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NZZ wittert Kampagne gegen Rechts
(NZZ, Heribert Seifert)
Peter Krause, CDU-Politiker und ehemalige Redakteur der Jungen Freiheit, wird nicht Minister in Thüringen: “Was dort geschah, wirft ein düsteres Licht auf die deutschen Diskursverhältnisse, zeigt es doch, dass Medien ohne professionelle Selbstkontrolle an Kampagnen mitmachen, wenn diese die Stossrichtung ‘gegen rechts’ haben.”

Vorspann vor Gericht
(umblaetterer.de, Marc Reichwein)
Redaktion schreibt spitzen Lead, Autor landet vor Gericht: “Ein Weltwoche-Journalist hatte sich wegen angeblich rassistischer Wortwahl vor Gericht zu verantworten. Das Kuriose: Dieser Journalist war für Teile seines Artikels angeklagt, die er nachweislich gar nicht geschrieben hatte.”

Link zu unserem Post über die World Press Photo Awards 2007Interview mit Kriegsfotograf Hetherington
(davidbauer.ch, Olivia Kühni und David Bauer)
“Der Umgang mit Brutalität beschädigt etwas in einem. Sie werden nicht durch die Strassen gehen und denken, das Leben ist einfach wunderbar, alles ist grossartig und gut.” Mit dem Bild eines erschöpften US-Soldaten in Afghanistan gewann Tim Hetherington den World Press Photo Award 2007.

Mutlose Auswahl
(Indiskretionen Ehrensache, Thomas Knüwer)
Die Nominierungen für den Grimme Online Award stellt Thomas Knüwer vor. “Richtig dicke Überraschungen, Angebote, die mich staunen lassen, vermisse ich.”

Beleidigungen und ernste Fragen
(taz, Heide Oestreich)
Die Alphamädchen begehen “Muttermord” an Alice Schwarzer: “Sie definieren sich nun einen neuen Feminismus zurecht. So what?, möchte man sagen: Es ist schließlich noch genug Patriarchat für alle da.”

Spiegel Online entdeckt die Langsamkeit
Auf der neuen “Seite 2” werden Reportagen, Analysen und Interviews aus den vergangenen 24 Stunden gezeigt. Aufmacher ist derzeit das Geständnis von Josef Fritzl, der lächelnd auf einem Riesenfoto (515×420 Pixel) gezeigt wird.

Killerargumente

Kleiner Test: Welches Computerspiel wird hier von “Bild” beschrieben?

Lustigerweise ist die Antwort leicht, obwohl die Beschreibung fast vollständig falsch ist.

Genau:

Vermutlich wäre es schwerer gewesen, darauf zu kommen, wenn “Bild” wenigstens einmal die Wahrheit über “Counterstrike” geschrieben hätte: Dass das Computerspiel an Brutalität durchaus zu überbieten ist. Dass in der deutschen Version kein Blut fließt. Dass es das Ziel nicht ist, so viele Gegner wie möglich zu töten — ja, dass man sogar gewinnen kann, ohne überhaupt zu töten. Und dass das Spiel in Deutschland nicht indiziert, sondern ab 16 Jahren freigegeben ist.

Aber so ist das bei den sogenannten Killerspielen: Man muss sie nicht kennen oder auch nur das Elementarste über sie wissen, um sich zum Beispiel darüber zu empören, dass sie in einem “Haus der Jugend” in Hamburg angeschafft wurden.

Und wie zum Beweis für die Gefährlichkeit solcher Spiele schreibt “Bild” noch:

Zur Erinnerung: Robert Steinhäuser († 19), der am 24. April 2002 in Erfurt an einer Schule zwölf Lehrer, eine Sekretärin, zwei Schüler, einen Polizisten und sich selbst erschoss, war begeisterter Spieler von solchen Killerspielen.

