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“Bild”-Unschuldslämmer fragen: Woher kommt die Wut auf den Wolf?

Bei Bild.de berichteten sie am Montag über die steigende Zahl erschossener Wölfe:

Screenshot Bild.de - Selbstjustiz! Unbekannte töten immer mehr Wölfe - Sie schießen sogar Welpen - Todesschützen drohen fünf Jahre Haft

Im vergangenen Jahr (2018) wurden in Deutschland so viele Wölfe illegal getötet, wie noch nie seit ihrer Rückkehr in diesem Jahrtausend! Neun getötete Tiere, darunter drei Welpen, wurden laut Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf gefunden. Ein Plus von mehr als 55 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Und auch 2019 sei schon ein Jungwolf illegal erschossen worden. Bild.de fragt:

Screenshot Bild.de - Woher kommt die tödliche Wut?

Ja, woher kommt so etwas Emotionales wie “die tödliche Wut”? Vielleicht kommt sie nicht nur, aber auch durch emotionalisierende Berichterstattung. Zum Beispiel wenn man den Menschen Angst macht vor zähnefletschenden “Wolfshybriden”:

Screenshot Bild.de - Raubtiere wieder in Deutschland heimisch - Wie groß ist die Gefahr durch Wolfshybriden?

Oder wenn man weinende achtjährige Mädchen für seine Kampagne instrumentalisiert:

Screenshot Bild.de - Jette (8) weint um ihre Lieblinge - Der böse Wolf hat meine Schafe gefressen
(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag durch uns.)

Oder wenn man den Menschen eintrichtert, dass sie sich nach ihrer “Sorge um den Diesel-Motor” jetzt mal vor dem Wolf fürchten sollten:

Screenshot Bild.de - Kommentar - Der Wolf ist der neue Diesel

Bis zu 1000 Wölfe streifen durch heimische Wälder. Nach der Sorge um den Diesel-Motor wächst verständlicherweise deshalb vor allem auf dem Land die Angst vor dem Wolf.

Oder wenn man das weinende achtjährige Mädchen dann noch mal instrumentalisiert:

Screenshot Bild.de - Sicherheit - Entscheide die Angst vor dem Wolf die nächsten Wahlen?

Oder wenn man ins Spiel bringt, dass ja bald auch Menschen dran sein könnten:

Screenshot Bild.de - Angst in Brandenburger Seniorenheim - Wolf reißt drei Therapie-Schafe - Pflegeheim-Chef: Kann ich sicher sein, dass der Wolf noch zwischen einem Bewohner im Rollstuhl und einem Stück Wild unterscheidet?

Oder, noch besser, weil noch emotionaler: Dass ja bald auch Kinder dran sein könnten:

Ausriss Bild Politik - Wölfe - Es muss wohl erst ein Kind sterben
(Ausriss aus “Bild Politik”)

Oder wenn man berichtet, dass es ja schon den ersten Wolfsangriff auf einen Menschen gab:

Ausriss Bild-Zeitung - Wolf beißt Arbeiter auf Friedhof

… und dann gar nicht mehr berichtet, wenn sich später herausstellt, dass es gar kein Wolf war.

Oder wenn man, wie die “Bild”-Medien, seit Jahren alles dafür tut, dass die Leserschaft nicht auf Grundlage von Fakten über die Gefahr, die von Wölfen ausgeht, informiert wird, sondern dass bei ihr nur eines hängenbleibt: Angst.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Geld machen mit den “dramatischen Bildern einer Rettung”

Zwei 14-jährige Jungen sind am Sonntag auf ein Dach einer S-Bahn-Haltestelle in Neuss geklettert und haben dabei einen Stromschlag erlitten. Der eine wurde dabei leicht verletzt und konnte aus eigener Kraft vom Dach wieder runterklettern, der andere blieb liegen.

