Wenn’s mal wieder schneit in Deutschland, kann man aus dem Fenster schauen – oder ins Internet. Im Online-Portal des Mitteldeutschen Rundfunks steht dann:
Und natürlich zeigt der öffentlich-rechtliche MDR seinen Gebührenzahlern auch noch, wie’s aussieht auf Thüringens Straßen:
Ein schönes Foto: Schnee, Glätte, behinderter Verkehr – und gerade mal vier Stunden Wochen alt, wie uns MDR.de selbst einen Link weiter beweist:
Damals, am 3. Dezember 2008, übrigens unter der Überschrift:
P.S.: Aber natürlich machen Schneeglätte, Streufahrzeuge und Effizienzdenken beim MDR nicht an der Thüringischen Landesgrenze halt. ImGegenteil:
Über den Fußballverein TuS Koblenz schreibt “Bild” in echtem Sportberichterstatterdeutsch:
Koblenz (…) hat die Fühler nach Kickers-Stürmer Angelo Vaccaro ausgestreckt, der sich auf der Waldau nicht mehr wohlfühlt.
TuS-Trainer Uwe Rapolder hatte den Torjäger (5 Treffer) beim letzten Auswärtsspiel der Blauen vor der Winterpause in Paderborn (0:2) beobachtet.
Und jetzt für alle, die sich nicht mit (Drittliga-)Fußball auskennen:
Keine Bange, auf der Waldau, die Blauen und Kickers sind bloß gängige Synonyme (für den Fußballverein Stuttgarter Kickers), die dem Leser redaktionelle Kompetenz vermitteln sollen.
Keine Ahnung, wie “Bild” darauf kommt, Rapolder hätte Vaccaro beim 0:2 gegen Paderborn “beobachtet”. Schließlich hat Vaccaro da garnichtmitgespielt.
Jetzt führt Israel Krieg im Gaza-Streifen, und alles ist wie gehabt. Seit Tagen scheint es keine zivilen Opfer auf palästinensischer Seite zu geben, jedenfalls kommen sie in “Bild” nicht vor. Die Toten und Verletzten sind “Terroristen”. “Bild” meldet heute über die ersten Folgen der israelischen Bodenoffensive:
35 Terroristen werden getötet, darunter mindestens drei ranghohe Hamas-Chefs.
Bis zum Sonntagabend zählten die Palästinenser 35 Todesopfer und 130 Verletzte (…).
Es scheint, als gebrauche “Bild” das Wort “Terrorist” als Synonym für “Palästinenser” oder “Bewohner des Gaza-Streifens”. Das würde erklären, warum “Bild” heute auch schreibt:
Rund 400 Terroristen sollen in den letzten neun Tagen getötet worden sein.
Wieder zum Vergleich die “Neue Zürcher Zeitung”:
So zählte der Leiter der Notfalldienste im Shifa-Spital, dem grössten Spital von Gaza, am Samstag 100 Kinder und 40 Frauen unter den total 463 Todesopfern, das entspricht 30 Prozent. Die Leiterin des Uno-Hilfswerks Unrwa in Gaza, Karen Abuzeid, schätzte den Anteil ziviler Opfer auf 25 Prozent. Diese Indikatoren für zivile Opfer wären noch um eine unbekannte Zahl für männliche Tote zu erhöhen, weil unter diesen in der Eile gar nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterschieden werden kann.
Vielleicht hat “Bild” aber auch einfach gerechnet: Die Nachrichtenagentur AP meldete gestern, die Zahl aller Toten sei “auf mehr als 500, darunter mindestens 100 Zivilpersonen” gestiegen. Macht für “Bild” einfach 400 getötete Terroristen — und die anderen Opfer zählen nicht.
PS: Den Ursprung des ganzen Konfliktes hat die “Bild”-Zeitung ihren Lesern bereits am 30. Dezember 2008 erklärt, und das sogar ganz ohne lästige geschichtliche Hintergründe:
WOHER KOMMT DIESER HASS AUF DIE JUDEN UND IHREN STAAT?
