Archiv für 6 vor 9

Schumacher, Hitzlsperger, Klobürste

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “‘Bitte lassen Sie unsere Familie in Ruhe’: So reagieren deutsche Medien auf Corinna Schumachers Appell”
(horizont.net, Ingo Rentz)
Nach dem Appell Corinna Schumachers an die Medien die Klinik und ihre Familie in Ruhe zu lassen, hat sich Horizont bei verschiedenen Medien umgehört. Einhellige Auffassung: Es gibt eigentlich gar kein Problem: “‘Selbstverständlich respektieren wir den Wunsch von Corinna Schumacher’, erklärt auch ‘Bild’-Sportchef Walter M. Straten. Gleichwohl will das Vor-Ort-Team der Zeitung, das nach Angaben von Axel Springer derzeit aus einem Text-Reporter und einem Fotografen besteht, selbst entscheiden, ‘ob und wann sie die für alle zugängliche Lobby der Klinik betreten’, wie eine Unternehmenssprecherin erläutert.” Die taz nimmt in ihrem Hausblog Stellung.

2. “Nach dem Hitzlsperger-Hype: Versuch einer self-destroying prophecy”
(vocer.org, Johannes Kram)
Nach der fast ausschließlich positiven Resonanz kurz nach dem Coming-Out von Thomas Hitzlsperger, versucht Johannes Kram die Gegenreaktion vorwegzunehmen: “Mut hat etwas mit Risiko zu tun. Doch ein solches Risiko hat es nicht gegeben. Im Gegenteil. Jeder Journalist, der etwas anderes als ‘super’ geschrieben hätte, wäre medial gesteinigt worden.” Damit hat er den Tonfall getroffen, den der Chefredakteur des “kicker” und Jasper Von Altenbockum auf faz.net anschlagen.

3. “Ein Ritterschlag für Quacksalber”
(faz.net, Martina Lenzen-Schulte)
Hersteller homöopathischer Mittel bekommen Rückenwind durch klinische Studien. Das liegt an der Natur der Studien: “Randomisiert-kontrollierte Studien sind zwar das methodisch Beste, was klinische Prüfverfahren zu bieten haben. Sie sind indes fehleranfällig und als Methode nicht davor gefeit, Ergebnisse zu produzieren, die auch dort Wirksamkeit attestieren, wo vielleicht keine ist.” Vor kurzem erläuterte Christoph Drösser ein ähnliches Problem bei der Berichterstattung über statistische signifikante Ergebnisse von Studien.

4. “Wieso? Weshalb? Darum!”
(taz.de, Anna Klöpper)
Die Nachrichtensendung des ZDF “logo!” wird 25 Jahre alt. “Bliebe bei all der Jubiläumstrunkenheit schließlich die Frage: Warum ist man eigentlich nach einem Vierteljahrhundert Lob, Ehr und Preis (darunter der Deutsche Fernsehpreis 2010 in der Kategorie Information) immer noch alleine auf dem Kindernachrichtenmarkt, der mangels Wettbewerber gar keiner ist?” SuperRTL winkt ab.

5. “Schwarzer Block und weiße Bürste”
(zapp.blog.ndr.de, Fiete Stegers)
Ein Haushaltsartikel wird zum vermeintlichen Widerstandssymbol: “‘Hatte hinter mir im Budni schon wieder 6 Jungs mit Klobürsten’, schreibt ein User. Angeblich seien sie in anderen Supermärkten des Viertels schon vergriffen. Ein Blog erklärt die Klobürste bereits ‘zum Symbol des Widerstands gegen das Gefahrengebiet’.”

6. “Wie Sky Home die TV-Konkurrenz auf Abstand hält”
(wuv.de, Petra Schwegler)
Während sich die Berichterstattung über gewölbte Bildschirme auf der CES trotz Ideenlosigkeit der Hersteller überschlägt, zeigt Pay-TV-Anbieter Sky wo die Reise hingeht: Dessn Kunden bekommen automatisch eine elektronische Programmzeitschrift angezeigt, die alle anderen Sender ausspart.

