Archiv für 6 vor 9

Crowdfunding rettet kremlkritisches Magazin, Kältebus, Göttinger Rätsel

1. Politisches Crowdfunding
(taz.de, Klaus-Helge Donath)
Ende Oktober wurde das kremlkritische Magazin “The New Times” mit einer Geldstrafe von 22 Millionen Rubel (umgerechnet 300.000 Euro) belangt, dem höchsten Zahlungsbefehl, der jemals über ein russisches Medium verhängt wurde. Normalerweise hätte dies das Aus für das Nachrichtenmagazin bedeutet, doch dann war da noch die Sache mit dem Internet: Mehr als 20.000 Menschen spendeten via Crowdfunding und sorgten dafür, dass der Betrag innerhalb von vier Tagen zusammen war.

2. Kaeser muss Reise nach Saudi-Arabien absagen
(reporter-ohne-grenzen.de)
“Reporter ohne Grenzen” (“ROG”) fordert den Siemens-Chef Joe Kaeser auf, seine für den 26. November geplante Reise zu einer Konferenz in Saudi-Arabien abzusagen. Hintergrund ist der Mord am Journalisten Jamal Khashoggi, der allem Anschein nach von der saudischen Regierung beziehungsweise von Kronprinz bin Salman persönlich beauftragt wurde: “Der Mord an Khashoggi im Konsulat in Istanbul ist in seiner Brutalität wie Dreistigkeit ein Ausnahmefall. Zudem ist immer noch unklar, wer die Verantwortlichen sind und inwiefern Kronprinz bin Salman persönlich in den Fall verstrickt ist. Dass einer der wichtigsten internationalen Investoren in Saudi-Arabien in dieser Situation zur Tagesordnung übergeht, ist zynisch”, sagte “ROG”-Geschäftsführer Christian Mihr: “Jetzt das Gespräch zu suchen, ist nicht in erster Linie ein Zeichen an das saudische Volk, wie Siemens betont. Es zeigt vor allem dem Regime, dass es wirtschaftlich nicht viel zu befürchten hat, wenn es Journalisten inhaftiert, auspeitscht, entführt und ermordet.”

Weiterer Lesehinweis: Das Länderdossier der “Reporter ohne Grenzen” zu Saudi-Arabien.

3. Kältebus-Aufruf mit falscher Nummer
(hinzundkunzt.de, Simone Deckner)
“The same procedure as every year, James.” Jedes Jahr kursieren auf Facebook und Co. die unterschiedlichsten Bildtafeln (“Sharepics”) mit Telefonnummern von Kältebussen, die Obdachlosen helfen sollen. Das Problem: Oftmals sind die Nummern veraltet oder schlicht falsch wie man am Beispiel Hamburg sehen kann. Das Hamburger Straßenmagazin “Hinz und Kunzt” hat einen Tipp: Wer in kalten Nächten einen Obdachlosen sehe und es unklar sei, ob sich dieser in Gefahr befindet, solle zunächst herausfinden, ob die Person ansprechbar ist: “Reagiert sie nicht mehr auf Ansprache, sollte man die 112 anrufen. Braucht sie Hilfe, dann ebenfalls die 112 wählen! Wenn sich aber herausstellt, dass die Person in der akuten Situation keine Unterstützung will, sollte man dies auch akzeptieren.”

4. Polizei überwacht möglicherweise Journalisten
(amnesty-polizei.de)
Nur durch einen Irrtum der Polizei ist herausgekommen, dass diese anscheinend einen Journalisten überwacht hat. Wie das Ganze ans Licht gekommen ist? Die sächsische Polizei hatte versehentlich ein für die Göttinger Polizei vorgesehenes Schreiben an den Anwalt des Journalisten adressiert.
Weitere Einzelheiten zu dem unter vielerlei Aspekten bemerkenswerten Fall gibt es beim “Göttinger Tageblatt”: Weitere Klage gegen Polizei bei Datenpanne (Matthias Heinzel & Michael Brakemeier).

5. Sächsische.de: Ein Besuch im neuen Newsroom
(flurfunk-dresden.de, Peter Stawowy)
Der Dresdner “Flurfunk” hat sich auf Einladung der “Sächsischen Zeitung” auf der Baustelle des neuen Newsrooms umgesehen, einer hippen Bürofläche mit Brickwall-Elementen und Coffeeshop-Atmosphäre. Die Einrichtung des Newsrooms liege am grundlegenden Konzeptwechsel der Zeitung zu “online first” bis zu einem möglicherweise “online only”.

6. Frankreich beschließt Gesetz gegen “Fake News”
(zeit.de)
Die französische Nationalversammlung stimmte in letzter Lesung für zwei Gesetze gegen die Verbreitung von Falschnachrichten im Wahlkampf. Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte angekündigt, “das demokratische Leben” schützen zu wollen. Kritiker sähen in den Gesetzen einen Versuch Macrons, missliebige Informationen zu unterbinden.

Nuhr Verachtung, Gespräch mit dem Rechtsfluencer, Wirbellose ARD

1. Fischers kleine Presseschau: Diesel-Depression in der FAZ und Dieter Nuhrs Hohn-Gipfel in der ARD-Themenwoche
(meedia.de, Thomas Fischer)
In seiner “kleinen Presseschau” rechnet Thomas Fischer, Bundesrichter a.D., mit der Diesel-Berichterstattung der “FAZ” und dem ARD-Satiriker Dieter Nuhr ab, für den er keine guten Worte findet: “Er verhöhnt den menschenrechtlichen Gleichheitssatz, indem er ihn in sein Gegenteil verdreht und frei erfundenen Unsinn als angeblichen “Mainstream” ausgibt, dem er sich zu widersetzen behauptet. Das Prinzip der Nuhrschen Komik ist dabei immer gleich: Von oben nach unten wird Verachtung durchgereicht. Das erreicht, bei Licht betrachtet, bestenfalls das Niveau eines Karnevalsabends im AfD-Ortsverein.”

