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Das gibt’s nur drei Mal (2)

Die meisten Menschen außerhalb Bremens (und womöglich gar viele Bremer selbst) haben es vielleicht nicht mitbekommen, aber heute wurde in Bremen eine neue Bürgerschaft gewählt.

Für die CDU kein schöner Tag, wie auch Bild.de zusammenfasst:

Bei allen Landtagswahlen in den vergangenen 60 Jahren kam die CDU immer auf den ersten oder zweiten Platz.

Jetzt sind die Christdemokraten erstmals nur noch dritte Kraft!

Nochmal zum Mitschreiben: Bei den Landtagswahlen in Brandenburg 2004 und 2009 ist die CDU jeweils nur drittstärkste Kraft (hinter SPD und Linke) geworden.

Mit Dank an Jonas I.

Wie dränge ich ein Land aus der Eurozone?

Nachdem BILDblog vor einem Jahr aufgezeigt hatte, wie man erfolgreich gegen ein Land aufhetzt, ist es nun Zeit für die Königsdisziplin: Der ultimative Leitfaden für das Herausdrängen eines Landes aus der Eurozone — veranschaulicht anhand einiger ausgesuchter Artikel von “Bild” und Bild.de aus den vergangenen vier Wochen:

1. Stellen Sie rhetorische Fragen, die entweder nicht zu beantworten sind oder deren Antworten eigentlich schon klar sind. Wichtig: Bereits die Fragestellung muss eine Provokation beinhalten.

Etwa so:

EU zögert mit finanzieller Hilfe: Muss Griechenland die Akropolis verkaufen?

Oder fragen Sie:

EIN JAHR NACH DER STAATSPLEITE Haben die Griechen die Kurve gegriecht?

Sorgen Sie außerdem mit Fragen wie “Was machen die anderen Euro-Versager?” dafür, dass klar ist, dass Sie Griechen für Versager halten, auch wenn Sie es nicht konkret ansprechen.

Oder fragen Sie:

Nach Berichten über Ausstiegs-Pläne: Macht Griechenland den Euro kaputt?

2. Damit sind wir auch schon beim zweiten Punkt: Verwenden Sie möglichst symbolische Bilder. Hier: Ein Foto der alten griechischen Währung neben einer griechischen Euromünze unterstreicht Ihre Forderung nach der Rückkehr der Griechen zur Drachme.

3. Heizen Sie Spekulationen, dass Griechenland aus dem Euro austreten wolle, fleißig selbst mit an:

Angeblich Krisen-Gipfel Steigt Griechenland aus dem Euro aus? Premier Papandreou will möglicherweise eigene Währung einführen

EU-Geheimtreffen nach Gerüchten: Wie ernst meinen es die Griechen mit dem Euro-Austritt?

Verschweigen Sie anschließend unbedingt, dass es sich bei den “Gerüchten” um eine unbestätigte Falschmeldung von “Spiegel Online” gehandelt hatte.

4. Natürlich gilt wieder: Lassen Sie fast ausschließlich “Top-Ökonomen” zu Wort kommen, die sich negativ über Griechenland äußern — oder in anderen Worten: Lassen Sie fast ausschließlich Hans-Werner Sinn zu Wort kommen:

Top-Ökonom Hans-Werner Sinn "Griechenland muss aus dem Euro raus!"

ifo-Chef Hans Werner Sinn: Griechenland muss wieder wettbewerbsfähig werden

Ignorieren Sie dabei völlig, wenn Ihr Experte seine Position anderswo später relativiert:

Er fordere nicht den Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Gerade erst hat Sinn gegenüber der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” einen Austritt Griechenlands als “das kleinere Übel” bezeichnet. Dies sei aber keine Empfehlung gewesen, präzisiert er nun, er habe lediglich die Möglichkeiten aufgezählt; die Journalisten neigten dazu, Dinge zu überspitzen.

