Archiv für 6 vor 9

Klimaberichterstattung, Spenden-Schiff-Desaster, Künast-Beschluss

1. Die Homogenisierung der Klima-Berichterstattung ist ein Problem
(uebermedien.de, Axel Bojanowski)
Der Wissenschaftsjournalist Axel Bojanowski kritisiert auf “Übermedien” den Umgang mancher Redaktionen mit dem Thema Klimawandel: “Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich in den meisten Fällen nicht bestimmen lässt, wie wahrscheinlich die Risiken sind. Auch robuste Klimaszenarien für einzelne Regionen sind bislang nicht möglich, und Extremwetterphänomene zeigen häufig noch keinen Trend. Dem braven Umweltjournalismus gegenüber steht also ein hochkomplexer Wissenschaftszweig mit Tausenden multikausalen Wechselwirkungen, mit Widersprüchen und Wissenslücken.”
Weiterer Lesetipp: Wissenschaftler zum Klimapaket der Bundesregierung: Gute Nacht (spiegel.de, Susanne Götze).
Und außerdem: Der Klima-Podcast, der verschwand: “WDR und SWR planten einen ambitionierten Podcast zur Klimapolitik. Nach der ersten Ausgabe war Schluss. Eine Spurensuche.” (taz.de, Alexander Nabert).

2. Kein Schiff wird kommen
(addendum.org, Christoph Lehermayr)
Vor etwa einem Jahr sammelte der TV-Entertainer Klaas Heufer-Umlauf rund 300.000 Euro Spendengelder für die Seenotrettung ein. Es gehe darum, Schiffe zu chartern, erklärte er in seinem Spendenaufruf. Christoph Lehermayr hat recherchiert, was aus dem Projekt “Civilfleet” geworden und was mit dem Geld passiert ist. Es ist eine traurige Geschichte des Scheiterns mit missglückter beziehungsweise unterlassener Kommunikation sowie fehlender Transparenz. Das Team von “Civilfleet” hat auf den Artikel geantwortet.

3. Offener Brief an den Bundesrat: Warum wir gemeinnützigen Journalismus brauchen
(netzpolitik.org, Markus Beckedahl)
Gemeinwohlorientierter Journalismus genießt in Deutschland keine Vorteile, denn er gilt nicht als “gemeinnützig”. Nun hat sich Netzpolitik.org mit anderen Medien und Verbänden an den Bundesrat gewandt. In einem offenen Brief fordern die Plattformen, die “Förderung des Journalismus” in den Katalog der gemeinnützigen Zwecke aufzunehmen.

4. Heikle Verwirrspiele mit dem Publikum
(nzz.ch, Rainer Stadler)
Rainer Stadler beschäftigt sich mit einer leider immer noch verbreiteten Unsitte von Medienhäusern: dem Verschleiern von Werbeinhalten: “Bei der Beantwortung der Frage, ab wann eine Werbebotschaft genügend klar deklariert ist, nutzen die Verlage einen grossen Interpretationsspielraum aus. Sicher aber begeben sie sich systembedingt auf eine Gratwanderung, wenn sie von Dritten finanzierte Beiträge im Layout der redaktionellen Angebote zulassen. Man rechnet bewusst mit der Unaufmerksamkeit des Lesers, der erst im Nachhinein erkennt, dass er bei der Lektüre eines jeweiligen Beitrags den redaktionellen Sektor verlassen hat.”

5. Beschimpfungen – Künast will gegen Urteil vorgehen
(morgenpost.de, Philipp Siebert)
Die Bundestagsabgeordnete der Grünen und ehemalige Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast ist auf Facebook auf das Übelste beleidigt und beschimpft worden, doch das Berliner Landgericht konnte daran nichts Rechtswidriges finden. Zum Entsetzen nahezu aller Beobachter … Nun will Künast Widerspruch gegen den Beschluss einlegen.
Weitere Lesetipps: Annette Ramelsberger kommentiert bei Süddeutsche.de: “Dieses Gericht hat seine gesellschaftliche Aufgabe verfehlt. Es hat keine Brandmauer eingezogen zwischen dem Müll, der aus dem Netz schwappt, und dem notwendigen, kritischen Diskurs. Es setzt den Persönlichkeitsschutz von Politikern auf null. Gegen sie darf man hetzen, wüten, ihre Worte verdrehen. Dieser Beschluss zeugt von einer Verachtung der politischen Klasse. Wer soll sich da noch für dieses Land engagieren wollen?”
Der Jurist Heinrich Schmitz erklärt auf “Die Kolumnisten” die einschlägigen Paragraphen und Urteile. Seine Prognose: “[D]er Rechtsstaat in Form des Berliner Kammergerichts hat nun die Gelegenheit, diesen Beschluss zu kippen. Das ist ja das Schöne am Rechtsstaatsprinzip, dass es immer mindestens eine zweite Instanz gibt, die falsche Entscheidungen revidieren kann. Und auch, wenn ich selten auf Gerichte wette, in diesem Fall bin ich sicher, dass es das auch tun wird.”

6. Was Bundesliga-Spieler wirklich sagen würden: Das ehrliche Sportlerinterview
(rnd.de, Imre Grimm)
Nach jedem bedeutenden Fußballspiel setzt eine Art ritualisiertes Schauspiel ein: Reporter bestürmen die verschwitzten und erschöpften Fußballspieler mit erwartbaren Fragen. Die Fußballspieler wiederum antworten darauf mit, nun ja, erwartbaren Antworten. Imre Grimm hat die Floskeln übersetzt.