Die “Bild”-Zeitung berichtet heute in der Düsseldorf-Ausgabe über den Vorfall (Überschrift: “SCHEISS LEICHTSINN”). Bei Bild.de erschien bereits gestern am späten Abend ein Artikel dazu:

Screenshot Bild.de - Dramatische Bilder einer Rettung in Neuss - Junge (14) erleidet 15000-Volt-Stromschlag - dazu ein Foto, auf dem Sanitäter und Feuerwehrleute zu sehen sind, die um den auf einer Trage liegenden Jungen stehen
(Unkenntlichmachung durch uns.)

Der Beitrag befinden sich, man sieht es an dem “Bild plus”-Logo, hinter der Bezahlschranke — lesen kann ihn nur, wer ein Abo hat. Wer keins hat, sieht lediglich diese zwei Absätze:

Das Foto zeigt einen Jungen, der flach auf dem Dach des Bahnsteigs einer S-Bahn-Haltestelle in Neuss liegt. Der 14-Jährige hat gerade einen Stromschlag erlitten. Doch die herbeigeeilten Helfer können nicht sofort an ihn heran …

Der Junge und sein Kumpel hatten sich am Sonntagnachmittag in akute Lebensgefahr gebracht. Sehen Sie mit BILDplus die dramatischen Bilder der Rettung.

Na, wollen Sie mal sehen, wie ein 14-Jähriger gerade so noch überlebt und gerettet wird? Da haben wir was für Sie! Bei Bild.de wissen sie, wie man an die Portemonnaies von geifernden Gaffern kommt. Denen bietet die Redaktion dann drei Fotos, die mit diesen Bildunterschriften versehen sind:

Nach dem Stromschlag bleibt der Junge  (14) flach auf dem Dach des Bahnsteigs liegen

Endlich können die Retter zu dem Jungen, er ist sogar ansprechbar

Das schwer verletzte Opfer wird vom Dach geholt

Beide Jungen wurden ins Krankenhaus gebracht, sie sollen sich nicht in Lebensgefahr befinden.

Mit Dank an Janine B. und @unalternativ für die Hinweise!

No No Never

Vergangenen Freitag wurde im Ersten “Unser Lied für Israel” gesucht und gefunden: Das Frauen-Duo S!sters wird Deutschland mit dem Song “Sister” beim Eurovision Song Contest im Mai in Tel Aviv vertreten.

Bei Bild.de sind sie skeptisch:

Screenshot Bild.de - Sisters singen im ESC-Finale für Deutschland - Hat dieser Song eine Chance in Israel?

Auf der Suche nach Argumenten für einen potentiellen Erfolg hat die Redaktion verschiedene Indizien zusammengetragen. Darunter:

ESC-Experte Irving Wolther (promovierte über den Schlager-Contest) kann sich durchaus vorstellen, dass es die S!sters in Isarel (sic) in die Endrunde schaffen. “Wir kennen erst ein gutes Dutzend Beiträge in dem Feld, das sich bisher qualifiziert hat. Da stehen wir gar nicht so schlecht da”, sagt er gegenüber DPA.

Wir können uns sogar alle absolut sicher sein, dass es das Duo “in die Endrunde schaffen” wird: Als einer der fünf größten Geldgeber bei der European Broadcasting Union (EBU) ist Deutschland seit Einführung der Halbfinale beim ESC immer automatisch für die große Finalsendung am Samstagabend qualifiziert. Irving Wolther weiß das, bei der dpa steht nichts zum Thema Halbfinalchancen — den Fehler hat sich Bild.de offenbar ganz alleine gebastelt.

Mit Dank an Tobias R. für den Hinweis!

Bild.de berichtet über positiven HIV-Test eines Pornodarstellers

Ein spanischer Pornodarsteller soll positiv auf HIV getestet worden sein, was in der Branche, in der der Mann tätig ist, natürlich für größere Unruhe sorgt. Von einem spanischen Onlineportal auf das angebliche Testergebnis angesprochen, sagte er:

“Ich weiß nicht woher ihr die Info habt, aber sie ist geschmacklos. Ich werde dazu nichts sagen, danke.”

