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“Bild” darf Christian Klar wieder nicht zeigen

Seit der frühere RAF-Terrorist Christian Klar im Dezember 2008 aus dem Gefängnis entlassen wurde, druckt “Bild” immer wieder aktuelle Fotos des Mannes, deren Veröffentlichung der Zeitung immer wieder von den Gerichten untersagt werden (BILDblog berichtete etwa hier, hier, hier, hier und hier).

Insofern dürfte der gestrige Termin vor dem Berliner Landgericht durchaus als “Folklore” und “Brauchtum” durchgehen: Klar war gegen die Veröffentlichung mehrerer Fotos in “Bild” und auf Bild.de vorgegangen und konnte gestern eine Einstweilige Verfügung erwirken.

Unter Androhung eines Ordnungsgeldes (traditionell festgesetzt als “bis zu 250.000,00 EUR”) oder Ordnungshaft wurde “Bild” untersagt, “ein Bildnis, das Christian Klar zeigt auf dem Fahrrad” noch einmal zu drucken. Bild.de muss “ein Bildnis, das Christian Klar zeigt auf dem Fahrrad” und “ein Bildnis, das Christian Klar zeigt mit offenem Antlitz und nicht unkenntlich gemacht” offline nehmen.

Aufhänger, die aktuellen Bildnisse von Klar zu zeigen, war seine Ladung als Zeuge im Prozess gegen die ehemalige RAF-Terroristin Verena Becker in Stuttgart, der vorgeworfen wird, 1977 am Mord am damaligen Generalbundesanwalt Siegfried Buback beteiligt gewesen zu sein.

Dazu zeigte “Bild” am 15. September unter der Überschrift “Hier radelt der Ex-Terrorist durch Berlin” auf Seite 2 der Bundesausgabe ein Foto von Klar auf einem Fahrrad. Das Foto war laut Klars Anwalt Johannes Eisenberg zwischen Anfang Juli und Mitte August in Berlin-Kreuzberg entstanden und hat “nichts mit Stuttgart-Stammheim oder der Zeugenladung zu tun”. Der Fotograf habe Klar “aufgelauert” und das Bild “heimlich erbeutet”.

Zu Fotos, die Klar im Stuttgarter Gerichtsgebäude zeigen, erklärt Eisenberg:

Der Antragsteller [Klar] hat versucht, sein Antlitz zu verbergen und sich ständig eine Zeitung vor das Gesicht gehalten. Es gab ein Gedrängel am Gerichtseingang, vermutlich wurde der Antragsteller absichtsvoll bedrängt, um ihn zu zwingen, die Zeitung herunter zu nehmen. Er war dort als Zeuge und hat seiner Zeugenpflicht genügt, bei Gericht zu erscheinen. Er hat damit keinen aktuellen Anlass gegeben, ihn zu fotografieren. Die Antragsgegnerin [Bild.de] zeigt selbst weitere Bilder, die den Versuch des Antragstellers zeigen, sich unsichtbar zu machen.

Klar hatte von der Axel Springer AG und Bild.de zunächst Unterlassungserklärungen gefordert und war dann, als diese ausblieben, vor Gericht gezogen. Springer und Bild.de können gegen die Einstweilige Verfügung vorgehen und wir wären ehrlich gesagt überrascht, wenn sie es nicht täten.

Keine Gnade

Seit einigen Tagen begleitet “Bild” den Fall des Todeskandidaten Troy Davis, der heute im US-Bundesstaat Georgia hingerichtet werden soll.

Vor vier Tagen fragte “Bild”:

Justizskandal in den USA: Wird nächste Woche ein Unschuldiger hingerichtet?

Die Zeitung erklärte:

(…) der Afro-Amerikaner könnte unschuldig sein: Davis war 1991 aufgrund von Zeugenaussagen wegen Mordes an dem weißen Polizisten Mark McPhail zum Tode verurteilt worden. Ein Berufungsverfahren brachte die skandalöse Polizei-Arbeit ans Licht: Cops hatten auf Zeugen Druck ausgeübt. Mittlerweile haben neun Zeugen ihre Aussagen widerrufen.

Vor zwei Tagen fragte “Bild”, ob Ex-US-Präsident Jimmy Carter Davis vor der Hinrichtung retten könne.