Verdrehte Reuters-Studie, Topf Secret, Rundfunkrat Markwort

1. Linke Programme für ein linkes Publikum? Was die Reuters-Studie wirklich zeigt
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Hat eine große Studie eines renommierten Instituts tatsächlich herausgefunden, dass ARD und ZDF fast nur noch für ein linkes Publikum senden? Dies wird jedenfalls von rechtskonservativen bis rechtsextremen Kreisen behauptet und als Beleg die aktuelle Reuters-Studie angeführt. Medienjournalist Stefan Niggemeier ist der Sache nachgegangen.

2. Altherrenverein war gestern
(magazin.zenith.me, Moritz Behrendt)
Jahrzehntelang bestimmten altgediente Haudegen und Platzhirsche wie Peter Scholl-Latour und Gerhard Konzelmann, wie wir den Nahen Osten sahen und über ihn dachten. Doch die beiden Starreporter und Bestsellerautoren waren mindestens in der Fachwelt umstritten. Konzelmann galt zudem als “Allahs Plagiator”. Wie ist es derzeit um den Journalismus aus Nahost bestellt? Moritz Behrendt, Mitgründer und Mitherausgeber von “zenith – Zeitschrift für den Orient”, erzählt vom derzeitigen Stand der Nahost-Berichterstattung.

3. Der Gegner im eigenen Bett?
(deutschlandfunk.de, Michael Watzke, Audio: 4:44 Minuten)
Helmut Markwort sitzt im Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks. Das ist insofern pikant, als Markwort zugleich Miteigentümer mehrerer Konkurrenzsender ist und sich das Vorliegen eines handfesten Interessenkonflikts aufdrängt. Ein Interessenkonflikt, von dem Markwort natürlich nichts wissen will und dabei das bayerische Justizministerium auf seiner Seite weiß. Nun kann wohl nur eine Gesetzesänderung helfen. Die kann jedoch lediglich Zukünftiges regeln. Markwort wird also seinen Platz im Rundfunkrat trotz seines wirtschaftlichen Engagements bei der Konkurrenz behalten.

4. Berliner Bezirke sabotieren “Topf Secret”: Interne Dokumente offenbaren Streit zwischen Bezirken und Landesregierung
(fragdenstaat.de, Arne Semsrott)
Das Projekt “Topf Secret” setzt sich dafür ein, dass die Berliner Bezirke die Hygiene-Kontrollergebnisse zu Lebensmittelbetrieben der Stadt herausgeben müssen. Über eine Online-Plattform beziehungsweise App können Verbraucherinnen und Verbraucher dazu einen Antrag stellen. Eine Möglichkeit, von der insgesamt mehr als 30.000 mal Gebrauch gemacht wurde (in Berlin rund 3.000 mal), allein es nützt nichts: “Die Berliner Bezirksämter sabotieren die Online-Plattform “Topf Secret” und widersetzen sich damit wiederholten Empfehlungen der Landesregierung.” Nun sind interne Dokumente aufgetaucht, die einen Streit zwischen Bezirken und Landesregierung nahelegen.

5. Geheimdienst muss transparenter werden
(tagesspiegel.de, Fatina Keilani)
Das Bundesverwaltungsgericht hat entscheiden, dass der Bundesnachrichtendienst Auskunft über seine Hintergrundgespräche mit Journalistinnen und Journalisten erteilen muss. Dem Urteil vorausgegangen ist die Klage eines “Tagesspiegel”-Redakteurs. Das Gericht stellt unter anderem fest: “Dadurch, dass dem Kläger mitgeteilt wird, welche Medienvertreter jeweils eingeladen waren und an welchen Gesprächen der Präsident des BND teilgenommen hat, werden keine für eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung des BND relevanten zusätzlichen Informationen verbreitet.”

6. Fußball-Fake: Wenn das Studio zum Stadion wird
(fair-radio.net, Mario Köhne)
Beim Radiosender Life Radio Tirol kommt tolle Fußballstimmung auf, als die Moderatorin scheinbar live ins Fußballstadion in Graz zu ihrem Reporterkollegen schaltet. Doch der steht nicht im Stadion zwischen Tausenden von Fans, sondern ihr gegenüber im Studio. Herausgekommen ist der Fake, weil der Sender die Studiocam mitlaufen ließ, und die Bilder auf Youtube landeten.

Social-Media-Fotoverbot, Rundfunk-Gedächtnis, Lautes Grönemeyer-Echo

1. Urteil: Polizei darf keine Fotos von Versammlungen in sozialen Netzwerken veröffentlichen
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Das Oberverwaltungsgericht Münster hat entschieden, dass die Polizei aus Essen keine Fotos von Demonstrierenden beziehungsweise Versammlungsteilnehmenden auf Twitter oder Facebook veröffentlichen darf. Ein Urteil, das bundesweite Bedeutung haben könnte.

2. Der mühsame Weg, das Rundfunk-Gedächtnis zugänglich zu machen
(uebermedien.de, Daniel Bouhs)
Bei den Öffentlich-Rechtlichen verschwinden viele Beiträge nach der Ausstrahlung und einem Zwischenaufenthalt in einer Mediathek im Nirwana beziehungsweise im sendereigenen Archiv. Immer wieder wird gefordert, die Inhalte dauerhaft öffentlich zugänglich zu machen, doch Urheberrecht und Rundfunkstaatsvertrag verkomplizieren die Lage. In einer Art Pilotprojekt will der SWR als erster öffentlich-rechtlicher Sender systematisch historisches Material ins Netz stellen. Daniel Bouhs berichtet vom ehrgeizigen Vorhaben des Südwestrundfunks. Und er hat sich für “Übermedien” bei den anderen Anstalten erkundigt, wie diese mit ihren Inhalten verfahren und ob ähnliche Pläne vorliegen.