Coming-Out, Gehörlose, Liveticker

6 vor 9

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1. “Solange wir uns outen müssen, sind wir nicht frei.”
(spektrallinie.de, Jan Schnorrenberg)
Das Coming-Out des Ex-Fußball-Nationalspielers Thomas Hitzlsperger in der Wochenzeitung “Die Zeit”, erntet viel medialen Respekt. Doch das Problem ist nicht beseitigt — in einer Petition fürchten 60000 Zeichner eine “Ideologie des Regenbogens” an baden-württembergischen Schulen. Jan Schnorrenberger kommentiert: “Jedes Outing fordert die Annahme, homosexuelle Menschen seien anders, heraus. Denn Sichtbarkeit, und eben auch nach außen getragenes Selbstbewusstsein gibt uns ein Stück Deutungshoheit über uns zurück.”

2. “Türke sein is schlimmer in Deutschland dank mal nach”:
(mishaanouk.com, Misha Anouk)
Nach dem Coming-Out von Thomas Hitzlsperger findet Misha Anouk auf der Facebook-Seite der “Bild” nur wenige homophobe Kommentare. Als dann aber ein Kommentator mit türkischem Namen Hassbotschaften verbreitet, ist die zivilisatorische Decke abgetragen und einige Facebook-Nutzer antworten mit zutiefst rassistischen Kommentaren.

3. “Hut ab vor diesen Kindern!’ – Gegendarstellung zu einem UNMÖGLICHEN Artikel”
(taubenschlag.de)
Die “Bild der Frau” wollte eine Geschichte veröffentlichen über eine Familie mit gehörlosen Eltern und hörenden Kindern. Mathias Schäfer willigt ein, ist vom Ergebnis aber entsetzt, da die Zeitschrift den Eindruck vermittelt, die Eltern seien von ihren Kindern abhängig. “Wir als Eltern tragen die ganze Zeit die Verantwortung für unsere Kinder, bis sie volljährig sind oder selbstständig ein Leben führen können. Wenn die Kinder früh Verantwortung für ihre Eltern tragen müssten, dann wäre das nach deutschem Recht ein Fall für das Jugendamt, wegen der möglichen Kindeswohlgefährdung.”

4. “Ihr wollt es doch auch”
(taz.de, Jürn Kruse)
Der taz-Medienredakteur widmet sich der Frage, warum so viele Medien in atemlosen Livetickern auch nach dem Appell seiner Frau immer weiter über Schumacher berichten. “Es geht häufig nicht um neue Nachrichten, sondern darum, den Zuschauern zu vermitteln: ‘Wir sind da, wenn etwas passiert. Bei uns verpasst ihr nichts.’ Auch wenn das natürlich Quatsch ist, eben weil nichts passiert.”

5. “Journalisten im Fokus der Salafisten oder Salafisten im Fokus des Journalismus?”
(vocer.org, Christof Voigt)
Der Reporter Christof Voigt berichtet von seinen Erfahrungen im Kontakt mit Salafisten, über die er für den WDR berichtete: “Während des gesamten “Dialogs” sind mein Kameramann und ich von Menschen umringt, sie halten mir Handys ins Gesicht, filmen und fotografieren, wollen ganz offensichtlich einschüchtern.”

6. “Wunschlisten, Wunschdenken und die Wirklichkeit”
(zeit.de, Kathrin Passig)
Der Unterschied zwischen vorgeblichen Vorlieben und tatsächlichem Verhalten wird durch Plattformen wie Goodreads, Netflix und OkCupid immer besser erfasst. “Die Haushalte sind voll mit Staub ansetzenden Brotbackmaschinen, Keimzuchttöpfen, Saftpressen, Fonduesets und Hometrainern, die davon erzählen, was man bestimmt schon bald für ein durchtrainierter, gesunder und gastfreundlicher Mensch sein wird.” Trotzdem hält Kathrin Passig die ambitionierten Pläne nicht für falsch.

Schumacher, Gefahrengebiet, Ukraine

1. “Corinna Schumachers Bitte um Ruhe und die grenzenlose Ungemeintheit der Medien”
(stefan-niggemeier.de, Stefan Niggemeier)
Die Ehefrau von Michael Schumacher bittet die Medien darum ihre Familie in Ruhe zu lassen. “Wäre das nicht ein guter Moment zu sagen: Lass uns das nicht auch mit einer Klickstrecke mit Fotos von der nichtinruhegelassenen Familie bestücken, wenigstens diesen einen Artikel nicht? Aber nein.” Die Regenbogenpresse geht noch einen Schritt weiter, wie Topf voll Gold zusammengetragen hat.