Ein Grund ist: Israel ist ganz anders als alle seine Nachbarn – eine Demokratie, die einzige der Region. Weltoffen, lebenslustig, modern, erfolgreich, Frauen sind gleichberechtigt. Das schafft Neid. Gerade bei denen, die nichts haben.
1. Interview mit Klaus Stimeder (derstandard.at, Harald Fidler)
Eine Erfolgsmeldung aus dem Zeitschriftenmarkt, das 2004 als “Selbstausbeutungsprojekt von Journalisten” gestartete Magazin Datum könnte überleben: “Autorenhonorare bezahlt ‘Datum’ seit mittlerweile 2 1/2 Jahren, leben davon kann mittlerweile nicht nur der Herausgeber, sondern auch eine Handvoll Angestellte. Was die Freien angeht: Nach viereinhalb Jahren und 50 Ausgaben gibt es keinen einzigen Mitarbeiter mehr, der unentgeltlich arbeitet. Und worauf wir besonders stolz sind: Das alles haben wir geschafft, ohne auch nur einen Cent Schulden zu machen. Zu verdanken ist das freilich jenen Leuten, welche in den ersten zwei Jahren nach der Gründung ihre Arbeits- und Tatkraft unentgeltlich zur Verfügung gestellt haben, weil sie an die Idee des Blattes geglaubt haben.”
2. “Stell dir vor es ist Krieg – und einer geht hin” (andremarty.com)
André Marty berichtet für das Schweizer Fernsehen “ein paar Meter neben israelischen Panzern an der Grenze zum Gaza-Streifen”. Sein Arbeitgeber macht sich Sorgen um ihn. Unter anderem, ob er den richtigen Schal trägt: “Derweil kommt aus der Redaktion in der fernen Schweiz die dringende Bitte, doch auf ein Halstuch zu verzichten, mache mich irgendwie zum Palästinenser, einer meint gar zum Taliban…” So sieht das Halstuch aus, auf mich wirkt das mehr wie ein Mittel gegen die Kälte, weniger wie eine politische Manifestation.
3. “Schnittbericht” (filmtagebuch.blogger.de, Thomas Groh)
“Zum Jahreswechsel strahlte 3sat Eisensteins Das Alte und das Neue in der neuen rekonstruierten Fassung aus – in 16:9. Was insofern verwunderlich ist, da sich dieses Bildformat erst Jahre nach Eisensteins Film etablierte. Folgerichtig wurde einfach unten und oben vom Bild was weggeknuspert, vermutlich um den Zuschauern zuhause an den neuen TV-Geräten unzumutbares wie schwarze Streifen rechts und links vom Bild zu ersparen. Mittig abgeschnittene Gesichter sind im Gegensatz dazu schließlich ohne weiteres erträglich.”
… und wieder ist es an der Zeit, schnell noch ein wenig Gerümpel wegzuräumen, das während unseres Winterschlafs liegengeblieben ist.
Denn dass Dieter Althaus kein “CSU-Ministerpräsident” ist, hat man bei “Bild” inzwischen immerhin selbst gemerkt. Ob Britney Spears, wie Bild.de behauptet, wirklich über Weihnachten in Indien war, ist zumindestfraglich; so fraglich wie die Bild.de-Behauptung, DJ Tommek DJ Tomekk habe 2007 “auf RTL” mit einem Hitlergruß geschockt. (Soweit wir unserinnern, schockte “Bild” damit.) Doch wenn es auf Bild.de heißt…
Pünktlich zum Jahresende in der bundesligafreien Zeit begeistert uns die US-Sportseite dbbsports.com mit dem heißesten Kick des Jahres!