Dieses Zitat bringt auch Bild.de heute in einem Artikel. Und dazu den Künstlernamen des Mannes sowie Fotos, die ihn unverpixelt zeigen. Eines davon aktuell auch auf der Startseite:

Screenshot Bild.de - Darsteller HIV-positiv getestet - Europaweiter Produktionsstopp von Sex-Filmen
(Die Unkenntlichmachung der Gesichter durch uns, die der Brüste durch Bild.de)

Ein positiver HIV-Test ist Privatsache, auch bei Pornodarstellern. Sicher müssen in einem solchen Fall Maßnahmen ergriffen werden, aber dazu gehören keine Berichte auf Boulevardstartseiten. Es ist auch nicht so, dass nun Pornodarstellerinnen gewarnt oder frühere Drehpartnerinnen aufgeklärt werden müssten — das ist bereits passiert. Die spanischen Behörden sollen Bescheid wissen und das übliche Prozedere in Gang gesetzt haben: alle Sexualpartnerinnen aus der jüngsten Zeit informieren und ihnen Termine für HIV-Tests vermitteln.

Eins, zwei, Polizei

Vergangene Woche legte der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) dem Innenausschuss des Landtags in Düsseldorf einen Bericht vor. Darin enthalten: Jede Menge Statistiken zum Tagesordnungspunkt “Kriminalitätsentwicklungen im Hambacher Forst”. In dem Rest-Wald am rheinischen Braunkohle-Revier gehe es wild zu, so der Innenminister.

Allein im Zeitraum vom 03.10.2018 bis zum 28.01.2019 führte [die Polizei] über 1.500 Einsätze im Hambacher Forst sowie in den daran angrenzenden Ortschaften durch.

… heißt es in dem Bericht etwa. Und weiter:

Für den Auswertezeitraum 01.01.2015 bis 31.12.2018 wurden im Kriminalpolizeilichen Meldedienst – Politisch motivierte Kriminalität mit Bezug zum Hambacher Forst insgesamt 1.674 Straftaten erfasst.

Diese Zahlen sind natürlich beeindruckend und beunruhigend. Entsprechend machten sie auch die mediale Runde.

Nur: Diese Zahlen sind auch mindestens irreführend. Anett Selle ist Reuls Bericht für die “taz” durchgegangen und hat dabei festgestellt: Zu “polizeilichen Einsätzen für diese außergewöhnliche Lage” zählt der Innenminister etwa auch normale Streifenfahrten und Verkehrsunfälle. Selle kommt auf 56 bis 79 Einsätze (wohlgemerkt: 56 bis 79 von 1500), die in einem direkten Zusammenhang mit der Besetzung des Hambacher Forsts stehen.

Und weiter:

Bei den “1.674 Straftaten” zwischen 2015 und 2018 ist es nicht viel besser. Zunächst zeigt die Tabelle keine Straftaten, wie Reul wörtlich behauptet, sondern den Verdacht auf Straftaten. Die Tabelle zeigt, wie viel und was in vier Jahren angezeigt wurde — aber eine Anzeige macht noch keine Straftat. Auch, dass von 1.674 Strafanzeigen in vier Jahren mehr als ein Drittel wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz erfolgten, und davon 90 Prozent im Jahr 2015, kann nicht als Beleg für die von Reul behauptete zunehmende Kriminalität dienen.

Die Gleichsetzung von Strafanzeigen und Straftaten ist unter Innenpolitikern recht beliebt und wird von Journalistinnen und Journalisten oft (wahlweise wissentlich oder unwissentlich) übernommen.

Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) schrieb zwar von “1700 Strafverfahren wegen politisch motivierter Taten” und schränkte ein:

Wie viele Täter dann später tatsächlich verurteilt wurden, ist unklar.

Die Statistiken in dem Bericht hatte sich dort aber offenbar niemand genauer angeschaut:

Allein von Oktober 2018 bis Ende Januar 2019 gab es dem Bericht zufolge 1500 Polizeieinsätze im Hambacher Forst und den angrenzenden Ortschaften.

