Archiv für 6 vor 9

Lindemann-Berichterstattung, Erfundener Tweet?, Drosselung bei X

1. Wenn aus Erin­ne­rungs­lü­cken ein Ver­ge­wal­ti­gungs­ver­dacht wird
(lto.de, Felix W. Zimmermann)
Bei den ganzen gerichtlichen Entscheidungen zur Berichterstattung unterschiedlicher Medien über Rammstein-Sänger Till Lindemann kann man schnell den Überblick verlieren: Was wurde von Gerichten alles untersagt? Und was darf aktuell noch berichtet werden? Da ist es praktisch, dass Felix W. Zimmermann bei “Legal Tribune Online” genau dazu einen Überblick liefert, die aktuellsten Entscheidungen des Landgerichts Hamburg einordnet (“Erstmals werden nun auch Schilderungen von Frauen verboten, aus denen sich der Verdacht der Vergewaltigung ergibt.”) und einen Ausblick gibt, wie es juristisch weitergeht.
Weiterer Lesehinweis: Lindemann war juristisch auch gegen Formulierungen in einer Petition der Organisation Campact vorgegangen. Nach einem Hinweis des Landgerichts Berlin soll der Anwalt des Rammstein-Sängers den Unterlassungsantrag gegen Campact allerdings zurückgezogen haben. Bei Tagesschau.de folgern Daniel Drepper, Elena Kuch, Sebastian Pittelkow und Isabel Schneider aus dem Vorgang, dass man dem Landgericht Berlin zufolge “das Rekrutierungssystem um Lindemann wohl als ‘sexuellen Missbrauch’ bezeichnen” dürfe.

2. RTL setzt Zusammenarbeit mit “Explosiv”-Moderator Maurice Gajda aus
(uebermedien.de, Frederik von Castell)
Im RTL-Magazin “Explosiv” wurde am 5. August in einem Beitrag ein angeblicher Tweet der ehemaligen AfD-Politikerin Frauke Petry eingeblendet, der inzwischen gelöscht sei. Es gibt allerdings große Zweifel daran, dass es diesen Tweet je gegeben hat. Der Vorwurf: Der Reporter habe sich den Tweet ausgedacht. Frederik von Castell berichtet, dass RTL nun erste Konsequenzen ziehe: “Der Sender teilte Übermedien auf Anfrage mit, dass er die Zusammenarbeit mit Moderator und Reporter Maurice Gajda vorerst aussetzt, ‘bis die im Raum stehenden Vorwürfe geklärt sind’.” Von Castell bietet in seinem Beitrag zusätzlich noch einen Service: “Eigentlich sollte man Journalist:innen im Jahr 2023 nicht mehr erklären müssen, wie man Inhalte, die man online findet, sichert. Muss man aber offenbar doch”. Deshalb erklärt er noch einmal, wie online das richtige Archivieren funktioniert.
Weiterer Lesehinweis: Bei “DWDL” schreibt Alexander Krei, er habe von Maurice Gajdas Management als Beweis einen Link zugeschickt bekommen, der einst zum fraglichen, aber längst gelöschten Tweet von Frauke Petry geführt haben soll. Das Problem laut Krei: Dieser Link verweist bekanntermaßen zu einem anderen gelöschten Tweet Petrys.

3. FR-Belegschaft mit Offenem Brief an Ippen: “Enorme Ungerechtigkeit” bei der Bezahlung
(journal-frankfurt.de, Katja Thorwarth)
“Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Frankfurter Rundschau sind unzufrieden mit ihrem Gehalt”, schreibt Katja Thorwarth und berichtet von einem Offenen Brief, in dem die Belegschaft von der Geschäftsführung des Ippen-Verlags eine “Rückkehr in eine tarifliche Bezahlung” fordert. Thorwarth kennt sich mit der Materie aus: Sie schrieb einst selbst für die “Frankfurter Rundschau”.

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4. RBB weist Vorwürfe gegen Chefredakteur Biesinger zurück
(dwdl.de, Manuel Weis)
Der RBB widerspreche vehement einem Bericht des Portals “Business Insider”, der sich mit dem inzwischen gestoppten Bau des Medienhauses des öffentlich-rechtlichen Senders befasse und RBB-Chefredakteur David Biesinger Fehler ankreide.

5. X verhängte Zeitstrafe für missliebige Links
(spiegel.de)
Die einst als Twitter bekannte Plattform X soll für bestimmte Links eine Drosselung eingebaut haben: “Experten entdeckten eine merkwürdige Verzögerung, die auftrat, wenn man in dem sozialen Netzwerk Links aufrief, die zur ‘New York Times’, zur Nachrichtenagentur Reuters sowie zu mehreren Konkurrenzangeboten führten.” So seien nicht nur aus Sicht von X-Eigentümer Elon Musk unliebsame Medien, sondern auch die zu X in Konkurrenz stehenden Plattformen Bluesky, Facebook und Instagram ausgebremst worden. Laut golem.de habe das Unternehmen die Verzögerung nach öffentlicher Kritik wieder aufgehoben.

6. 35 Jahre Geiseldrama von Gladbeck: Was Medien heute anders machen würden
(deutschlandfunk.de, Herwig Katzer, Audio: 5:32 Minuten)
Vor 35 Jahren, am 16. August 1988, begann das Geiseldrama von Gladbeck. Herwig Katzer nimmt das zum Anlass, noch einmal auf all die furchtbaren Aussetzer der Journalisten und Journalistinnen vor Ort zurückzublicken. Er spricht auch mit einem bemerkenswert selbstkritischen Udo Röbel, der damals nicht davor zurückschreckte, ins Fluchtauto der Geiselnehmer zu steigen und sie aus Köln zu lotsen.

“Clan-Kriminalität”, Medien im Exil, Hass gegen Herr Ingeborg

1. “Clan-Kriminalität”: Gefährliche Diskurse über gefühlte Wahrheiten
(fr.de, Yağmur Ekim Çay)
“Die Redaktion der Frankfurter Rundschau hat den umstrittenen Begriff ‘Clan-Kriminalität’ intern umfassend diskutiert. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass er politisch missbraucht wird und Menschen stigmatisiert. Deshalb werden wir die Bezeichnung nur in Ausnahmefällen verwenden – nämlich wenn wir über Polizeieinsätze und politische Debatten berichten, in denen die Kategorie zentral ist. Um uns von der falschen und gefährlichen Rhetorik zu distanzieren, setzen wir von nun an den Begriff in Anführungszeichen oder machen das mit sprachlichen Formulierungen wie sogenannte Clan-Kriminalität deutlich”, schreibt die “FR”-Redaktion “in eigener Sache”. Diese Positionierung ist eingebettet in einen Text von Yağmur Ekim Çay zum Thema. Zusätzlich gibt es ein Interview mit Thomas Feltes: “Kriminologe kritisiert den Begriff ‘Clan-Kriminalität’ und Faeser: ‘PR-Gag im Vorfeld der Wahl in Hessen'”.