… dann wollen wir an der Begeisterung der Bild.de-Redaktion nicht zweifeln. Die 14-teilige Screenshot-Galerie zum Thema und eine Bild.de-Version des Videos (“Es ist das schärfste Fußballspiel des Jahres, was das amerikanische Sport-Portal dbbsports.com seinen Lesern zum Ende des Jahres beschert!”) sprechen für sich. Weshalb wir nur mal kurz darauf hinweisen wollen, dass es sich, wenn überhaupt, um den schärfsten/heißesten Kick des Jahres 2007 handelt – genauer: um ein vor anderthalb Jahren veröffentlichtes Musikvideo, das nun von dbbsports.com bloß wiederverwertet wurde.
Und dann war da noch der Versuch der “Bild”-Zeitung, eine “Spiegel”-Geschichte zu entkräften, die den Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier in Schwierigkeiten brachte. Im “Spiegel” hatte der ehemalige US-General James Marks gesagt, dass zwei deutsche Geheimagenten im Irak-Krieg den Amerikanern mit Wissen des Kanzleramtes wertvolle Informationen für ihre Kriegsführung geliefert hätten. Eine solche “aktive Unterstützung” hat Steinmeier, der das Kanzleramt damals leitete, immer bestritten.
Rolf Kleine, Leiter des “Bild”-Hauptstadtbüros und so etwas wie Pressesprecher, Schönfärber und Ausputzer für Steinmeier, veröffentlichte daraufhin in “Bild” und auf Bild.de einen Artikel, in denen er dem “Spiegel” vorwarf, “offenbar einem bezahlten Propagandisten des Pentagon aufgesessen” zu sein. Marks Aussagen seien deshalb nicht ernst zu nehmen. Kleine nahm damit exakt die Verteidigung Steinmeiers am selben Tag vor dem Bundestags-Untersuchungsausschuss zur Rolle der BND-Agenten vorweg (und erklärte schon vorab: “Jetzt deutet alles darauf hin, dass der SPD-Kanzlerkandidat unbeschadet aus der Affäre herauskommt”).
Auf den “Bild”-Artikel antwortet in der aktuellen Ausgabe nun wieder der “Spiegel” — mit einem “Münchhausen-Test”. Unter Berufung auf detaillierte Aussagen mehrerer Journalisten, des Pentagons und von Marks selbst kommt der “Spiegel” zu dem nüchternen Ergebnis: “Es finden sich keine Belege, dass Marks ein ‘bezahlter Propagandist’ des Pentagon ist.”
1. “Nekrolog 2008” (retromedia.de, Jens Schröder)
Der/das jährliche Nekrolog der nicht mehr erscheinenden Zeitschriften ist da, mit einem neuen Rekord von 95 verstorbenen Publikumszeitschriften. Darunter die Revue, die nach 62 Jahren eingestellt wurde. Ebenfalls eingestellt wurden einige auf medienlese.com getestete Zeitschriften, nämlich das Second Life Magazin SLM (Test), IQ Style (Test), Matador (Test) und blond (Test).
2. Interview mit Mitchell Stephens (sueddeutsche.de, S. Weichert, A. Matschke und L. Kramp)
“Blogs gibt es etwa erst seit knapp sieben Jahren, ihr Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft! Wir haben eigentlich keine Ahnung, was das Internet an journalistischen Möglichkeiten in Zukunft noch alles bereithalten wird. Junge Menschen sind diejenigen, denen es obliegt, neue Ausdrucks- und Vermittlungsformen selbst zu entwickeln und auszuprobieren. Wir müssen also Lehre mit Pioniergeist verbinden und darüber grübeln, wie sich der Journalismus neu erfinden könnte.”
3. “SPIEGEL-Artikel über rechte Gewaltdelikte inhaltlich fern der Fakten und rhetorisch fragwürdig” (spiegelblog.info, DHH)
Spiegel Online entfernt den Artikel “Gewaltdelikte in Deutschland – Zahl rechtsextremer Straftaten steigt drastisch” und ersetzt ihn mit einer kurzen Korrektur. Auslöser war wohl die Kritik auf spiegelblog.info: “Jeder von einem Neonazi gezeigte Hitlergruß wird seit Frühjar 2008 genauso als rechtsextreme Straftat gewertet wie jedes von einem Linksradikalen auf ein CDU-Wahlplakat gepinseltes Hakenkreuz oder von einem Türken aus Jux an die Wand gesprühte SS-Runen. Dass diese Veränderung in der statistischen Zählweise auch einen Einfluss auf eine von SPIEGEL Online deklarierte ‘drastische Steigerung’ haben könnte, liegt auf der Hand. SPIEGEL Online teilt seinen Lesern diese wesentliche Information aber nicht mit.”