Das Todesurteil wackelt immer stärker: Es gab keine Tatwaffe, keine konkreten Beweise, keine DNA-Spuren. Nur neun Zeugen – sieben davon haben ihre Aussagen inzwischen zurückgezogen.

All diese berechtigten Zweifel an der Schuld von Troy Davis hindern Bild.de nicht daran, so über die Ablehnung des letzten Gnadengesuches zu berichten:

Letztes Gnadengesuch abgelehnt: Polizisten-Mörder stirbt durch die Giftspitze

Mit Dank an Thomas F., Mareike H. und Karl H.

Der neue Milchmädchenatlas

Erst vergangene Woche versuchten wir anhand des sogenannten “Einbruchs-Atlas” der Bremer Regionalausgabe von “Bild” zu erklären, warum es sinnlos ist, bei der Erstellung von Karten nur absolute Zahlen einzubeziehen und etwa die Einwohnerzahlen der einzelnen Teilgebiete und andere Faktoren zu ignorieren.

Zu Bild.de ist das anscheinend nicht durchgedrungen. Dort gibt es jetzt den “neuen Pleite-Atlas”, der anzeigt, wo in Deutschland die meisten Privatinsolvenzen angemeldet werden:

Viele Deutsche geraten in die Privatinsolvenz. BILD.de zeigt den Bundesländervergleich: Dunkel gefärbte Länder weisen eine große Anzahl zahlungsunfähiger Bürger auf, die hellen eine niedrige Drucken Versenden Bookmarken Teilen Privat-Insolvenzen Der neue Pleite-Atlas

Es überrascht wenig, dass es genau in den Ländern die meisten Privatinsolvenzen gibt, in denen am meisten Menschen leben: NRW, Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen. Kleinere Bundesländer wie Bremen hingegen schneiden automatisch gut ab.

Viel nützlicher wäre es gewesen, die Anzahl der Privatinsolvenzen mit den Einwohnerzahlen zu verrechnen. Dass der “Pleite-Atlas” ein Muster ohne Wert ist, geht sogar aus dem Artikel auf Bild.de hervor:

Bei den relativen Werten je 100 000 Einwohner gestaltet sich besonders die Schuldnersituation im Norden kritisch.

Die meisten Pleitiers pro 100 000 Einwohner leben in Bremen (162 Fälle), Hamburg (119), Niedersachsen (110) und Schleswig-Holstein (108). Während der Bundesdurchschnitt bei 84 Fällen je 100 000 Einwohner rangiert, stehen Bayern mit 61 Privatinsolvenzen, Baden-Württemberg (62) und Thüringen (74) im Ländervergleich am besten da.

Mit Dank an Mike W. und Boris.

Darauf muss man erst mal kommen

Unsere Eltern hatten uns immer gewarnt: Es schädige das Rückenmark, verursache Pickel und mache blind. “Tausend Schuss, dann ist Schluss”, haben sie gesagt.

Und jetzt das:

Medien berichten: Junge (16) onanierte sich zu Tode

“In Brasilien”, also an einem angenehm weit entfernten Ort, “soll”, so Bild.de, sich ein Junge zu Tode onaniert haben. Das berichte das englische Onlinemagazin “The Morning Star”.

Angeblich soll sich der Jugendliche aus dem Dorf Rubiato im Bundesstaat Goias unglaubliche 42mal selbst befriedigt haben. In einer Nacht. Hintereinander.

Schulfreunde behaupten, er hätte sie sogar zu seinem nächtlichen Samenerguss-Marathon eingeladen. Alles live via Webcam.

Nun heißt das englische Onlinemagazin eigentlich “The Morning Starr”, hat ein irritierend martialisches Logo und bringt sonst Meldungen wie “Die fetteste Frau der Welt”, “Alkoholiker festgenommen, weil er eine Schlange gebissen hat” und “Großmutter findet beim Aufwachen einen Fuchs in ihrem Bett”. Klar, dass sich Bild.de-Redakteure dort auf der Suche nach Meldungen rumtreiben.

Zum angeblichen Tod des Schülers schreibt die Website ziemlich genau das, was Bild.de dort abgeschrieben hat.