2. Keine Nachrichten sind schlechte Nachrichten. Medien im Exil als “letzte Bastion der Freiheit”
(de.ejo-online.eu, Simone Benazzo)
Simone Benazzo hat zu Exilmedien geforscht und präsentiert beim Europäischen Journalismus-Observatorium eine Zusammenfassung seiner Ergebnisse: 98 Exilmedien aus 33 Ländern konnte er ausmachen. Was verbindet sie? Und wo liegen die Unterschiede je nach Herkunftsregion?

3. Die Hasswelle rollt: Erste queere Person im “Sandmännchen”
(tagesspiegel.de, Joachim Huber)
Mit Herr Ingeborg gibt es erstmals in sechs Jahrzehnten eine queere Figur beim “Sandmännchen”. Angetrieben vom Entsetzen verschiedener einschlägiger Medien (“Nius”, “Junge Freiheit”, “Bild”) sei eine Welle des Hasses ins Rollen gekommen. Joachim Huber kommentiert, dass diese Empörung empören müsse: “Da hilft kein Drumherumreden, da hilft keine Beschwichtigung: Hier toben sich Menschenfeinde aus. Und deswegen: Lasst nicht einen Herrn Ingeborg, lasst viele Herren Ingeborg um uns sein.”

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4. Qualifizierte Ausbildung für Nachwuchs beim Film
(mmm.verdi.de, Andrea Wenzek)
Wie in so vielen Branchen herrscht auch in der Filmbranche ein Nachwuchs- und Fachkräftemangel. Das liege unter anderem “an den Arbeitsbedingungen für die Filmschaffenden: Befristete Arbeitsverträge, 12stündige Drehtage und eine erhöhte Arbeitsverdichtung”, schreibt Andrea Wenzek, aber auch am “unübersichtlichen Aus- und Weiterbildungsbildungsdschungel”. Wenzek präsentiert erste Initiativen, die das “kaum vorhandene und kaum regulierte deutsche Ausbildungssystem für die Filmberufe” verbessern wollen, um dem “Personalnotstand in der deutschen Filmwirtschaft entgegenzuwirken.”

5. “Es gibt nur zwei Monate, in denen Ruhe ist”
(dwdl.de, Manuel Weis)
Manuel Weis porträtiert Sky-Reporter Florian Plettenberg, der ein bekannter Vertreter einer ganz besondere Journalismusnische ist: Des Transferjournalismus, in dem es um die Vereinswechsel von Fußballspielern geht. Der Text ist allein schon wegen der Gaga-Aussagen Plettenbergs lesenswert. Kostprobe: “Je größer das ‘Transfer Update’ wird, desto größer werde ich auch.”

6. Digitales killt Requisite: Warum sich der SWR von seinem Fundus trennt
(deutschlandfunk.de, Thomas Wagner, Audio: 6:25 Minuten)
Ob Ritterrüstungen, Flipperautomaten oder Leichenteile – im Fundus des SWR gibt es alle möglichen Großrequisiten, geschätzt sind es 11.500 verschiedene Teile. Nun will der Sender den Fundus aber weitgehend auflösen: 80 Prozent will er loswerden. Dafür gibt es verschiedene Gründe: Die Kosten für die Aufbewahrung sollen reduziert werden, digitale Technologien machen analoge Requisiten immer häufiger überflüssig, und viele Produktionen sind inzwischen an externe Firmen mit eigenem Fundus ausgelagert worden.

Türkei-Reisen, Mit Lügen Politik machen, Berichte aus der Sahelzone

1. Journalistenverband rät von Türkeireisen ab
(spiegel.de)
Gökay Akbulut, Bundestagsabgeordnete der Partei Die Linke, wurde kürzlich bei ihrer Einreise in die Türkei für mehrere Stunden festgenommen. Vier Jahre alte Social-Media-Posts sollen ihr als “Terrorpropaganda” vorgehalten worden sein. “Wenn selbst die parlamentarische Immunität einer Abgeordneten nicht vor der Festnahme schützt, sei die Gefahr für Journalistinnen und Journalisten umso größer”, warnt der Deutsche Journalisten-Verband. Dessen Bundesvorsitzender Frank Überall sagt: “Wer sich als Journalist schon einmal kritisch in den eigenen Beträgen und in den sozialen Netzwerken über die Türkei, ihren Präsidenten oder die Regierungspartei AKP geäußert hat, sollte sich von dem Land fernhalten.”

2. Wenn mit Lügen Politik gemacht wird
(zeit.de, Kai Biermann)
“Irgendjemand hat es auf sie abgesehen und verbreitet im Internet Lügen. Sie ist das Opfer einer breit angelegten Desinformationskampagne. Steckt dahinter die Führung eines Landes, das sie als Politikerin kritisiert hat?” Kai Biermann schreibt über die EU-Parlamentarierin Hannah Neumann und rekonstruiert dabei sehr lesenswert die Kampagne, die gegen die Politikerin läuft: vom ersten Text mit haltlosen Vorwürfen über offensichtlich extra für dessen Verbreitung geschaffene Twitter-Accounts bis zu vermeintlich seriösen Websites, die die Vorwürfe aufgreifen. Biermann hat mit Expertinnen und Experten für Desinformation über den Fall gesprochen und auch den Urheber des Ausgangstextes per Telefon erreicht.

3. Berliner Sumpf oder BRD-Mief?
(taz.de, Caspar Shaller)
Gut ein Jahr ist es her, dass RBB-Intendantin Patricia Schlesinger fristlos entlassen wurde. Caspar Shaller fasst die damaligen Vorgänge noch einmal zusammen und blickt auf die aktuelle Situation beim öffentlich-rechtlichen Sender. “Doch die Affäre rbb ist weder eine Lokalposse noch eine Geschichte über die dysfunktionale Hauptstadt”, so Shaller, sondern “ein typisches Problem der miefigen BRD”.

