Archiv für 6 vor 9

“Inside” stinks, TrumpiLeaks, Dauerwerbe-Youtuber

1. Beulenpest und Schenkelschande
(pinkstinks.de, Nils Pickert)
Nils Pickert hat sich die Wut über die “Inside” von der Seele geschrieben, das “Star-Magazin mit den spannendsten News, Bildern und Reportagen aus der glamourösen Welt der Promis”. Besonders ärgert ihn, dass dort eine rein weibliche Redaktion “eimerweise Häme, Mist und Body Shaming über Geschlechtsgenossinnen auskübelt”. Ein besonderes Spezialgebiet sind unvorteilhafte Frauenfotos, die von der Redaktion mit Alliterationen von peinlicher Bemühtheit kommentiert werden wie “Schenkel-Schande, Knie-Katastrophen, Furchen-Fiasko” und “Dellen-Drama”. Natürlich nicht ohne Hintergedanken, wie Pickert in seinem offenen Brief an die Inside-Redaktion anmerkt: “Mit 110.000 Exemplaren wanzt du monatlich an Frauen an und erzählst ihnen, dass sie hässliche, wertlose Geschöpfe sind, aber mit diesem und jenem Produkt hier daran womöglich noch was machen könnten.”

2. Konzertierte Repressalien gegen Al-Dschasira
(reporter-ohne-grenzen.de)
Im Zusammenhang mit der diplomatischen Krise um das Golf-Emirat Katar kommt es nun auch zu Repressionen mehrerer arabischer Staaten gegen den Fernsehsender “Al Jazeera”, ob Büroschließung, Lizenzentzug oder Sperrung der Webseite. Der Geschäftsführer der “Reporter ohne Grenzen” Christian Mihr: “Was Al Jazeera in diesen Tagen erlebt, ist eine offensichtlich international abgestimmte Kampagne unverhohlener politischer Zensur. Mit dieser massiven Repressionswelle gegen einen Nachrichtensender von internationaler Bedeutung demonstrieren Saudi-Arabien und seine Verbündeten ihre völlige Geringschätzung der Medienfreiheit.”

3. So eine Zeitung
(taz.de, Peter Praschl)
Die „Jungle World“ wird 20 Jahre alt. Für Peter Praschl Anlass für eine persönliche Würdigung. Lange Jahre war er regelmäßiger Leser, jetzt ist er es nur noch gelegentlich. Dann jedoch umso begeisterter: “Aber immer wieder schaue ich noch rein, lese mich fest, denke: Wie irre, dass es das noch gibt, wie kann man diesen Spirit 20 Jahre lange durchhalten, und bin dankbar dafür.”
In diesem Zusammenhang lesenswert der “strikt subjektive” und unterhaltsame Rückblick von Elke Wittich: Teil 1: And so it began, Teil 2: Viel Herumgesitze und eine Besetzung und Teil 3: My private Arbeitskampf

4. Der Datenjournalist Lorenz Matzat fordert: Automatisier’ Dich, Lokaljournalismus!
(kress.de, Lorenz Matzat)
Datenjournalist Lorenz Matzat wünscht sich einen zeitgemäßen Lokaljournalismus, der ihn punktgenau mit allen wesentlichen Informationen rund um seinen Arbeits- und Wohnort versorgt: “War nicht Personalisierung in Form von Lokalisierung die Stärke des Lokaljournalismus? Ist es wirklich so fernliegend, dass Lokalzeitungen (wieder) Aufgaben des Gemeinwesens übernehmen? Insgesamt ist die Nische im sublokalen Level so groß, dass sie einer klaffenden Wunde gleicht. Die hauptsächlich konsumgetriebenen Angebote von Google, Yelp usw. decken dort nur einen kleinen Teil des Möglichen und des Bedarfs ab. Dieses Niemandsland – Kommunalverwaltungen liefern hier ebenfalls nicht – hat noch kein Anbieter im Digitalen wirklich besetzt.”

5. TrumpiLeaks
(michaelmoore.com)
Der Filmemacher Michael Moore hat “TrumpiLeaks” gestartet. “Patriotische Amerikaner in der Regierung, den Strafverfolgungsbehörden und in der Privatwirtschaft, die etwas über Verbrechen, Lügen und Verfehlungen von Donald J. Trump und seine Mitarbeiter wissen, sind aufgefordert, dies zu melden, um die Vereinigten Staaten von Amerika vor der Tyrannei zu beschützen.”

6. Medienrat der MA HSH beschließt Geldbuße in Höhe von 10.500 Euro gegen YouTuber „Flying Uwe“ wegen fehlender Werbekennzeichnungen
(ma-hsh.de)
Der Medienrat der Medienanstalt Hamburg / Schleswig-Holstein (MA HSH) hat den YouTuber „Flying Uwe“ (Kampfsport- und Fitness / 1,1 Millionen Abonnenten) zu einem Bußgeld von 10.500 Euro verdonnert. Der Youtuber hatte es trotz mehrfacher Hinweise unterlassen, drei seiner Videos, in denen er Produkte ausgiebig positiv darstellt, als Dauerwerbesendung zu kennzeichnen.

Sportgezappt, Verräterische Drucker, Breitbartocare

1. ZAPP Themenschwerpunkt Sportjournalismus
(ndr.de)
Das Medienmagazin “Zapp” hat sich in einer halbstündigen Sondersendung ausschließlich mit dem Sportjournalismus beschäftigt. Fünf Themen hat man sich ausgesucht: 1.) Die Nebenjobs von ARD & ZDF-Sportmoderatoren und die damit einhergehenden Probleme 2.) Die mediale Abschottung von Fußballvereinen durch den Aufbau eigener Plattformen 3.) Das Abwandern von Sportevents wie der Champions League ins Pay-TV 4.) Der hohe Preis, den Whistleblower im Sport zahlen müssen und 5.) ein Gespräch mit dem Sportmoderator und -reporter Alexander Bommes, der selbst jahrelang aktiver Sportler war. Die Sendung kann in kompletter Länge angeschaut werden; es gibt aber auch Unterseiten, in denen nur das jeweilige Thema behandelt wird.

2. Petra Reski verklagt Jakob Augstein
(faz.net, Andreas Rossmann)
Der Streit zwischen der Journalistin Petra Reski und dem Verleger des „Freitags“, Jakob Augstein, geht in eine weitere Runde: Reski verklagt den Verleger. Dieser hätte mit seinen Äußerungen ihre journalistische Arbeit herabgewürdigt. Grund war ein Artikel der Mafiaspezialistin mit einer umstrittenen Namensnennung, die eine Klage des Genannten nach sich zog. In der juristischen Auseinandersetzung hatte “Freitag”-Chef Augstein seiner freien Mitarbeiterin die finanzielle Unterstützung verweigert und ihr Fehlverhalten vorgeworfen.