2. “‘Anschlag’ auf Davidwache: Was bislang bekannt ist”
(publikative.org, Andrej Reisin und Patrick Gensing)
Nach einem Angriff in der Nähe der Hamburger Davidwache, bei dem ein Polizist schwer verletzt wurde, hat die Polizei ein “Gefahrengebiet” eingerichtet. Nach heftigem Widerspruch muss die Polizei ihre Darstellung korrigieren. Publikative kommentiert: “Mehr als deutlich geworden ist jedenfalls wieder einmal, wie irreführend eine Medienkampagne ist, die auf einer komplett unhinterfragten Pressemitteilung der Polizei beruht – und die darüber hinaus noch lauter Dinge dazu erfindet, die noch nicht mal in eben jener Meldung stehen.”

3. “Gefahrengebiet”
(neusprech.org, Kai Biermann)
Kai Biermann kritisiert das Vorgehen der Polizei in Hamburg: “Die Ausweispflicht und die Feststellung der Identität dienen als Vorwand, um mal nach Herzenslust jeden ohne Grund durchsuchen und allen so richtig die Harke zeigen zu können. Das soll Stärke demonstrieren.”

4. “Beschimpft und verprügelt”
(sueddeutsche.de, Katya Gorchinskaya)
In der Ukraine werden Journalisten systematisch behindert, eingeschüchtert und angegriffen: “Allein am 1. Dezember wurden mindestens 45 Journalisten bei Massentumulten von Polizisten verprügelt. Videos und Fotos bezeugen die Ereignisse; sie zeigen, dass die Polizei gezielt gegen Journalisten vorging, diese identifizierte und Foto- und Filmaufnahmen von ihnen machte.”

5. “Offener Brief an Hanspeter Lebrument”
(journalism-reloaded.ch/, Alexandra Stark)
Die freie Journalistin Alexandra Stark antwortet dem Präsidenten des Verbands Schweizer Medien, der mehr Zusammenhalt zugunsten der Zeitungen gefordert hatte: “Sie setzen mit Ihrem Fokus auf gedrucktes Papier die Zukunft des Journalismus aufs Spiel. Denn guter Journalismus ist grundsätzlich vom Träger unabhängig.”

6. “How the NSA Almost Killed the Internet”
(wired.com, Steven Levy)
Stephen Levy zeichnet die Enthüllungen über die NSA-Überwachungsprogramme aus Sicht der Internet-Konzerne nach. “The Snowden leaks called into question the Internet’s role as a symbol of free speech and empowerment. If the net were seen as a means of widespread surveillance, the resulting paranoia might affect the way people used it.”

Eilmeldungen, Aktivismus, Freiheitsmelder

6 vor 9

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1. “EIL! BREAKING! Oder nicht?”
(udostiehl.wordpress.com, Udo Stiehl)
Obwohl der Sturz einige Tage zurückliegt und die Folgen überschaubar sind, verbreiten viele Medien die Nachricht von Angela Merkels Skiunfall als “Eilmeldung”. Für Udo Stiehl ist das symptomatisch: “Hat eine Information auch nur annähernd das Zeug dazu, rote Bauchbinden in ‘Nachrichtensendern’ zu füllen – her damit. Das zieht Blicke, das bringt Klicks, das hält den Namen des Mediums im Gespräch.” Er sieht es als Aufgabe der Medien an, substanzlose Eilmeldungen auszufiltern und nicht sofort weiterzureichen.

2. “If a tweet worked once, send it again — and other lessons from The New York Times’ social media desk”
(niemanlab.org, Michael Roston)
Das Twitter-Team der “New York Times” beschreibt seine Arbeit mit den Eilmeldungen. “And while Twitter’s misuse in breaking news situations was well lamented in 2013, it is what readers are coming to us for more than anything else.”

3. “Die verlassenen Orte der Hauptstadt”
(tagesspiegel.de, Paula L. Pleiss)
Der Artikel stellt das Blog “Abandoned Berlin” von Ciarán Fahey vor: “Er überwindet Absperrungen, verschließt die Augen vor den Betreten-verboten-Schildern der Stadt und des Umlands. Er sucht gezielt nach verlassenen Orten, die für die Öffentlichkeit normalerweise unzugänglich bleiben.”