2. Der Rechtsfluencer
(buzzfeed.com, Karsten Schmehl)
“BuzzFeedNews”-Reporter Karsten Schmehl hat sich mit einem der auffälligsten rechten Meinungsmacher in Deutschland getroffen: Der 24-jährige Henryk Stöckl treibt vor allem auf Facebook und Youtube sein Unwesen, verbreitet dort falsche Behauptungen und befeuert Hass und Hetze. Schmehl ist angesichts der Aussagen des Rechtsfluencers etwas ratlos: “Auch nach einer Stunde Gespräch fällt es nicht leicht, zu beurteilen, ob Stöckl seine Falschaussagen kalkuliert oder aus Naivität verbreitet. Es bleibt unklar, ob er die Tragweite seiner Handlungen nicht versteht oder nicht verstehen will.”

3. Kritische Begleitung – Ein Blick zurück
(apabiz.de, Caro Keller)
Was für eine Herkulesaufgabe: Über fünf Jahre hat das Team von “NSU-Watch” den NSU-Prozess regelmäßig begleitet und fleißig Protokoll geführt. Mit dem Urteil würden viele die Frage verbinden: War es das wert? War die viele Arbeit sinnvoll? Caro Keller zieht Bilanz.
Hörtipp: “NSU-Watch” gibt es auch als Podcast: “NSU-Watch: Aufklären & Einmischen” (bislang 19 Folgen).

4. Google droht mit Ende für Google News wegen Plänen für Leistungsschutzrecht
(netzpolitik.org, Alexander Fanta)
In Brüssel wollen EU-Verhandlungsführer Google zur Kasse bitten und eine europaweite Abgabe selbst auf kurze Textschnipsel durchsetzen. Als Antwort droht Google mit der Einstellung seines Nachrichtendienstes Google News in Europa. Keine leere Drohung: Als die spanische Regierung 2014 eine Abgabe auf Einnahmen aus Nachrichten-Aggregatorenseiten einführte, schaltete Google seinen Nachrichtendienst für Spanien einfach ab.

5. “Unser Bericht soll ein Weckruf sein”
(deutschlandfunk.de, Friedbert Meurer, Audio, 5:46 Minuten)
Der “Index on Censorship” prangert regelmäßig Fälle von Presse-Zensur in Europa an. In der von der EU-Kommission finanzierten Studie tauchen erwartungsgemäß Länder wie Ungarn und Polen auf, aber auch Finnland und Deutschland. Der Zensurbegriff müsse künftig weiter gefasst werden. Mit dem Aufkommen der sozialen Netzwerke gehe diese auch von einzelnen Personen aus.

6. Wirbellose ARD
(taz.de, Jürn Kruse)
Nachdem sich AfD und Junge Union über einen “Fuck AfD”-Aufkleber in einer Folge des Rostocker “Polizeiruf 110” aufregten, knickte die ARD ein und retuschierte den Sticker. Eine falsche Entscheidung, wie Jürn Kruse in der “taz” findet: “Diese Strategie des Einknickens vor ein paar Social-Media-UserInnen kann nicht aufgehen. Kinder merken es sich, wenn sie mit Quengeln, Jaulen und Jammern durchkommen. Und der nächste Grund zur rechten Erregung kommt bestimmt. Vielleicht wenn einem Kommissar die Schleife nicht so gebunden wird, wie es AfD und Junge Union gerne hätten.”
Weitere Leseempfehlung/Hörtipp: Der Medienrechtler Christian Schertz bei “Deutschlandfunk Kultur”: “Das ist vorauseilender Gehorsam des Senders. Es gibt keine rechtliche Pflicht, bei einer fiktionalen Erzählung wie bei einem Spielfilm solch einen Aufkleber rauszunehmen.”

Lindensackgasse, Gegen stille Diplomatie, Niemand ist eine Insel

1. Warum die ARD die “Lindenstraßen”-Lücke füllen muss
(dwdl.de, Ulrike Klode)
Die Programmverantwortlichen der ARD haben beschlossen, dass die legendäre “Lindenstraße” nach 34 Jahren eingestellt werden soll. “DWDL”-Kolumnistin Ulrike Klode hat aufgeschrieben, warum es Pläne für die Zeit nach der “Lindenstraße” geben muss: “Die grundlegenden Inhalte der “Lindenstraße” sind nicht verhandelbar — sie entsprechen dem Programmauftrag der öffentlich-rechtlichen Sender. Die Frage kann nur sein: Wie kann man diese Inhalte verpacken, damit sie das Publikum erreichen?”
Weitere Reaktionen auf das “Lindenstraßen”-Aus: In Die Zeit ist an der “Lindenstraße” vorbeigezogen (sueddeutsche.de) kommentiert Hans Hoff: “Es ist eben auch eine Herkulesaufgabe, jede Woche das ganze Elend der Bundesrepublik im gequetschten Kosmos einer Münchner Straße spiegeln zu müssen.” Auf “Indiskretion Ehrensache” empört sich Thomas Knüwer: “Diese Entscheidung ist eine Schande für die ARD.” Und Christian Meier schreibt auf Welt.de: Mit der “Lindenstraße” stirbt die alte Bundesrepublik. “taz”-Redakteurin Susanne Memarnia denkt an die 17 Jahre zurück, in denen sie selbst ein Teil des Lindenstraßen-Ensembles war. Und an die Zeit danach: “Das Leben ohne Serie war am Anfang nicht ganz leicht — aber schließlich habe ich meinen Weg gefunden. Das Einzige, was ich heute bereue: Mein Opa hatte all meine Auftritte vom Fernseher abfotografiert, einmal im Jahr bekam ich ein Album mit körnigen Fotos, am Ende waren es mehrere Regalmeter. Leider habe ich sie irgendwann alle weggeschmissen.“ Und last but not least hat “Übermedien” der Serie eine besondere Würdigung zuteil werden lassen und einige der berühmt-berüchtigten Lindenstraßen-Cliffhanger zu einem Fünf-Minuten-Video zusammengeschnitten. Eine Horror-Kompilation cineastischen Grusels.

