Fiese Freibiermentalität gefährdet nach Ansicht der Axel Springer AG einfach “jedes qualitativ anspruchsvolle Angebot im Netz”. “Abendblatt”-Vizechefredakteur Matthias Iken sang seinen Lesern Mitte Dezember das Klagelied vom bösen Kostenlosjournalismus vor. “Wer Qualitätsjournalismus zum Nulltarif will, will keinen Qualitätsjournalismus”, beschimpfte er das Publikum (und gab diese Woche ein herrliches Beispiel, wie bezahlter Qualitätsjournalismus auf abendblatt.de aussehen kann).
Wie dramatisch muss man sich dann erst die Lage beim (noch) kostenlosen Bild.de vorstellen?
Bei der völlig übertriebenen Panikmache von “Bild” vor einem angeblich drohenden Schneechaos am Wochenende darf online ein Rückblick auf die Schneekatastrophe zum Jahreswechsel 1978/1979 nicht fehlen. Wo könnte man recherchieren? In einem Geschichtsbuch? In historischen Artikeln aus dem Redaktionsarchiv? Bei Meteorologen oder Zeitzeugen?
Doch warum einen solchen Aufwand für den Artikel betreiben? Das Volk will nicht für Inhalte bezahlen, also will es auch keinen Qualitätsjournalismus. Und zum Glück kann man sich ja bei anderer Leute Freibier bedienen. Also schnell zu Wikipedia.
Mit Dank an Jens.
Nachtrag, 18.30 Uhr.
Auch abendblatt.de erinnert an die Schneekatastrophe zum Jahreswechsel 1978/1979 — in den Genuss der handverlesenen Premium-Information kommen allerdings nur zahlende Leser. 7,95 Euro pro Monat kostet der Übertritt vom kostenlosen Journalismus-Jammertal in den Hamburger Qualitätshimmel.
Wer hinter der Bezahlschranke ein exklusives Hintergrundstück zum Schneechaos erwartet wird jedoch enttäuscht — auch die “Abendblatt”-Redakteure haben sich einfach großräumig in der “Wikipedia” bedient. Doch wenigstens geben die im Gegensatz zur hauseigenen Kostenlos-Konkurrenz offen zu, woher die Ware stammt, und nennen als Quelle “wikipedia”. Womöglich ist das der Qualitätsgewinn, den man als zahlender Kunde bei Springer bekommt.
Nachtrag, 21.30 Uhr.
Inzwischen hat die Redaktion von “abendblatt.de” den Artikel über die Schneekatastrophe 1978/1979, der in wesentlichen Teilen auf einem Wikipedia-Eintrag basierte, kommentarlos aus dem kostenpflichtigen Bereich gelöscht. Die Redaktion von “Bild.de” hat ihren Artikel währenddessen um einen Hinweis ergänzt (“Ein Rückblick auf den Horror-Winter vor 30 Jahren, wie er in Wikipedia („Schneekatastrophe in Norddeutschland“) und in den Artikeln von damals nachzulesen ist”).