Angesichts dieser Logik kann man nur hoffen, dass Steinhäuser nicht auch begeisterter Jeansträger oder “Bild”-Leser war. (Und, zur Erinnerung: Es war der 26. April 2002.)

Mit Dank an Dominic G., David K., Jan Marco S., Benjamin B., Herbert F., Sebastian T., Patrick B., Lukas B., Sascha K., Jan-Henning S., Sascha S., Florian S. und andere.

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Amstetten (Bild Keystone/AP/Ronald Zak)“Der Expertenbefragungswahn”
(medienspiegel.ch, Andrea Masüger)
“Ein Wunder, dass bisher noch kein Hautarzt zum Thema ’18 Jahre ohne Sonnenlicht’ befragt wurde und dass sich noch kein Architekturprofessor zu bautechnischen Aspekten des Kellerverlieses zu äussern hatte. Aber das alles wird bestimmt auch noch kommen.”

Charlotte Roche (Bild Keystone)Frauenbewegung verkommt zum Karrierecoaching
(SZ, Barbara Gärtner)
“Ach, es hätte eine feine Debatte werden können, aber bisher ist es leider nur fades Beleidigtsein. … Die Wir-Mädchen-um-die-Dreißig-Bücher schaffen vielleicht eine lipglossschnutige Betroffenen-Peer-Group, die Interessenpolitik betreibt. Sowas macht auch der Bauernverband. Das ist okay, aber die Emanzipation kommt so keinen Schritt voran.”

Face-CoverNeues Magazin macht auf Tempo
(dwdl.de, Jochen Voß)
Das Face-Magazin berichtet über Schauspieler, Meinungsmacher, Musiker, Künstler und Trendsetter. “Für’s Erste lässt sich festhalten, dass man mit Face durchaus eine angenehme bis anregende Stunde verbringen kann. Das gelingt heute auch nicht mehr vielen.”

Die Agentur hat immer recht
(Stefan Niggemeier)
Hat sie natürlich nicht, auch über den Ticker laufen Falschmeldungen oder unglückliche Formulierungen. Etwa “Holocaustgegner” statt “Holocaustleugner”. Doof nur, wenn blind abgeschrieben wird. Mindestens tagesschau.de, Netzeitung, Rheinische Post, SWR, Focus, Berliner Morgenpost, Frankfurter Rundschau, Welt und N24 sind reingefallen.

Jeff Jarvis über Internet und Journalismus
(elektrischer-reporter.de, Mario Sixtus)
Gähn, noch so ein langweiliges Video? Nein, denn BuzzMachine-Gründer und Hansdampfinallengassen-Journalist Jeff Jarvis bringt die aktuellen Entwicklungen auf den Punkt. Wenn man nur ein Video zum Thema …

Bloß nicht verzetteln
(Seth Godin)
The Times needs 50 more bestseller lists, 20 more trusted stories about real political fact and insight, ten more cultural touchstone features… and a lot less filler, a lot less copycat stuff and nothing, nothing about Barbara Walters.”

Allgemein  

Es ist nicht alles Öl, was glänzt

Fast 121 Dollar kostete ein Barrel Rohöl gestern, und wenn die Experten von Goldman Sachs Recht behalten, könnte der Preis für das “Schwarze Gold” (!) in den nächsten zwei Jahren auf bis zu 200 Dollar (120 Euro) steigen. Kein Wunder, dass Bild.de angesichts dieser dramatischen Entwicklung fragt:

Ist Öl bald so wertvoll wie Gold?

Eine konkrete Antwort bleibt Bild.de den Lesern schuldig, aber wir übernehmen das gerne.

Ein Barrel sind rund 159 Liter. Bei einer durchschnittlichen Dichte von 0,85 Kilogramm pro Liter wiegt ein Barrel Rohöl also ungefähr 135 Kilogramm. Bei einem Preis von 120 Euro pro Barrel würde ein Kilo Rohöl rund 88 Cent kosten.