Die Online-Redaktion der “Welt” übernahm von der dpa eine gewisse Skepsis, titelte aber auch:

Screenshot Welt.de - Brandsätze und Zwillenbeschuss - 1500 Polizeieinsätze im Hambacher Forst seit Oktober 2018

In einer späteren Fassung arbeitete die dpa die Unterschiede zwischen Strafverfahren und Verurteilungen deutlicher heraus, ließ Kritiker zu Wort kommen und verbreitete die Zahl von 1500 Polizeieinsätzen nicht mehr, wie Nachrichtenchef Froben Homburger auf Twitter dokumentierte.

Bild.de titelt indes immer noch fröhlich:

Screenshot Bild.de - Innerhalb von drei Jahren - 1700 Straftaten im Hambacher Forst

Mit Dank an @roxar90 für den Hinweis!

The “Bild” is dark and full of errors

Milde “Game of Thrones”-Spoilerwarnung: Eigentlich wird nichts verraten, was man sich nicht schon denken könnte, wer aber absolut gar nichts über die neue Staffel wissen will, sollte lieber hier weiterlesen.

Eine Fan-Seite will nämlich herausgefunden haben, dass in der achten Staffel die Charaktere Tormund Giantsbane und Beric Dondarrion wieder dabei sein werden. Tormund und Beric — wer waren die noch mal, Bild.de?

Screenshot Bild.de

Tormund Giantsbane (Kristofer Hivju, 40) ist der wilde Anführer von dem fiktiven Kontinent Westeros

Äh … nee. Anführer von Westeros ist, wenn überhaupt, der König/die Königin auf dem “Eisernen Thron”, damit hat Tormund aber überhaupt nichts zu tun. Er kommt ursprünglich vom “Freien Volk”, und selbst bei denen war er nicht der Anführer, sondern ein Vertrauter des Anführers.

Und Beric?

Screenshot Bild.de

Beric ist das Oberhaupt des Hauses Dondarrion und genießt noch immer das Leben eines Ritters

Diesen Satz hat Bild.de aus dem “Game of Thrones”-Fan-Wiki geklaut, aber auch der ist nicht ganz richtig, denn Beric “genießt” nicht “das Leben eines Ritters”, sondern haust mit seinen Kumpels in irgendwelchen Höhlen und verlassenen Häusern, betet einen mysteriösen Gott an und stirbt hin und wieder. Nicht gerade Fünf-Sterne-Ritter-Deluxe.

Und was ist mit den beiden passiert?

Beide waren zuletzt in der siebten Staffel zu sehen, als die Mauer vom Nachtkönig Daenerys zerstört wurde.

Uff. Okay. Also. Daenerys ist nicht der Nachtkönig und hat auch nicht die Mauer zerstört. Daenerys ist eine Frau und die Gegnerin des Nachtkönigs, sie wollte die Mauer nicht zerstören, sondern vor dem Nachtkönig beschützen.

Viel mehr kann man eigentlich nicht falsch machen, Bild.de hat es trotzdem geschafft:

Laut der Besetzungs-Liste der achten Staffel sollen auch Edmure Tully (gespielt von Tobias Menzies, 44) und Robin Arryn (gespielt von Lino Facioli, 18) aus der letzten Staffel wiederkehren.

Die beiden waren in der vergangenen Staffel gar nicht dabei, sondern zuletzt in der sechsten.

[Der Sender] HBO habe die Idee, drei Kinofilme nach dem Vorbild der “Herr der Ringe”-Reihe zu drehen, zwar abgelehnt, aber das Budget für die Staffel verdreifacht. Die einzelnen Episoden kosteten demnach 15 Millionen Dollar — und sind mit jeweils 60 Minuten auch entsprechend lang.

Das Budget wurde nicht verdreifacht. Die Episoden der neuen Staffel sollen zwar tatsächlich 15 Millionen Dollar kosten, bei den letzten beiden Staffeln kosteten sie aber auch schon 10 Millionen.

Freuen dürfen sich die Fans aber nicht nur auf bekannte Gesichter, sondern auch auf die erste Folge der neuen Staffel in Extra-Länge. Laut der Fan-Seite soll Episode 1 rund 60 Minuten lang sein.