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4. Journalist Lutz Mükke beklagt die mediale Vernachlässigung des Sahel
(deutschlandfunk.de, Antje Allroggen, Audio: 8:23 Minuten)
Lutz Mükke forscht und publiziert schon viele Jahre zur Afrika-Berichterstattung deutscher Medien. Im Interview mit dem Deutschlandfunk spricht er speziell über die Sahelzone, die nach dem Putsch im Niger wieder in den medialen Fokus gerückt ist. Deutsche Redaktionen hätten sich bisher “ganz wenig, leider Gottes ganz wenig” für den Sahelraum interessiert, “und das schon seit vielen Jahren”, so Mükke. Man habe sich schon länger nicht mehr “um tiefgreifende Berichterstattung bemüht.” Mükke nennt verschiedene Gründe, die aus seiner Sicht dazu beigetragen haben.

5. Blackbox-Reporting: Wie Journalist*innen über KI und Algorithmen berichten können
(medium.com, Katharina Brunner & Rebecca Ciesielski & Uli Köppen & Cécile Schneider)
Künstliche Intelligenz (KI) und Algorithmen spielen eine immer größere Rolle, auch als Objekt der Berichterstattung. Aber wie können Journalistinnen und Journalisten fachkundig und angemessen kritisch über KI berichten? Ein Team des Bayerischen Rundfunks, das schon länger in dem Themenfeld recherchiert, hat dazu ein sogenanntes Whitepaper veröffentlicht. Es bietet “vier Ansätze für KI-Recherche”: 1. “Wichtig ist, was rauskommt: Recherche mit Experimenten”, 2. “Software auf dem Prüfstand: Recherche mit technischen Analysen”, 3. “Recht auf Einblick: Recherche mit juristischen Mitteln” und 4. “Erklär mir den Algorithmus: Interviews und Anfragen”. Der oben verlinkte Beitrag bietet eine Zusammenfassung, das 19-seitige Whitepaper (PDF) einen ausführlicheren Einblick.

6. Wo Hafer und Korn verloren sind
(coffeeandtv.de, Lukas Heinser)
Über den Auftritt der Medienpersönlichkeiten Markus Lanz und Richard David Precht beim Kongress “Zukunft Handwerk” wurde schon an verschiedenen Stellen geschrieben. Aber so wütend wie der Text von BILDblog-Mitarbeiter Lukas Heinser dürfte kein anderer gewesen sein. Wer sich auch über das Lanz-Precht-Geschwafel von “Hafermilch-Gesellschaft” und über das Mokieren über “Work-Life-Balance”-suchende junge Leute geärgert hat, sollte klicken. Und alle anderen auch.

Höcke-Interview, Schüsse auf die Pressefreiheit, “Barbie”-Verbot

1. Hilfe, mein Interviewer brummt!
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Nach dem MDR-“Sommerinterview” mit dem rechtsextremen thüringischen AfD-Politiker Björn Höcke gab es die Diskussion, ob man jemandem wie Höcke medial Platz geben sollte (siehe die “6 vor 9” von vergangenem Freitag). Und wenn ja, dann wäre die Frage: wie? Nach Sichtung des Interviews hat Stefan Niggemeier noch eine weitere Frage – und auch eine klare Antwort: Die Gesprächsführung des MDR-Moderators zeige, “dass es ein viel elementareres Problem gibt als die gerade mal wieder heftig diskutierte Frage, ob und wie man am besten ein Interview mit Björn Höcke führen sollte. Nämlich: Wie man überhaupt ein Interview führt. Kurz gesagt: So nicht.”

2. Artikel über Rammstein-Sänger von SZ und NDR: Lindemann erwirkt weitere einstweilige Verfügungen
(tagesspiegel.de)
Till Lindemann und dessen Anwälte haben vor dem Landgericht Hamburg einstweilige Verfügungen gegen Artikel des NDR und der “Süddeutschen Zeitung” (nur mit Abo lesbar) erwirkt. Unter dem NDR-Beitrag, der bei tagesschau.de erschienen ist, steht nun: “Das Gericht untersagte auf Antrag des Rammstein-Musikers Till Lindemann, von sexuellen Handlungen zu schreiben, denen die Frauen nicht zugestimmt hätten. Die Redaktion von tagesschau.de hat sich dazu entschieden, die Passagen zunächst entsprechend anzupassen. Der NDR prüft Rechtsmittel.” Einem Twitter-Thread zufolge stehe für die Redaktion der “SZ” bereits fest, dass sie Rechtsmittel gegen die einstweilige Verfügung einlegen wird. Das beteiligte NDR-Rechercheteam betont zu der Entscheidung des Landgerichts: “Große Teile der Berichterstattung bleiben auch nach den Verfügungen online.”

3. Drei Schüsse auf die Pressefreiheit
(taz.de, Knut Henkel)
Vergangene Woche wurde der ecuadorianische Präsidentschaftskandidat Fernando Villavicencio erschossen. Villavicencio war lange als Journalist tätig und “dank seiner investigativen Recherchen, vor allem im hochkorrupten Ölsektor, alles andere als beliebt bei den Eliten”, schreibt Knut Henkel. Der Artikel schlägt einen Bogen zur allgemeinen Lage der Pressefreiheit in Ecuador.
Weiterer Lesehinweis: Anders als im oben verlinkten Artikel zu lesen ist, wurde inzwischen doch nicht die Umweltaktivistin Andrea González Náder, sondern der Journalist Christian Zurita von Villavicencios Partei als Ersatzkandidat nominiert.

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4. Journalisten trotzen den Gefahren
(reporter-ohne-grenzen.de)
Bald jährt sich die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan zum zweiten Mal. Die Organisation Reporter ohne Grenzen erinnert daher “an das Schicksal und den Widerstand afghanischer Journalistinnen und Journalisten. Sie recherchieren trotz schwierigster Bedingungen vor Ort weiter oder informieren die Bevölkerung aus dem Exil.”