Sollte doch einmal ein Verteidiger zu Wort kommen, dann kompensieren Sie diesem Umstand am besten mit einer krawalligen Überschrift:

Ex-Minister Theo Waigel: Euro-Gefahr Griechenland: "Wir können die Griechen nicht einfach rauswerfen" sagt Ex-Minister Waigel

5. Als flankierende Maßnahme empfiehlt es sich, den Austritt Griechenlands aus der Eurozone auch ganz unverblümt und direkt in Kommentaren zu fordern. Etwa so:

Kommentar: Bye, bye, Griechenland

6. Lassen Sie Ihre bereits aufgehetzten Leser zwischendurch auch gerne über eine Frage abstimmen, bei der das Ergebnis dank Ihrer einseitigen Berichterstattung ohnehin schon klar ist: “Soll Griechenland raus aus der Euro-Zone?”

Fühlen Sie sich in Ihrer Kampagne bestätigt, wenn 84 Prozent diese Frage mit “Ja” beantworten!

7. Geben Sie Aussagen von Experten wie dem Ökonom Thomas Straubhaar möglichst verzerrt wieder, sodass es aussieht, als müsste Griechenland austreten, um nicht so unterzugehen wie seinerzeit die DDR:

Top-Ökonom spekuliert Endet Griechenland wie die DDR? Gauweiler fordert Ausscheiden Athens aus dem Euro - Noch mehr Geld aus Brüssel?

Man beachte das harmonische Zusammenspiel von rhetorischer Frage (siehe 1.) und Symbolbild (siehe 2.).

Ignorieren Sie, dass Straubhaar in Wahrheit das exakte Gegenteil dessen gesagt hatte — nämlich dass ein Austritt für Griechenland einen ähnlichen Niedergangseffekt haben könnte, wie er in der Endphase der hochverschuldeten DDR zu beobachten war.

8. Sie können den Niedergang der Wirtschaft des Landes, das Sie loswerden wollen, sogar selbst beschleunigen. Berichten Sie einfach darüber, dass Griechen ihr Geld auf deutschen Konten in Sicherheit bringen, damit noch mehr Griechen ihr Geld auf deutschen Konten in Sicherheit bringen:

Griechen bringen ihr Geld auf deutsche Konten

9. Berichten Sie über die durch die Sparmaßnahmen hervorgerufenen Streiks stets so, als wären die Griechen zu faul zu arbeiten:

Europa stützt Griechenland mit Milliarden Euro, die nächste Hilfsaktion ist in Vorbereitung – doch die Griechen weigern sich weiter, den Gürtel richtig eng zu schnallen. Stattdessen gehen sie wieder auf die Straße.

Unterstützen Sie dies durch weitere Schlagzeilen:

Griechenland-Krise: Griechen-Streiks kosten 11 Milliarden Euro ...aber Athen baut neue Formel-1-Strecke!

10. Nutzen Sie überhaupt jede Gelegenheit, um Missstände unter Verwendung wenig repräsentativer Extrembeispiele anzuprangern. Wichtig: Ignorieren Sie dabei alle bisher gemachten Fortschritte und scheuen Sie sich nicht vor schalen Wortspielen!

Euro: Darum kriechen die Griechen nie aus der Krise +++ 18 Monatsgehälter +++ Doppel-Pensionen +++ Prämie für Händewaschen und Pünktlichkeit +++ Freie Tage haben 28 Stunden +++ 800 Politiker wollen Millionen-Gehaltsnachschlag +++

11. Berichten Sie groß darüber, wenn sich ein Politiker dazu hinreißen lässt, etwas zu sagen, was auch von Ihnen stammen könnte:

Merkel erhöht Druck auf Europas Schuldenstaaten Griechen sollen weniger Urlaub machen

Ignorieren Sie dabei jegliche Kritik innerhalb Deutschlands — etwa von der Opposition oder Wirtschaftsexperten und Wirtschaftsjournalisten, die das Gegenteil belegen können.

Berichten Sie stattdessen über die Reaktion im betroffenen Land. Denken Sie dabei immer daran, dass alle Aussagen, die Ihnen nicht passen, als “Pöbelei” bezeichnet werden müssen:

Nach Standpauke: Griechen pöbeln gegen Merkel. Fleiss-Appell unseren Kanzlerin löst Empörung aus ++ Lage in Griechenland immer desolater

Viel Erfolg! Ihre Leser werden die bemitleidenswerten Opfer Ihrer Kampagne so schnell wie möglich loswerden wollen, die Politik wird sich Ihnen womöglich anschließen.

