd erreichte noch eine erstaunliche Geschwindigkeit.

So berichtet es zumindest “Bild” heute:

Aus Sicherheitsgründen absolvierten Pferd und Porsche nacheinander den 6,1-Kilometer-Parcours. Miriam, die als Erste ran durfte, nach dem Rennen: “Bis auf die Kurve, die wir nicht ganz hingekriegt haben, war das eine super Leistung!”

Mit einer Zeit von 36,88 Sekunden war sie dennoch nicht schnell genug, um “Porsche-Rocky” zu schlagen: Kollege Bleifuß raste nach 35,48 Sekunden über die Ziellinie. “Dabei hab’ ich einige Fehler gemacht. Ich hätte noch schneller sein können…”

36,88 Sekunden auf 6,1 Kilometern sind rund 595 km/h. Der Porsche erreichte gar einen Durchschnittswert von 619 km/h, was bedeutend schneller ist als ein Düsenjäger beim Start und etwa halber Schallgeschwindigkeit entspricht. Und das auf unebenem Gelände!

Und diese Sensationsmeldung steht nur klein in der Leipziger Regionalausgabe von “Bild”?! Ja.

Die Zeiten stimmen zwar, aber die Wegstrecke, die “Chici Mici” und Porsche Cayenne in der Zeit zurückgelegt haben, ist etwas kürzer: Von der 6,1 km langen Offroad-Strecke habe man “nur rund 500 m” genutzt, teilte uns der MDR auf Anfrage mit. Die Durchschnittswerte liegen damit bei rund 50 km/h.

Mit Dank an René, Andreas Sch., kmr, André B. und Ronny K.

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