Nachtrag: Über Engelbrecht und seine “journalistische” und “wissenschaftliche” Arbeit gibt es mehrere kritische Berichte – zum Beispiel bei ScienceBlogs und bei Esowatch. Mit dem Spiegelblog und der Argumentation des Autors hat sich Torsten Dewi ausführlich beschäftigt, erst mittels Kommentaren im Spiegelblog, jetzt in einem ausführlichen Beitrag in seinem Blog. (19.1.2009, ore)
Im August 1970 erschien das Satiremagazin “Pardon” mit einem 12-seitigen “Sonderdruck” zur “Bild”-Zeitung, aus dem wir unter dem Titel “BILDblog vor 40 Jahren” in den vergangenen Tagen (mit herzlichem Dank an den Ex-“Pardon”-Macher Gerhard Kromschröder!) wesentliche Teile dokumentieren durften.
Zum Abschluss (und bevor wir morgen wieder aus unserem alljährlichen Winterschlaf zurückkehren und uns wie gehabt über sachdienliche Hinweise freuen) gibt’s heute noch einige “Arbeitshilfen” der “Pardon”-Redaktion für die Suche nach der Wahrheit in “Bild”.
Aber auch da scheint es, als hätte sich über die Jahre bei “Bild” nicht wirklich viel geändert…
Wenn Sie schon Springers BILD lesen – jeder macht mal was Dummes – dann ärgern Sie sich nicht hinterher und sagen “Sowieso alles erstunken und erlogen!”, sondern schaun Sie doch mal genauer hin! (…) Aber Vorsicht! Übernehmen Sie sich nicht! (…) Suchen Sie erst mal nach dem berühmten Körnchen Wahrheit. Bei all den Vergewaltigungen, Studentendemonstrationen, Raubüberfällen, Politikerworten, Geheimdokumenten, Selbstmorden und Boenisch-Kommentaren, da muß doch mal was Wahres dransein!
Hier ein paar Tips aus unserer BILD-Erfahrung:
In Schlagzeilen und Vorspännen ist die Suche nahezu hoffnungslos!
Suchen Sie nach Zitaten! — Steht die wörtliche Rede nicht in Anführungszeichen? Dann hat sich BILD nicht getraut, das verdrehte Zitat seinem Urheber wieder zuzusprechen. — Wenn dahinter ein voller Name steht, kommt es vor, daß das Zitat stimmt. Ein schöner Fund! — Steht dagegen eine Abkürzung (“Herr K. aus B.”) bei dem Zitat, so dient das dem Schutz der Persönlichkeit, gleichgültig, ob diese frei erfunden ist oder nicht.
Nicht jede Abkürzung ist erfunden! Es gibt ganze Stories, in denen nur die Abkürzungen stimmen.
Es gibt BILD-Geschichten, an denen was Wahres* dran ist. (…) Finden Sie in BILD etwa die Nachricht, dass bei Ihrem Nachbarn Herrmann Kuffler der Weihnachtsbaum, die Gardinen sowie das Kleinkind verbrannt sind, obwohl der Mann kinderlos und über Weihnachten auf Mallorca ist, so sollten Sie immerhin positiv registrieren, daß Adresse sowie Vor- und Nachname richtig vermeldet sind. Immer, wenn Sie so auf ein Körnchen Wahrheit stoßen, haben Sie etwas Seltenes, Rares gefunden.
Wenn Sie und Ihre Familie in einem Bericht vorkommen, wissen Sie ohnehin, was erstunken und erlogen ist.