Nur: “The Morning Starr” hatte es auch abgeschrieben — bei der brasilianischen Website “G17”, wo die Meldung seit Juni steht. Dort heißt es zu dem Fall unter anderem, auf dem Computer des Teenager seien ungefähr 17 Millionen erotische Videos und 600 Millionen Fotos gefunden worden. Dafür bräuchte er eine verdammt große Festplatte. Das Bild, mit dem “G17” den Artikel bebildert hat, stammt aus einer polnischen Party-Bildergalerie.

Auf der Startseite von “G17” stehen Meldungen wie “Senat billigt automatischen Freispruch für korrupte Politiker” oder “Justin Bieber verspricht, in Brasilien die Windeln auf die Fans zu werfen”. Was ist das für eine Website, die noch bizarrere Artikel bringt, als Bild.de und “The Morning Starr” zusammen?

Nun, das kann man auch ohne größere Portugiesisch-Kenntnisse verstehen:

G17 é um site de humor que satiriza os portais de notícias com conteúdo fictício.

Eine Humor-Website, die mit frei erfundenen Inhalten News-Portale verhöhnt.

Mit Dank an Anonym, Matthias B., Nicole H. und nothing.

Nachtrag, 19.40 Uhr: Bild.de hat’s auch gemerkt und unauffällig einen Nachtrag angefügt:

PS. Tatsächlich handelt es sich bei dieser Geschichte (nicht nur für den Jungen) glücklicherweise um eine Satire, die sich im Internet wie ein Lauffeuer verbreitet. Ob häufiges Onanieren wirklich tödliche Folgen haben kann, lesen Sie hier.

Und “hier” hat Bild.de tatsächlich einen Mediziner befragt: “Kann man sich wirklich zu Tode onanieren?”

Gestern, heute, morgen

Der 11. September 2001 war ein Tag, der die Welt veränderte. Doch wie sah diese Welt eigentlich aus, bevor sie verändert wurde?

Bild.de möchte ab heute über die Tage berichten, “in denen sich unsere Welt noch in Frieden und Sicherheit wähnte”, und erzählt deshalb zehn Jahre alte “Bild”-Meldungen nach. Da geht es dann zum Beispiel um die Flugaffäre des damaligen Bundesverteidigungsministers Rudolf Scharping, die Basketball-EM in der Türkei und die Flitterwochen von Ex-Bundespräsident Roman Herzog.

Doch es geht auch um einen Fall, der bis heute in den Medien ist:

Wulsbüttel (Niedersachsen): Schon wieder wird ein Kind in Deutschland vermisst: Der blonde Dennis (damals 9) ist am 5. September nachts aus dem Schullandheim in Wulsbüttel verschwunden. 300 Einsatzkräfte durchkämmen seitdem die Umgebung. Mit dem Foto, auf dem Dennis mit seinem Pokemon zu sehen ist, wird nach ihm gesucht. Der Verdacht fällt auf den sogenannten “Schwarzen Mann”, der den Jungen entführt haben soll. Erst zehn Jahre später, im April 2011, wird der Täter endlich festgenommen werden. Er wird gestehen, ab Oktober 2011 vor Gericht stehen und schließlich zu lebenslänglich verurteilt werden.

Äh, Stopp!

Die Leute von Bild.de haben auf dem Weg zurück in die Gegenwart soviel Gas gegeben, dass sie in der Zukunft ausgekommen sind: Der Prozess beginnt ja erst im Oktober, da kann Bild.de jetzt noch gar nicht wissen, wie er irgendwann danach ausgehen wird.

Andererseits:

Mit Dank an Johannes G.

Nachtrag, 21:50 Uhr. Puh, Bild.de kann doch nicht in die Zukunft sehen, hat den Artikel korrigiert und schreibt:

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung des Artikels entstand der Eindruck, das Urteil gegen den mutmaßlichen Mörder stehe bereits fest. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen und danken unseren Lesern für die Hinweise.

Der Sauerstoff, aus dem Legenden sind

Die österreichische Bergsteigerin Gerlinde Kaltenbrunner hat als erste Frau alle Achttausender der Welt ohne zusätzlichen Sauerstoff bestiegen.