4. “Das Jahr 2014 wird schlimm (für die Geschichte)”
(fyg.hypotheses.org, Jan Taubitz)
Die Medienberichterstattung zum 100. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs ist auf vollen Touren. Jan Taubitz warnt davor, Parallelen zur heutigen Situation zu ziehen: “Denn wer ist heute in der Rolle von Frankreich, Russland, Österreich-Ungarn, den Balkan-Ländern, dem Osmanischem Reich, den USA und so weiter? Ist Taiwan dann Serbien oder doch eher Japan?”

5. “Die Angst der deutschen Journalisten vor dem Aktivismus”
(carta.info, Wolfgang Michal)
In der Diskussion um Aktivismus und Journalismus wirft Wolfgang Michal einen Blick in die Vergangenheit: “Aktivistische Journalisten begnügen sich nicht mit neutralen Beschreibungen ‘dessen, was ist’, sie streben Gesetzesänderungen, Politikwechsel, ja Umsturz an.” Günter Hack hingegen beschreibt bei “Zeit Online” eine Verschmelzung zwischen Aktivismus und Journalismus.

6. “‘Freiheits-Brandmelder’ beschäftigen Polizei”
(wn.de, Joachim Edler)
In Warendorf werden von Unbekannten “Freiheitsmelder” installiert — die Kästen sehen aus wie Brandmelder, enthalten aber jeweils nur ein Zitat zum Thema Freiheit. “Die Pseudo-Brandmelder beschäftigen allerdings jetzt die Polizei. Es wurde Anzeige wegen Sachbeschädigung erstattet. Der Kasten war mit Zweikomponenten-Kleber an der Hauswand einer Rechtsanwaltskanzlei platziert worden — beim Entfernen blieben Rückstände.”

#pofallagate, Kritiker, Crowdfunding

6 vor 9

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1. “Hiermit erkläre ich #pofallagate für beendet”
(blog-cj.de, Christian Jakubetz)
Die Meta-Diskussion über die Pofalla-Satire des Postillon geht weiter. Thomas Knüwer fordert Kontext, Konrad Lischka transparente Qualitätsversprechen, Michael Klein Medienkompetenz-Schulungen. Christian Jakubetz hält die Diskussion jedoch für falsch: “Wenn nicht ganz wenige Menschen aus diesem Stückchen folgern, wie elend doof Journalisten doch sein müssen, wenn sie eine erkennbare Satire ungeprüft abschreiben, dann sagt das mehr über die Leute als über die Medien aus. So einfach.”

2. “Die Geburt der Kritik aus dem Druckerstreik”
(faz.net, Patrick Bahners)
Der Chefredakteur des „New York Review of Books“ gibt Auskunft über Geschichte des Magazins und dessen politische Ausrichtung: “Warum waren wir gegen den Irak-Krieg? Weil wir alle diese Informationen hatten. Der Kriegsgrund war haltlos.”

3. “Im Zweifel sind wir vogelfrei”
(journalist.de, Richard Gutjahr)
Interview mit Ex-Spiegel-Chefreakteur Georg Mascolo über Überwachung, Snowden und politische Folgen: “Wir veröffentlichen ja als Journalisten nicht einfach etwas, weil es geheim ist. Wir veröffentlichen es nur dann, wenn es für die Öffentlichkeit relevante Information sind.”

4. “Ein Studium für einen syrischen Flüchtling crowdfunden”
(ricogrimm.de, Rico Grimm)
Zwei deutsche Journalisten, die aus einem jordanischen Flüchtlingslager berichten, stoßen auf den 19jährigen Odday Alatiki, der gerne in Deutschland studieren möchte. Dazu muss er aber 8040 Euro vorweisen, eine Crowdfunding-Kamapgne soll helfen.

5. “Empörung aktivieren – Konformismus und Mobverhalten im Netz”
(breakingthewaves.net, eve massacre)
Sorgen Shitstorms für Konformismus? Für die Autorin wird die Debatte anhand von falschen Beispielen geführt. “Es mag für Privilegierte ungewohnt sein, dass sie im Internet nicht immer so konsequenzlos sexistisch und rassistisch sein können wie im Gespräch unter Vertrauten oder im Beruf, aber mein Mitleid hält sich da ähnlich in Grenzen…” Der Umgang mit den veränderten Kommunikationskanälen sorgt für einen neuen Begriff von Öffentlichkeit.