3. Kaufen sich zwei Ostberliner eine Zeitung
(zeit.de, Zacharias Zacharakis)
Bereits seit einiger Zeit versucht die Unternehmensgruppe DuMont, manche ihrer Verlage und Medien abzustoßen. Nun wechselt der Berliner Verlag samt “Berliner Zeitung”, “Berliner Kurier” und “Berliner Abendblatt” den Eigentümer. Käufer ist das in der Branche bislang unbekannte Ehepaar Silke und Holger Friedrich.
Weiterer Lesehinweis: In eigener Sache: Der Berliner Verlag kommt wieder in Berliner Hand (berliner-zeitung.de).

4. Bis wie viel Dezibel ist Antifaschismus erlaubt?
(spiegel.de, Margarete Stokowski)
Margarete Stokowski beschäftigt sich mit dem Echo auf Herbert Grömemeyers Äußerungen bei einem Konzert in Wien: “Es ist eigentlich nicht so kompliziert. Herbert Grönemeyer hat sich auf einem Konzert gegen Rassismus geäußert, nicht zum ersten Mal und nicht besonders ausführlich. Das sollte im Grunde überhaupt nicht kontrovers sein. Die Debatte darüber entsteht, weil wir in einer Zeit leben, in der Menschen sich von so einer schlichten Aussage angegriffen fühlen. In einer Zeit, in der offen Rechtsextreme immer wieder versuchen, ihre GegnerInnen als die eigentlichen FeindInnen der Demokratie zu beschimpfen. In einer Zeit, in der Leute sich bisweilen sehr genau überlegen, ob und wie sie sich gegen Nazis engagieren, weil sie die Konsequenzen fürchten, und das nicht ohne Grund.”

5. Ein Interview mit Edward Snowden
(stefan-fries.com)
Die Gelegenheit zu einem Interview mit Edward Snowden bekommt man nicht alle Tage. Stefan Fries und sein Kollege Stefan Koldehoff durften für den Deutschlandfunk mit dem berühmten Whistleblower sprechen. In seinem Blog erzählt Fries von den Begleitumständen und der Entstehungsgeschichte des Gesprächs. Inklusive interessanter weiterführender Links.

6. “In der Dimension einmalig”
(deutschlandfunk.de, Bettina Köster, Audio: 6:18 Minuten)
Der Deutschlandfunk hat mit Juan Moreno gesprochen, der die Fälschungen des ehemaligen “Spiegel”-Vorzeigereporters Claas Relotius aufdeckte. Im Gespräch geht es auch um das psychologische Moment, das sich Relotius bei seiner Arbeitsweise zunutze machte.

“Tausend Zeilen Lüge”, SUV-Panzer, “Kraft durch Freude” beim Boxen

1. “Claas Relotius war nie Reporter”
(spiegel.de, Juan Moreno)
Der Journalist Juan Moreno hat ein Buch über das geschrieben, was der “Spiegel” den “Fall Claas Relotius” nennt, was aber auch der “Fall Spiegel” heißen könnte. Immerhin veröffentlicht der “Spiegel” nun einen Auszug des Buchs, nachdem er dem Autor — nach dessen Aussage — wenig bis keine Unterstützung bei der Buchrecherche hat zukommen lassen. Vom Geschehen davor ganz zu schweigen.

2. Angst vor kritischen Fragen
(sueddeutsche.de, Laura Hertreiter)
Ist das ZDF mit dem abgebrochenen Höcke-Interview richtig umgegangen? Ja, findet Laura Hertreiter in der “Süddeutschen”: “Im Fall der AfD aber — einer Partei, die die Arbeit mit Medien neu verhandeln will — war es richtig vom ZDF, den Fall öffentlich zu machen. Am Ende des Videos reagiert Höcke mit Flucht und Drohgebaren, beides oft Begleiterscheinungen von Angst. Für Angst gibt es meist gute Gründe. Eine freie Presse zählt nicht dazu.”

3. Ok Leute schauen wir uns das Höcke-Interview noch einmal genauer an.
(twitter.com, Natascha Strobl)
Natascha Strobl ist eine Meisterin im Analysieren von politischen Reden. Aktuell hat sie sich mit dem Höcke-Interview auseinandergesetzt. Es ist ein etwas längerer Twitter-Thread geworden, denn “Interviews analysieren ist immer etwas anstrengender und inkohärenter als Reden etc zu sezieren”.

4. Medienwandel: Wie eine Achtjährige sich Informationen sucht
(eggers-elektronik.de, Jan Eggers)
Der Journalist Jan Eggers hat seiner achtjährigen Tochter bei der Informationsbeschaffung im Internet über die Schulter geschaut und seine Erkenntnisse notiert. Gute Tipps für Eltern, die ihre Kinder auf den ersten Streifzügen ins Internet begleiten wollen.

5. Bei @Bild sind sie ganz empört, dass #SUV “jetzt” sogar “Panzer” genannt werden.
(twitter.com, Stefan Niggemeier)
Im “Bild”-Kommentar empört sich Frank Schmiechen, Mitglied der Chefredaktion, dass SUVs von manchen als “Panzer” bezeichnet werden. Stefan Niggemeier fragt auf Twitter “Wer macht denn auch sowas?” und liefert die Antwort gleich mit.

6. Neonazi steigt mit “Kraft durch Freude”-Shirt in den Ring – und will keine Ahnung von der Bedeutung haben
(fr.de, Katja Thorwarth)
Am Wochenende übertrug die ProSiebenSat1-Plattform “ranfighting” einen Boxkampf, bei dem es einen denkwürdigen Auftritt des Eigentümers und Managers vom “Germanen Boxstall Kiel” gab. Der war nämlich mehrfach mit seinem T-Shirt zu sehen, auf dem in Frakturschrift der Nazi-Slogan “Kraft durch Freude” prangte. Der “German Boxstall Kiel” gibt sich unschuldig und sieht sich zu Unrecht kritisiert (“Nazikeule”). Katja Thorwarth ist dem Fall nachgegangen und hat ihre berechtigten Zweifel an dieser Verteidigungsstrategie.