3. Publizistische Sorgfaltspflicht statt Netzwerkdurchsetzungsgesetz
(wolfgangmichal.de)
Es ist schon ein Phänomen: Einig wie selten lehnen Digitalverbände und Bürgerrechtsgruppen das von Justizminister Heiko Maas geplante „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ ab. Es lege die Meinungsfreiheit in die Hände privater Internetkonzerne und fördere Zensur. Die Befürchtungen seien nachvollziehbar, so Wolfgang Michal. Die Kritiker der geplanten Gesetzgebung würden jedoch die Augen vor einem anderen Problem verschließen: “Sie halten es offenbar für vertretbar, dass Online-Plattformen ein Sonderrecht auf organisierte Verantwortungslosigkeit für sich in Anspruch nehmen dürfen.” Michal hält das gesamte Netz-DG für unnötig. Für Medienunternehmen wie Facebook sollten jene Regelungen des Presserechts und Selbstverpflichtungen gelten, die bereits existieren. Entsprechend sollten die Unternehmen ihrer Verantwortung nachkommen: “Wer Inhalte gewissenhaft prüft, bevor sie veröffentlicht werden, übernimmt eben nicht „staatliche Rechtsdurchsetzungsaufgaben“, wie Kritiker des NetzDG gerne unterstellen, er kommt lediglich seiner Sorgfaltspflicht nach. Verhütung ist immer besser als die Pille danach.”

4. Regierung muss Journalisten besser schützen
(reporter-ohne-grenzen.de)
Bundeskanzlerin Angela Merkel besucht Ende der Woche Mexiko. Dies nimmt “Reporter ohne Grenzen” zum Anlass, an die Bundeskanzlerin zu appellieren, sich bei der mexikanischen Regierung für den Schutz von Journalisten einzusetzen. „Mexikos Regierung darf nicht länger so tun, als hätte das erschreckende Ausmaß der Gewalt gegen Journalisten nichts mit ihr zu tun“, so der Geschäftsführer der Organisation. „Verbale Verurteilung und wohlklingende Ankündigungen reichen nicht aus. Mexiko muss jetzt schnell handeln, um endlich deutliche Signale gegen die Kultur der Straflosigkeit zu setzen, durch die sich die Täter zu immer neuen Verbrechen gegen Journalisten ermutigt fühlen.“

5. Verräterische Drucker
(zeit.de, Kai Biermann)
In den USA wurde die 25-jährige, mutmaßliche Whistleblowerin Reality Leigh Winner festgenommen. Ihr wird vorgeworfen, der Nachrichtenseite “The Intercept” eine geheime NSA-Studie zugespielt zu haben. Zum Verhängnis wurde ihr ein versteckter und kaum sichtbarer Code, den moderne Drucker den Ausdrucken hinzufügen und der eine Identifizierung des Druckers möglich macht. “The Intercept” hatte dieses Dokument den Behörden zur Stellungnahme vorgelegt. Ein Riesenfehler wie sich nun herausstellt.

6. Wunderbare Welt der Schadenfreude
(taz.de, Laila Oudray)
Mit einer gewissen Schadenfreude betrachtet “taz”-Autorin Laila Oudray das Scheitern von Katie McHugh, einer Autorin des rechten US-Portals “Breitbart”. Diese hatte Dutzende Artikel für die Seite geschrieben, in denen sie gegen Muslime und Flüchtlinge gewettert und Donald Trump gefeiert hat. Nun wurde sie von “Breitbart” angeblich wegen eines Tweets gefeuert, der selbst für “Breitbart” nicht hinnehmbar war (“Ohne Muslime gäbe es keinen Terror in UK”). Katie Mc Hugh hat daraufhin eine Crowdfunding-Page eingerichtet, um ihre medizinischen und alltäglichen Ausgaben decken zu können. Was nicht ohne Ironie ist, denn sie hatte sich vorher gegen Unterstützung von Armen ausgesprochen. “taz”-Autorin Laila Oudray: “Man wünscht ihr natürlich keine Krankheit, aber es ist einfach zu schön, zu sehen, wie ihr jeder ihrer hasserfüllten Ansichten auf die Füße fällt. Deswegen I love you Katie Mc Hugh, für dieses breite Grinsen und dass ich wieder an Karma glauben kann.”

Antisemitismus-Doku, Falsche Fluten, Kampagnen-Hashtags

1. Streit um Antisemitismus-Doku
(deutschlandfunk.de, Brigitte Baetz, Audio, 7:23 Min.)
Der deutsch-französische Sender “Arte” will die 90-minütige Doku “Auserwählt und ausgegrenzt — Der Hass auf Juden in Europa” nicht zeigen. Der Film über die Ausgrenzung von Juden sei nicht ausgewogen. Im Gespräch weist der Autor die Vorwürfe zurück. (Für den Audiobeitrag im Beitragsbild rechts unten auf “HÖREN” klicken)

2. Die falschen Fluten von Rakka
(ndr.de, Fiete Stegers)
In einem Nachrichtenvideo von “Focus Online” wird darüber berichtet, dass die Terrormiliz “IS” Teile der von ihr besetzten Stadt Rakka unter Wasser gesetzt hat und zeigt dabei Bilder der überschwemmten Gebiete. Das Problem: Die gezeigten Gebiete liegen nicht in Rakka, sondern in Amerika und Asien… Fiete Stegers dazu: “Natürlich kommt es bei TV-Beiträgen und Online-Videos häufig vor, dass symbolische Bilder oder Archivmaterial verwendet werden. In der Regel sollte dies sich allerdings den Zuschauern auf den ersten Blick erschließen oder deutlich kenntlich gemacht werden, insbesondere bei klassischen Nachrichten. Dies fehlt bei Focus Onlines phanstasievoller Flut-Kollage völlig.”

3. Warum politische Kampagnen-Hashtags fast immer failen
(fearlessdemocracy.org, Kai Heiderich)
Oftmals wird versucht, eine politische Debatte auf Twitter durch die Verwendung eines Hashtags zu befördern. Doch das kann sich als kontraproduktiv erweisen, wenn politische Gegner den Begriff kapern: “Traurige Realität ist jedoch: die Lustlosigkeit und die wenig an Medienrealitäten angelegte Integration von Hashtags in Kampagnenlogiken führt gerade bei Themen, die speziell die Rechten gerne für sich in Anspruch nehmen wollen, zu Hijacks. Anders ausgedrückt: Öffentlich-rechtliche Anstalten oder die Bundesregierung werben mit Hashtags, die dann faktisch auf twitter von AfD & Co besetzt werden.”