6. „Ich glaube, ich hasse Sie“
(taz.de, Maria Rossbauer)
Ein Interview mit Bernd, das Brot: “Es ist wohl die Aufgabe von Ihnen als Journalistin, alles mögliche in mich hinein zu interpretieren. Unter anderem eine Antwort auf diese völlig verschwurbelte Frage, die komplett an meiner Person, meinen Belangen und allem anderen vorbeigeht, was mich, aber auch alle, die Ihr komisches Käseblatt lesen, auch nur ansatzweise interessieren könnte.”

NSU-Prozess, Schumacher, Postillon-Zeitmaschine

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1. “Wir sind immer bewaffnet”
(sueddeutsche.de)
Das “SZ-Magazin” hat sich den NSU-Prozess multimedial aufbereitet. Kernstück ist eine fast zweistündige Verfilmung der Wortprotokolle, die auch auf YouTube zu sehen ist. Publikative urteilt: “Selbst als Hörspiel (wenn das Video-Bild nach einiger Zeit einem anderen Browser-Fenster weicht) entfalten die Gerichtssaal-Dialoge eine atemberaubende Wirkung, die weit, weit, weit über die zahlreichen Gerichtsreportagen hinausgeht.”

2. “Michael Schumacher in der Tagesschau”
(tagesschau.de, Kai Gniffke)
Nach heftiger Kritik an der überaus prominenten Berichterstattung der ARD-Hauptnachrichtensendung zum Unfall des Ex-Formel1-Weltmeisters Michael Schumacher — unter anderem im Online-Magazin Telepolis — äußert sich der Chefredakteur: “Tatsächlich ist Michael Schumacher ein ehemaliger Rennfahrer und kein Staatsmann. Aber mein journalistischer Kompass sagt mir, dass er in eine Kategorie populärer Persönlichkeiten gehört, die eine umfangreiche Berichterstattung rechtfertigt, ohne dass wir damit Tagesschau-Grundsätze aufgeben.” Unterdessen hat die Klinik genug von den Reportern und sie auf einen Parkplatz verwiesen.

3. “Pofalla absurd: Wie der Postillon das Netz doppelt trollte”
(rhein-zeitung.de, Lars Wienand)
“Der Postillon” datiert eine Meldung zum erwarteten Wechsel des ehemaligen Kanzleramtsministers Ronald Pofalla in den Vorstand der Deutschen Bahn einen Tag vor — viele halten die Meldung in anderen Medien deshalb für eine Satire. Die “Rhein-Zeitung” und die “Ruhr Nachrichten” fassen die Ereignisse zusammen, auf Facebook veröffentlicht das Satire-Magazin Reaktionen.

4. “Edward Snowden, Whistle-Blower”
(nytimes.com)
In einem Aufsehen erregenden Kommentar fordert die “New York Times” Amnestie für NSA-Enthüller Edward Snowden. In einem weiteren Beitrag schildert Margaret Sullivan die Entstehungsgeschichte: “‘Sometimes,’ he added, ‘you have to go beyond what is realistic in an editorial recommendation, not necessarily saying what might happen but rather, ‘this is what should happen.’”

5. “Die Meinung der Anderen”
(netzwertig.com, Martin Weigert)
Martin Weigert meint, dass die Angst vor Shitstorms zu mehr Selbstzensur führt. Gunnar Sohn pflichtet dem bei, Julia Seeliger fordert mehr Belege.

6. “Ich bin ein Sender – Holt mich hier raus! “
(faz.net, Michael Hanfeld)
Zum 30. Jubiläum des Privatfernsehens in Deutschland stellt der Feuilleton-Redakteur den Sendern ein schlechtes Zeugnis aus: “Anarchischen Gestaltungswillen findet man bei den Privaten heute eher bei einem kleinen Sender wie Tele 5 und dessen Geschäftsführer Kai Blasberg denn bei den Monolithen. Und so fällt die Bilanz nach dreißig Jahren Privatfernsehen trotz stattlicher Gewinne der Konzerne negativ aus.” Medienwissenschaftler Stephan Russ-Mohl sieht die Öffentlich-Rechtlichen Sender besonders im Online-Bereich als Innovationsbremse.