2. Wir sind dann mal weg (und dieser Titel muss auch weg! Oder?)
(tageswoche.ch, Ronja Beck)
Die “TagesWoche” stellt ihren Betrieb ein: Der Stiftungsrat der Stiftung für Medienvielfalt versagte dem Medienprojekt nach sieben Jahren die weitere Finanzierung. Die etwa 30 Arbeitsverhältnisse werden aufgehoben. Der Sozialplan sei großzügig und federe die daraus entstehenden Härten ab. Ronja Beck notiert in einem letzten Blogbeitrag: “In ihren letzten Tagen wandelt sich die TagesWoche zum Loriot-Sketch. Alltag ad absurdum. Die Akteure sind gefangen zwischen Realität und Unfassbarem, gemeinsam streifen wir durch grossen Unsinn. Und wir lachen dabei, ohne zu wissen, was zur Hölle es da eigentlich zu lachen gibt.”

3. Wenn die Gemeinschaft zahlt
(taz.de, Peter Weissenburger)
Die Onlinezeitung “Texas Tribune” im amerikanischen Austin beschäftigt ein Team von 40 Jour­nalistinnen und Journalisten und finanziert sich komplett durch Spenden. “taz”-Redakteur Peter Weissenburger erklärt, warum das Modell so gut funktioniert.

4. “Wenn man in seiner Zelle ausharrt und schweigt, passiert nichts”
(spiegel.de)
Als die Journalistin Mesale Tolu in der Türkei im Gefängnis saß, wurde ihr geraten, stillzuhalten und auf die Kräfte der stillen Diplomatie im Hintergrund zu vertrauen. Das hält Tolu in der Nachbetrachtung für keine gute Idee: “Wenn man einfach in seiner Zelle ausharrt und schweigt, passiert nichts. Die Türkei ist kein Rechtsstaat. Abwarten heißt, sein Schicksal anderen in die Hand legen. Und jeder Tag da drinnen ist ein Tag zu viel. Wenn man Unrecht erfährt, muss man das auf die Tagesordnung setzen.”

5. Wie misst man journalistischen Erfolg?
(journalist-magazin.de, Sonja Peteranderl)
Wie misst man journalistischen Erfolg? Klicks und Marktanteile sind das eine, Einfluss auf Politik und Gesellschaft das andere. In den USA beschäftigt man sich schon seit Längerem mit der Impact-Messung. Sonja Peteranderl erklärt in ihrem Aufsatz die Besonderheiten von Erfolgsmessung und Wirkungszuschreibung bei der Impact-Analyse und schlägt eine Brücke von den USA nach Deutschland.

6. Zum Tod von “Mallorca-Jens”: Niemand ist eine Insel
(haz.de, Imre Grimm)
Jens Büchner (“Mallorca-Jens” beziehungsweise “Jenser”) war neben Daniela Katzenberger die wohl erfolgreichste Figur der TV-Auswanderer, eine verwegene Mischung aus Loser und Hero, der dem TV-Sender Vox unzählige Filmchen und tolle Einschaltquoten beschert hat. Und sich ein paar intensive Jahre als schlagersängernder Trash-Star, gefeierter Überlebenskünstler und Dschungelcamp-Berühmtheit. Nun ist Büchner im Alter von nur 49 Jahren gestorben, vermutlich an Lungenkrebs. In Imre Grimms Nachruf geht es auch um die Frage, wie es jemandem wie Büchner gelingen konnte, zu einer TV-Berühmtheit zu werden: “Die Mechanik der Medienwelt braucht auch Normalos”.
Weitere Lesehinweise: 
Anja Rützel befindet in ihrem Nachruf bei “Spiegel Online” : “Jens Büchner war ein Fernsehgeschöpf, eine für die Bedürfnisse des Trash-Genres geschnitzte Figur und ein oft schlecht beratenes, von Format zu Format trudelndes Teilchen, dem diese Abhängigkeit völlig klar zu sein schien.” Johanna Bruckner schreibt bei Süddeutsche.de: “Viele liebten “Malle-Jens”, weil er so offen zugab, ein Verlierer zu sein. Vielleicht weil er in seinen Misserfolgen zutiefst menschlich wirkte. Manche verachteten ihn wohl genau dafür.”

7. Spiegel-Cover: “Leben ohne Schmerzen”
(facebook.com, Lorenz Meyer)
Weil unter Beteiligung des “6 vor 9”-Kurators, ausnahmsweise ein siebter und daher zusätzlicher Link: Auf Facebook kommentiert Lorenz Meyer den aktuellen “Spiegel”-Titel über ein “Leben ohne Schmerzen”: “Lieber “Spiegel”, es würde schon mal deutlich weniger schmerzen, wenn Ihr nicht bei gefühlt jedem Gesundheitsthema eine nackte Frau aufs Cover packen würdet. Es nützt nämlich nichts, wenn Ihr in Sachen sexistischer Covergestaltung schmerzfrei seid, wir aber jedesmal schmerzerfüllt ächzen, wenn wir ein solches Titelbild sehen.”
Weiterer Lesehinweis: Auch Richard Gutjahr hat Rücken und befindet: “Von Radio, TV bis zur Zeitung habe ich im Journalismus so ziemlich alles durchgespielt. Was mir fehlt: Erfahrung als Zeitschriftenmacher. Ohne jemals für eine Illustrierte gearbeitet zu haben, habe ich aber eine vage Idee, mit welcher Titelstory ich den deutschen Qualitätsjournalimus rocken könnte …”

Abtreibungsgegner will Pressefreiheit abtreiben, Traumata, Weidel-Spende

1. Abtreibungsgegner Yannic Hendricks hat BuzzFeed News abgemahnt, weil wir seinen Namen veröffentlicht haben
(buzzfeed.com, Juliane Loeffler)
Der Abtreibungsgegner Yannic Lukas Hendricks hat “BuzzFeed News Deutschland” abgemahnt, weil das Portal seinen Namen veröffentlicht habe. “BuzzFeed News” nimmt dies jedoch nicht hin: “Wir wehren uns gegen die Abmahnung, weil wir die Namensnennung für rechtens halten.” Juliane Loeffler erklärt die Position des Portals und zitiert aus der anwaltlichen Erwiderung auf die Abmahnung.