5. MDR setzte Belieferung der “Tagesschau” mit Regional-News aus
(dwdl.de, Alexander Krei)
Für mehr als zwei Wochen soll es laut einer Recherche der “Mitteldeutschen Zeitung” (nur mit Abo lesbar) in der App und auf der Website der “Tagesschau” keine Regionalnachrichten aus Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt gegeben haben. Grund dafür sei ein Streit zwischen der in Hamburg angesiedelten Redaktion ARD-aktuell und dem MDR. Alexander Krei schreibt bei “DWDL” dazu: “Im April hatte ARD-aktuell damit begonnen, die für ‘tagesschau.de’ zugelieferten Texte der Landesrundfunkanstalten nicht mehr als externe, sondern als eigene Beiträge zu kennzeichnen. Seither werden die Leserinnen und Leser nicht mehr zur jeweiligen Landesrundfunkanstalt weitergeleitet, sondern bleiben im ‘Tagesschau’-Angebot – was der MDR-Führung offenbar nicht gefällt, weil sie dadurch eine Schwächung des eigenen Angebots fürchtete.” Inzwischen könne man bei tagesschau.de wieder Neuigkeiten aus den drei Bundesländern finden.

6. Libanesische Regierung will »Barbie«-Vorführung verbieten
(spiegel.de)
Der weltweit irre erfolgreiche Film “Barbie” sollte eigentlich Ende des Monats auch im Libanon in die Kinos kommen. Dieses Vorhaben stoppte nun aber der libanesische Kulturminister Mohammed Mourtada: “Barbie” mache “Werbung für Homosexualität und Geschlechtsumwandlung” und verstoße gegen die “moralischen und religiösen Werte”.
Weiterer Lesehinweis: Auch in Kuwait wurde “Barbie” verboten, aufgrund von “Ideen und Überzeugungen, die der kuwaitischen Gesellschaft und öffentlichen Ordnung fremd” seien, teilte der fürs Kino zuständige Zensurausschuss mit.

KW 32/23: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Wochenendausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

***

1. Vom Umgang mit Hintergrundgesprächen
(deutschlandfunk.de, Ann-Kathrin Büüsker, Audio: 49:05 Minuten)
Wie läuft das eigentlich, wenn Journalistinnen und Journalisten auf der einen Seite und Politikerinnen und Politiker auf der anderen zu Hintergrundgesprächen zusammenkommen? Was bedeutet es, wenn ein Gespräch “unter drei” läuft? Und wieso kann schon die Frage maßgeblich sein, wer zu dem Treffen überhaupt eingeladen hat? Im “Politikpodcast” des Deutschlandfunks (Dlf) sprechen Katharina Hamberger, im Dlf zuständig für die Berichterstattung über CDU/CSU und das Bundesinnenministerium, Stephan Detjen, Leiter des Hauptstadtstudios, Johannes Kuhn, der die Partei Die Linke und die Digitalisierungspolitik journalistisch bearbeitet, und Ann-Kathrin Büüsker, Klimakorrespondentin und zuständig für die FDP, über die nötige Nähe zur Politik und die genauso nötige Distanz. Ein interessanter Blick hinter die Kulissen der Politikberichterstattung – zum Glück “unter eins”, also: Alles, was das Quartett bespricht, ist zur Veröffentlichung bestimmt.

2. Brauchen wir gemeinnützigen Journalismus?
(br.de, Nina Landhofer, Audio: 30:21 Minuten)
Journalismus kann in Deutschland nicht gemeinnützig sein, zumindest aktuell nicht. Journalistische Projekte, die als gemeinnützig gelten wollen, müssen derzeit noch einen Umweg gehen, beispielsweise über zusätzliche Bildungsarbeit. Aber bräuchte es für eine vielfältige Medienlandschaft nicht einen gemeinnützigen, spendenbasierten Journalismus? Darüber spricht Nina Landhofer mit Susanne Stiefel von der gemeinnützigen “Kontext:Wochenzeitung”, mit Grünen-Politikerin Tabea Rößner, die dafür sorgte, dass das Thema gemeinnütziger Journalismus im aktuellen Koalitionsvertrag zu finden ist, und mit der Journalistin Maryse Sulimma, die Einblicke in den gemeinnützigen Journalismus in den USA liefert, wo alles schon deutlich besser klappt.

3. Das Millionengeschäft mit OnlyFans & Co.
(ardmediathek.de, Video: 32:07 Minuten)
In der Doku-Serie “Money Maker” werden Menschen porträtiert, die auf unterschiedlichste Weise Geld verdienen. Dieses Mal ist es eine Person, die sich selbst folgendermaßen vorstellt: “Hi, ich bin Bonny und ich ziehe mich für Geld aus und habe damit in den letzten zwei Jahren über eine Million gemacht.” Bonny Lang produziert Inhalte für Plattformen wie OnlyFans. In dem Beitrag geht es aber nicht nur ums große Abkassieren, sondern auch um die möglichen negativen Folgen ihres Geschäftsmodells.

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4. Kinderfernsehen unter der Lupe: Wunsch und Realität
(laeuft-programmschau.podigee.io, Alexander Matzkeit, Audio: 19:08 Minuten)
Wie sollte Kinderfernsehen aussehen? Was wünschen sich die Eltern? Und wie ist Kinderfernsehen momentan tatsächlich? Eine neue Studie (PDF) habe “Elternwünsche ans Kinderfernsehen und die Realität in den Sendern miteinander abgeglichen”. Alexander Matzkeit spricht mit Maya Götz, die die Studie durchgeführt hat, über die Erkenntnisse.

5. Bibliothek früher und heute: Von der Bücherei zum “Dritten Ort”
(buecherrausch.podigee.io, Marcus Anhäuser, Audio: 34:17 Minuten)
In der letzten Folge von “BücherRausch”, des Podcasts der Städtischen Bibliotheken Dresden, schaut sich Marcus Anhäuser die Entwicklung der Bibliothek in den vergangenen Jahrzehnten an – vom Aufbewahrungsort für Bücher hin zum sogenannten Dritten Ort, der Ausgleich zu Beruf und Zuhause bieten soll. Anhäuser blickt zum Beispiel auf die Veränderung beim Verhältnis zwischen Bibliothek und Publikum: War die Bibliothek in der DDR noch Teil des staatlichen Systems, der nicht kritisiert werden durfte, gebe es heute eine Begegnung auf Augenhöhe.

6. New York: PR und Charity
(rbb-online.de, Ortrun Schütz, Audio: 39:45 Minuten)
Der Podcast “Banksy – Rebellion oder Kitsch” nähert sich in neun Folgen dem Kunstphänomen Banksy. Diese Folge handelt davon, wie es dem Streetart-Künstler “auf einzigartige Art und Weise gelingt, politischen Aktivismus und PR für sein eigenes Werk miteinander zu verbinden.” Ortrun Schütz zeigt anhand einer Kunstaktion in New York, wie der PR-Weg von Social Media über klassische Medien hin zu einem “wahren Banksy-Hype” funktioniert.