Nullen unter sich

Das war mal ein spannendes Relegationsspiel zwischen Borussia Mönchengladbach und dem VfL Bochum: Erst in der dritten Minute der Nachspielzeit gelang es Igor de Camargo, den Ball für die Borussia über die Linie zu hauen.

Zu spät für Bild.de:

Nullnummer gegen Bochum. Gladbach kriegt die Abstiegs-Flatter.

Irgendwann muss den zuständigen Mitarbeitern dann aber doch noch aufgefallen sein, wie das Spiel tatsächlich ausgegangen ist:

Siegtreffer in letzter Sekunde. De Camargo als Gladbach-Retter.

Mit Dank an Kathrin G., Dominik B., Andre S. und Andre P.

Schon wieder ein neuer Tiefpunkt

Es läuft nicht gut für die Freie Demokratische Partei Deutschlands (FDP):

Die FDP hat trotz ihrer Personalveränderungen erneut an Wählergunst eingebüßt. Nach dem am Mittwoch veröffentlichten Forsa-Wahltrend des Magazins “Stern” und des Fernsehsenders RTL gab die Partei im Vergleich zur Vorwoche einen Punkt ab und fiel zum vierten Mal in diesem Jahr auf ein Rekordtief von drei Prozent.

So beschreibt die Nachrichtenagentur dapd den neuen “Tiefstwert”, den die Partei erreicht hat.

Und die Deutsche Preseagentur (dpa) erklärt:

Die FDP hat bislang von ihrem Personalaustausch in der Parteispitze und im Bundeskabinett stimmungsmäßig bei den Bürgern nicht profitiert. Im Gegenteil: Im wöchentlichen Wahltrend des Magazins “Stern” und des Senders RTL fielen die Freidemokraten zum vierten Mal in diesem Jahr auf ihr Rekordtief von 3 Prozent.

Der “Stern” selbst verkündet auf seiner Internetseite:

Trotz ihrer Personalveränderungen an Kabinettstisch, Partei- und Fraktionsspitze kommt die FDP nicht aus dem Umfragekeller. Im stern-RTL-Wahltrend gaben die Liberalen im Vergleich zur Vorwoche einen Punkt ab und fallen zum vierten Mal in diesem Jahr auf ihr Rekordtief von 3 Prozent.

“Spiegel Online” schreibt:

Die FDP hat ihr Personal an der Parteispitze und im Kabinett getauscht, aber die Stimmung für die Liberalen bleibt weiter schlecht: Trotz ihrer Personalveränderungen büßten die Liberalen erneut an Wählergunst ein.

Bild.de fasst zusammen:

Die FDP hat trotz ihrer Personalveränderungen erneut an Wählergunst eingebüßt.

Bevor sich die FDP jetzt spontan auflöst, weil nicht mal ein Bundesparteitag mit kämpferischen Reden der jungen Hoffnungsträger den Abwärtstrend stoppen kann, sollte sie allerdings noch einen kurzen Blick auf das Ende der Meldung bei “Spiegel Online” (und nur da) werfen:

Für den Wahltrend wurden 2501 repräsentativ ausgesuchte Bundesbürger vom 9. bis 13. Mai befragt. Der Parteitag der FDP fand vom 13. bis 15. Mai statt.

(Hervorhebung von uns.)

Und trotz des angekündigten schönen Wetters am Mittwoch haben sich die Menschen am Dienstag nicht in die Sonne gelegt!

Mit Dank an Christoph G.

Pöbelei ins Nest gelegt

Nun ist Bild.de weder dafür bekannt, sich einer besonders geschliffenen Sprache zu bedienen, noch dafür, Ruhe zu bewahren, wenn dem Deutschen jemand ans Auto will. Entsprechend wird eine Interview-Aussage des neuen Verkehrsministers von Baden-Württemberg, Winfried Hermann, in der es um die Zukunft großer und teurer Autos geht, kurzerhand in die Sprache der eigenen Klientel übersetzt:

Im großen WELT-Interview stichelt er jetzt gegen Porsche-Fahrer, bekundet seine Vorliebe für’s Fahrrad und setzt der Industrie die Pistole auf die Brust.