2. Das Trauma klopft meist sachte an
(facebook.com/carsten.stormer)
Seit vielen Jahren berichtet Carsten Stormer aus den Krisengebieten der Welt, ob als Journalist, Buchautor oder Filmemacher. Eine Tätigkeit, die körperliche Wunden und seelische Narben hinterlässt. In einem Facebook-Post schreibt Stormer auf eindrückliche und bedrückende Weise von den Erinnerungen an Krieg, Tod und grausame Gewalt, die er in einem Buch verarbeitet hat und die ihn immer wieder verfolgen: “Das Sediment dieser Geschichten lagert sich wie toxischer Schlamm in meinem Kopf ab, Schicht um Schicht.”
Siehe dazu auch: Traumatisierte Journalisten: Es gibt zu wenig Hilfe (ndr.de, Inga Mathwig, Video, 6:31 Minuten).

3. Die fixe Idee der neutralen Berichterstattung halte ich für absurd.
(planet-interview.de, Anja Reschke)
Jakob Buhre hat die NDR-Journalistin und Buch-Autorin (“Haltung zeigen”) Anja Reschke interviewt. Es geht um ihr Verständnis von Gerechtigkeit und das Bemühen um neutrale Berichterstattung, Selbstkritik, Transparenz und Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Gleichstellung innerhalb der Sender und ihre Mail-Korrespondenz mit Zuschauern.

4. Julian Reichelt still loves patriarchy
(genderequalitymedia.org)
Der Verein “Gender Equality Media” hat mit “Still <3 patriarchy" ein neues Projekt gestartet, bei dem "sexistische und patriarchale Entscheidungsträger*innen" benannt werden. "Was muss passieren, um einen Platz auf der Website zu bekommen? Ein sexistisches Bild hier, ein schiefes Wort da? Nein, wir wollen Journalist*innen nicht bloßstellen -- Fehler machen wir alle, und im besten Fall lernen wir daraus. Wir wollen die Journalist*innen zur Verantwortung ziehen, die Sexismus mit System in ihrer Arbeit einsetzen." Ganz vorne mit dabei: "Bild"-Chef Julian Reichelt. Weiterer Lesetipp: Unser Beitrag von gestern: Schülerzeitung entlockt Julian Reichelt “tiefe innere Wahrheit” mit einem Hinweis auf ein in jeder Hinsicht herausragendes Interview.

5. “Beeindruckendes Wachstum”
(faktenfinder.tagesschau.de)
Patrick Gensing vom ARD-“Faktenfinder” beschäftigt sich mit den rätselhaften Wahlkampfspenden an Alice Weidel (AfD), mit denen wahrscheinlich der Social-Media-Erfolg finanziert und die Reichweite auf Twitter und Facebook massiv ausgebaut wurde.

6. Warum Journalisten nicht vom “Gute-Kita-Gesetz” sprechen sollten (Spoiler: Weil sie damit der Ministerin einen Gefallen tun)
(stefan-fries.com)
Aus dem “Gesetz zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung” hat das Bundesfamilienministerium das “Gute-Kita-Gesetz” gemacht. Stefan Fries erklärt, warum es keine gute Idee ist, wenn Medien diesen Begriff in ihrer Berichterstattung übernehmen.

ORF droht Zerstörung, Y***** H******** mahnt ab, MedWatch

1. Redakteursvertreter befürchten “absichtliche Zerstörung” des ORF
(derstandard.at)
Redakteure schlagen Alarm: Dem ORF drohe die “größte existenzielle Krise seit Bestehen”. In einer Resolution beklagen sie die kontinuierliche Reduktion der journalistischen Arbeitsplätze sowie die Auslagerung von Informationsprogrammen: “Wir befürchten die absichtliche Zerstörung des öffentlich-rechtlichen Senders — über einen wirtschaftlichen und politischen Zangenangriff. (…) Währenddessen bauen die Regierungsparteien systematisch ihre PR-Stellen aus.”

2. Y***** H******** mahnt ab
(taz.de, Dinah Riese)
Die “taz” macht darauf aufmerksam, dass der Mathematikstudent Yannic Hendricks, der unzählige öffentlich über Abtreibung informierende Ärzte und Ärztinnen angezeigt hat, nun Menschen abmahnt, die seinen Namen im Zusammenhang mit diesen Anzeigen öffentlich genannt haben.
Weiterer Lesetipp: Yannic Hendricks zeigt Ärztinnen an, die gegen 219a verstoßen, aber möchte anonym bleiben (buzzfeed.com, Juliane Loeffler).

3. Ein ungutes Gefühl im Bauch
(jmwiarda.de, Jan-Martin Wiarda)
Einer Juristin wurde von der Internet-Plattform “VroniPlag Wiki” vorgeworfen, sowohl bei der Promotion als auch bei der Habilitation plagiiert zu haben. Als Medien darüber berichteten, ging die Juristin dagegen juristisch vor und bekam zunächst Recht. Der Journalist Jan-Martin Wiarda kommt bei dem Konflikt zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsrecht zu keinem eindeutigen Ergebnis und befindet schlussendlich: “Ich habe keine Antworten. Nur ein ungutes Gefühl im Bauch.”

4. Neues aus dem Fernsehrat (29): Von “funk” für die Zukunft öffentlich-rechtlicher Medien lernen
(netzpolitik.org, Leonhard Dobusch)
Seit zwei Jahren existiert das öffentlich-rechtliche Jugendangebot “funk”. Zeit für eine Zwischenbilanz, findet Leonhard Dobusch. Als reines Online-Angebot sei “funk” in vielerlei Hinsicht wegweisend für Öffentlich-Rechtliche im Netz. Potentiale jenseits von YouTube und Facebook würden jedoch bislang nicht genutzt. Dobusch hat Ideen, wie sich das ändern ließe.