Bild-APO, Aktivistische Journalisten, Syrien

6 vor 9

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1. “Kein Kindergeld für Bulgaren und Rumänen? Agenturen fallen auf ‘Bild’ rein”
(stefan-niggemeier.de, Stefan Niggemeier)
Die selbst ernannte Außerparlamentarische Opposition der “Bild” bei der Arbeit: So stellt sie eine gefakete Kleine Anfrage, die längst von der ungeliebten Linken gestellt wurde. Dann wärmt sie alte Pläne auf, die längst überholt sind — trotzdem übernehmen andere Medien die Darstellung. “Es hätte genügt, zwei Stichwörter aus der ‘Bild’-Geschichte bei Google einzugeben, um festzustellen, dass die vermeintliche ‘Vorab’-Meldung alt und überholt ist.”

2. “Der Freiheitskämpfer Glenn Greenwald”
(zeit.de, Kai Biermann und Patrick Beuth)
Anlässlich des Auftritts des NSA-Enthüllers Glenn Greenwald auf dem CCC-Kongress 30C3 in Hamburg stellen die Redakteure von Zeit Online die Frage, ob Journalisten Aktivisten sein dürfen. Die Debatte geht auf Twitter und in zahlreichen Medien weiter, so in “Neues Deutschland”, auf FAZnet, bei Spiegel Online und wieder bei Zeit Online.

3. “Alle Jahre wieder: naturwissenschaftliche Bildung”
(scilogs.de, Markus Pössel)
Der FAZ-Autor Niklas Maak hat zwar die Stimmung des Vortrags von Trevor Paglen auf dem 30C3 eingefangen, scheitert aber an den naturwissenschaftlichen Grundlagen der Arbeit des Künstlers und Aktivisten. Markus Pössel sieht darin ein systematisches Problem: “Daran, dass der Artikel in punkto Naturwissenschaft ungleich peinlichere Schnitzer bietet als solche Verwechslungen, hätte sich der stereotype Bildungsbürger aber leider nicht gestört, denn es wäre ihm oder ihr gar nicht aufgefallen.”

4. “Je kleiner, desto schwächer”
(zeit.de, Benno Stieber)
Anhand des Falls des Passauer Journalisten Hubert Denk schildert der Artikel das juristische Risiko freier Journalisten, die sich nicht auf die Rechtsabteilungen der Verlage stützen können: “Den juristischen Druck wohlhabender Kläger müssen investigativ arbeitende Journalisten wohl aushalten. Wenn es aber nicht einmal mehr eines handwerklichen Fehlers bedarf, damit ein Journalist in seiner Existenz bedroht wird, wird die Presse behindert.”

5. “Das ausgelagerte Risiko”
(taz.de, Kaveh Rostamkhani)
Viele Redaktionen schicken keine professionellen Journalisten mehr nach Syrien — der Einsatz ist schlicht zu gefährlich. Trotzdem reißt die Bilderflut nicht ab. Zu einem Preis. “Aber der Tod Molhem Barakats zeige die bittere Realität des Nachrichtengeschäfts: Man kauft stattdessen Bilder eines Teenagers ein, der letzten Endes während der Arbeit stirbt. Dies sei ähnlich unverantwortlich wie der Konsum afrikanischer Blutdiamanten oder billiger Textilprodukten aus Asien.” Auch Welt.de berichtet von dem Tod des jungen Fotografen.

6. “Afghanisches Tagebuch”
(tagesschau.de)
Vier ARD-Korrespondenten starten ein langfristiges Crossmedia-Projekt: Sie begleiten sechs Menschen in Afghanistan über mindestens zwei Jahre, dokumentieren ihr Schicksal und ihr tägliches Leben. “Denn es sind meist die kleinen Veränderungen im Alltag, die viel über ein Land aussagen und darüber, wohin es sich entwickelt.”

Polizeikessel, Sharing, Syrien

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1. “Was alles nicht gesagt wird”
(n-tv.de, Christian Bartlau)
Den Krawallen in Hamburg folgt eine Debatte über die Rolle der Medien: Christian Bartlau schreibt: “Viele der Journalisten, die berichten, haben noch nie einen Polizeikessel von innen gesehen, sie hatten noch nie brennende Augen vom Pfefferspray und keine blauen Flecken von einem Polizeiknüppel. Nun muss ein Sportredakteur ja auch nicht Champions League gespielt haben, um über das Spiel zu berichten. Aber er muss seine journalistische Pflicht erfüllen und den richtigen Leute die richtigen Fragen stellen.” Zum gleichen Thema: Analysen von Streetdogg und Publikative.