4. Publizistin: “Man kann völlig ungeniert lügen”
(derstandard.at, Lisa Breit)
Der österreichische “Standard” hat sich mit der am Institut für Publizistik in Wien lehrenden Julia Wippersberg über Fake News unterhalten Der Grundstein für Medienkompetenz müsse in den Schulen gelegt werden. Doch auch das sei nicht einfach: “Dort gibt es aber bereits einen ambitionierten Lehrplan, zu wenig Personal, viele Schüler haben schlechte Deutschkenntnisse. Wie sollen Lehrer da zusätzlich Medienkompetenz unterrichten? Zudem müsste man vielen von ihnen erst einmal Medienkompetenz beibringen.”

5. Einfach weggesperrt
(taz.de, Karim El-Gawhary)
Der ägyptische Pressefotograf Shawkan (Mahmud Abu Zeid) sitzt seit fast vier Jahren ohne Urteil in Haft. Anlass seiner Inhaftierung: Er hat für eine Bildagentur als Pressefotograf am Rabaa-Adawiya-Platz in Kairo ein Protestlager der Muslimbrüder fotografiert. Nach Aussagen des Bruders von Shawkan geht es ihm mittlerweile gesundheitlich sehr schlecht. Er sei zusammen mit 22 weiteren Menschen in einer Zelle eingepfercht und leide an Hepatitis C und Anämie, ohne angemessen behandelt zu werden.

6. TSV 1860 München: Die Medien sind ein ständiger Unruheherd
(journalisten-training.de, Bernd Oswald)
Bernd Oswald ist der Meinung, dass die Medien eine Mitschuld daran hätten, dass es beim Münchner Fußballverein TSV 1860 so chaotisch zugehe. Sein Vorschlag: Statt sich auf die Wiedergabe der Versäumnisse und Schuldzuweisungen im Verein zu beschränken, sollten die Münchner Sportmedien lösungsorientierter berichten.

Gefakter Fake-Vorwurf, Breiterer Breitbart, Gottschalks Scheitern

1. “Statisten mit traditionell islamischer Kleidung”
(faz.net, Michael Hanfeld)
Unmittelbar nach dem Londoner Anschlag verbreiteten rechte Blogger und Parteien das Gerücht, der amerikanische Nachrichtensender “CNN” habe den Protest von Muslimen gegen Terror inszeniert. Der Fake-Vorwurf ist jedoch Fake und wird von “CNN” als Unsinn zurückgewiesen. Eine kleine Gruppe von Demonstranten war mit Plakaten unterwegs und suchte die Aufmerksamkeit von Journalisten. Kein Wunder, dass sie in verschiedenen Medien erscheinen.

2. Verlorene “Breitbart”-Leser wiedergefunden
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Letzte Woche gingen Meldungen durch die Medien, die nationalistische amerikanische Nachrichtenseite „Breitbart“ hätte drastisch Leser verloren (auch 6vor9 verlinkte entsprechend). Stefan Niggemeier hat sich die Zahlen genauer angeschaut und festgestellt, dass der angebliche Absturz längst nicht so dramatisch ist wie beschrieben. Und dies liegt auch an der Messmethode.

3. Was haben wir uns da eingebloggt
(taz.de, Robert B. Fishman)
Das Netz ist voller Reiseblogger. Die Szene sei breit aufgefächert, schreibt Robert B. Fishman in der “taz”. Manche würden nur über Städtereisen in Europa, andere über Camping, Reisen mit Kind oder Hund, Hostels, Luxushotels, Spa und Wellness oder Rucksacktouren berichten. Andere würden sich auf einzelne Städte, Regionen oder Länder konzentrieren. Hinter der Reiseromantik steckt jedoch oft knallhartes Business. Doch auch im Reisejournalismus der klassischen Medien verschwimmen die Grenzen zwischen PR, Journalismus und Blogs.

4. News-Sperre
(sueddeutsche.de, Cornelius Pollmer)
Dresdner Kommunikationswissenschaftler haben sich mit dem Thema “Nachrichtenkompetenz” von Lehrern und Schülern beschäftigt und die Lehrplanvorgaben untersucht: “Nur ein Drittel der Lehrplanvorgaben mit Nachrichtenbezug annoncierten das Mediensystem Deutschlands und seine Rolle für die freie Meinungsbildung.” Facebook und andere soziale Netzwerke kämen nur in jedem dreißigsten Lehrplan vor.

5. Das “Sag’s-mir-ins-Gesicht”-Experiment der tagesschau
(wwwagner.tv, Jörg Wagner)
Die “Tagesschau” rief letzte Woche ihre Kritiker dazu auf, ihnen “die Meinung zu sagen”, und zwar per Skype und “direkt ins Gesicht”. Medienmagazin-Macher Jörg Wagner hat mit der Social-Media-Verantwortlichen der “Tagesschau” über die Aktion gesprochen und alle Videos zum eventuellen Nachschauen eingebettet.

6. Chronik des Scheiterns: 5 Jahre nach “Gottschalk Live”
(dwdl.de, Alexander Krei)
Thomas Gottschalk, einst gefeierter Star, Held des Samstagabends und Quotengarant ist tief gefallen, jedenfalls wenn man seine letzten Projekt und die dazugehörigen Quoten zum Maßstab macht. DWDL.de hat sich an “”Gottschalk Live” erinnert, ist ins Archiv gegangen und hat eine “Chronik des Scheiterns” erstellt.

Neuanfang, juristische Nachhilfe, Autobahn

1. Danke, Trump
(medium.com, Jochen Wegner)
“Zeit Online” Chefredakteur Jochen Wegner berichtet von einer Serie von innovativen Experimenten, die das Medienhaus als Reaktion auf die Krisen der Demokratie, Trump und Brexit, Europa und die neue Rechte und die Debatte um “Fake News” und “Lügenpresse” angestellt hat. Wegner nennt es eine Art Laborprotokoll. Den Anfang macht “Deutschland spricht”, eine Art Dating-Plattform für politischen Streit, über die man tausende Paare zum politischen Zwiegespräch zusammenführen will. Ein anderes Projekt sind die “Z2X-Festivals”, auf denen junge Menschen zwischen 20 und 29 über die Verbesserung der Welt diskutieren. Er erzählt von der Serie “Heimatreporter”, die mit “emphatischem Lokaljournalismus” aufwartet. Und es geht um die kleine Frage “Wie geht es Ihnen heute?”, mit der man die Befindlichkeit der Leser abfragt. Nach der Lektüre möchte man es fast glauben, wenn Wegner zum Schluss sagt: “Journalismus ist nicht am Ende, sondern an einem neuen Anfang.”