5. “Fake-Informationen bedrohen das Leben von Patienten”
(vocer.org, Nicola Kurth)
Der diesjährige #Netzwende-Award ging an das von den Wissenschaftsjournalisten Nicola Kuhrt und Hinnerk Feldwisch-Drentrup gegründete Projekt “MedWatch”, das sich für verlässliche Gesundheitsinformationen im Netz einsetzt. Warum Gesundheitsinformationen im Netz journalistische Kontrolle brauchen, erklärte Mitgründerin Kuhrt beim “Vocer Innovation Day” in Hamburg.

6. Die Financial Times hat einen Bot entwickelt, der warnt, wenn nur männliche Experten zu Wort kommen
(piqd.de, Simon Hurtz)
Bei der britischen Zeitung “Financial Times” warnt eine Analyse-Software (Bot), wenn nur männliche Experten zu Wort kommen. Der Journalist Simon Hurtz kommentiert: “Der Bot kann keine strukturellen Probleme innerhalb der Redaktionen lösen. Aber ich glaube, dass es manchmal schon reicht, daran erinnert zu werden, Frauen zu zitieren. Gerade im Alltagsstress vergisst Mann (und manchmal auch Frau) das oft, ohne dass Absicht dahinter steckt. Vielleicht kann die Financial Times den Code veröffentlichen, sodass andere Medien vergleichbare Mechanismen implementieren können.”

Erika Fakebach, Pro und Contra Klarnamenpflicht, Debatten-Detlev

1. Steinbach wegen Twitter-Fake belangt
(faktenfinder.tagesschau.de, Karolin Schwarz)
Die ehemalige CDU-Politikerin und jetzige Vorsitzende einer AfD-nahen Stiftung Erika Steinbach nutzt begeistert Social-Media-Kanäle, um ihre Botschaften unters Volk zu bringen. Falschmeldungen, untergeschobene falsche Zitate und bösartige Empörungs-Bildchen haben es ihr besonders angetan. Nach Claudia Roth ist nun auch deren Grünen-Kollegin Renate Künast rechtlich dagegen vorgegangen. Erfolgreich: Steinbach musste eine entsprechende Erklärung abgeben, die sie verpflichtet, das Fake-Zitat nicht erneut zu verbreiten.

2. Auf kurzem Weg zum Verleger
(taz.de, Ralf Leonhard)
Auf dem österreichischen Pressemarkt gibt es Bewegung: Ein medienscheuer Selfmade-Milliardär namens René Benko hat jeweils 24 Prozent der “Krone” und des “Kurier” übernommen. Der für Österreich zuständige “taz”-Korrespondent Ralf Leonhard erklärt Hintergrund und Zusammenhänge.

3. Weniger Anonymität im Netz?
(brodnig.org)
Immer wieder gibt es Bestrebungen zur Einführung einer Klarnamenpflicht im Internet. Die Idee dahinter: Wenn sich Menschen nicht mehr hinter ihrer Anonymität verstecken können und befürchten müssen, für strafbare Äußerungen belangt zu werden, gibt es weniger Hass und Hetze. Ingrid Brodnig führt aus, warum eine solche Pflicht aus ihrer Sicht die Probleme nicht löst.

4. Philipp Kadelbach: “Ganz ehrlich, es gibt zu viele Serien”
(dwdl.de, Alexander Krei)
Für “Unsere Mütter, unsere Väter” bekam er einen Emmy, nun steht für Filmregisseur Philipp Kadelbach mit der ZDFneo-Serie “Parfum” das nächste deutsche Projekt an. “DWDL” hat sich mit Kadelbach über Inszenierung, Rhythmus, Zeitgeist und die allgegenwärtige Serien-Flut unterhalten. Und natürlich über seine Arbeit an dem berühmten Süskind-Stoff.

5. Facebook kann Portale in die Bedeutungslosigkeit herunterpegeln
(sueddeutsche.de, Adrian Lobe)
Von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg gibt es das Zitat, nach dem er mit dem Newsfeed “die perfekte personalisierte Zeitung für jede Person auf der Welt” schaffen wolle. In den USA sei ihm das nach einer Erhebung eines Meinungsforschungsinstituts in gewisser Hinsicht bereits recht gut gelungen. Die Allmacht des Konzerns sei riesig, schreibt Adrian Lobe. Wenn Facebook an seinen Algorithmen drehe, habe dies massiven Einfluss auf den Traffic von Nachrichtenportalen und könne diese schon mal in den wirtschaftlichen Abgrund reißen.

6. Debatten-Detlev
(titanic-magazin.de, Paula Irmschler)
“Titanic”-Autorin Paula Irmschler lässt “Debatten-Detlev” zu Wort kommen: “Frauen mit ihren Entscheidungen machen mich wahnsinnig. Ich sage nur, wie es ist. Wir geben ihnen Posten, Wahlrecht und Kolumnen, und was machen sie damit? Hysterisch rumstressen.”

Auskunftsperre, Zensurheberrecht zu Glyphosat, Vorsicht, Heimat!

1. Leipziger Richter stärken Rechte von Journalisten beim Schutz der privaten Adresse
(investigativ.welt.de, Uwe Müller)
Das Verwaltungsgericht Leipzig hat in einem Beschluss die Rechte von Journalisten gestärkt, die ihre Privatadresse schützen wollen: Die Verwaltungsrichter haben die Stadt Leipzig im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, zu Gunsten eines Investigativreporters der “Welt” für die Dauer von längstens zwei Jahren eine Auskunftssperre im Melderegister einzutragen.

