Am Wochenende starb der amerikanische Sänger Scott McKenzie (“San Francisco [Be Sure to Wear Flowers in Your Hair]”) im Alter von 73 Jahren an einem Nervenleiden.
Ebenfalls am Wochenende starb der britische Regisseur Tony Scott (“Top Gun”), als er im Alter von 68 Jahren in Los Angeles von einer Brücke sprang.
Neben diesem durchaus kurios anmutenden Foto, das einen als Autositz “verkleideten” Mann zeigt, schreibt “Bild” heute:
Der Mann hockt in einem Van, über Körper und Beine ist ein beigefarbener Ledersitz gestülpt, der Schädel verhüllt als Kopfstütze. Als “Autositz” wollte der Illegale von Mexiko über die US-Grenze bei San Diego (Kalifornien).
Der Mann im Sitz ist ein Beispiel für die perfiden Tricks von mexikanischen Menschen-Schmugglern. Fünf besonders skrupellose Gangster wurden jetzt verhaftet: Sie hatten 1000 Illegale geschmuggelt, jeweils bis zu 4000 Dollar kassiert.
Die entscheidende Formulierung ist dabei die, wonach der Mann “ein Beispiel” sei. Das ist er nämlich wirklich — und ein mehr als zehn Jahre altes.
Schon am 13. Juli 2001 hatte der “Register Guard”, eine Lokalzeitung aus Portland, Oregon über den Versuch von Enrique Aquilar Canchola berichtet, als Autositz illegal die Grenze zu überqueren.
Nun kann man die Abbildung in “Bild” und bei Bild.de mit viel gutem Willen noch als “Symbolbild” verbuchen, aber der weitere Weg dieses wiedergekäuten Fotos durch die Verwertungskette ist dann nur noch dämlich.
Und auch wenn nicht mal “Bild” behauptet hatte, der Mann habe “jetzt” die Grenze überqueren wollen, schwafelte abendblatt.de vor sich hin:
Der Menschen-Schmuggel von mexikanischen Menschenschmugglern in die USA nimmt neue Dimensionen an. Jetzt versuchten die Betrüger kreativ zu sein und verpackten einen Mann in dem Autositz eines Vans, wie die “Bild” berichtet. (…)
Die Schmuggler können es ihrem “Kunden” nachmachen und werden jetzt wohl ein paar Jahre sitzen – wenn auch nicht als Autositz verpackt.
Auch die Website der österreichischen “Kleinen Zeitung” bezieht sich explizit auf Bild.de und oe24.at zeigt das Foto einfach so.
Mit Dank an pensen34, Balu, Richard und Fabian Sch.
Nachtrag, 5. Februar: abendblatt.de hat den Artikel einfach entfernt.
Nicht, dass das irgendjemand vermutet hätte, aber jetzt ist es offiziell: Friedrich Dürrenmatt arbeitet nicht für die Online-Redaktion des “Hamburger Abendblatts”.
Folgende Überschrift steht jedenfalls seit vielen Stunden online:
Mit Dank an Matti, Markus S., Thomas Sch. und Henry W.
Nachtrag, 16.50 Uhr: abendblatt.de hat die Überschrift geändert. Waren wohl doch Physiker, die da verblüfft waren.
Am 25. Juli 2000 endete die Ära der Concorde mit dem schrecklichen Absturz am Pariser Flughafen Charles de Gaulle. Der Überschalljet fing kurz nach dem Start Feuer und stürzte ab. 113 Menschen fanden den Tod, 109 in der Maschine und vier am Boden. Seit diesem Unfall starteten keine Concorde-Flüge mehr.
Mit diesen stimmungsvollen Sätzen beginnt ein Artikel über die neue Überschallflugzeug-Studie des EADS-Konzerns auf der Website des “Hamburger Abendblatts”.
Doch sie sind falsch: Nach dem Absturz vom 25. Juli 2000 wurden zunächst für 15 Monate alle Concorde-Flüge ausgesetzt. Nach technischen Nachbesserungen nahmen British Airways und Air France den Linienbetrieb im Herbst 2001 wieder auf. Wegen gestiegener Wartungskosten und gesunkenem Passagierinteresse (auch in Folge der Anschläge vom 11. September 2001) entschieden beide Airlines im Jahr 2003, ihre Concordes außer Dienst zu stellen. Der letzte Passagierflug einer Concorde fand am 24. Oktober 2003 von New York nach London statt.
So lautet ein Tweet, der bei Twitter aktuell die Runde macht.
Gemeint ist ein Artikel auf Bild.de, der nach mehreren Änderungen so aussieht:
Damit liegt Bild.de, wo das gefälschte Foto genauso wie auf n24.de, ntv.de, sueddeutsche.de und web.de zwischenzeitlich zu finden war, richtig und inzwischen berichten auch “Spiegel Online”, sueddeutsche.de oder tagesschau.de über das falsche Foto. Wer einen starken Magen hat, kann sich die einzelnen Komponenten der Montage, die schon seit Jahren durch das Netz geistert, etwa hier ansehen: Un fake la foto di bin Laden morto
Auf abendblatt.de findet man das vermeintliche Bild des toten Terroristenführers trotzdem noch — nebst moralischer Rechtfertigung für die Veröffentlichung dieses “mutmaßlich historischen Dokuments”:
Wie schwer sich Bild.de dann doch tut, selbst einmal Medienkritik zu üben, erkennt man nicht nur an der Steffen-Seibert-Gedächtnis-Überschrift, unter der der Artikel ursprünglich erschienen ist:
Ebenfalls in der Ursprungsversion stand folgende inzwischen unauffällig entfernte Passage:
Doch, was zu diesem Zeitpunkt niemand ahnte: Das Foto ist eine Fälschung!