Der Goldpreis wird in Dollar pro Feinunze angegeben. Aktuell beträgt er 865,30 Dollar, umgerechnet 562,35 Euro. Eine Feinunze sind 31,1 Gramm, also beträgt der Kilopreis für Gold gerade 18079,97 Euro.

Anders gesagt: Selbst wenn der Ölpreis wie prognostiziert explodiert, ist Goldenes Gold noch schlappe zwanzigtausendmal wertvoller als Schwarzes Gold.

Aber wie wertvoll wäre Öl wirklich? So wertvoll wie ein kleines Auto? Nein: Der neue Fiat 500 kostet rund 11,17 Euro das Kilo. Selbst die “Bild”-Volksbibel wäre mit einem Kilopreis von 3,98 Euro noch deutlich wertvoller als Öl. Nicht einmal mit dem anderen “schwarzen Gold”, dem Kaffee, könnte es Rohöl an Wert aufnehmen: der wird gerade für 1,36 Euro das Kilo gehandelt. (Von Bananen ganz zu schweigen.)

Machen wir es kurz: Mit etwas Pech wird Öl bald teurer sein als Apfelsaftschorle*.

*) 50 Prozent Fruchtsaftgehalt

Mit großem Dank an Jan W. für den Hinweis und Thomas S. fürs Nachrechnen!

Wir sind Heigl!

Bei Bild.de war man offensichtlich ganz aus dem Häuschen, als man eine Meldung der “Bunten” entdeckte. Die US-Schauspielerin Katherine Heigl wurde nämlich vom Bürgermeister von Esslingen eingeladen, das Städtchen zu besuchen. Und sie hat offenbar zugesagt. Soweit die News.

Für Bild.de war indes noch etwas ganz anders neu:

"Katherine Heigl hat deutsche Vorfahren

Sie ist die schöne Hollywood-Diva, der Star aus “Grey’s Anatomy”. Strahlend blondes Haar, tiefgründige Augen, sinnlicher Mund. Katherine Heigl ist wirklich eine Augenweide. Aber was bisher kaum einer wusste: Sie hat deutsche Wurzeln! Und die liegen gar nicht soooo weit zurück, wie “Bunte” herausfand. Katherines Ur-Großeltern stammen nämlich aus Esslingen am Neckar, ihr Opa wurde dort geboren und wanderte später in die USA aus.

Moment: Was bisher kaum einer wusste? Wie “Bunte” herausfand?

Dass Heigl (auch) deutsche Wurzeln hat, weiß die deutsche Wikipedia bereits seit dem Jahr 2006. (In der englischsprachigen Wikipedia wird für diese Info sogar eine Quelle angegeben, die aus dem Jahr 2001 stammt.) Aber gut, deshalb kann es natürlich immer noch sein, dass das “kaum einer wusste”.

Seit Februar dieses Jahres steht jedoch bei Welt Online:

Väterlicherseits hat der Star deutsche Urgroßeltern, und der Großvater mütterlicherseits stammt aus dem idyllischen Esslingen.

Und im März sagte Heigl selbst der Zeitschrift “Joy”:

“Mein Großvater mütterlicherseits stammt aus Esslingen in Baden-Württemberg. Er hieß Engelhart Reingold. Und der Großvater meines Vaters war ein Heigl.”

Dazu gab es eine Vorabmeldung, die u.a. von der Nachrichtenagentur AP weiterverbreitet wurde, und seither ist es auch anderenorts nachzulesen. Kein Wunder also, dass nicht mal die “Bunte” behauptet, sie habe das mit den deutschen Wurzeln herausgefunden. Aber auf Bild.de ist eben Verlass.

Mit Dank an Philipp S. für den sachdienlichen Hinweis.

Allgemein  

Schmerzensgeld für “Nymphomanin” II

Drei Jahre hat es gedauert, jetzt ist es endgültig. Der Axel Springer Verlag muss 12.000 Euro Schmerzensgeld an eine inzwischen 30-jährige Frau aus Kaiserslautern zahlen. Das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken bestätigte jetzt ein entsprechendes Urteil des Landgerichts Kaiserslautern.