2. Zensurheberrecht: Bundesinstitut gab 80.000 Euro gegen Glyphosat-Berichterstattung aus
(netzpolitik.org, Arne Semsrott)
Ende 2017 verlängerte die EU-Kommission die Zulassung des möglicherweise krebserregenden Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat um weitere fünf Jahre. Der damalige Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) hatte im Alleingang im Namen Deutschlands die Zustimmung erteilt, obwohl laut Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) eine Enthaltung vereinbart war. Der Fernsehsender MDR hatte regelmäßig über Gutachten des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) berichtet, die Kritikern zu industriefreundlich ausfielen. Daraufhin mahnte das BfR den MDR wegen der Veröffentlichung der Dokumente ab und verklagte ihn schließlich: Mit der Veröffentlichung der Gutachten habe der Sender das geistige Eigentum des BfR verletzt. Der MDR musste daraufhin sowohl die Gutachten als auch den Mitschnitt der Sendung löschen. In den kommenden Wochen wird der Europäische Gerichtshof über den Fall entscheiden.

3. Michael Obert: “Ich dachte: Jetzt sterbe ich.”
(daniel-bouhs.de)
Am Rande der Fachtagung “Krieg und Krise, Terror und Trauma — Emotionale Belastungen in der Arbeit von Journalistinnen und Journalisten” ergab sich für Daniel Bouhs die Gelegenheit für ein spannendes Gespräch mit einem freien Auslandsjournalisten: Michael Obert war für das “SZ-Magazin” mit einem Warlord vor der libyschen Küste unterwegs und ist von dort schwer verletzt zurückgekommen. Obert warnt junge Kolleginnen und Kollegen vor riskanten Einzelaktionen: “Ich nehme schon eher wahr, dass gerade jüngere Kolleginnen und Kollegen, weil man ihnen eine Geschichte in einem schwierigen Gebiet nicht zutraut, dann zunehmend auf eigene Kappe hinfahren, das selbst finanzieren und dann so im Backpacker-Style im Prinzip mit 20 Euro Tagesbudget sich da irgendwie durchkämpfen …”

4. Ennio Morricone will den deutschen “Playboy” wegen angeblichem Fake-Interview verklagen
(musikexpress.de)
Im deutschen “Playboy” erschien ein Interview mit der Filmmusik-Legende Ennio Morricone, in dem der 90-Jährige angeblich den Regisseur Quentin Tarantino heftig beschimpfte und über die alljährliche Oscar-Verleihung lästerte. In einer ersten Reaktion stritt Morricone zunächst ab, dem “Playboy” ein Interview gegeben zu haben. Dies hat sich inzwischen geändert: Nun will Morricone nur die umstrittenen Aussagen nicht getätigt haben. Die deutsche “Playboy”-Redaktion wehrt sich gegen Morricones Vorwürfe: Das Interview habe stattgefunden, und man sei irritiert darüber, “dass Teile der veröffentlichten Aussagen so nicht getroffen worden sein sollen.” Update: Inzwischen räumt “Playboy”-Chefredakteur Florian Boitin ein, dass Morricones Aussagen in dem gedruckten Interview wohl “in Teilen nicht korrekt wiedergegeben” worden seien.

5. Serien suchten mit Martin Schulz und was Alexa mit einer Kaffeemaschine zu tun hat – 6 Erkenntnisse vom Vocer Innovation Day 2018
(zeitgeist.rp-online.de, Henning Bulka)
Das unabhängige Debattenforum “Vocer” hat nunmehr bereits zum fünften Mal deutsche und internationale Medienmacher zum “Vocer Innovation Day” nach Hamburg eingeladen. Henning Bulka war dabei und hat aufgeschrieben, welche Dinge ihm besonders in Erinnerung geblieben sind: Es geht unter anderem um Relevanz statt Lautstärke, die Macht von Sprache und den Umgang mit Populismus, Amazons Sprachassistentin Alexa und das Bingewatch-Verhalten des ehemaligen Kanzlerkandidaten Martin Schulz.

6. “Vorsicht, Heimat!”
(deutschlandfunk.de)
Die Sieger des 19. Deutschen Karikaturenpreises stehen fest: Greser & Lenz, Til Mette und Hauck & Bauer. Beste Newcomerin ist Sabine Winterwerber. Der “Deutschlandfunk” präsentiert die Karikaturen der Ausgezeichneten.

Bürgerkrieg in Amerika, Erbrechende “Welt”, Bauhaus-Krisenberater

1. “Wir haben in Amerika eine Art Bürgerkrieg”
(deutschlandfunk.de, Michael Köhler, Audio, 11:48 Minuten)
“Es ist eine Art Krieg geworden. Wir haben in Amerika eine Art Bürgerkrieg” — die deutsch-amerikanische Schriftstellerin Irene Dische findet im “Deutschlandfunk” deutliche Worte zur Ära Trump. Teile der Presse seien mittlerweile eingeknickt, die Demokratie bedroht. Disches Optimismus sei der Angst gewichen, dass alles noch viel schlimmer kommen könne.

2. “Welt”-Redakteur erbricht sich in Debatte über rechte Bücher
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
Die “Welt am Sonntag” hat ihren Autor Frédéric Schwilden nach München geschickt, um dort jener Buchhandlung einen Besuch abzustatten, in der Autorin Margarete Stokowski wegen des Angebots rechter Schriften nicht lesen wollte. Bei der Lesungsabsage hatte es sich um eine individuelle und persönliche Entscheidung gehandelt, die nachträglich zum Skandal hochgejazzt wurde. Man könnte über Schwildens Text, der sich teilweise wie eine mehr oder weniger gelungene Popliteratur-Parodie liest, lachen, wenn er nicht so viel Falsches und Böses enthielte. Boris Rosenkranz hat es auf sich genommen, sich mit dem Beitrag auseinanderzusetzen. Ein Beitrag, in dem nicht nur im übertragenen Sinn viel rumgekotzt wird.