Bild.de schrieb dazu gestern:

Als erste Frau hat Gerlinde Kaltenbrunner (40) alle Achttausender-Gipfel der Welt bezwungen – ohne zusätzliche Sauerstoff-Versorgung. Das hatte vor ihr nur Reinhold Messner geschafft.

Das war teils irreführend, teils falsch — entstand doch der Eindruck, Frau Kaltenbrunner hätte als erste Frau überhaupt aller Achttausender bezwungen. In Wahrheit ist sie (je nach Zählweise) die zweite oder dritte Frau. Vor allem aber hatten nach Reinhold Messner und vor Gerlinde Kaltenbrunner noch neun weitere Männer alle Achttausender ohne Sauerstoffmaske bestiegen.

Diesen Fehler hatte Bild.de mutmaßlich von der Nachrichtenagentur AFP übernommen, die gestern zunächst berichtet hatte:

Bislang war Reinhold Messner der einzige, der alle 14 Achttausender ohne Sauerstoffmaske bezwang.

Und:

Bislang war der Südtiroler Reinhold Messner der einzige Mensch der Welt, der alle 14 Achttausender ohne Sauerstoffmaske bezwungen hat.

Um 17.15 Uhr korrigierte AFP seine Meldung:

+++ Berichtigung: Im dritten Satz sowie im letzten Satz des vierten Absatzes heißt es nun richtig, dass Messner der erste (nicht der bisher einzige) Bergsteiger war, der alle 14 Achttausender ohne Sauerstoffmaske bezwang. Diese Korrektur gilt auch für die diesbezügliche Meldung von 15.09 Uhr. +++

Zu spät für die heutige “Bild”-Zeitung:

Bisher war es nur Reinhold Messner gelungen, alle 14 Achttausender ohne Sauerstoffmaske zu besteigen.

Mit Dank an Mithrandir und Florian B.

Als wär die Realität nicht schlimm genug

Vor dem Berliner Landgericht hat heute der Prozess gegen zwei 18-Jährige begonnen, die im April einen Mann in der U-Bahnstation Friedrichstraße zusammengeschlagen haben.

Bild.de berichtet über das Geständnis des Hauptangeklagten und erinnert noch einmal an den Tathergang:

Der brutale Fall erschütterte Deutschland: Es war 3.30 Uhr in der Nacht zu Ostersamstag, U-Bahnhof Friedrichstraße. Handwerker Markus P. (29) wartete auf eine Bahn. Er wird von zwei jungen Männern angepöbelt und zu Boden geschlagen.

Ohne Skrupel tritt einer der Männer – Torben P. – auf den Kopf seines Opfers ein. Vier Mal!

Ein Tourist (21) aus Bayern schreitet ein, hält den Treter fest. Der Komplize des Treters verpasst dem Retter einen Tritt in den Rücken. Dann flüchten die beiden Brutalos. Das schwer verletzte Opfer lag wochenlang im künstlichen Koma.

Es mag angesichts der Brutalität zunächst nebensächlich erscheinen, doch das Opfer erwachte nach etwa 16 Stunden und konnte das Krankenhaus sogar schon am Ostermontag wieder verlassen, “noch von Schnittwunden und Blutergüssen gezeichnet”, wie die “Berliner Morgenpost” damals schrieb. Einen Tag später “sprach” der Mann in der “B.Z.”, wenige Tage später in “Bild”.

Womöglich hat Bild.de Torben Markus P. mit Marcel R. verwechselt, einem anderen Gewaltopfer, dem es noch schlechter ergangen war:

Nach mehr als drei Monaten im Unfallkrankenhaus Marzahn kann der 30-jährige Marcel R. Ende dieser Woche entlassen werden. Geheilt ist er dann noch lange nicht. Aber dass er nach dem brutalen Überfall auf dem U-Bahnhof Lichtenberg und seinen schweren Verletzungen überhaupt wieder sprechen und laufen kann, ist schon fast ein Wunder.

Am Abend des 11. Februar waren auf dem U-Bahnhof vier Jugendliche über den Malergesellen hergefallen, hatten ihn zusammengeschlagen und ihm auf den Kopf getreten, als er schon am Boden lag. Das Opfer erlitt ein schweres Schädel- Hirn-Trauma, ein Teil der Schädeldecke musste entfernt werden, drei Wochen lang lag Marcel R. im künstlichen Koma.