2. FAZ, BILD und das Urheberrecht
(kapselschriften.blogspot.de, Eric W. Steinhauer)
Die “FAZ” hat sich verschiedentlich gegen die geplante Novelle im Wissenschaftsurheberrecht ausgesprochen und Horrorszenarien an die Wand gemalt, die nun auch von “Bild” wiederholt wurden, so der Jurist Eric W. Steinhauer auf seinem Blog. Im Nachgang hätte es auf Twitter eine rege Diskussion mit dem zuständigen “Bild”-Redakteur Ralf Schuler gegeben, der jedoch die Auseinandersetzung mit Urheberrechtsbeiträgen zu anstrengend gefunden hätte. Rechtswissenschaftler Steinhauer hat ihm die Angelegenheit daher mit einem Fallbeispiel erklärt. “Und wenn Herr Schuler diese Unterscheidung bescheuert und nicht nachvollziehbar findet, dann beginnt er vielleicht zu verstehen, warum das geltende Urheberrecht im digitalen Zeitalter noch lange nicht angekommen und total lebensfremd ist und warum es Bildung und Wissenschaft so wichtig ist, dass hier endlich notwendige Reformen angepackt werden.”

3. Keiner schreibt über die Privatisierung der Autobahnen!
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Auf den “Nachdenkseiten” ist Autor Jens Berger empört: Niemand, außer den “Nachdenkseiten” selbst, schreibe über die Gesetzesänderung, die eventuell eine Privatisierung der deutschen Autobahnen möglich mache! Doch dem ist nicht so, wie Stefan Niggemeier auf “Übermedien” berichtet und anhand von Beispielen dokumentiert. “Oft genug – zu oft – ist die Kritik von sogenannten alternativen Medien an sogenannten Mainstream-Medien berechtigt, dass sie bestimmte Themen und Perspektiven unter den Tisch fallen lassen. Oft genug – zu oft – ist diese Beschwerde aber auch eine bloße Behauptung. Der Satz „Darüber berichtet natürlich keiner“ fällt häufig als Reflex, und je häufiger er wiederholt wird, desto weniger sehen Leute noch nach, ob er überhaupt stimmt.”

4. Die EU zerstört Europas Filmwirtschaft
(faz.net, Jörg Seewald)
Zerstört die EU mit einer neuen Regelung Europas Filmwirtschaft? Das befürchten zumindest die 411 Mitglieder verschiedenster Verbände und Unternehmen aus dem audiovisuellen Sektor, die mit einem offenen Brief gegen die neue EU-Verordnung protestieren. Im Kern geht es um die Abschaffung des sogenannten “Territorialprinzips”, was zur Folge hätte, dass Film-Lizenzen nicht mehr exklusiv und länderbezogen eingeräumt werden können. Die Regelung stärke große Sender- und Plattformbetreiber und schwäche die Film- und Fernsehschaffenden, so der Tenor.

5. Medienangebote für Flüchtlinge
(de.ejo-online.eu, Johanna Mack)
Johanna Mack hat sich die verschiedenen Medienangebote für Geflüchtete angeschaut. Darunter die “Ankommen-App” des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, die App “Willkommen in NRW”, das Angebot von “Deutscher Welle” und “WDR” und “SWR” und den “Guide for Refugees” der “ARD”. Sie erwähnt die Videoreihe “Marhaba – Ankommen in Deutschland” (n-tv), den “Wegweiser für Flüchtlinge” (BR) und verschiedene unabhängige Projekte. Eine gute Zusammenstellung, auch für Leute, die mit Geflüchteten in Kontakt stehen.

6. Wittenberg, 11.02 Uhr: Wie wurden daraus 120.000?
(zeit.de, Hannes Leitlein)
Wie viele Gläubige waren im Rahmen des Kirchentags beim Festgottesdienst in Wittenberg? Wenn es nach den Veranstaltern geht, jede Menge… Fast detektivisch ist Hannes Leitlein der Frage nachgegangen, wie die Veranstalter zu ihrer extrem hohen Schätzung kommen. Mit endgültiger Sicherheit lässt sich die Frage nicht klären, aber es spricht einiges dafür, dass die Werte stark übertrieben sind.

Staatliche Pressetrojaner, Herkunftsnennung, RTL2-Rekruten

1. Schutz vor staatlichen Hackerangriffen
(reporter-ohne-grenzen.de)
“Reporter ohne Grenzen” wendet sich gegen den geplanten Einsatz von Staatstrojanern. Da keine Schutzrechte für Journalisten geplant seien, könnten Ermittler über eingeschleuste Trojaner vertrauliche Gespräche und Chats von Journalisten mit Informanten abfangen. Die Organisation dazu: „Journalisten sind auf Verschlüsselung angewiesen, um sich vertraulich mit Kollegen und Informanten auszutauschen. Die Pläne von Heiko Maas bewirken, dass es in Deutschland kein digitales Kommunikationsmittel mehr gibt, mit denen Journalisten zweifelsfrei vor Überwachung geschützt sind. Die Große Koalition muss im Gesetz klarstellen, dass Journalisten bei ihrer Arbeit nicht abgehört werden dürfen. Ein Staatstrojaner hat auf dem Handy eines Journalisten nichts verloren.“
Link zur ausführlichen Stellungnahme zur Einführung der Quellen-TKÜ und Online-Durchsuchung (PDF)

2. Ist die Herkunft von Tätern und Verdächtigen wirklich von öffentlichem Interesse?
(sueddeutsche.de, David Denk)
Immer wieder wird darüber diskutiert, ob Medien bei Straftaten die Herkunft des Täters nennen dürfen beziehungsweise sollen. Der Presserat hat dazu nun Leitsätze mit aktuellen Beispielen formuliert, die für schnellere und bessere Entscheidungen im Redaktionsalltag führen sollen. Ergänzend führt der Presserat aus, dass weder “Neugier” oder “Gruppeninteressen”, noch die “Nennung einer Gruppenzugehörigkeit durch Quellen, etwa durch Behörden” die Redaktionen von ihrer “eigenständigen presseethischen Verantwortung” entbinde.
Die Praxisleitlinie (Richtlinie 12.1 des Pressekodex) kann beim Presserat eingesehen werden (PDF).