Björn bricht, Snowden-Interview, Morenos Erlebnisse

1. Höcke bricht ZDF-Interview ab und droht
(zdf.de, David Gebhard & Dominik Rzepka)
Der thüringische AfD-Vorsitzende Björn Höcke hat ein Interview mit dem ZDF abgebrochen. In dem Gespräch ging es unter anderem um Höckes Bedeutung für die Bundes-AfD und um seine Sprache. Das ZDF hatte AfD-Abgeordneten Höcke-Äußerungen vorgelegt und sie gefragt, ob es Höcke- oder Hitler-Zitate seien. Nach zehn Minuten unterbrach Höckes Sprecher: “Das geht so nicht. Sie haben jetzt Herrn Höcke mit Fragen konfrontiert, die ihn stark emotionalisiert haben” und schlug vor, das Interview “noch mal von vorne” zu wiederholen. Das abgebrochene Interview mit Björn Höcke in voller Länge gibt es hier zu sehen, das Interview in Schriftform hier.
Weiterer Lesehinweis: Katja Thorwarth hat für die “Frankfurter Rundschau” das ARD-Sommerinterview mit dem AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland besprochen: “Gauland hätte im Vorfeld eigentlich Zuschauerfragen beantworten sollen, hatte darauf aber keine Lust. “Warum muss ich sozusagen in ein schwarzes Loch gucken?”, sollte sich der AfD-Mann später rechtfertigen, den erzürnte, dass er die Fragen nicht im Vorfeld zur Einsicht bekam. Wohl, damit er sich seine Phrasen zurecht legen kann, doch es sind ja gerade die spontanen Antworten gefragt — offensichtlich eine Überforderung für Gauland. Allerdings ist “Fragt selbst!” fester Bestandteil der Sendung, und konsequenterweise hätte das Erste den AfD-Fraktionsvorsitzenden ausladen müssen, immerhin hatten sich alle anderen Politiker bislang jenem Part gestellt.”
Außerdem lesenswert Philipp Peyman Engel von der “Jüdischen Allgemeinen”: Warum wir nicht mit der AfD sprechen: “Mit Politikern, die den Holocaust als »Vogelschiss der Geschichte« und das Holocaustmahnmal in Berlin als »Schande« bezeichnen, gibt es für uns nichts zu besprechen. Eine Partei mit einem gefährlichen Scharfmacher samt bester Neonazi-Kontakte als Landeschef disqualifiziert sich ohnehin von ganz alleine — und hat alle Fragen damit bereits selbst beantwortet.”

2. Was wäre die Gesellschaft ohne Whistleblower?
(deutschlandfunk.de, Stefan Fries & Stefan Koldehoff, Audio: 67:42 Minuten)
Der Deutschlandfunk hat ein längeres Interview mit Edward Snowden geführt. Darin geht es unter anderem um staatliche Überwachung, die Notwendigkeit von Aufklärung und Whistleblowing sowie Snowdens Lebensgeschichte: “Erst, nachdem ich immer tiefer in die Regierung gekommen bin, nachdem ich die Leiter nach und nach hinaufgestiegen bin, erst nachdem ich zur CIA und NSA gegangen bin, nachdem ich mit diesen Systemen lange gearbeitet habe, hatte ich denn die Perspektive, hatte ich die Möglichkeit zur Selbstreflexion, dass ich mich fragen konnte: Was habe ich eigentlich mit dieser Arbeit gemacht? Was macht meine Regierung? Es hat nicht den Zweck, die Menschen zu befreien, sondern zu unterdrücken. Es ging um die Kontrolle. Es ging nicht darum, die Demokratie zu schützen, sondern leider eigentlich, die Demokratie zu gefährden im Endeffekt. Wenn wir uns unsere Werte anschauen: Wir zerstören genau das, was wir gerne schützen möchten.”

3. Der Stoff, der den Journalismus verändert hat
(sueddeutsche.de, Ralf Wiegand)
Dem Journalisten und freien Autor des “Spiegel” Juan Moreno ist es zu verdanken, dass die Fälschungen von Claas Relotius aufgedeckt wurden. Nun hat Moreno ein Buch über seine Erlebnisse geschrieben. Der Fälschungsskandal ist das eine, der Umgang damit das andere: Man möchte nicht in Morenos Haut gesteckt haben, als man ihm beim “Spiegel” durchaus brutal und arrogant zu verstehen gab, dass man ihn jederzeit feuern könne.

4. “Das ist kein Spaß mehr”: Klenk stellt Entschädigungsantrag gegen Jeannée und “Krone”
(derstandard.at)
“Falter”-Chefredakteur Florian Klenk wehrt sich nun auch gerichtlich gegen den gedruckten Hass-Post des österreichischen “Krone”-Kolumnisten Michael Jeannée. Siehe dazu auch Klenks Tweet: “Ich bringe Klage gegen Jeanne und die Krone ein. Ich beantrage eine strafrechtliche Verurteilung von Jeannee wegen übler Nachrede und den höchsten Entschädigungsbetrag, den das MedienG hergibt. Je 50.000 € von Krone Verlag und Krone Multimedia. Ja, wird bei Obsiegen gespendet.”

5. Presserat rügt Sensationsberichte über Schwertmord
(stuttgarter-nachrichten.de)
Der Deutsche Presserat hat Berichte der “Bild”-Medien über den sogenannten Stuttgarter Schwertmord als übertrieben sensationell und respektlos gerügt. Vor allem die Täterperspektive wird kritisiert: “So habe die Redaktion auf der Titelseite ein Foto des mutmaßlichen Mörders mit erhobenen blutigen Armen gezeigt und sei damit Gefahr gelaufen, sich zum Werkzeug des Verbrechers zu machen. Auch die identifizierende Darstellung des Opfers sei nicht vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit gedeckt. Zu sehen war ein Porträtfoto des Mannes vor der Tat, daneben ein verpixeltes Bild des Sterbenden in einer Blutlache.”