"Ich stellte mich aufs Bett. Dann setzte ich mich auf sein kleines Ausrufezeichen"Die “Bild”-Zeitung hatte im Sommer 2005 “die aufregendsten Kapitel” eines Buches der vermeintlichen Nymphomanin Valérie Tasso vorab veröffentlicht. “Das Skandalbuch des Sommers” nannte es die “Bild”-Zeitung, druckte schlüpfrige Auszüge und illustrierte eine Folge mit einem Foto, das sie für 200 Euro von einer Agentur gekauft hatte. Das jedoch zeigte nicht Valérie Tasso, sondern eben jene Frau aus Kaiserslautern. Das Foto war von der Agentur nur mit dem ausdrücklichen Vermerk angeboten worden: “Aproval Frei. Nutzung nur in einem positiven Zusammenhang!”

Aus dem Urteil

“Die Veröffentlichung des Nacktfotos stellt eine schwer wiegende Verletzung der allgemeinen Persönlichkeitsrechte der Klägerin dar (…). Durch die Veröffentlichung (…) ist die Klägerin in ihrer Menschenwürde aber auch in ihrem Ansehen empfindlich herabgesetzt worden.

Die Abgebildete indes fand es, anders als “Bild”, überhaupt nicht positiv, dass “Bild” den Eindruck erweckte, sie sei eine Nymphomanin. Sie fand es “obszön und frauenverachtend”. Das Landgericht sah das ähnlich und sprach ihr Schmerzensgeld zu (wir berichteten).

Gegen dieses Urteil hatten beide Parteien Berufung eingelegt, wie uns der Sprecher des OLG Zweibrücken sagt. Springer waren 12.000 Euro zu viel, der Frau zu wenig. Das OLG bestätigte jedoch das Urteil des Landgerichts, und es bleibt dabei: Springer muss 12.000 Euro Schmerzensgeld an die Frau zahlen, die laut “Rheinpfalz” mittlerweile “auf den fünften Kontinent übergesiedelt ist”.

Mit Dank an Tomchen für den sachdienlichen Hinweis.

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Öffentlich-rechtliches Wunschkonzert
(faz.net, Daniel Bouhs und Peer Schader)
15 Vorschläge werden der Rundfunkkommission der Länder mit auf den Weg gegeben. Die trifft sich heute und berät über die Zukunft von ARD und ZDF.

Alice Schwarzer“Alphamädchen” antworten Alice Schwarzer
(SZ, Meredith Haaf, Susanne Klingner und Barbara Streidl)
Die “Wellness-Feministinnen” schreiben: “In unserer Generation gilt es als gesetzt, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind. Findet sich eine Frau plötzlich trotzdem in einer Rolle wieder, die sie sich so nie gewünscht hatte, dann ist sie eben selbst schuld, hat sich nicht genügend angestrengt. Wer meckert, gibt sich als Versagerin zu erkennen in einer Gesellschaft, in der doch angeblich alles möglich ist.”

Zu groß geratene Sonnenbrillen
(taz, Martin Reichert)
Die Neon ist ein erstaunliches Phänomen, findet Martin Reichert in der taz. Sie wird “in München gemacht von Vertretern einer Generation, deren geistiges und ästhetisches Zentrum eher in Berlin liegt. … Die Generation Umhängetasche … nimmt das Leben nicht ernst, sondern setzt es stets in Anführungsstriche. Man lebt im Dauerprovisorium und liest – bis es endlich losgeht – Neon.”

Pssst, die Werbung
(The Guardian, Mark Sweney)
“The days of having to dive for the remote control to turn down noisy TV commercials look to be numbered, with new rules set to be introduced banning excessively loud ads.”