“Manche Porsche-, BMW- oder Audi-Fahrer frönen einer libidinösen Form des Autofahrens. Aber das ist die Minderheit, darin liegt nicht zu Zukunft”, so Hermann in der WELT.

Frei übersetzt: Porsche-Fahrer sind Auto-geil. Und Dicke Karossen sind ein Auslaufmodell.

Die Übersetzung des aus dem Kontext gerissenen Zitats ist etwas arg frei und auf Porsche-Fahrer verengt, stellt aber durchaus eine mögliche Interpretation dessen dar, was Hermann meinte. Die Überschrift lässt allerdings keinen Interpretationsspielraum zu:

Winfried Hermann "Auto-geil!": Grüner Minister pöbelt gegen Porsche-Fahrer

Auch wenn es ihm durch die Verwendung von Anführungszeichen unterstellt wird: Hermann hat den Begriff “Auto-geil!” nie in den Mund genommen. Und “gepöbelt” hat er auch nicht — diese Art der Kommunikation, die eher zum ruppigen Ton von Bild.de passt, schließt Worte wie “frönen” und “libidinös” eher aus.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber.

Leichenschau

Beim Giro d’Italia, einem der wichtigsten Radsport-Etappenrennen der Welt, kam es am Montag zu einem schweren Unfall, bei dem einer der Teilnehmer tödlich verunglückte. Und weil bei großen Events jede Menge Kameras laufen und deshalb auch das passende Bildmaterial vorhanden ist, treten mit Bild.de und dem Online-Auftritt der “Hamburger Morgenpost” zwei der üblichen Verdächtigen den Pressekodex mit Füßen.

Unter Ziffer 11 — Sensationsberichterstattung, Jugendschutz heißt es:

Die Presse verzichtet auf eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid. Die Presse beachtet den Jugendschutz.

Aus dem Pressekodex

Richtlinie 11.1:
Unangemessen sensationell ist eine Darstellung, wenn in der Berichterstattung der Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, herabgewürdigt wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn über einen sterbenden oder körperlich oder seelisch leidenden Menschen in einer über das öffentliche Interesse und das Informationsinteresse der Leser hinausgehenden Art und Weise berichtet wird.

Bei der Platzierung bildlicher Darstellungen von Gewalttaten und Unglücksfällen auf Titelseiten beachtet die Presse die möglichen Wirkungen auf Kinder und Jugendliche.

Unter der Überschrift “Tod beim Giro” zeigt Bild.de eine Bildergalerie mit insgesamt drei Fotos, auf denen Rettungskräfte letztlich vergeblich versuchen, den sterbenden Radprofi wiederzubeleben.

Dazu schreiben die beiden Autoren:

Weylandt (…) soll auf der Abfahrt vom Passo del Bocco (957 m) etwa 25 km vor dem Ziel mit der rechten Pedale an der Felswand hängengeblieben und danach 20 m durch die Luft geflogen sein.

Weylandt knallte brutal auf das Pflaster, blutete stark aus Mund und Nase. “Wouter Weylandt war schon bewusstlos, als wir eintrafen. Wir haben 40 Minuten versucht, ihn zu reanimieren. Aber es war nichts mehr zu machen”, teilte Giro-Arzt Dr. Giovani Tredici mit.

Und von wegen Jugendschutz — heute schaffte es eines der Fotos des sterbenden oder bereits gestorbenen Radprofi sogar auf die Startseite von Bild.de:

Schwangere Freundin trauert um toten Rad-Star
(Unkenntlichmachung von uns)

Auch mopo.de hat keine Skrupel, ein Foto des Verunglückten zu zeigen — inklusive Lupensymbol, damit man sich den Sterbenden per Klick noch ein wenig genauer ansehen kann.

In einem zweiten Artikel auf mopo.de — ebenfalls mit Foto — heißt es ironischerweise sogar:

Aus Rücksicht auf die Hinterbliebenen und die Teamkollegen hatte das italienische Fernsehen RAI keine Bilder vom direkten Unfallhergang gezeigt.

Soviel Feingefühl kann man leider nicht von jedem erwarten.