6. “Angry German Kid”: Wie ein Internetvideo das Leben eines Teenagers zerstörte
(rnd.de, Matthias Schwarzer)
Matthias Schwarzer erzählt die tragische Geschichte eines Jugendlichen nach, der auf Youtube als “Angry German Kid” bekannt wurde. Sie beginnt 2006, als der damals 13-Jährige ein gespieltes Brüllvideo von sich aufnimmt und auf die Plattform hochlädt, das bei “Focus TV” landet — der Startpunkt einer für den Youtuber äußerst unheilvollen Entwicklung.

Klatsche mit Ansage, CSU-Par­tei­funk mit Frak­ti­ons­geld?, Haltet ein!

1. Verlustgeschäft für deutsche Verlage
(deutschlandfunk.de, Christoph Sterz & Sebastian Wellendorf, Audio: 5:31 Minuten)
Es war eine Klatsche mit Ansage: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat das deutsche Gesetz zum Leistungsschutzrecht gekippt, und zwar wegen eines lange bekannten Formfehlers. In dem fünfeinhalbminütigen Beitrag werden die Hintergründe erklärt — nämlich die Idee der Verlage, etwas vom Google-Kuchen abzubekommen. Eine Idee, die beim Suchmaschinenriesen verständlicherweise auf wenig Gegenliebe stieß.
Lesetipp für eine weitere Auseinandersetzung mit dem Thema: EuGH erklärt deutsches Leistungsschutzrecht für unzulässig (golem.de, Friedhelm Greis).

2. Unzu­läs­siger Par­tei­funk mit Frak­ti­ons­geld?
(lto.de, Alexander Hobusch)
Die CSU hat für ihren Youtube-Clip aus der Reihe “CSYou” einiges an Kritik und Spott kassiert. Nun äußert der Experte für Parteienfinanzierung Alexander Hobusch auf “Legal Tribune Online” auch noch juristische Bedenken zur Rechtmäßigkeit des Formats: “Nach einer Folge steht jedenfalls der Verdacht im Raum, dass (teilweise) Partei-PR mit Fraktionsmitteln betrieben wird: Zu weit entfernt sind die Inhalte vom parlamentarischen Betrieb, zu stark ist ihr Parteibezug. Der Vorfall zeigt anschaulich das Dilemma der Abgrenzung zwischen Partei- und Fraktionsöffentlichkeitsarbeit auf: Wie viel allgemeinpolitische Diskussion und wie viel Zuspitzung kann mit Fraktionsgeldern betrieben werden?”

3. Gewinner aus Saudi-Arabien, Malta und Vietnam
(reporter-ohne-grenzen.de)
Reporter ohne Grenzen hat in Berlin die 27. internationalen Press Freedom Awards verliehen. Ausgezeichnet wurden die saudi-arabische Bloggerin und Journalistin Eman al-Nafjan, die Malteserin Caroline Muscat und die Vietnamesin Pham Doan Trang. Leider konnte Eman al-Nafjan den Preis nicht persönlich entgegennehmen: Sie wurde in Saudi-Arabien zwar aus der Haft entlassen, ist aber mit einem Ausreiseverbot belegt.

4. Datenschützer können Abschaltung von Facebook-Fanpages verlangen
(horizont.net)
Sind deutsche Facebook-Seitenbetreiber für den Datenschutz verantwortlich, auch wenn die Datenverarbeitung durch Facebook erfolgt? Ein schwieriges juristisches Thema, mit dem sich nun anhand eines konkreten Falls das Bundesverwaltungsgericht beschäftigt hat. Das Urteil bezeichnet die initiierende Datenschutzbeauftragte als “Rückenwind für den Datenschutz”.

5. Haltet ein!
(spiegel.de, Thomas Fischer)
Ex-BGH-Richter Thomas Fischer beschäftigt sich mit dem Kinderpornografie-Vorwurf gegen einen ehemaligen Fußballspieler, der medialen Behandlung des Falls und den Aspekten der Unschuldsvermutung. Und er merkt etwas an, was zumindest diskutierenswert erscheint: “Ich vertrete gewiss nicht die generelle Straflosigkeit von Kinderpornografie. Aber man muss sich einer wenig nützlichen, kontraproduktiven Hysterisierung auch hier entgegenstellen. Und man muss sich gelegentlich in Erinnerung rufen, in welch exzessivem Maß unsere Gesellschaft öffentlich sexualisiert und geradezu manisch auf jugendliche Sexualität fixiert ist: in Werbung, Mode, Showgeschäft, Freizeit, Unterhaltungsindustrie.”

6. Vorerst kein Schadenersatz für Haft
(taz.de)
Ein türkisches Gericht hat die Entschädigungsklage von Reporter Deniz Yücel für die erlittene einjährige Haft in einem Istanbuler Hochsicherheitsgefängnis ohne Angabe von Gründen abgewiesen. Yücels Anwalt will sich nun an das türkische Verfassungsgericht wenden und nimmt dafür persönliche Risiken in Kauf: Er wurde bereits wegen “öffentlicher Beleidigung der Justiz” zu fünf Monaten Haft auf Bewährung verurteilt und riskiert, ins Gefängnis geworfen zu werden.

Waldorf-Salat des SWR, Rettet den “Weltspiegel”, Grenzüberschreitung

1. “Weltspiegel”-Streit: Brief an die Intendanten im Wortlaut
(dwdl.de, Alexander Krei & Thomas Lückerath)
In der ARD wird diskutiert, den “Weltspiegel” auf einen anderen (ungünstigeren) Sendeplatz zu verlegen. “DWDL” veröffentlicht zwei Schreiben, in denen sich die ARD-“Weltspiegel”-Redaktion und Korrespondentinnen sowie Korrespondenten “gegen die Marginalisierung” der Sendung aussprechen.