*) Was dabei nicht zählt: Toto- und Lotto-Zahlen und Sportereignisse. Auch das jeweilige Erscheinungsdatum und das Impressum dürfen als wahr unterstellt werden. Und schließlich stimmt der Wetterbericht auch in anderen Zeitungen manchmal.
Im August 1970 erschien das Satiremagazin “Pardon” mit einem 12-seitigen “Extra” zur “Bild”-Zeitung. Den “Pardon”-Machern (darunter Eckhard Henscheid, Wilhelm Genazino, Peter Knorr – und der spätere “Stern”-Redakteur Gerhard Kromschröder, der wie Günter Wallraff u.a. mit Undercover-Reportagen für Aufsehen und Skandale sorgte und dem wir es verdanken, überhaupt von diesem “Pardon Extra” erfahren zu haben) ging es in ihrem “Sonderdruck” vorrangig darum, humorvoll und doch ernsthaft “Bild” auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und “BILD-Lügen” zu entlarven; ungefähr das also, was – knapp 40 Jahre später – auch wir versuchen…
Wir dokumentieren (mit herzlichem Dank an Kromschröder!) jeden Tag eine der “BILD-Lügen” aus dem “Pardon” von damals.
Es scheint, als hätte sich über die Jahre bei “Bild” nicht wirklich viel geändert…
Lesen Sie morgen: Hilfreiche Tipps der “Pardon”-Redaktion für die Suche nach der Wahrheit in “Bild” (“Was dabei nicht zählt: Toto- und Lotto-Zahlen”). Die BILDblogger erwachen derweil – wieüblich – allmählich wieder aus ihrem Winterschlaf.
Stalin ist wieder chic, RTL verschenkt Nachrichten und verkauft Entertainment im Internet und Techblogger kopieren sich selbst – unsere Presseschau.
1. “Schlagzeilenindex 2009: No, We Can’t” (Badische-Zeitung.de, Peter Disch)
Schlimme Wirtschaftsprognosen, Obamas “Yes, we can”: Auf der Website der Badischen Zeitung zählt Peter Disch auf, welche Schlagzeilen er im nächsten Jahr nicht mehr lesen will. Inklusive Appell an die Kollegen: “Liebe Journalisten, haben sie was gemerkt? Ohne Sie und uns gäbe es all die Schlagzeilen gar nicht …” Ob der Badischen Zeitung diese Selbstverpflichtung in geharnischten Leserbriefen um die Ohren fliegt?
2. “A Chill on ‘The Guardian'” (The New York Review of Books, Alan Rusbridger)
Der Guardian berichtet, dass Tesco Steuern hinterzieht – und macht dabei handwerkliche Fehler. Die Zeitung entschuldigt sich, ein Magazin berichtet über tatsächliche Steuertricks des Unternehmens – und Tesco verwickelt den Guardian trotzdem in einen millionenschweren Rechtsstreit. Guardian-Redakteur Alan Rusbridger beschreibt, wie schwierig es für Zeitungen ist, über Steuerhinterziehung von großen Konzernen zu berichten und wie das britische Rechtssystem eine Berichterstattung behindert.
3. “NBC Universal vergibt Humorpunkte an Diktatoren”
(medienpiraen.tv, Peer Schader)
“Als Weihnachtsgeschenk für seine Geschäftspartner hat sich das deutsche NBC Universal in diesem Jahr etwas besonders Schönes einfallen lassen: ein Quartett mit den Protagonisten seiner Sender 13th Street, Scifi, History Channel und Biography Channel.” Mit dabei auch Diktator Josef Stalin, der im russischen Staatsfernsehen gerade zum drittgrößten Russen aller Zeiten gewählt wurde.