Die Episoden der anderen Staffeln dauerten im Schnitt auch schon 55 Minuten, die letzten beiden Folgen von Staffel 7 sogar 70 und 80 Minuten.

Die achte (und letzte) Staffel von “Game of Thrones” wird ab April 2019 im US-Fernsehen zu sehen sein.

Immerhin das haben sie richtig hinbekommen. Gut zwei Monate noch bis zur nächsten Staffel. Vielleicht schaffen es die Experten von Bild.de bis dahin ja auch, sich wenigstens mal anzugucken, worüber sie da schreiben.

Mit Dank an @FlDieckmann für den Hinweis!

Nachtrag, 21. Februar: Der Artikel wurde jetzt komplett überarbeitet und am Ende mit einem Hinweis versehen:

In einer früheren Version des Artikels wurden u.a. die Seriencharaktere der Schauspieler Kristofer Hivju und Richard Dormer fehlerhaft beschrieben. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.

Mit Fehlern kennt Bild.de sich aus

Am kommenden Sonntag werden in Los Angeles die Oscars verliehen, und bei Bild.de sind sie schon ganz aufgeregt:

Was nur wenige wissen: Die Gewinner stehen bereits fest!

“Nur wenige” — also all jene, die die Oscar-Vorberichterstattung von Bild.de in den Jahren 2018, 2014 und 2013 gelesen haben, in der jeweils stand, dass zwei bis drei Mitarbeiter der Prüfgesellschaft PricewaterhouseCoopers schon vorab die Gewinner kennen.

Die hatten auch Schuld an “DEM Oscar-Faux­pas im Jahr 2017”:

Damals händigten Brian Cullinan (59) und Martha Ruiz (46) einen falschen Umschlag aus und die Laudatoren Faye Dunaway und Warren Beatty verkündeten das erste Mal in der Oscar-Geschichte den falschen Gewinner. Und das auch noch in der Königs-Kategorie Bester Film! Für 23 Sekunden war damals “La La Land” der Film des Jahres. Obwohl die Juroren für “Moonlight” gestimmt hatten.

Das stimmt so nicht: Schon 1964 hatte der Sänger Sammy Davis Jr. einen falschen Gewinner verkündet. Als er den Preisträger der Kategorie “Beste adaptierte Musik” nennen sollte, nannte er John Addison für “Tom Jones”, obwohl der in dieser Kategorie gar nicht nominiert war — sondern in der folgenden, “Beste Original-Musik”. Schuld war auch damals ein verwechselter Umschlag:

Und auch die Behauptung von Bild.de, “La La Land” sei “für 23 Sekunden” der Film des Jahres gewesen, ist falsch. Es waren quälende 2 Minuten und 23 Sekunden (im Video von Minute 1:54 bis 4:17), bis klar war, dass “Moonlight” ausgezeichnet werden sollte:

Nachtrag, 21. Februar: Bild.de hat den Absatz unauffällig bereinigt:

Damals händigten Brian Cullinan (59) und Martha Ruiz (46) einen falschen Umschlag aus und die Laudatoren Faye Dunaway und Warren Beatty verkündeten den falschen Gewinner. Und das auch noch in der Königs-Kategorie Bester Film! Und so wurde „La La Land“ als Film des Jahres gekürt – obwohl die Juroren für „Moonlight“ gestimmt hatten.

Jetzt liest es sich halt so, als sei der Fehler damals gar nicht aufgefallen und nicht korrigiert worden …

Die differenzierte Abschiebe-Debatte in “Bild” – wenn es um Deutsche geht

Bei kaum einem Thema ist die “Bild”-Redaktion so leidenschaftlich wie bei der Abschiebung von Gefährdern, Terrorverdächtigen und Terroristen aus Deutschland in deren jeweilige Herkunftsländer. Wobei, genauer: Vor allem bei Problemen bei diesen Abschiebungen wird sie richtig energisch.

Ausriss Bild-Titelseite - Warum darf so einer bleiben? Schiebt den Bin-Laden-Leibwächter jetzt endlich ab
(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag durch uns.)

… allerdings, das nur am Rande, ist nie endgültig bewiesen worden, dass Sami A. tatsächlich Leibwächter von Osama bin Laden war.