Let’s have more fun
(Poynter Online, Amy Graham)
Gegen die miesmachenden Denkverbote im Journalismus: “… right now is a time of immense opportunity for journalism and journalists to take on a broader and even more vital role in society.”

Alice Schwarzer

“The Queen of the New Age” (Lesetipp)
(New York Times Magazine, Mark Oppenheimer)
Reich durch Lebensratgeber und Neugeist-Bewegung: Louise Hay ist eine der meistgelesen Autorinnen der Welt. Den Verlag dazu besitzt sie auch gleich. “The announcement of the National Book Award finalists means nothing at Hay House. The hundred-odd employees at Hay House headquarters in an office park in Carlsbad, Calif., are not the publishing girls and guys of New York. … But they are brilliant students of spiritual hunger, a symptom of modernity that, along with oil and war and sex, may be one of the best business models of all.”

“Bild” ist der Meinung: Das ist Spitze!

Im Grunde gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder haben die Leute, die in “Bild” heute über das deutsche Steuerrecht geschrieben haben, sehr wenig Ahnung vom deutschen Steuerrecht. Oder sie haben sich entschieden, sich ihr Wissen über das deutsche Steuerrecht nicht anmerken zu lassen, um die von ihr befürworteten Vorschläge der CSU zu einer Steuerreform besonders überzeugend wirken zu lassen. Wir wissen nicht, was stimmt. Außer, dass das, was “Bild” schreibt, nicht stimmt.

Es geht um die Frage, ab welchem Einkommen der Höchststeuersatz von 42 Prozent gelten soll. “Bild” zeigt zur Veranschaulichung vier vermeintliche “Durchschnittsverdiener”: einen Angestellten, eine Lehrerin, einen Makler und einen Bauleiter, die angeblich zwischen 4400 und 4580 Euro brutto im Monat verdienen, und behauptet, dass sie damit laut Gesetz schon Spitzenverdiener seien. Denn, so “Bild”:

In Deutschland greift der Höchststeuersatz (42 %) schon ab einem Brutto-Einkommen von 4346 Euro/Monat (52.151 Euro im Jahr)!

Nee. Nicht ab einem Brutto-Einkommen in dieser Höhe. Sondern ab einem zu versteuernden Einkommen in dieser Höhe. Vom jährlichen Brutto-Einkommen der vier “Bild”-“Spitzenverdiener” sind mindestens der Arbeitnehmerpauschbetrag von 920 Euro und Teile der gezahlten Sozialversicherungsbeiträge (mehrere Tausend Euro) abzuziehen, um das zu versteuernde Einkommen zu berechnen. Wenn die angegebenen Brutto-Gehälter stimmen, muss vermutlich keiner der von “Bild” Gezeigten tatsächlich den Spitzensteuersatz zahlen.

Überhaupt lässt “Bild” die angeblichen Spitzensteuersatz-Zahler so tun, als müssten sie ihr gesamtes Einkommen mit 42 Prozent versteuern. Tatsächlich gilt dieser Steuersatz nur für denjenigen Teil, der die Grenze von 52.151 Euro jährlich übersteigt. Realistischerweise zahlen die vier Betroffenen jeweils vielleicht rund 12.000 Euro Einkommenssteuer, was etwa 25 Prozent des zu versteuernden Einkommens entspricht — nicht über 22.000 Euro, wie “Bild” suggeriert.

Die Lehrerin und der Bauleiter fühlen sich zudem besteuert wie eine “Millionärin” bzw. ein “Top-Manager mit Millionen-Gehalt”. Dass für die in aller Regel ein noch höherer Steuersatz von 45 Prozent gilt (“Reichensteuer”), hat “Bild” ihnen offensichtlich nicht erzählt.

Aber es ging ja bei dem ganzen Artikel nicht darum, die Leser klüger zu machen.

Mit Dank an Peter R., Markus H., Oliver O. und Manuel L.!