Mit Dank an die Hinweisgeber.

‘Türlich ‘türlich (sicher, Digger)

Bild.de gibt mal wieder alles beim Versuch, eine Nachricht so dramatisch wie möglich klingen zu lassen:

Horrorflug in den USA Irrer Passagier will Tür des Fliegers öffnen

Demnach hat ein Mann 20 Minuten nach dem Start einer Boeing 737 auf dem Flug von Houston nach Chicago versucht, die Tür des Flugzeugs zu öffnen, weswegen die Maschine in St. Louis zwischenlanden musste.

So bedrohlich diese Situation wohl auf die Passagiere wirken musste, so ungefährlich war sie aber auch. Das hat etwa die WDR-Sendung “Kopfball” schon vor drei Jahren festgestellt:

Türen und Notausgänge bei modernen Verkehrsflugzeugen gehen zwar nach außen auf, müssen aber zuerst nach innen gezogen werden. Erst dann schwenken sie nach außen. Doch da der Kabinendruck in Reiseflughöhe etwa viermal so hoch ist wie der Außendruck, lastet in zehn Kilometer Höhe auf jedem Quadratmeter eine Kraft, die etwa sechs Tonnen entspricht. Selbst der stärkste Mensch der Welt müsste passen, sollte er versuchen, eine Flugzeugtür zu öffnen.

Bei Bild.de sucht man diese durchaus relevante Information vergeblich.

Mit Dank an tharcel und Paul Z.

Nachtrag, 10. Mai: Ein aufmerksamer Leser hat uns darauf hingewiesen, dass die Tür nicht bei allen modernen Verkehrsflugzeugen zunächst nach innen gezogen wird. Bei der Boeing 737, um die es in diesem Beitrag geht, funktioniert der Mechanismus so wie von “Kopfball” gezeigt.

Auf großem Fuße

Facebook-Gründer Mark Zuckerberg hat sich eine Villa gekauft, und die ist laut Bild.de groß genug, dass — um es in der Lieblingsmaßeinheit von Journalisten auszudrücken — auf der Grundfläche ein Bundesligaspiel stattfinden dürfte:

Facebookchef Mark Zuckerberg kauft diese Villa

Im Text heißt es:

Nach einem Bericht der lokalen Zeitung “San Jose Mercury News” plant der 26-Jährige den Umzug in eine echte Nobel-Villa: 4645 Quadratmeter groß, fünf Schlafzimmer, ein Musikzimmer und ein Salzwasserpool!

Wirft man einen Blick in ebendiese “San Jose Mercury News”, dann liest man da aber, dass Zuckerbergs Haus 5000 Quadratfuß groß ist. Umgerechnet ergibt dies gerade einmal 464,5 Quadratmeter, was auch viel eher zu dem auf Bild.de abgebildeten Gebäude passt.

Während auf Bild.de das entscheidende Komma fehlt, hat die Autorin im Onlineauftritt der “B.Z.” eine andere aktuell kursierende Quadratfußzahl einfach ohne Umrechnung übernommen. So kommt Zuckerbergs Villa sogar auf noch unglaublichere 5617 Quadratmeter.

Mit Dank an B.W. und tuennes.

Nachtrag, 8. Mai: Bild.de hat die Villa unauffällig auf “mehr als 400 Quadratmeter” schrumpfen lassen.

Nachtrag, 9. Mai: Inzwischen ist Zuckerbergs Villa bei Bild.de wieder gewachsen. Jetzt ist sie “rund 520 Quadratmeter groß”.

Böhse Journalistenz

Seit Kevin Russell, der ehemalige Sänger der Band “Böhse Onkelz”, am Silvesterabend 2009 einen Verkehrsunfall mit zwei Schwerverletzten verursachte und anschließend Fahrerflucht beging, konnten es “Bild” und Bild.de kaum noch erwarten, ihn hinter Gittern zu sehen.

BILDblog dokumentiert auszugsweise die wachsende Empörung und Ungeduld von “Bild” und Bild.de.

5. Januar 2010:

Warum ist dieser Typ immer noch frei?