“Aktenzeichen XY”, Höcke-Interview, Im Prospekt lebt das Hackfleisch noch

1. Wem wollte Eduard Zimmermann Angst machen und warum?
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Gestern Abend lief im ZDF die knapp eineinhalbstündige Doku “Diese Sendung ist kein Spiel – Die unheimliche Welt des Eduard Zimmermann”. Stefan Niggemeier hat sie sich angeschaut: “Wenn man den Film von Regina Schilling über ‘Aktenzeichen XY ungelöst’ beim Wort nimmt, war die legendäre ZDF-Sendung womöglich ein groß angelegtes Propagandaprojekt, mit dem Eduard Zimmermann die Frauen dazu bringen wollte, ‘brav zuhause zu bleiben'”. Niggemeier findet, der Film sei “brillant komponiert, voller unglaublicher Sendungsszenen vor allem aus den Sechziger- und Siebzigerjahren, die die Autorin mit den gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen in der Bundesrepublik kontrastiert und mit persönlichen Anmerkungen versieht. Er hat nur einen Haken: Er überzeugt mich nicht.”
Weiterer Lesetipp: Die Kritik bei “DWDL” zu Schillings Doku liest sich so, als sei Autor Alexander Krei durchaus von ihr überzeugt.

2. Einladung an alle?
(mdr.de, Ralf Heimann)
Björn Höcke, rechtsextremer thüringischer AfD-Landessprecher, war vor zwei Tagen für das jährliche Sommerinterview beim MDR. Ralf Heimann geht in der Medienkolumne “Altpapier” (die ebenfalls beim MDR erscheint) der “immer wieder gestellten Frage” nach: “Muss das denn sein?” Eine Antwort darauf sei kompliziert, schreibt Heimann und versucht, eine zu finden.

3. Neues Klima im Journalismus: Viele Wege in die Krise
(taz.de, Adefunmi Olanigan)
Eines sei klar, schreibt Adefunmi Olanigan in der “taz”: “Klima gehört zur Berichterstattung. Das Bewusstsein für das Thema ist in vielen Redaktionen gewachsen, auch durch die Klimabewegung.” Nur wie berichten die unterschiedlichen Medien über Klima, mit welcher Infrastruktur: mit eigenen Klimaressorts, mit regelmäßigen Themenschwerpunkten, mit ressortübergreifenden Teams? Olanigan beleuchtet unterschiedliche, derzeit praktizierte Ansätze verschiedener Redaktionen.

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4. Koordinierter Vertrauensverlust
(cemas.io, Lea Frühwirth)
“Wenn die Gefahren von Desinformation thematisiert werden, geht es oftmals nur in einer kurzfristigen Betrachtung darum, dass Menschen falsche Behauptungen für wahr erachten und dass hieraus unmittelbare Probleme entstehen”, schreibt Lea Frühwirth im Blog des Centers für Monitoring, Analyse und Strategie CeMAS: “Zur umfassenden Betrachtung von Desinformation gehört jedoch auch der Blick auf ihre langfristigen Auswirkungen auf die Demokratie.”
Frühwirth erklärt anhand verschiedener Beispiele und Untersuchungen, warum Desinformation “ein konstanter Stressfaktor für demokratische Gesellschaften” ist.

5. Strafaussetzung zur Bewährung nach Absprache zu “mild”?
(community.beck.de, Henning Ernst Müller)
Ein, so der Vorwurf, zu mildes Urteil des Amtsgerichts Regensburg in einem Vergewaltigungsfall sorgte jüngst für wütende Kommentare und hitzige Debatten in klassischen wie Sozialen Medien. Zieht eine Entscheidung eines Gerichts derartige Reaktionen nach sich, lohnt es immer, sich differenzierte Einschätzungen von Juristen anzusehen. Zum Fall aus Regensburg erklärt Juraprofessor Henning Ernst Müller in seinem Beitrag unter anderem, was aus seiner Sicht durchaus für eine Bewährungsstrafe spricht. Und er wirft exemplarisch einen Blick auf die Berichterstattung der “Welt” zum Gerichtsurteil: “In diesem ausführlichen Beitrag wird die 6-monatige Untersuchungshaft nicht erwähnt. Das ist, Verzeihung, liebe Journalisten der ‘Welt’, eine schon grobe Verzerrung der Wirklichkeit.” Müllers Text ist bereits eine Woche alt, aber immer noch sehr lesenswert.

6. Lang lebe das Hack
(zeit.de, Moritz Hürtgen)
Moritz Hürtgen hat sich heldenhaft in die Flut aus Werbeprospekten gestürzt, sei es von Aldi, Lidl, Hit oder Edeka: “Auch ich hatte das auflagenstärkste deutsche Printprodukt bisher unterschätzt. Zu Unrecht, wie ich heute zugeben muss. Wenn etwas mit 25 bis 30 Millionen Exemplaren pro Ausgabe gedruckt wird (Bild-Auflage mal 25 bis 30), dann kommt man irgendwann einfach nicht mehr daran vorbei. Dann ist die Diskursmacht zu groß.” Hürtgens erste Erkenntnis “nach ein paar Stunden Lektüre”: “Hier lebt das Hackfleisch noch!”

Journalistisches Multitasking, Radiozoff, Cringe Jugendwort-Wahl

1. EU-Bürger wünschen sich laut Studie mehr Maßnahmen gegen Fake News
(zeit.de)
Eine Studie der Bertelsmann Stiftung zeige, dass Falschinformationen und gefälschte Fotos im Internet viele EU-Bürgerinnen und -Bürger verunsichern. 54 Prozent der Befragten würden sich oft oder sehr oft unsicher fühlen, wenn sie online Informationen erhalten. Eine klare Mehrheit wünsche sich, dass die Politik stärker gegen die Verbreitung von Desinformation vorgeht, und 89 Prozent würden ein stärkeres Engagement der Betreiber von Online-Plattformen erwarten.

2. “Verloren im Klein-Klein”
(deutschlandfunk.de, Sebastian Wellendorf, Audio: 5:59 Minuten)
Nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan im Jahr 2021 mussten viele afghanische Journalisten und Journalistinnen, die für ausländische Medien gearbeitet hatten, das Land verlassen. Der Journalist Martin Gerner, der mehrere von ihnen bei der Ausreise unterstützt hat, betont die unverzichtbare Rolle dieser lokalen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Trotz ihrer wichtigen Arbeit in Afghanistan würden sie in Deutschland auf Integrationsprobleme und Druck stoßen, insbesondere beim Spracherwerb.