Im August 1970 erschien das Satiremagazin “Pardon” mit einem 12-seitigen “Extra” zur “Bild”-Zeitung. Den “Pardon”-Machern (darunter Eckhard Henscheid, Wilhelm Genazino, Peter Knorr – und der spätere “Stern”-Redakteur Gerhard Kromschröder, der wie Günter Wallraff u.a. mit Undercover-Reportagen für Aufsehen und Skandale sorgte und dem wir es verdanken, überhaupt von diesem “Pardon Extra” erfahren zu haben) ging es in ihrem “Sonderdruck” vorrangig darum, humorvoll und doch ernsthaft “Bild” auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und “BILD-Lügen” zu entlarven; ungefähr das also, was – knapp 40 Jahre später – auch wir versuchen…
Wir dokumentieren (mit herzlichem Dank an Kromschröder!) jeden Tag eine der “BILD-Lügen” aus dem “Pardon” von damals.
Es scheint, als hätte sich über die Jahre bei “Bild” nicht wirklich viel geändert…
Erst erschreckte BILD am 8. August seine Leser mit einem bösen Mann:
Ein sturer Beamter vom Jugendamt Hannover hat einem Jungen verboten, mit seiner Mutter Ferien zu machen!
Dann weckte BILD Mitleid:
… Franziska W. (23) aus Hannover hatte ihren Sohn Thomas (3) in ein Kinderheim gegeben … An jedem Wochenende holte Franziska W. den Jungen nach Hause. Nie hatte es dabei Schwierigkeiten gegeben. Jetzt wollte Franziska W. ihren Thomas mit in den Urlaub nehmen. Aber der Sozialinspektor Günter Wicke (30) schickte die junge Frau wieder fort: Er bleibt im Heim. Es reicht, wenn die Mutter ihr Kind einmal in der Woche sieht.
Und dann bewies BILD wieder einmal Herz:
Erst als sich BILD einschaltete, gab das Jugendamt gestern grünes Licht für die gemeinsamen Ferien.
Diese Geschichte ist so herzig, daß BILD sie einfach bringen musste. Obwohl sie falsch ist und obwohl BILD dies auch wußte. Denn die Sache hatte sich ganz anders abgespielt.
Inspektor Wicke zu PARDON: Das Jugendamt könne grundsätzlich nicht verbieten, daß die Mutter ihr Kind mit in Urlaub nehme. Wicke: “Ich habe weder ein Verbot der Beurlaubung ausgesprochen, noch habe ich gesagt ‘Er bleibt im Heim, es reicht, wenn die Mutter ihr Kind einmal in der Woche sieht’.” Das Jugendamt frage in Urlaubsfällen lediglich, wohin es gehe, wie lange, wer das Kind versorge, ob der Heimplatz reserviert bleiben solle.
Um diese Fragen mit Franziska W. zu klären, hatte Wicke die Mutter angerufen, die im Heim auf das Kind wartete. Franziska W., die ihren Sohn sonst ohne Formalitäten mit ins Wochenende nehmen durfte, brach verschreckt das Gespräch ab, in der Annahme, das Amt wolle das Kind nicht beurlauben.
Auf eine schriftliche Einladung der Behörde erschien sie gemeinsam mit BILD-Reporter Ulrich Berger, den sie in Angst und Sorge alamiert hatte. Im Jugendamt klärte sich das Mißverständnis jedoch auf. Stadtoberamtmann Sensmeyer, der Leiter der Abteilung Vormundschaften und Pflegeschaften: “Herr Berger sah, daß er hier mit einem anderen Sachverhalt als erwartet zu tun hatte.”
Franziska W. fuhr mit Thomas in Urlaub. Berger setzte sich an die Schreibmaschine und tippte. Dann stand in BILD:
Sie wollen mit ihrem Kind in den Urlaub? Kommt nicht in Frage!
Und dann dachte Berger sich noch das schöne Zitat vom kategorischen Sozialinspektor aus:
Das Kind bleibt im Heim …
Sensmeyer: “Wie Herr Berger nach dem klärenden Gespräch im Amt diese Behauptung aufrechterhalten konnte, obwohl er gemerkt hatte, daß es sich um ein Mißverständnis handelte, das ist mir unerfindlich!”
Uns auch.
Lesen Sie morgen: Wie “Bild” sich selber einer Lüge überführte. Die BILDblogger sind derweil – wieüblich – noch im Winterschlaf.