2. SWR-Doku: Eine Autorin und ihre Nähe zu Waldorfschulen
(ndr.de, Sebastian Asmus, Video: 5:55 Minuten)
Zum hundertjährigen Bestehen der Waldorfschulen hat der SWR zur besten Sendezeit eine weitgehend unkritische und als beschönigend empfundene Doku der Autorin Esther Saoub ausgestrahlt, die, so die Kritik, einer Werbesendung gleichkam. Auch in den “Tagesthemen” erschien ein Beitrag von ihr zum Thema, der als “Werbeunterbrechung” kritisiert wurde. Die Unausgewogenheit ist nicht zufällig: Die Autorin des Films ist eng mit der Waldorf-Welt verbunden, tritt auf Waldorf-Podien auf und war als Waldorf-Festrednerin gebucht — was einer neutralen Berichterstattung im Wege steht, wie auch Volker Lilienthal, Professor für “Praxis des Qualitätsjournalismus” an der Uni Hamburg, feststellt: “Die Autorin Saoub ist ja im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sozialisiert, sie kennt die professionellen Standards, da hätte sie selbst verzichten müssen.”
Weiterer Lesetipp: Waldorf-Dokumentation im SWR: Und nun tanze einen „deskriptiven“ Film (uebermedien.de, Boris Rosenkranz).

3. Eine Radtour mit dem Chefredakteur
(deutschlandfunk.de, Vera Linß, Audio: 5:27 Minuten)
Der Chefredakteur des “Tagesspiegel” Lorenz Maroldt ist unter anderem für seinen Berlin-Newsletter “Checkpoint” bekannt. Und für seine ungewöhnlichen Aktionen zur Leserbindung und Leserbetreuung. Das aktuellste Projekt: eine gemeinsame Radtour durch Berlin. Vera Linß war für den Deutschlandfunk dabei.

4. Vollehalle, Gala und eine Party! Am Freitag feiern wir Geburtstag
(netzpolitik.org, Markus Beckedahl)
Netzpolitik.org feiert am Freitag seinen 15. Geburtstag mit einer Konferenz in der Berliner Volksbühne und einer anschließenden Party. Als ebenfalls 15-Jährige gratuliert das BILDblog-Team und wünscht den Kolleginnen und Kollegen alles Gute für die nächsten 15 Jahre.

Weiterer Lesetipp: Interview mit Markus Beckedahl, dem Gründer der Plattform: “Man darf nicht gleich den Untergang der Demokratie verkünden” (spiegel.de, Judith Horchert).

5. Mit zwölf Schritten in die Verschwörungsgalaxie
(spiegel.de, Sascha Lobo)
Warum lassen sich Menschen auf Verschwörungstheorien ein? Sascha Lobo hat die Entwicklung zum Verschwörungstheoretiker in zwölf Phasen unterteilt: Von der Sinnsuche bis zum kompletten Persönlichkeitsumbau, der eine normale Diskussion unmöglich mache: “Wer solche Verschwörungsweltbilder als Teil seiner neuen Persönlichkeit verinnerlicht hat, sieht in jedem Diskussionsversuch über die Verschwörungstheorie zwingend einen Angriff auf die eigene Person.”

6. Das ist eine Grenzüberschreitung.
(twitter.com/florianklenk)
Als BILDblog-Kurator hat man schon einiges an Schmutz gesehen und müsste entsprechend abgehärtet sein. Aber hier gerate auch ich an meine Grenzen: Was ein Kolumnist der größten österreichischen Tageszeitung “Krone” über den “Falter”-Chef Florian Klenk schreibt, ist von besonderer Widerwärtigkeit.

Asteroiden-Clickbait, Mäzen vs. Wikipedia-Hacker, Gute-Laune-Gesetz

1. “Gleich 3 gigantische Asteroiden rasen auf die Erde zu” und anderer Wissenschaftsclickbait bei Futurezone.de (Schlechte Schlagzeilen Folge 25)
(scienceblogs.de/astrodicticum-simplex, Florian Freistetter)
Wissenschaftsautor und Astronom Florian Freistetter ärgert sich über die reißerische Berichterstattung des Portals Futurezone.de zu angeblich bevorstehenden Asteroideneinschlägen und anderen angeblichen Bedrohungen aus dem All: “Ich weiß nicht, wie solche Artikel zustande kommen. Vermutlich war irgendwer der Meinung, man bräuchte mal wieder ein paar Klicks und was geht da besser als potentieller Weltuntergang… Mit irgendeiner seriösen Form von Wissenschaftsjournalismus hat das absolut nichts zu tun.”

2. Wikipedia erhält Millionenspende für IT-Sicherheit
(spiegel.de)
Vergangenen Freitag kam es zu einem Hackerangriff auf Wikipedia, die deutsche Seite war für mehrere Stunden nicht erreichbar. Der Gründer des Anzeigenportals “Craigs List” und Mäzen Craig Newmark hat dem Online-Lexikon nun 2,5 Millionen Dollar gespendet, die der Sicherheit der Plattform zugutekommen sollen.

3. Kein Thema
(kontextwochenzeitung.de, Anna Hunger)
Der Bahnkritiker und Stuttgart-21-Experte Arno Luik hat ein Buch über die Deutsche Bahn (“Schaden in der Oberleitung”) verfasst, das viel mediale Aufmerksamkeit erfährt. Nur in Stuttgart wolle man sich nicht so recht für das Thema interessieren. Anna Hunger erklärt, warum Luik und dessen Buch in den Stuttgarter Zeitungen nicht stattfänden.