2. “Der enthusiastische Störefried”
(nzz.ch, Martin Meggle)
Porträt des brasilianischen Medienkritikers Alberto Dines: “Die Massenproteste in diesem Jahr seien von den brasilianischen Medien unzureichend reflektiert worden, sagt Dines. ‘In der ersten Phase wurden vor allem Akte des Vandalismus ins Zentrum der Berichterstattung gerückt. Die Medien folgten damit unisono der offiziellen Argumentationslinie von regierenden Politikern.'”

3. “Der Terror des Teilens”
(faz.net, Harald Staun)
Carsharing, Wohnungstausch,Verzicht auf Besitz — für Harald Staun ist dies kein Anzeichen für eine Abkehr vom Konsum und Kommerz: “Der Erfolg von Firmen wie Airbnb oder Uber beruht nicht auf der Nächstenliebe der Menschen oder, wie es die Rhetorik der Firmen vorgibt, auf ihrem Interesse daran, ‘neue Leute kennenzulernen’. Er resultiert daraus, dass die Informationstechnik von heute Lebensbereiche erschließt, die bisher für eine Kommerzialisierung uninteressant waren. Das ist keine Rückkehr der Commons, es ist ihr Ende.”

4. “Professor Unrat”
(zeit.de, Marion Schmidt)
Auf Hausbesuch beim Plagiatejäger Uwe Kamenz: Marion Schmidt trifft auf einen Einzelkämpfer, der an seine Mission glaubt, aber auf fragwürdige Mittel zurückgreift und von vielen Seiten kritisiert wird.

5. “Gefällt mir nicht mehr”
(sz-magazin.de, Meike Büttner)
Das eigene Profil von Facebook zu löschen, ist nicht einfach. Meike Büttner macht den Selbstversuch: “Das Foto von einem Jutebeutel erkenne ich als Profilfoto von Freundin Eva, die Abbildung einer Milchschnitte als Profilbild von meinem Ex-Kollegen Rüdiger. Irre, was so ein Gehirn für einen Mist aufnimmt.”

6. “Es ist das Grauen dort. Bitte helft!”
(mediummagazin.de, Christoph Reuter)
Der Reporter Christoph Reuter berichtet in einem persönlichen Brief über die Situation in Syrien und bittet um Hilfe: “Ihr habt das sicher schon alle gehört, dass Millionen auf der Flucht sind, ihre Städte zerbombt, ihre Existenzen vernichtet, sie selbst ausgehungert, frierend und voller Angst. Aber ich erlebe das. Und dann wird aus Zahlen eine nicht abreißende Kette kurzer, langer Begegnungen mit Menschen.”

Gold, Polizeiberichte, Shitstorm-Gesellschaft

6 vor 9

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1. “Alles Gute will Gold vom Topf”
(topfvollgold.de, Moritz Tschermak)
Ein Flüchtigkeitsfehler kommt dem Blog “Topf voll Gold”, das Lügen und Irreführungen der Regenbogenpresse auflistet, teuer zu stehen: 887,03 Euro Anwaltsgebühren werden fällig. Nach einem Hilfsaufruf spenden Leser die Summe.

2. “Medienberichte und Realität #hh2112”
(benjaminlaufer.wordpress.com, Benjamin Laufer)
Nach den gewalttätigen Zusammenstößen in Hamburg mit mehreren Hundert Verletzten geht die Suche nach der Wahrheit los: Mit Videos und Augenzeugenberichten werden die Ereignisse rekonstruiert. Benjamin Laufer kritisiert die ersten Medienberichte, wonach Angriffe gewaltbereiter Demonstranten die Eskalation ausgelöst haben: “Der Fehler, der zu solch falschen Berichten führt, ist ein Vertrauensvorschuss, den viele JournalistInnen der Polizei entgegenbringen. Sie betrachten die Behörde als neutrale Informationsquelle und nicht als politischen Akteur, dessen Aussagen es kritisch zu prüfen gilt.”

3. “Die Weltkriegsfestspiele”
(datenjournalist.de, Lorenz Matzat)
Angesichts des kommenden Jahrestages des Beginns des 1. Weltkrieges wünscht sich Matzat, eine tiefergehende Beschäftigung mit dem Krieg neben den allgefälligen Infografiken und Twitter-Accounts: “Sprich: Mehr Analyse und Zusammenhänge; das Schlagen große Bögen vom Imperialismus und Kolonialismus, dem Aufstieg des Nationalismus über den Kolonialismus bis hin zum Antisemitismus; eine Beschäftigung mit der Rolle der Industrialisierung, der Durchkapitalisierung; mehr Versuche, zu verstehen, wie es zu dieser Kriegsbegeisterung kam, woher die Lust zu Töten rührte und wie schnell die in heutiger Zeit möglicherweise wieder zu aktivieren wäre.”