3. Zwischen Job, Herzensprojekt und Ehrenamt
(fachjournalist.de, Gunter Becker)
Viele Journalistinnen und Journalisten, insbesondere freiberufliche, setzen auf mehrere Standbeine: Neben ihrer Haupttätigkeit betreiben sie Blogs, schreiben Bücher oder produzieren Filme. Manche engagieren sich zusätzlich in NGOs und bei Kampagnen. Gunter Becker stellt drei dieser “Multiengagierten” vor: Die Kamerafrau Susanne Hensdiek, die neben ihrer Arbeit Dokumentarfilme dreht und NGOs unterstützt, die Journalistin Oyindamola Alashe, die neben ihrer journalistischen Tätigkeit Bücher schreibt und sich für soziale Themen einsetzt, und den Datenjournalisten Lorenz Matzat, der sich sowohl in der Medienbranche als auch im NGO-Bereich engagiert.

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4. Für mehr Transparenz
(taz.de, Wilfried Urbe)
Der neue Medienstaatsvertrag stärkt die Kompetenzen der Rundfunk- und Verwaltungsräte, die Zusammensetzung der Gremien werde jedoch kritisiert. Viele Mitglieder seien in Politik, Behörden oder Verbänden tätig. Es fehle an der Vertretung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen, etwa von Menschen mit Behinderungen. Experten würden die Notwendigkeit eines Kulturwandels in den Einrichtungen betonen und eine bessere Repräsentation der Gesellschaft in den Räten fordern. “taz”-Autor Wilfried Urbe weist zudem auf den Altersdurchschnitt in den Gremien hin, der bei über 50 Jahren liege.

5. Radiozoff in Sachsen
(verdi.de, Günther Herkel)
Wie Günther Herkel berichtet, kritisiert der Bundesverband Freier Radios die Vergabe einer Lizenz als “Nichtkommerzielles Lokalradio” durch die Sächsische Landesmedienanstalt an das private Radio WSW, die mit der Gewährung von Fördermitteln einhergeht. Dieser Schritt werde als Verschiebung der “Grenzen des Mediensystems” betrachtet, da er die klare Trennung zwischen kommerziellen und nichtkommerziellen Veranstaltern verwische.

6. Digga, goofy und Side eye
(tagesschau.de)
Die Entscheidung über das “Jugendwort des Jahres” steht an, und “Tagesschau”-Sprecherin Susanne Daubner hat es sich nicht nehmen lassen, jeden einzelnen der zehn zur Wahl stehenden Begriffe einzulesen. Eine Aktion irgendwo zwischen slay und cringe.

Kontroverse um Berichterstattung, Globaler Süden, KI-Radio

1. War doch nicht so gemeint
(kontextwochenzeitung.de, Johanna Henkel-Waidhofer)
Das baden-württembergische Innenministerium hat dem Journalisten Franz Feyder falsche Berichterstattung über Machtnetzwerke in der Polizei vorgeworfen. Die Opposition sieht das grundsätzlich anders und fordert eine Entschuldigung von Innenminister Thomas Strobl, nicht nur beim betroffenen Journalisten, sondern auch bei den “Stuttgarter Nachrichten” und der “Stuttgarter Zeitung”. Johanna Henkel-Waidhofer erläutert die Kontroverse hinsichtlich ihrer medialen und politischen Aspekte.

2. #TelegramBriefing Juli ’23
(fairmedia.ch)
Für den gerade beendeten Monat Juli hat die Initiative “Fairmedia” eine Datenanalyse von Telegram-Kanälen mit Bezug zur Schweiz durchgeführt, mit besonderem Fokus auf das Thema Hitze. Dabei wurden verschiedene Inhalte identifiziert, die nicht verifiziert werden konnten oder klare Falschaussagen enthielten, beispielsweise in Bezug auf Hitze und einen angeblichen Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Derlei Erzählungen seien auch von Medien wie der “Weltwoche” übernommen worden.

3. Die Welt spricht miteinander
(journalist.de, Hanna Israel)
Beim “journalist” berichtet “Zeit-Online”-Projektleiterin Hanna Israel über das Format “The World Talks”, das von ihrer Redaktion sowie 15 Medienpartnern ins Leben gerufen wurde und tausende Menschen aus 116 Ländern zu Gesprächen zusammenbrachte: “Die Idee, einander unbekannte Menschen zu politischen Vieraugengesprächen zusammenzubringen, hatten wir erstmals vor der Bundestagswahl 2017. Westliche Gesellschaften schienen damals besonders gespalten, auch die deutsche. Wir fragten uns in der Redaktion von Zeit Online: Sprechen wir eigentlich noch genug mit Menschen, die politisch anderer Meinung sind? So entstand die Idee eines ‘politischen Tinders’.”

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4. Den Globalen Süden kaum im Bild
(de.ejo-online.eu, Ladislaus Ludescher)
Ladislaus Ludescher hat untersucht, wie viel Sendezeit und Aufmerksamkeit Österreichs wichtigste Nachrichtensendung “Zeit im Bild 1” und die größte österreichische Nachrichtenseite ORF.at dem Globalen Süden widmen. Das Ergebnis ist ernüchternd, wobei die mediale Marginalisierung des Globalen Südens Routine habe. Eine knapp elfminütige Videozusammenfassung der Ergebnisse kann man sich hier ansehen.

5. KI-gesteuertes Radio bigGPT gestartet
(verdi.de)
Gestern ist “BigGPT” gestartet, ein von Künstlicher Intelligenz (KI) gesteuerter Webradiosender, der vollständig aus computergenerierten Inhalten und synthetischen Stimmen besteht. Die KI-Moderatorin “bigLayla” werde durch Trainingsdaten, die auf GPT-Modellen basieren, und Anweisungen von Redakteuren und Redakteurinnen gesteuert, die ihr journalistische Aufgaben für die aktuelle Berichterstattung und die Musikzusammenstellung geben. Trotz der Automatisierung halte man sich an journalistische Standards und ethische Regeln und lasse die Inhalte vor der Veröffentlichung von der Redaktion prüfen, sagt der technisch verantwortliche Koordinator des Senders.