14. Januar 2010:

Er raste 2 Menschen ins Koma, beging Fahrerflucht und hat keinen festen Wohnsitz Warum ist dieser Böhse Onkel immer noch frei?

8. Oktober 2010:

"Böhse Onkelz"-Sänger Kevin Russell Noch immer nicht im Knast Staatsanwaltschaft geht in Revision

16. Oktober 2010:

Fall Kevin Russell öhse-Onkelz-Sänger noch bis Februar frei?

8. März 2011:

Urteil gegen Kevin Russell rechtskräftig! "Böhse Onkelz"-Sänger muss jetzt endlich in den Knast

Konsequenterweise und vermutlich einfach nur, weil sie es können, nutzt “Bild” heute die vielleicht letzte Chance, um noch einmal nachzutreten. Überregional sieht das so aus:

"Böhse Onkelz"-Sänger endlich hinter Gittern

Das Foto, auf dem Russell die Zunge heraustreckt, entstand allerdings nicht, wie von “Bild” behauptet, “nach dem Urteil”, sondern bereits am zweiten Verhandlungstag. Die ausgestreckte Zunge galt wohl vor allem den Fotografen, von denen Russell ständig umgeben war. “Bild” schrieb damals übrigens:

DER BÖHSE ONKEL VERHÖHNT DIE OPFER!

Bei der Urteilsverkündung meinte Bild.de hingegen:

Kevin Russell nahm das Urteil (zwei Jahre und drei Monate Haft) nahezu regungslos zur Kenntnis

Der Gipfel ist aber dann doch, wie Max Schneider in der Frankfurter Regionalausgabe von “Bild” mit der völlig überflüssigen Information, in welchem Gefängnis Russell seine Strafe absitzen muss, umgeht:

Knast

(Unkenntlichmachung von uns)

Der Name der JVA steht außerdem in der Bundesausgabe und auf Bild.de. Offenbar will “Bild” Russell das Leben ganz bewusst so schwer wie möglich machen:
JVA

(Unkenntlichmachung von uns)
Mit Dank an Benjamin T.

Blome um Blome, Quoos um Quoos

Die spektakuläre Tötung von Osama bin Laden ist nicht nur Anlass für umfangreiche Spekulationen über die genauen Umstände und Hintergründe der amerikanischen Kommandoaktion, sie bietet auch einiges an Diskussionsstoff.

Während etwa Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer ersten Stellungnahme unverhohlene Freude über den Tod bin Ladens ausdrückte, stellen andere inzwischen die Frage, ob es angemessen war und ist, die Tötung eines Menschen zu bejubeln und ob es sich mit dem Völkerrecht vereinbaren lässt, falls das einzige Ziel des Einsatzes die Exekution bin Ladens war.

Für Nikolaus Blome, den Leiter des Hauptstadtbüros von “Bild” ist die Sache herrlich klar. Da er für eine Zeitung arbeitet, die dem Prinzip “Rache” wohl am liebsten mehr Raum in der deutschen Rechtsprechung lassen würde, überrascht sein bereits am Montag verfasster “Zwischenruf” auf Bild.de wenig:

Obama lässt Osama töten Haben die USA ein Recht auf Rache? JA!

Blome schreibt:

Ein Land, die einzige Super-Macht der Welt, wollte Rache nehmen. Und sie hatte das Recht dazu!

Dieser Wille zur Vergeltung, diese Sehnsucht nach Genugtuung, es liegt auf der Hand: Die amerikanische Jagd auf Osama bin Laden hatte etwas Biblisches – Auge um Auge, Zahn um Zahn.

Darf man das, am Anfang des 21. Jahrhunderts, gut finden?

Ja, man darf.

Das biblische Zitat “Auge um Auge — Zahn um Zahn” stammt aus dem Alten Testament und wenn man das im 21. Jahrhundert gut finden darf, dann muss man — um einmal bei der Bibel zu bleiben — Jesus wiederum schlecht finden, der in der neutestamentarischen Bergpredigt sagte:

Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn für Zahn.
Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand,
sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin.