Oder bei diesen Fällen:

Ausriss Bild-Titelseite - Nach Bin Ladens Leibwächter der nächste Abschiebe-Skandal um einen Terroristen - Und wir werden sie einfach nicht los

Screenshot Bild.de - Neuer Abschiebe-Skandal - Auch dieser Gefährder genießt Schutzstatus

Ihn haben die Behörden als Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung eingestuft — und dennoch darf er bei uns bleiben. Ein neuer Abschiebe-Skandal, der wütend macht! (…)

Der Vorwurf gegen ihn: Er soll ISIS-Mitglied sein.

Screenshot Bild.de - Obwohl sie ausreisepflichtig sind - NRW kann 16 Dschihadisten nicht abschieben
Ausriss Bild-Zeitung - Und diese Gefährder sind immer noch hier!

Es müssen aber gar nicht unbedingt Gefährder oder (mögliche) Terroristen sein — es reichen kriminelle Ausländer. Klappen deren Abschiebungen aus Deutschland nicht, wird die “Bild”-Redaktion sogar zur Aktivisten-Truppe:

Screenshot Bild.de - Unterschreiben sie hier die Bild-Petition - Merkel soll Abschiebung zur Chefsache machen! Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, erklären Sie Abschiebungen von ausreisepflichtigen Kriminellen jetzt zur Chefsache

Eines der wichtigsten Probleme sind die Abschiebungen von ausreisepflichtigen Kriminellen. Das Problem: Jedes Bundesland handhabt die Abschiebung unterschiedlich – während einige Länder die Lage im Griff haben, scheinen andere überfordert.

Deshalb fordert BILD: Das muss Chefsache im Kanzleramt werden!

Wenn Sie das auch wollen: Schreiben Sie eine E-Mail an BILD ([email protected]) mit Ihrem Namen und Ihrer Adresse.

BILD wird Ihre Botschaften im Kanzleramt überreichen. Und Druck machen.

… was ja übersetzt so viel heißt wie: Schiebt die endlich ab!

Wenn dieses Vorhaben dann an den Herkunftsländern scheitert, weil diese nicht wollen oder die Vorgänge verzögern, sind sie bei “Bild” genervt, beleidigt oder sauer:

Screenshot Bild.de - Innere Unsicherheit - Kein Pass, keine Abschiebung

Bis zu 1000 deutsche Bundeswehr-Soldaten sind in Mali stationiert.

Sie helfen wie selbstverständlich, das afrikanische Land zu sichern. Will Deutschland aber Asylbewerber in ihre malinesische Heimat abschieben, stellt sich das Land quer, dauert eine Abschiebung Monate!

(Nur nebenbei: Es heißt “malische Heimat”.)

Ein anderer Fall:

Ausriss Bild-Zeitung - Der Asylantrag von Mortaza D. wurde bereits 2010 abgelehnt - Afghanistan schickt Verbrecher zurück nach Deutshcland

Einmal Kabul — und zurück!

Afghanistan hat einen Straftäter, der aus Deutschland abgeschoben wurde, wieder zurückgeschickt.

Screenshot Bild.de - Kommentar - Afghanistan und Abschiebungen

Es mag eine Ausnahme sein, dass Afghanistan einen Verbrecher nach Deutschland zurückschickt, der schon nach Kabul abgeschoben worden ist.

Keine Ausnahme ist, dass sich das Land am Hindukusch regelmäßig bei Abschiebungen querstellt.

Nun sitzen derzeit in Nord-Syrien und im Irak mehrere Dutzend Deutsche, die sich einst dem sogenannten “Islamischen Staat” angeschlossen haben, in Gefängnissen. Und bei Bild.de ist es plötzlich nicht mehr so glasklar, dass ein Herkunftsland Terroristen oder Terrorverdächtige oder Gefährder oder kriminelle Ausländer zurücknehmen muss. Stattdessen soll erstmal diskutiert werden:

Screenshot Bild.de - Zurückholen oder dort lassen? Was tun mit deutschen ISIS-Mitgliedern?