Doch Bild.de ist nicht das einzige Medium, das mit den Opfern der verschiedenen “U-Bahn-Schläger” durcheinander gekommen zu sein scheint: Die Nachrichtenagentur dapd behauptet seit Sonntag in mehreren Vorschauen und aktuellen Artikeln, das Opfer habe “wochenlang im künstlichen Koma” gelegen.

Die “Süddeutsche Zeitung” schreibt heute:

Das Opfer Markus P. kann sich bis heute kaum an den Angriff erinnern. Der 29-Jährige erlitt eine Gehirnerschütterung, einen Nasenbeinbruch und zahlreiche Platzwunden im Gesicht.

Er lag wochenlang im künstlichen Koma und befindet sich noch immer in psychiatrischer Behandlung.

Mit Dank an Julia M.

Nachtrag, 24. August: sueddeutsche.de hat den Artikel aus der “Süddeutschen Zeitung” überarbeitet und schreibt dazu:

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Textes stand zu lesen, dass Markus P. “wochenlang im künstlichen Koma” lag. Das ist so nicht richtig, der 29-Jährige verlor lediglich vorübergehend das Bewusstsein. Wir haben den Fehler korrigiert und bedanken uns für den Hinweis unserer aufmerksamen User.

Sensationelle journalistische Kehrtwenden

Im Profifußball ist es eine liebgewonnene Tradition, dass Journalisten munter verkünden, welcher Spieler aktuell zu welchem Verein wechseln könne oder gar wolle, während Spieler und Vereine mindestens ebenso viel Energie darauf verwenden, alles abzustreiten. Wer recht hatte, weiß man höchstens hinterher, als Faustformel kann man aber sagen: jede Seite kommt auf etwa 50%.

Seit Tagen spekulieren “Bild” und andere Ruhrgebietsmedien, der Spanier Raúl werde den FC Schalke 04 verlassen. Womöglich war es in dieser Situation nicht allzu clever von Schalkes Manager Horst Heldt, gegenüber Bild.de zu bestätigen, dass eine Anfrage von den Blackburn Rovers vorlag. Denn aus dem Angebot machte Bild.de schnell einen Wechsel:

Schalke-Superstar Raúl (34) steht vor dem Abflug nach England. Der Premier League-Klub Blackburn Rovers macht dem Spanier ein Angebot. Das bestätigte Schalke-Manager Horst Heldt (41) gegenüber BILD.de

Heldt: “Wir haben gestern (Montag, die Redaktion) eine offizielle Anfrage von Blackburn Rovers per Mail bekommen. Daraufhin haben wir mit seinem Berater Kontakt aufgenommen. Wir werden uns heute mit Raul und seinem Berater treffen und darüber sprechen.

Eigentlich wollen wir ihn nicht abgeben, aber wenn er uns sagt, dass er gehen möchte, werden wir uns damit beschäftigen und in Verhandlungen einsteigen. Es wird eine zeitnahe Entscheidung in dieser Sache geben und zwar bis spätestens Morgen, 13 Uhr.” Dann steigt Schalke in den Flieger zum Europa League-Play-Off-Spiel in Helsinki.

Noch mehr wusste die “Recklinghäuser Zeitung”:

Jetzt ist es sicher: Schalkes Star Raul wird den Verein noch bis zum 31. August verlassen. Das hat S04-Sportdirektor Horst Heldt unserem Medienhaus gerade bestätigt.

Schon seit Tagen gab es Gerüchte über einen Wechsel des Spaniers in die englische Premiere League zu den Blackburn Rovers. Gerade sagte Horst Held zu dem Thema: “Es macht keinen Sinn, einen Spieler auf Schalke zu halten, der nicht mehr zufrieden ist”. Mehr Details wollte Heldt nicht preisgeben.

Interessant, dass Schalke 04 anschließend das exakte Gegenteil auf seiner Website schrieb:

Am heutigen Dienstag (16.8.) nahm der FC Schalke 04 von einer offiziellen Anfrage der Blackburn Rovers Kenntnis, in welcher der Premier-League-Club mitteilte, an einer Verpflichtung von Raul interessiert zu sein. “Sowohl unser Trainer Ralf Rangnick als auch mein Vorstandskollege Peter Peters und ich haben immer betont, dass wir ihn nicht abgeben möchten”, stellte Manager Horst Heldt klar.