Das ist so nicht richtig

In einem Interview mit dem Medienmagazin “Journalist” entgegnet “Bild”-Chef Kai Diekmann auf die Aussage, der “BILD-Leserbeirat” habe sich beim ersten Treffen im Oktober von der “Bild”-Zeitung “unter anderem ‘weniger blutrünstige Storys'” gewünscht:

“Das ist so nicht richtig. Vielmehr hat der Leserbeirat ausdrücklich gesagt, dass die Realität auch dann gezeigt werden muss, wenn sie nicht erfreulich ist. Allerdings hat er in diesen Fällen mehr kompositorische Rücksichtnahme gefordert, dass also beispielsweise die Witze nicht neben einem Unfalldrama platziert werden.”

Indes: Unseres Wissens äußerte sich Romy Henke, Mitglied im “BILD-Leserbeirat”, im Oktober 2007 wie folgt:

“Wir wünschen uns mehr Wissenschaftsberichte und weniger blutrünstige Storys wie über den Kannibalen von Rotenburg.”

Woher wir das wissen? Na, aus Diekmanns Zeitung:

Das Gegenteil von Anonymisieren

Schon oft haben wir hier darüber berichtet, dass die “Bild”-Zeitung wieder und wieder die Persönlichkeitsrechte von Menschen verletzt, indem sie ihrem Millionenpublikum Fotos präsentiert, die – irgendwo aufgetrieben – kaum oder gar nicht anonymisiert (mutmaßliche) Täter und Opfer von Straftaten zeigen.

Dabei es ist ja nicht so, dass “Bild” nicht wüsste, dass und wie man anonymisieren muss. Im Gegenteil. Wir zeigen hier mal beispielhaft die gängigsten Versionen:

Neuerdings jedoch benutzt “Bild” beim Herzeigen von Menschen, für deren Herzeigen es keinerlei Notwendigkeit gibt, auch eine neue Art der Nachbearbeitung.

Aktueller Fall: Eine Frau soll vor knapp 20 Jahren drei Babys zur Welt gebracht, möglicherweise nach der Geburt getötet und in der Tiefkühltruhe eingefroren haben. Ihr 18-jähriger Sohn habe die Babyleichen nun durch Zufall entdeckt. Da sei die Frau zur Polizei gegangen und festgenommen worden. Sie befinde sich in psychiatrischer Behandlung. Aus Ermittlerkreisen heißt, die Tat sei “im Grunde aufgeklärt” – evtl. sogar verjährt.

Und “Bild” hat ein Foto der Frau. Seit gestern vormittag zeigt sie es online. Als Quelle wird der “Bild”-Fotograf Stefano Laura genannt. Nachdem er das Exklusiv-Foto offenbar bei Nachbarn/Freunden/Verwandten beschafft hatte (auch das gehört zu den Aufgaben von “Bild”-Fotografen), war die “Bild”-Redaktion am Zug, musste entscheiden, ob sie die Abgebildete bei der Veröffentlichung unkenntlich macht oder nicht. Und entschied mal wieder: nicht.

Irgendwann im Laufe des Tages jedoch kam jemand bei “Bild” auf die Idee, das Foto auf Bild.de doch noch einmal grafisch nachbearbeiten zu lassen. Das Ergebnis wollen wir nicht zeigen, nur die Methode:

Die Nachbearbeitung fand also offensichtlich nicht aus Menschlichkeit statt, sondern aus unternehmerischem Kalkül: Wer das Foto aus dem Online-Angebot von “Bild” klaut benutzt, zeigt auch gleich die Quelle.

Immerhin: Wir haben verstanden und empfehlen daher allen, die unbedingt private Fotos von sich online stellen wollen, dies:

Mit Dank an die Hinweisgeber – und Philipp Neuhaus fürs Symbolfoto.

P.S.: Die gedruckte “Bild” zeigt das Foto der Frau auf der Titelseite und noch einmal groß im Artikel.

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