6. Wir wollen neue Stimmen im Journalismus fördern
(spiegel.de)
Der “Spiegel” und die Deutschlandstiftung Integration haben das Journalismus-Stipendium “Geh Deinen Weg” gestartet, um die Diskrepanz zwischen dem Anteil der Bevölkerung mit Einwanderungsgeschichte in Deutschland (über 27 Prozent) und dem Anteil von Medienschaffenden mit Migrationsbiografie (unter 10 Prozent) zu überwinden. Das Stipendium biete Mentoring durch erfahrene “Spiegel”-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter, Zugang zu Fortbildungen sowie die Möglichkeit zu Austausch und Vernetzung. Ziel sei es, Vielfalt und Diversität in den Medien zu fördern.

Haftstrafe wegen Attacke, Falsche Außenministerin, Roberto Saviano

1. Haftstrafe nach Angriff auf Reporter bei Pressekonferenz
(zeit.de)
Ein 24-jähriger Mann wurde vom Amtsgericht München zu zehn Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt, weil er im August 2022 im Anschluss an eine Corona-Pressekonferenz einen Journalisten des Bayerischen Rundfunks körperlich attackiert hatte. Der Angeklagte hatte den Angriff teilweise gestanden und sein Verhalten bedauert, anwesende Pressevertreter jedoch zu Prozessbeginn als “Drecksjournalisten” beschimpft.

2. Gegen Festlegung der Länderchefs
(djv.de, Hendrik Zörner)
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) kritisiert die Aussagen von sechs Ministerpräsidenten und einer Ministerpräsidentin, die sich gegen eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags ausgesprochen haben, ohne die Empfehlung der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten KEF abzuwarten. Der stellvertretende DJV-Bundesvorsitzende Mika Beuster wertet dies als “Angriff auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk” und kritisiert eine Ignoranz gegenüber Expertenmeinungen.

3. Verschwörungserzählungen und die AfD
(cemas.io, Pia Lamberty & Josef Holnburger)
“Mit der Berichterstattung über den kürzlichen Bundesparteitag im Zuge der Entwicklung des Europawahlprogramms und der Abstimmung über die Kandidierendenliste der Alternative für Deutschland (AfD) zeigte sich noch einmal verstärkt der rechtsextreme Charakter dieser Partei.” Pia Lamberty und Josef Holnburger erklären in einem Blogbeitrag, wie sich die AfD Verschwörungserzählungen zunutze macht, um ihre Klientel zu mobilisieren.

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4. RAI auf Regierungslinie. Warum Saviano nicht mehr senden darf
(epd.de, Birgit Schönau)
Birgit Schönau berichtet beim epd über die schwierigen Lebensbedingungen des italienischen Schriftstellers und Journalisten Roberto Saviano. Nicht nur, dass er wegen seiner Arbeit gegen die Mafia seit Jahren unter ständiger Bedrohung und unter Polizeischutz lebt, nun wurde Saviano auch noch vom öffentlich-rechtlichen italienischen Sender RAI ausgeschlossen, unter anderem wegen seiner Kritik am rechtspopulistischen Politiker Matteo Salvini. Diese Maßnahme sei Teil einer beispiellosen “Säuberungswelle”, die sich gegen Medienschaffende richtet, die nicht der Regierungslinie folgen, so Schönau.

5. Kolumbien: Unter medialem Störfeuer
(verdi.de, Knut Henkel)
Kolumbiens Präsident Gustavo Petro stehe trotz Erfolgen wie dem Waffenstillstand mit der ELN-Guerilla medial unter Druck, berichtet Knut Henkel. Die vor Ort aktive Stiftung für Pressefreiheit FLIP führe dies auf strukturelle Probleme in der kolumbianischen Medienlandschaft zurück, da es dort keine Institutionen gebe, die den Informationsauftrag der Medien überwachen. Die Regierung plane nun, alternative Medien zu fördern, um die vorherrschenden Medienstrukturen und die Medienkonzentration in den Händen weniger, einflussreicher Akteure aufzubrechen.

6. Auswärtiges Amt ging gegen Parodie-Account vor
(spiegel.de)
Eine Parodie auf Außenministerin Annalena Baerbock erreicht auf X (ehemals Twitter) mehr als 50.000 Followerinnen und Follower. Nach einer Beschwerde des Auswärtigen Amtes wurde der Account kurzzeitig gesperrt, da er ein offizielles Foto Baerbocks verwendete und das Wort “Parodie” nicht deutlich genug hervorhob. Nachdem die Betreiber des Accounts dies deutlicher in den Vordergrund gerückt haben, dürfen sie offenbar munter weitermachen.

Medien-Affäre Wolff, “Welt” im Empörungsrausch, Hollywood besorgt

1. Fundiert spekuliert
(taz.de, Carolina Schwarz)
“Wer die Debatte um den Publizisten Fabian Wolff verstehen möchte, muss bereit sein, sehr viel Text zu lesen. Denn wie das so mit Debatten im Feuilleton ist, kurz hält sich kaum jemand.” Carolina Schwarz hat sich durch die vorhandene Berichterstattung gekämpft und versucht, den Fall zu entwirren, bei dem es nicht nur um das Fehlverhalten eines Einzelnen geht, sondern auch um den Umgang der Medien und Redaktionen damit.

2. Sorgen in Hollywood: Warum streikt die Filmbranche?
(br.de, Linus Lüring, Audio: 29:23 Minuten)
Im Medienpodcast von BR24 spricht Linus Lüring mit Expertinnen und Experten über den Streik der Filmschaffenden in Hollywood: Katharina Wilhelm (ARD-Korrespondentin in Los Angeles), Nina Franoszek (Schauspielerin in Hollywood) und Christian Lex (Drehbuchautor). Sind die Ängste vor dem Einzug von Künstlicher Intelligenz berechtigt? Welche Forderungen haben Schauspielerinnen und Schauspieler, Drehbuchautorinnen und -autoren? Und warum stehen bei den Streiks vor allem auch die Streaming-Plattformen in der Kritik?

3. Salon 5: Jugendreporter:innen und Medienkompetenz
(de.ejo-online.eu, Johanna Mack)
“Salon5”, ein Webradio und Podcast von “Correctiv”, will jungen Menschen Medienkompetenz vermitteln und ihnen die Möglichkeit geben, sich gesellschaftlich zu engagieren. Die Initiative bildet Jugendliche zu Reportern und Reporterinnen aus, die ihre eigenen Themen setzen und gestalten können. Im Interview mit dem “European Journalism Observatory” erzählt Redaktionsleiterin Hatice Kahraman, was “Salon5” von anderen Formaten unterscheidet, woher die Idee stammt und welchen Stellenwert das Projekt innerhalb von “Correctiv” hat.