4. “Verbannung und Hyperzivilisierung im Netz”
(breitenbach.tumblr.com, Patrick Breitenbach)
Ein rassistischer Tweet bewirkt einen Shitstorm und die sofortige Entlassung einer amerikanischen PR-Arbeiterin. Breitenbach sieht in dem Fall einen Beleg für die These: “Die Überwachung durch Staaten oder Machteliten ist dabei nur ein ganz kleiner Teil der sozialen Kontrolle. Der größte Druck geht von der Masse der Nutzer selbst aus.”

5. “NeinQuarterly – gescheit gescheitert”
(gutjahr.biz, Richard Gutjahr)
Gutjahr trifft Eric Jarosinski, der mit seinem Twitter-Account NeinQuaterly Furore macht und seinen Universitätsjob für ein neues Blog aufgibt.

6. “Ein neues Gedächtnis”
(taz.de, Teresa Havlicek)
Nach der Einstellung des Lokalblatts Deister-Leine-Zeitung will Redakteur Wolf Kasse nicht aufgeben und gibt eine eigene Zeitung heraus — ohne Rückendeckung von Verlagen.

Buzzword-PR, Kündigungen, Verdachtsvorsorge

6 vor 9

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1. “So setzt man Themen-Trends: Wie PR-Themen in den Medien landen”
(spiegel.de, Frank Patalong)
Ein Buzzword macht PR-Karriere. Patalong schildert einen Fall aus dem redaktionellen Alltag, bei dem ihm ein vermeintlicher Trend angedient wird — samt Expertise einer Firma, die diesen Begriff systematisch nutzt, um in die Presse zu kommen. “Hier nutzte also möglicherweise die Firmen-PR erfolgreich eine Steilvorlage durch das Medium, um dem Medium wiederum eine Steilvorlage zu liefern. Mit Erfolg.”

2. “Pierre Omidyar plunges first $50m into media venture with Glenn Greenwald”
(theguardian.com, Ed Pilkington)
Erste Details über das Journalismus-Projekt des Paypal-Gründers: “First Look Media” bekommt eine erste Finanzspritze von 50 Millionen Dollar und gründet Büros in New York, San Francisco und Washington. Neben einer gemeinnützigen Stiftung soll auch ein profitorientierter Journalismus-Dienstleister entstehen.

3. “Spiegel Online International droht radikale Kürzung”
(tagesspiegel.de, Sonja Álvarez)
Der Versuch des Spiegel-Verlages mit einem englischsprachigen Angebot international erfolgreich zu sein, scheint gescheitert. Obwohl das Angebot gerade beim Thema NSA punkten konnte und die Redakteure “ihren publizistischen Auftrag zur vollsten Zufriedenheit erfüllt” haben, wird die Redaktion nach Informationen des Tagesspiegels auf 1,4 Stellen zusammengestrichen.

4. “Beileger, Sie sind raus!”
(taz.de, Wiebke Schönherr)
Mit einem Streik setzten 220 Mitarbeiter einer Druckerei, die für den Axel-Springer-Verlag produziert, einen höheren Stundenlohn durch. Doch nun droht ihnen die Kündigung, ein neuer Dienstleister soll übernehmen.

5. “Mediatheken: Können Internet-Abrufe die Fernsehquote ersetzen?”
(quotenmeter.de, Timo Nöthling)
Bei Formaten wie Jan Böhmermanns “Neo Magazin” schauen mehr Zuschauer online zu als im klassischen Fernsehen. Doch noch ist das ein absoluter Ausnahmefall.

6. “8 Regeln für die Verdachtsberichterstattung, die Journalisten und Blogger kennen müssen”
(rechtsanwalt-schwenke.de, Thomas Schwenke)
Jemanden öffentlich zu verdächtigen, kann teuer werden. Rechtsanwalt Schwenke gibt Handreichungen, welche Schritte geklärt sein sollten, bevor man über einen Verdacht berichtet.

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