3. Eine ganz andere Sicht
(taz.de, Volkan Agar)
“taz”-Autor Volkan Agar stellt in einem Überblicksartikel die wichtigsten linken Medien der Vergangenheit und Gegenwart vor. Mit dabei sind der Liebling der Sponti-Szene “Pflasterstrand”, die teilweise massiv verfolgte und beschlagnahmte “Agit 883”, die autonome, feministische Zeitschrift “Courage”, das Magazin “konkret”, “analyse & kritik”, die anarchistische “Graswurzelrevolution”, das linksradikale und antifaschistische Newsportal “Indymedia”, die linke Wochenzeitung “Jungle World” und die linksalternative, österreichische Zeitschrift “malmoe”.

4. Hatespeech ist nicht, wenn Journalisten mit Kritikern skypen
(broadly.vice.com, Yasmina Banaszczuk)
Was hat die “Tagesschau” mit ihrer Aktion “Sag’s mir ins Gesicht – für eine bessere Diskussionskultur im Netz” erreicht? Live wollte man sich von den Zuschauern die Meinung sagen lassen und für das Thema Hass im Netz sensibilisieren. Doch auf Hater und Trolle wartete man vergeblich, der Großteil der Anrufer trat höflich bis freundlich auf. Nicht überraschend wie Yasmina Banaszczuk im Gespräch mit Social-Media-Profis herausgefunden hat. “Ich glaube, die wahren Trolle, die wirklichen Hater, sind nirgendwo zu Wort gekommen, weil das gar nicht das ist, was sie wollen.”, befand die Journalistin Katrin Weßling. Ähnlich sah es die Autorin Ninia LaGrande. Und der Blogger Ali Schwarzer störte sich bereits an der Grundidee: “Als hätten Trolle und Hater nicht schon genug Raum, bekommen sie jetzt auch noch ein weiteres Podium.”

5. „Unsere Denkweise war ganz simpel“
(verguetungsregeln.wordpress.com, Martin Schreier)
Vor einigen Tagen hat der Journalist Martin Schreier mit einem Vertreter des “Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger” (BDZV) über die Kündigung der Gemeinsamen Vergütungsregeln für hauptberuflich freie Journalisten an Tageszeitungen gesprochen (6vor9 berichtete). Mittlerweile hat er weitere Stellungnahme-Interviews geführt und zwar mit dem Justitiar des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) Benno Pöppelmann, dem dju-Tarif-Sekretär Matthias von Fintel und der Vorstandsvorsitzenden der Freischreiber Carola Dorner.

6. RTL2 will Werbefilme für Bundeswehr senden
(deutschlandfunk.de, Brigitte Baetz & Sebastian Wellendorf)
Die von der Bundeswehr für die Verteilung über Youtube produzierte Werbereihe “Die Rekruten” hat mittlerweile mehr als 44 Millionen Views. Nun hat sich “RTL2” die Fernsehrechte an der 90-teiligen Bundeswehr-Reality-Soap gesichert. Das könnte ein Fall für die Medienaufsicht werden. Die Medienjournalistin Brigitte Baetz kritisiert im Deutschlandfunkgespräch, dass Grenzen zwischen Berichterstattung und PR verschwimmen, wenn der Gegenstand der Berichterstattung selbst zum Berichterstatter wird. Im Zweifel müsse es eine Einblendung geben, die anzeigt, dass es sich um eine Art Sonderwerbeform handelt.

Unpopuläre Populisten, Arte-fiziell, Menschenfleisch

1. Unpopuläre Populisten
(sueddeutsche.de, Jürgen Schmieder)
In den USA zeichnet sich ein neuer Trend ab: Die Nutzerzahlen von “Breitbart” und anderen rechtspopulistischen Webseiten wie “National Review Online”, “Infowars” und “Drudge Report” sind rückläufig. Jürgen Schmieder hat nach den Gründen für diese Entwicklung gesucht und ist auf mehrere Dinge gestoßen: Die “Rebellen” seien nun Teil des Systems. Die Entlassung von FBI-Direktor James Comey am 9. Mai hätte eine Zäsur bedeutet und zahlreiche interne Skandale wie die Pädophilieverharmlosung der Breitbart-Galionsfigur Milo Yiannopoulos hätten das Übrige dazu beigetragen, dass Klicks und Einschaltquoten sinken würden.

2. Die „FAZ“ hat Archiv-Angst
(taz.de, Christian Rath)
Unlängst hat die “FAZ” einen offenen Brief als Eigenanzeige veröffentlicht, in dem sich das Verlagshaus gegen das von der Bundesregierung geplante neue Urheberrecht wendet. In Frankfurt sieht man vor allem das Archivgeschäft bedroht und spricht von jährlichen Verlusten in Millionenhöhe. An den FAZ-Vorwürfen sei allerdings nicht viel dran, findet der rechtspolitische Korrespondent der “taz” Christian Rath. Die Befürchtung, dass die Deutsche Nationalbibliothek alle FAZ-Texte aufnimmt und unentgeltlich zur Verfügung stellt, sei beispielsweise unbegründet.
Die Regelung gelte nur, „wenn Inhalte nicht dauerhaft zugänglich sind, wie etwa Blogeinträge“. Presseerzeugnisse seien aber typischerweise dauerhaft verfügbar, etwa in Archiven der Verlage – auch wenn der Zugang hierzu kostenpflichtig ist. Die DNB dürfe sie also nicht online stellen, so das Ministerium.

3. “Wenn es Arte nicht schon gäbe, dann müsste man ihn jetzt erfinden”
(deutschlandfunk.de, Bernd Mütter & Brigitte Baetz)
Der deutsch-französische Kulturkanal “Arte” feiert seinen 25. Geburtstag. Der Deutschlandfunk hat sich mit dem stellvertretenden Programmleiter über Gegenwart und Zukunft des Senders unterhalten. Eine Art persönliche Liebeserklärung hat Holger Kreitling auf “welt.de” verfasst. “Bei Arte geht es um Geschmack, immer. Sofort, noch mit der Fernbedienung in der Hand, erfasst einen ein „Gefühl bedeutsamer Weitläufigkeit“ (Thomas Mann). Es ist das Distinktionswerkzeug des Kulturbürgers, der sinistre Pate des Senders heißt von Beginn an Pierre Bourdieu, nirgendwo sind die feinen Unterschiede im Fernsehverhalten so sichtbar wie hier.”
Kritik kommt von Regisseur und Produzent Arne Birkenstock, der sich in einem Gastbeitrag auf “taz.de” darüber beklagt, dass der Sender seine Identität verliere, weil er am großen Dokumentarfilm spare.