3. Tagessatz von 1.428 Euro Krisenberater soll überforderter Bauhaus-Führung beistehen
(mz-web.de, Hagen Eichler)
Eigentlich sollte vor drei Wochen ein vom ZDF übertragenes Konzert der linken Punkband Feine Sahne Fischfilet stattfinden, doch die Direktorin des Bauhaus Dessau sagte ab. Sie befürchtete Demonstrationen vor der Tür, die von rechten Gruppierungen im Falle des Konzerts angekündigt waren. Die Absage wurde stark kritisiert, auch mit Hinweis auf die Tradition und Geschichte des Hauses. Um das medial angeschlagene Image von Haus und ihr selbst wieder aufzubessern, hat die Direktorin nun für einen Tagessatz von 1.428 Euro einen “Krisenberater” angeheuert. Rund zwei Wochen soll der nun im Einsatz sein.

4. Plagiatsfall: Warum dpa die «Taxi-Queens»-Berichte zurückgezogen hat
(dpa.com, Froben Homburger)
Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) hat Ende vergangener Woche vier Versionen eines Korrespondentenberichts aus Südafrika zurückgezogen. Bei der Story einer Hospitantin aus dem dpa-Büro Johannesburg habe es sich um ein Plagiat eines Artikels aus dem Jahr 2010 gehandelt. Nachrichtenchef Froben Homburger erklärt, wie es dazu kommen konnte, wie die Agentur reagiert hat und wie man solche Pannen zukünftig vermeiden will.

5. «Chinesen sehen Europa auf dem Weg in den Ruin»
(nzz.ch, Ronnie Grob)
Kaum jemand im Westen kennt sich dermaßen gut mit Chinas größtem sozialen Netzwerk Weibo aus wie die Japanologin und Sinologin Manya Koetse, die dazu ein eigenes Blog unterhält. Im Gespräch mit der “NZZ” geht es unter anderem um die Themen bei Weibo, das chinesische Social-Credit-System, Zensur und den Blick der Chinesen auf Europa. Aber es geht auch um den Blick westlicher Journalisten auf China, den Koetse wie folgt charakterisiert: “Es ist eine Beobachtung, die ich häufig mache: Entweder wird anklagend berichtet, oder man will sich lustig machen. Wer aber stets nur mit westlichem Bias und Framing an Storys herangeht, verpasst wichtige Entwicklungen: zum Beispiel, wie sehr die innerchinesische Propaganda ihre Form ändert, wie sie spielerischer wird, witziger, geschickter. Propaganda findet längst nicht mehr auf dumpfen Propagandapostern statt, sondern in Apps, im Internet, in TV-Shows.”
Weiterer Lesetipp: Die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua hat ein virtuelles Programm vorgestellt, das in Zukunft die Arbeit von Moderatoren übernehmen könnte: Der gefügigste Nachrichtensprecher der Welt (sueddeutsche.de, Lea Deuber).

6. Danny da Costa FTW!
(twitter.com/sportschau)
Der 25-jährige Fußballspieler Danny da Costa steht beim Bundesligisten Eintracht Frankfurt unter Vertrag. Dass da Costa nicht nur gut Fußball spielen, sondern auch bestens Interviews geben kann, beweist er auf besonders eindrückliche Weise: Er stellt sich einfach selbst die zu erwartenden Reporterfragen.

Karate-Vorwurf, Verwässerter Schutz, Strategien der Kandidaten

1. Trumps perfider Umgang mit Medien
(taz.de, Peter Weissenburger)
Bei einem Pressekonferenz mit US-Präsident Donald Trump kam es zum Eklat: Nachdem der CNN-Korrespondent Jim Acosta einige unbequeme Fragen gestellt hatte, wollte ihm eine Praktikantin das Mikrophon entwinden, was Acosta nicht zuließ. Ihm wurde danach seine Akkreditierung entzogen. Trumps Pressesprecherin Sarah Sanders veröffentlichte zur Begründung einen Filmmitschnitt, der zeigen soll, wie Acosta der Praktikantin angeblich eine Art Handkantenschlag verpasst. Das Video stammt von der ultrarechten Webseite “Infowars” und wurde zur Effektverstärkung möglicherweise manipuliert.
Weiterer Lesehinweis: Bei t-online.de gibt es einen Beitrag, der nicht nur den Ablauf schildert, sondern auch die verschiedenen Videos gegenüberstellt: Weißes Haus postet Video von Verschwörungsseite.

2. Urheberrecht: Ärger im EU-Parlament über verwässerten Schutz für Künstler
(netzpolitik.org, Alexander Fanta)
Bei der großen Urheberrechtsreform der EU ging es auch um den Schutz von Kunstschaffenden vor unfairen Verträgen und Ausbeutung. Wie sich nun herausstellt, wurden diese Passagen bei Geheimgesprächen still und heimlich gestrichen. Entsprechend sauer reagieren einige Parlamentarier. Tiemo Wölken (SPD) schreibt: “Viele Kolleginnen und Kollegen haben dem Parlamentstext am Ende nur zugestimmt, weil die Bestimmungen den Schutz der Künstlerinnen und Künstler klar verbessert haben. Eine Verwässerung dieser Bestimmungen, die der Berichterstatter Voss bereit ist im Trilog einzugehen, wird zur Folge haben, dass die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten am Ende nicht mehr zustimmen können.”

3. Nur sieben Monate nach Start: Chefredakteurinnen verlassen Watson.de – Arne Henkes übernimmt
(meedia.de, Marvin Schade)
Als der Werbevermarktungs-Riese Ströer vor sieben Monaten das Jugendportal Watson.de eröffnete, besetzte er die Chefredaktion mit zwei erfahrene Profis: Gesa Mayr kam vom “Spiegel Online”-Ableger “Bento”, Anne-Kathrin Gerstlauer stieß von “Zeit Campus” hinzu. Nun verlassen beide Chefredakteurinnen das Portal. Als Grund gibt Gesa Mayr auf ihrer Facebookseite die “unterschiedliche Auffassung der Ausrichtung der Redaktion” an.