Gleichwohl unterrichteten die Königsblauen den Spieler vom Interesse aus England. Heldt: “Raul hat uns gesagt, dass er bei Schalke 04 bleiben möchte und uns gebeten, den Blackburn Rovers abzusagen. Dies haben wir bereits getan. Wir freuen uns, dass Raul auch künftig alles dazu beitragen will, dass wir sportlich erfolgreich sind.”

Bild.de drehte den Artikel, der ursprünglich unter der Überschrift “Also doch! Raul vor Abflug nach England zu Blackburn Rovers” gestanden hatte, um 180 Grad:

Schalke-Star will nicht nach England: Raúl-Wechsel zu Blackburn geplatzt!

Und die “Recklinghäuser Zeitung”, deren Überschrift “Raul geht definitiv” gelautet hatte, schreibt nun unter der gleichen URL und der ursprünglichen Uhrzeit:

Sensationelle Kehrtwende: Raul bleibt Schalker!

Nur das Ruhrgebietsportal westline.de, das den Artikel von der “Recklinghäuser Zeitung” übernommen hatte, verkündet immer noch:

Abschied vom Spanier:
Raul geht definitiv - Weg von Schalke

Mit Dank an Machete04, Martin E., Cornelius und Steffen F.

Nachtrag, 18. August: westline.de hat seinen Artikel überarbeitet und mit einem Hinweis versehen:

Durch ein Missverständnis war aus einer ganz neutralen Aussage des Schalker Managers Horst Heldt eine “Vollzugsmeldung” geworden. Heldt hatte (wie oben im Artikel nachzulesen) lediglich erklärt, dass es sinnlos sei, einen unzufriedenen Spieler unbedingt halten zu wollen.

Beim Übermitteln des Gesprächsinhaltes in eine Onlinemeldung war dann in unserem Haus aus dem Konjunktiv eine Tatsache geworden. Nun hieß es nicht mehr “wenn ein Spieler gehen wolle”, sondern “dass der Spieler gehen will”.

Wir bitten um Entschuldigung wegen der Falschmeldung. Mehr dazu auch im Schalke-Forum.

Journalismus in den Seilen

17 Stunden saßen die Leute, denen Franz Josef Wagner gestern seine “Post” widmete, am Wochenende in der Gondel einer Seilbahn in Schwangau im Allgäu fest. Erst am Samstagmorgen ab 6 Uhr konnten die 19 Fahrgäste und der Gondelführer gerettet werden.

Bei dapd mussten die Eingeschlossenen allerdings nicht so lange ausharren. Schon am Freitag um 18.44 Uhr vermeldete die Nachrichtenagentur ihre Rettung:

45 Bergbahnfahrgäste mit Hubschraubern geborgen

Nach der Kollision eines Tandemgleitschirms mit einem Bergbahntragseil sind am Freitag in Schwangau im Allgäu zwei Gondeln evakuiert worden. 45 Fahrgäste und die beiden Gleitschirmflieger mussten mit mehreren Hubschraubern geborgen werden, wie die Polizei mitteilte.

Erst nach Mitternacht vermeldete dapd, dass zu diesem Zeitpunkt immer noch fast die Hälfte der ursprünglich 45 Menschen in der oberen Gondel festsaßen.

Auch dpa hatte am frühen Freitagabend eine mindestens irreführende Meldung abgesetzt:

Gleitschirm legt Seilbahn lahm – 45 Fahrgäste steckten fest

Schwangau (dpa) – Ein Gleitschirm hat sich am Freitag in Schwangau im Allgäu in einer Seilbahn verfangen und sie damit stundenlang lahmgelegt. 45 Fahrgäste in den Gondeln mussten mit mehreren Hubschraubern geborgen werden.

In der Überschrift der Zusammenfassung von 20 Uhr war aus “45 Fahrgäste steckten fest” überraschend “45 Fahrgäste stecken fest” geworden, aber ansonsten legte der Text den Schluss nahe, dass die Rettungsaktion bereits erfolgreich abgeschlossen war:

Ein Gleitschirm hat sich am Freitag in Schwangau im Allgäu in einer Seilbahn verfangen und sie damit stundenlang lahmgelegt. 45 Fahrgäste in den Gondeln der Tegelbergbahn mussten mit Hubschraubern geborgen werden.