4. Die Welt: Den Redakteursjob vergessen??
(klima-luegendetektor.de)
Die “Welt” hat einen Biologen zu Wort kommen lassen, der behauptet, die globale Temperatur sei seit fünfzehn Jahren nicht mehr angestiegen. Und der fordert, dass man darüber reden dürfe, ohne “verunglimpft” zu werden. Die Betreiber des “Klima-Lügendetektors” haben sich die Behauptungen im Detail angeschaut und sind entsetzt: Der betrachtete Zeitraum sei zu kurz, und selbst wenn man dies außer Acht lasse, sei die Aussage schlicht falsch. Eine Pause bei der Erderwärmung habe es ebenfalls nicht gegeben. Zum Schluss erinnern die Lügendetektoren die Redakteure der “Welt” daran, dass die journalistische Sorgfaltspflicht laut Deutschem Presserat auch für Meinungsbeiträge gelte.

5. Was ist neu an Fake News?
(derstandard.at, Liriam Sponholz)
Liriam Sponholz hat sich als Wissenschaftlerin mit dem Begriff “Fake News” auseinandergesetzt und die nötigen Abgrenzungen unternommen. So seien “Fake News” kein “Fehlverhalten”, sondern ein Geschäftsmodell und das Resultat einer Click Economy: “Fake News sind weder mit Propaganda noch mit tendenziöser Berichterstattung gleichzusetzen. Im Kern handelt es sich um die systematische Produktion von Meldungen, die einen Realitätsbezug vorgeben, aber wissentlich von der Wirklichkeit abweichen. Es handelt sich um keine Bias, weil eine tendenziöse Berichterstattung ohne Erfindungen auskommt. Fake News lassen sich aber auch nicht mit Propaganda gleichsetzen, weil die Absichten der Produzenten vielfältiger sind und die Produktion nicht alleinig, oftmals sogar gar nicht politisch motiviert ist.”

6. Lokal durch Fake-Story über Menschenfleisch fast ruiniert
(futurezone.at, Florian Christof)
Ein Fake-News-Artikel hätte beinahe ein indisches Restaurant in London in den Ruin getrieben. Über eine Prank-Seite, auf der man seine Freunde mit Falschmeldungen reinlegen soll, war das Gerücht in Umlauf gebracht worden, dass das Lokal schließen müsse, weil dort angeblich Menschenfleisch auf der Speisekarte stand.

Heilige Hetzjagd, Verlags-Datenräuber, In-Ear-Trump

1. AfD, Broder und Tichy verleumden Margot Käßmann als Rassistin
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
Boris Rosenkranz nennt es eine “heilige Hetzjagd”, was die AfD in den letzten Tagen mit der Theologin Margot Käßmann veranstaltet hat. Mit einem vermeintlichen Zitat wollte man ihr Rassismus andichten, doch das gegen sie verwendete Zitat war aus dem Zusammenhang gerissen und sinnentstellend verkürzt. Die Verleumdungsbotschaft wurde bereitwillig unterstützt von rechten Blogs und Foren und Personen wie Henryk M. Broder (“Die Welt”) oder Roland Tichy (“Tichys Einblick”), aber auch Leuten wie der ehemaligen CDU-Politikerin Erika Steinbach und der Berliner AfD-Vorsitzenden Beatrix von Storch. Boris Rosenkranz hat sich Inhalte und Form der Käßmann-Kampagne näher angeschaut und analysiert. Mittlerweile hat sich auch der Faktenfinder der “Tagesschau” mit dem Vorgang beschäftigt und auch auf der neuen Plattform “Fearless Democracy” gibt es eine Aufarbeitung des Falls mit einer Visualisierung des Twitterverhaltens: Wie sowas läuft: Ein Blick in Margot Käßmanns Shitstorm

2. E-Privacy-Verordnung: Verlage wollen Leser beim Tracking entmündigen
(netzpolitik.org, Markus Reuter )
In einem offenen Brief an das Europäische Parlament haben sich einige europäische Verlage (darunter aus deutscher Sicht die “FAZ”, die “Zeit”, “Gruner + Jahr” und die “SZ”) gegen die neue ePrivacy-Verordnung der EU gewandt. Stein des Anstoßes ist eine Passage, die es Nutzern erlaubt, das Werbetracking auf Webseiten zu unterbinden. Darin sehen die Verlage eine Gefährdung ihrer Einnahmequellen. Markus Reuter ordnet das Ganze aus netzpolitischer Sicht ein. Beim Thema Datenschutz würden sich die Verlage einmal mehr als Gegner der Rechte von Bürgerinnen und Bürgern zeigen.

3. Breitbart stürzt ab
(deutschlandfunknova.de, Diane Hielscher & Martina Schulte)
Donald Trump hat seinen Wahlsieg auch dem rechten Medienportal “Breitbart” zu verdanken, das unablässig für ihn trommelte und seine Gegner niederschrieb. Nach seiner Inauguration ernannte Trump den damaligen Chefredakteur Steve Bannon zu seinem zukünftigen Berater und Chefstrategen. Man hätte meinen können, dass “Breitbart” nun zum neuen Mediengigant der Trump-Ära wird, doch das Gegenteil ist der Fall: Die Reichweite der Seite ist dramatisch gesunken. Martina Schulte ist dem Phänomen nachgegangen.

4. Tagesschau-Chefredakteur wartet vergeblich auf Trolle
(faz.net, Frank Lübberding)
“ARD-aktuell”-Chef Kai Gniffke hat Hasskommentatoren zu sich in den Videochat eingeladen, doch es kam keiner. Kein Wunder, findet Frank Lübberding: “Es gehört zu den kulturellen Codes einer funktionierenden Gesellschaft, nicht jedem alles ins Gesicht zu sagen. Nicht jede Wahrheit (oder auch Lüge) auszusprechen, erleichtert das menschliche Zusammenleben. Das Lästern hinter dem Rücken der Betroffenen hat das noch nie verhindert. Diese Erfahrung wird man sicherlich auch in den diversen ARD-Redaktionen schon gemacht haben. Trotzdem wirkte Gniffke regelrecht enttäuscht, warum keiner der Hasskommentatoren dieses Gesprächsangebot namens „Sag’s mir ins Gesicht“ angenommen hatte. Er wurde weder beleidigt, noch hat ihm ein Zuschauer seinen Hass auf die ARD erklärt.” Nachtrag: Mittlerweile hat sich auch Anja Reschke im Life-Chat ihren Kritikern gestellt. Auf “tagesschau.de” gibt es ein Interview mit Reschke: “Ich bin keine ARD-Marionette”.

5. Donald Trumps (fast) unsichtbarer Kopfhörer
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Hat Donald Trump tatsächlich nicht zugehört, als der italienische Ministerpräsident Paolo Gentiloni über Afrika sprach? Trump trug schließlich keine direkt sichtbaren Kopfhörer für die Simultanübersetzung wie viele der Anwesenden. Viele Medien nahmen dies als Anscheinsbeweis, doch so einfach ist die Sache nicht wie Stefan Niggemeier auf “Übermedien” ausführt.