4. Prozess um lebendige Geister
(sueddeutsche.de, Wolfgang Janisch)
Der Streit zwischen Ex-Bundesrichter und Kolumnist Thomas Fischer und der “taz”-Journalistin Gaby Mayr über Fischers Kommentierung des Strafrechtsparagraphen 219a (“Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft”) ist mittlerweile beim Landgericht Karlsruhe gelandet. Dort wird man sich unter anderem mit der Grenzziehung zwischen bloßen Werturteilen und Tatsachenbehauptungen beschäftigen.
Weiterer Lesetipp dazu: Ist der “Schlam­perei”-Vor­wurf eine Tat­sa­chen­be­haup­tung? (lto.de, Christian Rath).

5. Joko Winterscheidt und G+J verabschieden sich von “JWD”: “Glauben Sie mir, es fällt uns allen nicht leicht”
(meedia.de, Gregory Lipinski)
Gruner + Jahr stellt das Magazin “JWD – Joko Winterscheidts Druckerzeugnis” zum Jahresende ein. “Meedia” hat mit Moderator Winterscheidt und dem G+J-Verantwortlichen Frank Thomsen über die Gründe gesprochen. Das ist insofern interessant, als es gleich zwei Segmente betrifft: das der Männermagazine und das der Personality- und Testimonial-Postillen à la “Barbara”.

6. Gute-Laune-Gesetze
(journalist-magazin.de, Sebastian Pertsch & Udo Stiehl)
Die Floskel-Spezialisten Sebastian Pertsch und Udo Stiehl beschäftigen sich mit den beschönigenden Umschreibungen, mit denen Politiker und Politikerinnen neuerdings ihre Gesetze versehen: “Sollte es bald zu einem Geile-Soldaten-Gesetz, Super-Schnelles-Internet-Abkommen oder Klima-Nein-Danke-Erlass kommen, wäre etwas mehr Widerstand gegen die politisch motivierten Tarnungen begrüßenswert. Aufgabe des Journalismus ist nicht, PR-Sprüche aus der Politik zu wiederholen.”

Game of Phones, Hockeyschläger weiter gültig, Reden-Visualisierer

1. Darüber spricht der Bundestag
(zeit.de, Kai Biermann, Paul Blickle, Ron Drongowski, Elena Erdmann, Flavio Gortana, Alicia Lindhoff, Christopher Möller, Christoph Rauscher, Stephan Scheying, Michael Schlieben, Julian Stahnke, Julius Tröger & Sascha Venohr)
“Zeit Online” hat alle Bundestagsreden seit 1949 grafisch analysierbar gemacht. So lässt sich zu jedem Suchbegriff beziehungsweise Schlüsselwort visualisieren, wann und wie oft er im Parlament erwähnt wurde. Ein tolles Werk- und Spielzeug zugleich.

2. Game of Phones
(journalist-magazin.de, Richard Gutjahr)
Richard Gutjahr hat einen lesenswerten Beitrag über die Zukunft des Journalismus verfasst. Man müsse realisieren, dass das Smartphone als Medium gewonnen habe und die Textform auch zukünftig weiter von Bewegtbild verdrängt werde: “In diesem laufenden Game of Phones wird uns daher nichts anderes übrigbleiben, uns selbst ein Stück weit als Smartphone zu begreifen, das alle paar Monate ein Update verlangt. Wir werden uns an den Gedanken gewöhnen müssen, dass wir — wie sehr wir uns auch anstrengen — niemals im gelobten Neuland ankommen werden. Dass wir den Prozess der digitalen Transformation nicht gegen, sondern nur mit dem Publikum meistern können. Dass nicht die abstrakte Marke unser Ticket in die Zukunft ist, sondern das Individuum, jeder User, jeder Mitarbeiter. Dass 5G und der damit wachsende Hunger nach Videos letztlich auch nur ein Vehikel sein wird für das eigentliche Produkt, für das es mehr denn je zu kämpfen lohnt: Vertrauen.”

3. Die “Hockeyschläger-Kurve” vor Gericht: Ist der Klimawandel bei einem Prozess in Kanada widerlegt worden?
(blog.gwup.net, Bernd Harder)
Zahlreiche “Alternativmedien” wie die “Achse des Guten”, “EIKE”, “Tichys Einblick”, “KenFM”, “Freie Welt” oder “Epoch Times” verbreiteten die Nachricht, dass ein führender Klimawissenschaftler einem Klimawandelleugner vor Gericht unterlegen sei. Alles Quatsch, wie Bernd Harder von der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften erklärt.

4. Große Halle, kleiner Mut
(taz.de, Peter Weissenburger)
Bei Angela Merkels Besuch in Peking wollte die chinesische Regierung anscheinend einigen deutschen Journalisten den Zugang zu einer Pressekonferenz der Kanzlerin verwehren. Die “Irritationen” konnten jedoch geklärt werden. “Alle deutschen Journalisten, die an der Willkommenszeremonie teilgenommen haben, erhielten letztlich auch Zugang zur Pressekonferenz”, so der Regierungssprecher.

5. US-Staaten eröffnen Kartellverfahren gegen Google und Facebook
(netzpolitik.org, Alexander Fanta)
US-amerikanische Behörden ermitteln gegen Tech-Unternehmen wie Google und Facebook wegen diverser Wettbewerbsverletzungen. Dabei geht es also nicht um Datenschutzverstöße, die in der Vergangenheit im Fall von Facebook bereits mit einer Strafzahlung von fünf Milliarden Dollar geahndet wurden, sondern ausdrücklich um die Marktdominanz der Unternehmen.

6. An Peinlichkeit kaum zu übertreffen
(deutschlandfunk.de, Arno Orzessek)
Arno Orzessek hat sich angeschaut, wie die Youtube-Community auf das erste Propagandafilmchen der CSU (“CSYou”) reagiert: “Sie lästern derart ab, und zwar tausendfach, dass schon jetzt feststeht: Begreift man “CSYou” als psychohygienische Müllhalde der Netz-Junkies, ist es ein unübertroffener Erfolg.”