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4. Facebook muss um Zustimmung bitten
(verdi.de)
Meta, der Konzern hinter Facebook, Instagram und WhatsApp, habe angekündigt, sich künftig an die EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) halten und die Zustimmung seiner Nutzerinnen und Nutzer in der EU einzuholen zu wollen, bevor deren Daten verwendet werden. Die Entscheidung folge auf eine Geldstrafe in Höhe von 390 Millionen Euro, die Meta im Januar 2023 wegen Verstößen gegen die DSGVO auferlegt worden sei. Meta werde nun die Zustimmung der Nutzerinnen und Nutzer in der EU einholen, bevor es personalisierte Werbung auf der Grundlage des Nutzungsverhaltens schaltet.

5. Twitter heißt jetzt “X” – sonst ändert sich alles
(gutjahr.biz)
Richard Gutjahr schreibt über die Transformation von Twitter zu X. Was die von Elon Musk angestrebte Verwandlung zu einer Art “Super-App” anbelangt, mit der man chatten, shoppen und bezahlen kann, ist Gutjahr skeptisch: “Anders als die anderen Musk-Unternehmen SpaceX oder Starlink ist das Führen eines Sozialen Netzwerks offenbar keine Raketenwissenschaft. Es ist schwerer.”

6. “Welt” erfindet Aufregung um “Rolling Stone”-Bestenliste
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Die deutsche Ausgabe des Musikmagazins “Rolling Stone” hat 135 Personen aus der Musikbranche nach deren Lieblingsalben gefragt und daraus eine Liste der “500 besten Alben aller Zeiten” erstellt. Ein Autor der “Welt” will daraufhin einen große Empörung über diese Besten-Liste entdeckt haben. Die vermeintliche öffentliche Erregung findet sich jedoch vor allem in den Kommentaren der “Welt”-Leserschaft, meint Medienkritiker Stefan Niggemeier. Die “erhitzte öffentliche Debatte”, die die “Welt” sich ausgedacht habe, sei nur ein “warmes Flatulenz-Lüftchen in der eigenen Leserkommentarspalte”.

KW 31/23: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Wochenendausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

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1. Medien und die AfD: Wie berichten über Rechts?
(sueddeutsche.de, Nadia Zaboura & Nils Minkmar, Audio: 33:20 Minuten)
Im Medienpodcast “quoted” sprechen die Kommunikationswissenschaftlerin Nadia Zaboura und der “SZ”-Journalist Nils Minkmar mit der Rechtsextremismusexpertin Pia Lamberty über die aktuell hohen Zustimmungswerte der AfD und den medialen Umgang mit Rechts. Handelt es sich bei AfD-Wählern tatsächlich um Protestwähler, wie oft behauptet wird? Schenken manche Medien der AfD zu viel Aufmerksamkeit? Und welche Art der Berichterstattung wäre angemessen?

2. Tür an Tür mit dem Gangster:Leben in Rios größter Favela
(ardaudiothek.de, Weltspiegel Podcast, Philipp Abresch, Audio: 30:09 Minuten)
Für den “Weltspiegel” sind Matthias Ebert, ARD-Korrespondent in Rio de Janeiro, und die Filmemacherin Joana Jäschke in die größte Favela Rios gezogen und haben von dort eine packende Video-Reportage mitgebracht. Im “Weltspiegel”-Podcast berichten sie über das Making-of des Projekts, und das ist nicht minder spannend.

3. Ärger bei “Siegener Zeitung” und Kreml-Videos auf Tiktok
(wdr.de, Anja Backhaus, Audio: 42:19 Minuten)
Das WDR5-Medienmagazin “Töne, Texte, Bilder” beschäftigt sich wie gewohnt mit einer Reihe von Themen: Zu Beginn steht die “Siegener Zeitung” im Fokus, die Druck durch die Industrie- und Handelskammer beklagt. Darüber hinaus geht die Sendung auf die Herausforderungen der Lokalzeitungen in Nordrhein-Westfalen ein. Ein weiteres Thema ist die Nutzung von TikTok als Plattform für Videos aus dem Kreml. Und es geht um die Pläne von Instagram, Abonnements für Zusatzinhalte einzuführen.

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4. Künstliche Intelligenz im Journalismus: Chance, Bedrohung, Perspektiven
(youtube.com, Frankfurter PresseClub, Kim Björn Becker, Video: 1:31:40 Stunden)
Wie wird sich Künstliche Intelligenz (KI) auf den Journalismus auswirken? Ist sie eher Chance oder eher Bedrohung? Welche Regeln braucht es für ihren Einsatz? Und wie schützen sich Redaktionen vor KI-generierten “Fake News” oder gar systematischer Einflussnahme? Unter anderem darüber diskutieren Alessandro Alviani (Lead Natural Language Processing Ippen Digital), Felix M. Simon (Journalist, Kommunikationsforscher und Doktorand am Oxford Internet Institute) und Sarah Stein (Head of Search Experience beim SWR).

5. Warum X keinen Spaß macht, eine Drohne aber schon
(br.de, Christian Sachsinger & Markus Schuler, Audio: 37:23 Minuten)
Im Tech-Podcast “Umbruch” ist Markus Schuler zu Gast, der für den Bayerischen Rundfunk aus Kalifornien berichtet. Im virtuellen Silicon-Valley-Streifzug geht es um die Umbrüche bei X (vormals Twitter), die Frage, warum die USA auf ein europäisches KI-Gesetz hoffen, und die Fähigkeiten der neuen Drohne des Markt-Primus DJI.

6. Grenzenloser Spaß: Darf Humor alles?
(youtube.com, unbubble, Jo Schück, Video: 41:42 Minuten)
Bei “13 Fragen” geht es um die Fragestellung, was Humor darf: Wo liegen die Grenzen? Und wer definiert sie? Hat sich der Umgang mit grenzwertigen Witzen verändert? Und haben Comedians eine moralische Verantwortung? Darüber diskutieren Philipp Leinenbach (Comedian), David Geßner (Medienanwalt), Minh Thu Tran (Journalistin), Oliver Pocher (Komiker), Kerstin Hensel (Schriftstellerin) und Hamza Raya (Comedian).

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