4. Merkel-Nachfolge: Die Medienstrategien der Kandidaten
(ndr.de, Aimen Abdulaziz-Said & Sabine Schaper)
Das TV-Magazin “Zapp” hat sich angeschaut, mit welchen Medienstrategien um die Merkel-Nachfolge in der CDU gerungen wird. Vor allem Friedrich Merz gehe recht trickreich vor. Er habe sein Comeback mit Hilfe einer Frankfurter Agentur als geschickten PR-Coup gestaltet. Spahns Kandidatur sei im Vergleich zu Merz hingegen verpufft. Annegret Kramp-Karrenbauer habe anfangs im medialen Abseits gestanden. Ihre Zurückhaltung müsse jedoch kein Nachteil sein, so ein kommentierender “Spiegel”-Journalist.

5. Große Freiheit
(sueddeutsche.de, Ronen Steinke)
“Lichtblick” heißt die Gefangenenzeitung, die seit 50 Jahren aus der größten deutschen Haftanstalt in Berlin-Tegel berichtet. Vier- bis sechsmal pro Jahr schreiben hier Gefangene für Gefangene unzensiert und legen sich dabei auch schon mal mit Ministerinnen und Senatoren an. Stolze 5.000 Exemplare des “Lichtblicks” werden gedruckt und finden auch Leserinnen und Leser außerhalb der Gefängnismauern. Das Abonnement ist kostenlos, dank Werbeanzeigen von Anwälten.

6. Verschwende deine Jugend
(zeit.de, Josa Mania-Schlegel)
Ein Dokumentarfilm über eine Youtube-Clique hat den Hauptpreis des Leipziger Dok-Filmfestivals gewonnen und gleichzeitig einen Skandal ausgelöst. In “Lord of the Toys” reden die Protagonisten in einem rassistischen, rechtsextremen und menschenverachtenden Jugendslang miteinander. Worte wie “Jude” und “Schwuchtel” würden beispielsweise als alltägliche Schimpfworte benutzt. Den Filmemachern wird nun vorgeworfen, dies abgefilmt, aber nicht kommentiert zu haben.

Pressefreiheit-Bulldozer, Plastikkritik in Plastik, Zu wenig Klischees

1. “Sie sind eine furchtbare, unverschämte Person”
(spiegel.de)
Bei einer Pressekonferenz des US-Präsidenten Donald Trump kam es zum Eklat: Trump unterstellte den Medien “Feindseligkeit” und teilte auf unsägliche Weise gegen einen CNN-Journalisten aus. Dem Reporter wurde anschließend “bis auf Weiteres” die Akkreditierung entzogen. Der Verband der im Weißen Haus akkreditierten Korrespondenten (WHCA) nannte den Entzug der Akkreditierung “schwach und fehlgeleitet”, was den Präsidenten jedoch voraussichtlich nicht stören oder gar zu einer Änderung seines Verhaltens veranlassen wird.
Weitere Leseempfehlung: In Das Rezept von Diktaturen (spiegel.de) beschreibt Georg Diez, wie US-Medien wie der TV-Sender Fox News sich zu Trump-Handlangern machen und von der Information zur Indoktrination umschwenken.

2. Darf man neben Rechten lesen?
(deutschlandfunkkultur.de, Thorsten Jantschek)
Nachdem die Autorin Margarete Stokowski erfahren hatte, dass in einer Buchhandlung Bücher aus dem rechtsextremen Spektrum verkauft werden, sagte sie ihre dort geplante Lesung ab. Durfte sie das? Ja, findet Thorsten Jantschek, sieht das Problem jedoch mehr in der Kanonisierung rechten Denkens und rechter Literatur als in der Tatsache, dass die Buchhandlung derartige Bücher überhaupt anbietet.

3. “Eine enorme Diskrepanz, die zulasten der Qualität geht”
(dwdl.de, Torsten Zarges & Thomas Lückerath)
“Ihre Serie bedient leider keines der Klischees, die wir in den vergangenen Jahren mit unseren Arztserien gesetzt haben. Deshalb verspricht sie kein Publikumserfolg zu werden.” Beim “DWDL”-Fiction-Gipfel diskutierten drei Produzenten und zwei Drehbuchautoren über die Missachtung mancher Erfolgsserien, neue Genre-Trends, die Zukunft des 90-Minüters und die dramatische Unterfinanzierung der Stoffentwicklung.

4. Ein Thread über Plastikverzicht und meine Lokalzeitung, das Hamburger @Abendblatt.
(twitter.com/hzulla)
Hanno Zulla ist ein treuer Leser des “Hamburger Abendblatts” und verfolgt dort besonders gern die Beiträge über die notwendige Reduzierung von Plastikmüll und die damit einhergehenden Aufforderungen zum Plastikverzicht. Die Beiträge erreichen ihn jedoch in Plastik verpackt.

5. Wie ist das Verhältnis von Bayer zu Journalisten, Herr Maertin?
(journalist-magazin.de, Henning Kornfeld)
Das Medienmagazin “journalist” bringt ein ausführliches Interview mit dem Presse- und Kommunikationsverantwortlichen des Bayer-Konzerns. Bayer hatte kürzlich den Glyphosat-Hersteller Monsanto übernommen, beschäftigt rund 100.000 Mitarbeiter und zählt zu den wertvollsten deutschen Dax-Unternehmen. Im Gespräch geht es um sogenannte Qualitätsmedien, Kritikfähigkeit und die Frage, ob Bayer in Zukunft noch Journalistinnen und Journalisten benötigt.

6. Tendenz zum Schmutzwäsche-Waschen
(deutschlandfunk.de, Arno Orzessek, Audio, 5:09)
Ob “Goldene Kartoffel”, “Sprachpanscher des Jahres”, “Goldene Himbeere”, “Big Brother Awards”, “Saure Gurke” oder “Rosa Handtaschl”: Es gibt derzeit zahlreiche Negativpreise. Arno Orzessek fragt sich, was die Schmähpreise bewirken, außer dass sie die Aufmerksamkeit auf das Falsche lenken würden.

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