Killt “Bild”?, Geschönte Referenzen, Ausbeuterische Wissenschaftsverlage

1. Killt BILD?
(diekolumnisten.de, Heinrich Schmitz)
Der Jurist Heinrich Schmitz hat sich die Berichterstattung der “Bild”-Zeitung über ein Ermittlungsverfahren gegen einen früheren Fußballnationalspieler angeschaut. Seine rechtliche wie moralische Bewertung: “An Unverfrorenheit ist die Berichterstattung der BILD in diesem Verfahren kaum zu überbieten. Nicht nur, dass sie selbst ein Ermittlungsverfahren initiiert und dann zunächst exklusiv darüber berichtet, nein, irgendjemand innerhalb der Ermittlungsbehörden gibt der BILD auch noch Informationen, die dazu führen, dass der Verdächtige nicht nur von Kriminalbeamten, sondern auch gleich von ein paar BILD-Reportern aufgesucht und fotografiert wird. Das hat mit seriöser Berichterstattung nichts mehr zu tun, das ist ein medialer Pranger.”
Weitere Lesetipps: Der Fall [M.] zeigt, wie sehr die “Bild” auf den Rechtsstaat scheißt (vice.com, Juri Sternburg) sowie Sorgfalt bei Verdacht (taz.de, Christian Rath).

2. “profil”: Kurz-Biografin mit geschönten Referenzen
(profil.at)
Diese Woche erscheint das Buch “Sebastian Kurz: Die offizielle Biografie”. Geschrieben hat es Judith Grohmann, die in ihrem Lebenslauf behaupte, “die jüngste Investigativ-Journalistin und Schlussredakteurin Österreichs” gewesen zu sein: “Mit 17 ging sie zum Herausgeber des bekanntesten österreichischen Enthüllungs- und Nachrichtenmagazins profil und bot ihm an, für ihn als Investigativ-Journalistin zu arbeiten. Zwei Monate später bot ihr der selbe (sic!) Herausgeber an, neben ihrer Tätigkeit als Journalistin auch als Chefin vom Dienst für profil zu arbeiten.” Das Nachrichtenmagazin sieht das jedoch etwas anders: “Judith Grohmann dürfte 1985 zwar vorübergehend bei profil tätig gewesen sein, mit Sicherheit aber nicht als Redakteurin, geschweige denn als Chefin vom Dienst. Ihr Name scheint in keinem Impressum auf.”

3. Fünf Gründe warum Podcasts kein Geld verdienen (jedenfalls nicht einfach so)
(dirkvongehlen.de)
Seth Godin ist ein US-amerikanischer Autor und Unternehmer, der vor allem zu Internet- und Marketing-Themen schreibt. Aktuell beschäftigt er sich mit dem Thema Podcasting. Dirk von Gehlen hat einige von Godins Kernaussagen zusammengefasst — interessante Denkanstöße für Podcast-Hörende, Podcast-Machende und Podcast-Vermarktende.

4. Mit dem Zweiten wirbt man besser
(tagesspiegel.de, Joachim Huber)
Jan Böhmermann bewirbt sich, bislang erfolglos, um den SPD-Vorsitz und nutzt dafür auch die mediale Kraft seiner ZDF-Sendung “Neo Magazin Royale”. “Das ist nicht in Ordnung”, findet Joachim Huber im “Tagesspiegel”: “Schon im Mitarbeiterkodex des ZDF heißt es: “Der Status eines ZDF-Mitarbeiters darf nicht dazu genutzt werden, sich individuelle private Vorteile zu verschaffen.” Genau das tut Böhmermann, noch dazu großzügig bezahlt mit Rundfunkbeiträgen.”

5. Das ausbeuterische Geschäftsmodell der großen Wissenschaftsverlage
(krautreporter.de, Bent Freiwald)
Die drei größten wissenschaftlichen Verlage der Welt Elsevier, Springer (hat nichts mit dem hier häufiger thematisierten Axel-Springer-Verlag zu tun) und Wiley haben ein lukratives Geschäftsmodell zur Vermarktung von wissenschaftlichen Publikationen entwickelt, das ihnen traumhafte Renditen beschert. Mittlerweile wehren sich Bibliotheken, Unis und Institute gegen die hohen Preise der Monopolisten. Bent Freiwald erklärt das zu Lasten der Allgemeinheit gehende Geschäftsmodell. Er vergleicht es mit der fiktiven Vermarktung von Straßen, die sich wohl keiner gefallen lassen würde: “Das Bauunternehmen bezahlt seine Mitarbeiter:innen nicht, sondern berechnet ihnen eine Gebühr dafür, dass sie die Straße bauen dürfen. Die Bauaufsicht, die dafür verantwortlich ist, dass die Straße den Standards entspricht, wird auch nicht bezahlt. Und wenn du über die fertige Straße fahren willst, musst du ein teures Jahresabonnement abschließen oder 30 Euro Gebühren für eine einmalige Fahrt zahlen — obwohl die Straße von deinem Geld gebaut wurde.”

6. Ein Kreuzfahrt-Werbefilmchen im Nachmittagsprogramm
(dwdl.de, Hans Hoff)
Hans Hoff ist ein begeisterter Zuschauer der Nachmittags-Kreuzfahrt-Serie “Verrückt nach Meer” im Ersten: “Weil es so komplett unterfordernd ist, so einfältig, so billig, so seicht.” Hoff hat einen wunderbaren Rant auf das Format verfasst: “Wäre ich Kreuzfahrtveranstalter, ich würde mir umgehend die Rechte an dieser Reihe sichern. Besseres Werbematerial gibt es nicht. So kritikloses, so blutleeres, so profilloses Fernsehen mit einem derartigen Werbepotenzial muss man sonst lange suchen.”

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