Die Rettungsaktion dauerte bis in den Abend an.

Die dpa erklärte uns auf Anfrage, dass diese Meldungen für die Tageszeitungen des Samstags gedacht waren, die bereits am Abend Redaktionsschluss haben. Es handle sich dabei um einen “Kunstgriff”, die Redaktionen würden meist selbst dazuschreiben, dass die Entwicklung bei Redaktionsschluss noch nicht zu abgeschlossen gewesen sei. (Aus der Meldung selbst ergibt sich das allerdings nicht.)

Anders als dapd setzte dpa seine Berichterstattung am Abend aber fort und meldete so etwa um 22.04 Uhr:

Ein Ausflug in die Berge nahe dem Schloss Neuschwanstein hat für zahlreiche Menschen eine dramatische Wende genommen. Nach einem Unfall steht die Seilbahn still. 45 Menschen sitzen in luftiger Höhe fest.

Da stimmte dann nur die Zahl nicht mehr.

Doch auch nach der erfolgreichen Rettung aller eingeschlossenen ließen die journalistischen Merkwürdigkeiten nicht nach — sie fingen bei Bild.de erst richtig an.

Sonntagmittag vermeldete das Portal:

Er brachte 50 Menschen in Lebensgefahr: Gleitschirm-Pilot auf der Flucht

Und schrieb:

UNFASSBAR, DER GLEITSCHITM-PILOT IST AUF DER FLUCHT!

Der Mann aus dem schweizerischen Kanton Zürich hat sich direkt nach der Bergung in die Schweiz abgesetzt.

Unfassbar und ziemlicher Quatsch — den “Welt Online” gerne übernommen hat:

17 Stunden Angst. Autor: Antje Hildebrandt. Gleitschirmflieger von Gondel-Drama auf der Flucht. Die Situation in der Gondel am Tegelberg war kritischer als bisher angenommen. Der mutmaßliche Schuldige ist in die Schweiz geflüchtet.

Das “Füssener Blatt” hat heute ein Interview mit dem Pressesprecher des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West in Kempten, Christian Owsinski, abgedruckt. Darin heißt es unter anderem:

Der Gleitschirmpilot, der einen Mitarbeiter des Bayerischen Rundfunks in Gurt hatte, hat sich angeblich in die Schweiz abgesetzt. Stimmt das?

Owsinski: Die Formulierung “abgesetzt” ist irritierend, denn der Mann hat sich dem Zugriff der Behörden nicht entzogen. Der Deutsche mit Wohnsitz in der Schweiz ist nach dem Vorfall am Tegelberg in die Schweiz abgereist. Das ist nicht zu beanstanden.

Mit Dank an Norbert P., Murry, Jens und Michael W.

Schatzi, schenk mir ein Foto

Uiuiui:

Eine frivole Lektüre entdeckte ein BILD-Leser-Reporter in diesem Streifenwagen auf der Cranger Kirmes in Herne (NRW). In der Windschutzscheibe liegt gut sichtbar die aktuelle Ausgabe des “Playboy” mit Ex-Turnerin Magdalena Brzeska (33) auf dem Cover.

Damit die Leser von Bild.de wissen, wie so ein “Playboy” mit Magdalena Brzeska drauf aussieht, haben die Grafiker ihn im Foto noch einmal extra hervorgehoben:

Herne in NRW: Nackte Tatsachen im Streifenwagen. Ein Leser-Reporter fotografierte den „verhafteten“ Playboy und berichtet: "Da standen schon einige Leute am Auto und kicherten".

Und die Texter schrieben dazu:

Rechtliche Konsequenzen drohen dem Beamten aber nicht. Also: Beim nächsten Mal am Kiosk auf Nummer sicher gehen – und sich für eine BILD entscheiden…

Zum Vergleich hier noch mal die “Nummer sicher” vom vergangenen Mittwoch, auf der Titelseite, über dem Bruch:

Mit Dank an FreSch und Daniel K.

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