Überhaupt bringt Blome keine Argumente, sondern versucht lediglich zu erklären, dass Osama bin Laden mit seinen Verbrechen eine Schwelle überschritten hat, ab der die eigentlich universellen Menschenrechte und das Völkerrecht nicht mehr gelten:

Im Rückblick (…) mag klar sein, dass die amerikanischen Regierungen bei Weitem nicht alles richtig gemacht haben. Aber die Jagd auf den Drahtzieher der Anschläge war gerecht. Und sie zu Ende zu bringen, auch. (…)

Osama hat die freie Welt und ihre offenen Gesellschaften in einen Krieg der Kulturen gestürzt.

In seinem Namen wurde eine ganze Religion, der Islam, zum Synonym für Intoleranz und Gewalt gemacht. In seinem Namen wurden nicht nur Karikaturen-Zeichner mit dem Tod bedroht, sondern eine ganze Art zu leben. Unsere Art zu leben.

So muss man sich wohl das Böse vorstellen.

Wer entscheidet, wann diese Schwelle zum Bösen überschritten ist, diese Antwort bleibt Blome schuldig, aber es passt zu seiner Zeitung, in der Menschen immer wieder das Menschsein abgesprochen wird, indem sie zum “Schwein”, “Dreckschwein” oder im Falle bin Ladens zum “Teufel” erklärt werden.

Noch bunter treibt es Blomes Kollege Jörg Quoos, der heute in “Bild” unter der Überschrift “Falsches Mitleid” die “jüngsten Grünen-Stimmen zum Tode Osama bin Ladens” kommentiert.

Quoos leitet seinen Kommentar mit einem Zitat des Malers Max Liebermann ein, welches dieser im Zuge der Machtergreifung der Nazis 1933 äußerte.

“Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte”.

Vermutlich würde Liebermann es wieder äußern, wenn er wüsste, in welchem Zusammenhang er hier zitiert wird.

Quoos kritisiert in seinem Kommentar ausschließlich die Bedenken von Politikern der Grünen, die eine gezielte Tötungsmission als “Hinrichtung” oder als “Akt des Krieges” bezeichnet haben, und ist sichtlich empört:

WIE BITTE?

Da jagen westliche Armeen – inklusive Bundeswehr – mit hohem Blutzoll jahrelang den schlimmsten Terroristen der Welt. Und am Ende berührt sein Tod grünes Gerechtigkeitsgefühl. (…)

Nein, Herr Ströbele, die Kanzlerin hat recht. Es ist gerecht, dass dieser Menschenfeind endlich tot ist.

Dass sich Quoos jedoch allein auf die Grünen versteift, ist dreist. Mindestens ebenso laute Kritik an den Äußerungen der Kanzlerin und Zweifel an den rechtlichen Grundlagen für die Tötung bin Ladens kommt von Unionspolitikern wie Siegfried Kauder, der gegenüber der “Passauer Neuen Presse”, sagt:

“Eine willkürliche Tötung ist nach dem internationalen Pakt über bürgerliche und politische Freiheiten nicht erlaubt. Wenn man zu dem Ergebnis kommt, Bin Laden war schon längst nicht mehr aktiv, könnte die Tötung willkürlich sein”, sagte der Rechtsausschussvorsitzende. Es bestehe “eine außerordentlich schwierige rechtliche Gemengelage”, die differenziert aufgearbeitet werden müsse. “Das Prinzip, der Zweck heiligt die Mittel, ist keine juristische Grundlage. Wir brauchen genaue rechtliche Regeln”, forderte Kauder.

Und auch die Deutsche Bischofskonferenz kann die Genugtuung nicht teilen, die Quoos verspürt. Sie verweist auf die Äußerung des Vatikansprechers Federico Lombardi:

(…) Dennoch ist der Tod eines Menschen für einen Christen niemals Grund zur Freude.

Aber auf den Vatikan oder auf die Union zu schimpfen, geht einem “Bild”-Redakteur wohl nicht so leicht von der Hand, wie einmal mehr auf dem liebgewonnenen Feindbild “Die Grünen” herumzuhacken.

Immerhin: Unter Blomes “Zwischenruf” hat Bild.de die Kommentare offengelassen. Ein Großteil derer, die sich dort äußern, sieht die Dinge ausnahmsweise nicht so eindimensional wie “Bild” und Bild.de.

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