Die “Bild”-Leserinnen und -Leser, die bei Facebook jede abgebrochene Abschiebung aus Deutschland mit “Raus mit denen” oder “Ab in den nächsten Flieger” kommentieren, sehen die Sache auf einmal auch etwas anders: Die Umfrage am Ende des Bild.de-Artikels “Sollen wir die deutschen ISIS-Mitglieder zurückholen?” beantworten über 70 Prozent mit: “Nein, sie dürften unter keinen Umständen zurück”.

“Not open for any stories in your piece of shit paper”

Die “New York Times” berichtete vor eineinhalb Wochen über ein “Obscure German Soccer Team”, das es zum “Brooklyn Cult” geschafft hat. Dass sich in einer Kneipe neben der Williamsburg Bridge, der East River Bar, seit Jahren Fußballfans zum gemeinsamen Gucken treffen, sei vor allem ein “Anti-Fascist Thing”, steht in der Überschrift. In dem Artikel geht es um den FC St. Pauli und seine New Yorker Anhänger, die East River Pirates.

Bild.de fand die Geschichte wohl ganz gut und wollte auch über den Fanklub berichten. Aber der wollte nicht. Und machte das “Bild”-Autor Herbert Bauernebel in einer Antwort auf dessen Anfrage mit ziemlich deutlichen Worten klar:

Screenshot einer Mail der East River Pirates an Bild-Autor Bauernebel - Hi Herbert, Thank you for your email. You are more than welcome to join us privately for the game, but our fan club is not open for any stories in your piece of shit paper. No interviews, no photos, no videos for Bild - YNWA

“YNWA”, You’ll Never Walk Alone, dachte sich offenbar auch Bauernebel, schnappte sich einen Fotografen und suchte am Samstag die East River Bar auf, während das Spiel zwischen dem FC St. Pauli und Erzgebirge Aue gezeigt wurde. Der “Bild”-Reporter führte Interviews, der Fotograf fotografierte — bis die East River Pirates es mitbekommen haben. Dann kam es laut Statement des Fanklubs zu einem hitzigen Streit:

Screenshot eines Facbook Posts der East River PiratesBild.de - STATEMENT As we found out today BILD has posted an article about our fan club today against our will. After the NYTimes published a nice story last week with our consent, BILD in classic copycat manner tried to jump on it. The U.S correspondent for BILD, Mr Herbert Bauernebel, contacted us by email beforehand, but we clearly told him that we would not be open for any interviews, photos or videos. Guess what, he went over our heads and behind our backs and showed up with a photographer at the bar Saturday night anyway. He got the permission from the owner of the bar, who didn’t know who or what BILD was at the time. When they came and started interviewing guests and took photos, we told them again to stop as we were not ok with it. It came to a heated argument or even shouting match and eventually they left the bar mid second halftime. Again the story in BILD online was published against our will and without our consent. We don’t want to be associated to what we feel is a right-wing, populist fucked up newspaper. The East River Pirates

Bild.de brachte die Geschichte gestern, allerdings ohne Hinweis zu all dem Trubel. Im Gegenteil: Man sei “zu Gast bei den St. Pauli-Fans aus der Brooklyn-Bar” gewesen:

Screenshot Bild.de - Rudelgucken in New York - Zu Gast bei den St. Pauli-Fans aus der Brooklyn-Bar

Die Info aus dem Statement der East River Pirates, dass Herbert Bauernebel und der Fotograf die Bar während der zweiten Halbzeit verlassen haben sollen, ist übrigens ganz interessant. Am Ende des Bild.de-Artikels steht:

Der FC St. Pauli hat unterdessen die frühe Führung vergeigt und geht beim Abpfiff als Verlierer mit 1:2 vom Platz. Ein paar enttäuschte Gesichter gibt es schon, aber dann geht der Barbetrieb gleich heiter weiter. Das Sportliche ist dann doch eher nebensächlich …

Woher der Autor das bloß weiß, wenn er die East River Bar früher verlassen haben sollte?

Mit Dank an Niclas P. für den Hinweis!

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