6. Klarstellung in Sachen “Die Hölle erwartet euch”
(facebook.com, Mathias Richel)
Vielleicht haben Sie das Bild gesehen, das die letzten Tage viral ging: Ein Mann hält eine Art selbstgebasteltes Transparent hoch, auf dem er einer wirr zusammengesetzten Zielgruppe (“Säufer, Lügner, Partytiere, Drogen-Freaks, Ehebrecher, Porno-Freaks, Selbstbefriediger, Huren, Diebe, Zauberer, Lästerer, Heuchler, Homosexuelle, Habsüchtige, Götzendienen, Feministen, Falsche Christen, Atheisten”) zuruft: “Die Hölle erwartet euch”.
Das Bild wurde oft fälschlicherweise dem Kirchentag in Berlin zugeordnet, ist jedoch beim DFB-Pokalfinale entstanden, wie Mathias Richel anmerkt, der das Foto direkt vor dem Stadion geschossen hat. “Mir ist vollkommen klar, dass dieser erklärende Beitrag hier fast niemanden von denen erreichen wird, die jetzt mit dem Bild beweisen wollen, dass die Christen auf dem Kirchentag nicht alle Tassen im Schrank haben. Aber ich will wenigstens alles dafür getan haben, damit dieses Bild zunächst einmal genau das nur für diesen Mann belegt und nicht andere fälschlicherweise mit dem verrührt werden.”

Kaputtmacher Maas, Pfeifopfer Helene Fischer, Bild von Jammerlappen

1. Heiko Maas macht die freie Presse kaputt
(faz.net, Thomas Thiel)
Es sind heftige Worte, die “FAZ”-Redakteur Thomas Thiel für das neue Gesetzesvorhaben zum Urheberrecht findet. Die Digitalisierung von Presseartikeln und Aufnahme in Bibliotheken bedeute schwerwiegende Einnahmeverluste, die er alleine für die “FAZ” auf einen siebenstelligen Betrag beziffert. Justizminister Heiko Maas mache damit die freie Presse kaputt. Wenn Maas damit durchkäme, werde es keine freien Zeitungsverlage mehr geben. “Wer gibt dem Justizminister das Recht, Privateigentum gegen eine weitestgehend wertlose Entschädigung in Staatseigentum umzuwandeln? Meint er vielleicht, dass auch die Arbeit von Redakteuren und freien Autoren vom Staat bezahlt wird? Und wie kommt er dazu, die Arbeit ganzer Berufszweige zu verhöhnen? So ein Entwurf konnte nur zustande kommen, weil im Justizministerium die Verachtung geistiger Leistungen um sich gegriffen hat.”
Nicht alle gehen mit dem Entwurf für das neue Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz derart hart ins Gericht: Auf der Urheberrechtsplattform “irights.info” werden die Beschwerden der Verlagsbranche als “kalkulierte Horrorszenarien” bezeichnet.

2. Die Fans haben nicht Helene Fischer ausgepfiffen, …
(sueddeutsche.de, Martin Schneider)
Martin Schneider beschäftigt sich auf süddeutsche.de mit dem brutalen Pfeifkonzert, das sich Helene Fischer in der Halbzeitpause des DFB-Pokalfinales hat anhören müssen. Schneider sieht jedoch nicht die Sängerin in der Kritik, sondern die Kommerzialisierung und “Eventisierung” des Fußballs allgemein: “Wer Helene Fischer in der Halbzeit auftreten lässt, vermittelt auch die Botschaft: Mir reicht eure Stimmung nicht, ich will selbst für mehr Stimmung sorgen. Der Deutsche Fußball-Bund hätte das ahnen können. Er weiß, dass er es bei Frankfurtern und Dortmundern mit anderen Fans zu tun hat, als beim Familien-Publikum der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Er hat es trotzdem riskiert und Helene Fischer der Arena ausgeliefert, wenn man so will.”

3. Jan Böhmermann füllt Hörsaal, aber keine Köpfe
(jetzt.de, Peter Krauch)
806 Menschen drängelten sich im größten Hörsaal ReWi1 an der Universität Mainz, als Jan Böhmermann zum “SWR UniTalk” erschien. Die Karten für die Veranstaltung sollen binnen 10 bis 15 Minuten vergriffen gewesen sein… Peter Krauch geht der Frage nach, warum Böhmermann derart viele Menschen anzieht, dass sie zu Hunderten in einen Hörsaal drängen, nur um ihn live auf der Bühne zu sehen. “Die richtigen Botschaften und Themen hatte Jan Böhmermann im Gepäck, um junge Leute zu engagierteren Bürgern zu machen. Die Frage ist, ob er das will. Vielleicht ist der Hype um ihn für dieses Vorhaben auch zum Verhängnis geworden, weil sich viele nicht für das interessieren, was der Mensch Jan Böhmermann, außerhalb seines Berufs als Satiriker, zu erzählen hatte.”

4. Publikum
(neues-deutschland.de, Leo Fischer)
Nicht nur für schlechte Menschen, sondern auch für ausgemachte Jammerlappen hält Leo Fischer einige “Bild”-Journalisten. Diese würden auf Twitter kräftig austeilen, aber nicht einstecken können: “Am liebsten hätten sie ihr Publikum wieder so wie vor dem Internet: eine stumme, folgsame Masse, die widerstandslos das herunterschluckt, was sie ihnen vorsetzen. Sie wollen die Reichweite und die Wirkmacht von Twitter, ohne jedoch den Widerspruch auszuhalten, der ihnen dort entgegenhallt.” Fischer dreht den Spieß um und fordert den Twitter-Support auf: “Löscht Diekmann, Reichelt, Röpcke! Es handelt sich um gefährliche Trolle, die Hassbotschaften verbreiten und überdies eure Geschäftsgrundlage beschädigen!”

5. Käßmann erwägt rechtliche Schritte gegen Fake News nach AfD-Kritik
(chrismon.evangelisch.de)
Was passieren kann, wenn man Sätze verkürzt und aus dem Kontext löst, kann man derzeit beim Streit um ein angebliches Zitat der prominenten evangelischen Theologin Margot Käßmann sehen. Diese hatte auf dem Kirchentag in Berlin die Forderung der AfD nach einer höheren Geburtenrate kritisiert. Es wurden jedoch vereinzelt Sätze angeführt, die belegen sollten, dass Käßmann alle Bürger mit deutschen Ahnen zu Neonazis erklärt hätte. Für Käßmann eine “lächerlich und absurde” Unterstellung, gegen die sie rechtliche Schritte erwäge.