Schon 2008 trat der damalige US-Präsident George W. Bush mit dieser Foto-Montage vor die Presse, verkündete die Nachricht: Bin Laden ist tot!
Etwas derartiges hat Bush nie verkündet. Hier ist Bild.de höchstwahrscheinlich selbst auf eine weitere Fotomontage hereingefallen, die die amerikanische Online-Satirezeitung “Unconfirmed Sources” für den Fakenews-Artikel “Bush Confirms Death of Osama bin Laden” angefertigt hatte:
Aus diesem meist nur im Cache lesbaren Artikel dürfte auch die oben genannte Fotomontage der Leiche bin Ladens, die heute morgen noch so fleißig verwendet wurde, stammen. Der Name der Fotodatei, 20060923-torturedosama, weist darauf hin, dass das gefälschte Bild und die Falschmeldung über den angeblichen Presseauftritt von George W. Bush schon seit dem 23. September 2006 im Umlauf sind.
Lange Zeit glaubten viele Leute, die Erde sei eine Scheibe. Sie wurden von den Leuten für Idioten gehalten, die glaubten, die Erde sei eine Kugel. Jetzt gilt es, neue Idioten zu küren, denn die Medien vermelden heute:
Diese Meldungen sind kein Aprilscherz — nur eine sehr unwissenschaftliche Verknappung von Forschungsergebnissen.
Die Europäische Weltraumbehörde ESA hatte gestern Bilder vorgestellt, die das physikalische Modell der Erdfigur zeigen. Das so genannte Geoid zeigt die hypothetische Oberfläche der Weltmeere, die allein durch die Schwerkraft geformt wird und auf Strömungen und Gezeiten keine Rücksicht nimmt.
Damit die Unterschiede im Schwerefeld der Erde deutlich zu erkennen sind, haben sie die Forscher in zehntausendfacher Übersteigerung dargestellt. So gesehen gleicht die Erde einer unregelmäßig geformten Kartoffel.
Die Bilder zeigen also das unsichtbare Schwerefeld, die Abweichungen sind zehntausendfach verstärkt. Genau genommen wissen das auch die meisten Medien, denn sie schreiben es in ihren Artikeln. Artikel, deren Überschriften behaupten, die Erde sehe aus “wie eine Kartoffel”.
Die ESA hat bei ihren Bildern übrigens die “noch nie dagewesenen Einzelheiten” hervorgehoben. Zu Recht, denn die eigentliche Erkenntnis über die Form des Schwerefelds ist nicht gerade neu — und schon seit Jahren für die Überschriftenmacher der Zeitungen unwiderstehlich:
Das Musical Cats wird bald wieder in Hamburg aufgeführt und was dazu im Online-Auftritt des “Hamburger Abendblatts” zu lesen ist, klingt nach einer Sensation:
Eine der Neuerungen des Welterfolgs, der seine Deutschland-Premiere 1986 in Hamburg feierte und hier 14 Jahre lang im Operettenhaus lief: Es wird auf deutsch gesungen.
Dass es sich dabei um eine Neuerung handelt, wo doch nicht nur Cats, sondern alle großenMusicals von Andrew Lloyd Webber in Deutschland seit eh und je auf Deutsch gesungen werden, hat das “Hamburger Abendblatt” übrigens auch schon in einem Artikel im April dieses Jahres behauptet.
Gute Nachrichten für alle, die von Berlin nach Hamburg mit der S-Bahn pendeln! Sie dürfen sich auch weiterhin ein Bierchen gönnen, sobald sie nach der langen Überlandfahrt in den Bereich des Hamburger Verkehrverbundes (HVV) vorstoßen – zumindest laut der Online-Ausgabe des “Hamburger Abendblatts”:
Wer jetzt meint, es gäbe gar keine Nahverkehrsverbindung zwischen den beiden größten Städten Deutschlands, der muss sich irren. Denn das, was hier so verschwommen, aber erkennbar gelb-rot vorbeifährt, ist ganz offensichtlich kein Hamburger Modell, sondern ein Wagen der Berliner S-Bahn.
Nur fast. Es handelt sich das Making-Of der neuen Werbekampagne des Schuhhändlers, das aber wie redaktioneller Inhalt auf abendblatt.de steht, schön eingebunden in die Meldung, dass Cindy Crawford für Deichmann wirbt. (Falls Sie sich fragen, ob das überhaupt eine Nachricht ist: Anscheinend schon — und nicht zum ersten Mal.)
Eingeordnet wird das nicht unter “Werbung” und auch nicht unter “Berichterstattung über Werbung”. Sondern so:
So richtig angebracht ist das Making-Of-Video eigentlich nur an einem Ort: Im “trendblog” auf deichmann.com.
Eine interessante Logikschleife flicht uns heute das “Hamburger Abendblatt” auf seiner Internetseite:
Wenn es ganz dick kommt, muss Armstrong unter Meineid vor Gericht aussagen. Sollte er dann nachweislich lügen, droht eine Haftstrafe wie bei Sprinterin Marion Jones.
Aber wenn der Radrennfahrer Lance Armstrong unter Meineid lügt — hat er dann nicht alles richtig gemacht?
Nachtrag, 10. Juli: abendblatt.de hat den Fehler im Vorspann korrigiert — an der oben zitierten Stelle steht immer noch “Meineid”.
Nachtrag, 11. Juli: Im Laufe des gestrigen Tages ist auch der zweite “Meineid” aus dem Artikel verschwunden.