6. Über Tweetklau
(xbg.blogsport.eu, Klaas Berger)
“Darf man eigentlich nach Telefonaten fremder Leute in der U-Bahn Fragen stellen, wenn einem etwas unklar geblieben ist?” Haben Sie den Spruch schon mal irgendwo gesehen? Die Wahrscheinlichkeit ist groß, denn er taucht immer wieder auf, ob in Witzesammlungen, auf Twitter oder bei Facebook. Gestern hat zum Beispiel die “Zeit” eine entsprechende Bildtafel retweeted, der aus dem Fundus einer geradezu industriellen Tweetverwertungsmaschinerie stammt und noch dazu einen falschen Urheber nennt. Eine schöne Gelegenheit, an den Tweetklau-Artikel von Klaas Berger zu erinnern, von dem der Spruch ursprünglich stammt.

Nicht-Fake-Studie, Terror-TV, GNTM-Finale

1. “Das ist mindestens verleumderisch”
(spiegel.de, Peter Maxwill)
Im Auftrag der Bundesregierung haben Politologen des “Göttinger Instituts für Demokratieforschung” den Fremdenhass in drei ostdeutschen Orten untersucht. In der “Welt” wurden schwere Vorwürfe gegen die Studie erhoben. “In dieser Regierungsstudie wurden sogar Gesprächspartner erfunden” hieß es dort in der Überschrift. Peter Maxwill ist den Vorwürfen nachgegangen: “Der SPIEGEL kennt den Namen des angeblich erfundenen Gesprächspartners sowie die Audioversion des Interviews – und es gibt nach derzeitigem Stand keinen ernstzunehmenden Zweifel daran, dass die Politologen Danny Michelsen und Michael Lühmann dieses Gespräch tatsächlich geführt haben.”

2. Anschlagsopfer! Und die Kriegsopfer?
(infosperber.ch, Urs P. Gasche)
Urs P. Gasche prangert die Terror-Berichterstattung der Medien an und stellt ein paar unbequeme Fragen: “Warum lösen vereinzelte (Terror-)Anschläge in Europa in den Medien und bei den Politikern eine derart breite Resonanz aus, während die vielen zivilen Opfer von Kriegen nur selten eine Erwähnung finden? Warum wird nicht heftig darüber debattiert, wie Kriege beendet werden können? Und warum nicht darüber recherchiert und informiert, wer die Kriege finanziert und wer die Waffen liefert? Schürt die Art und Weise der Information über die Terroranschläge in Europa irrationale Ängste, welche Regierungen dazu ausnützen können, Freiheiten der Bürgerinnen und Bürger ungebührlich einzuschränken?” Nachtrag, 15:39 Uhr: Wir haben den Link zum Text von Urs P. Gasche hier in die Sammlung genommen, weil wir die Fragen, die er stellt, richtig und wichtig finden (deswegen auch der Fokus in unserem Teaser auf “ein paar unbequeme Fragen”). In seinem Artikel trifft Gasche allerdings auch Aussagen (zum Beispiel: “Nach der rücksichtslosen Vertreibung des IS aus dem syrischen Aleppo durch die Russen”), die mindestens fragwürdig, wenn nicht völlig falsch sind. Nach Hinweisen unserer Leser bleiben wir dabei, dass es sich lohnt, über die Fragen, die Gasche stellt, nachzudenken. Den Rest seines Textes sollte man sehr kritisch lesen.

3. „Vom Völkermord berichten“
(taz.de, Dominic Johnson)
Dominic Johnson, Ressortleiter Ausland bei der “taz”, wirft einen Blick zurück ins Jahr 1994 als der Völkermord in Ruanda begann. Damals war es noch schwierig, an Informationen zu gelangen, also schickte die “taz” ihre Ostafrika-Korrespondentin Bettina Gaus auf den Weg. Johnson lässt die damalige Berichterstattung Revue passieren und diskutiert den Begriff der “Gegenöffentlichkeit”, der für ihn mehr denn je heißt: “Selber nachsehen.”

4. «Der mediale Overkill spielt den Terroristen in die Hände»
(tagesanzeiger.ch, Philippe Zweifel)
Das Schweizer Fernsehen verzichtete auf eine Sondersendung zum Terroranschlag in Manchester, was ihm von vielen Zuschauern als mediale Fehlleistung vorgeworfen wurde. Im Interview erklärt der SRF-Chefredakteur seine Beweggründe: “Der mediale Overkill in den westlichen Medien, an dem auch SRF beteiligt ist, spielt den Terroristen letztlich in die Hände. Dem wollten wir etwas entgegensetzen. Einen ersten bewussten Entscheid fällten wir schon letzten Sommer, nämlich die Namen und Bilder von Attentätern nicht mehr zu publizieren. Der «Tages-Anzeiger» und zuvor die Zeitung «Le Monde» gingen uns da ja mit gutem Beispiel voran. Den «Heldenstatus» erreichen die Täter nur, wenn die Medien mitmachen und ihre Namen und ihre Gesichter in die Welt tragen.”

5. Donald Trumps Symbiose mit den Medien
(de.ejo-online.eu, Maximilian Hempel & Andreas Neukam)
Unlängst hat der amerikanischer Journalismus-Professor Robert Byrd im Sendezentrum des ZDF einen Vortrag „Enemy of the People? Trump, ‚Fake News‘ and the Press“. Die deutschen Medien, so sein Credo, sollten aus den Fehlern der US-Medien lernen und sich nicht von Trump zu einer Reality-TV-Show verwandeln lassen. Byrd wünscht sich, dass die Nachrichtenkanäle wieder mehr Wert auf Fakten setzen und weniger auf Emotionen und appelliert an die Journalisten: „Entfolgt Donald Trump auf Twitter oder blockiert ihn sogar!“

6. Namenlose Gewinnerin, es tut uns leid für Dich
(sueddeutsche.de, Juliane Liebert)
Juliane Liebert hat sich das Finale von “Germany’s Next Topmodel” angesehen und die Botschaft der Sendung herausdestilliert: “GNTM ist so weitab von jeder Schönheit wie nur irgendwas, und die eigentliche Message ist: Kauft James Blunts neues Album. Kauft Wolfgang Joops neue Kollektion. Naomi Campbell lebt noch. Beth Ditto ist fett. Kauft Helene Fischers neues Album. Kauft einen Opel. Kauft einen Opel. Los jetzt! Oh, und ihr seid hässlich, und wenn ihr keinen Opel kauft, werdet ihr für immer hässlich bleiben. Aber so hässlich wie GNTM werdet ihr nie.”

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