“Bild” schreibt, was Özdemir-Gegner lesen wollen

Als Cem Özdemir vor einer Woche in die Parteispitze der Grünen gewählt wurde, war die Religionszugehörigkeit des Deutsch-Türken für “Bild” ein derart wichtiges Detail, dass sie es sogar in die Überschrift geschafft hatte:

"Erstmals wird ein Moslem Parteichef"

In anderen Medien war zwar eher die Rede davon, dass die Grünen erstmals einen “Türkischstämmigen”, “türkischstämmigen Politiker”, “Politiker türkischer Abstammung” und “Politiker mit ‘Migrationhintergrund'” oder (wie es die “Frankfurter Rundschau” formulierte) “ein deutsch-türkisches Gastarbeiterkind” zum Parteichef wählten. Aber bei “Bild” passte dergleichen wahrscheinlich einfach nicht ins Konzept in die Überschrift…

Heute nun druckt “Bild” ein Interview mit Özdemir — und eine große Schlagzeile:

"Grünen-Chef Özdemir fordert: Türkisch-Unterricht an deutschen Schulen!"

Aus dem Interview:

  • BILD: In deutschen Schulen werden alle möglichen Fremdsprachen unterrichtet – aber kaum Türkisch. Ein Fehler?
    Özdemir: Auf jeden Fall. Zweisprachigkeit ist in der globalisierten Welt ein großes Plus und ein Potenzial, das wir stärker nutzen müssen. Deutsch muss für Kinder, die hier leben und aufwachsen, immer die wichtigste Sprache sein. Aber wir müssen auch dafür sorgen, dass Kinder mit Migrationshintergrund ihre Mehrsprachigkeit entfalten können. Warum soll an deutschen Schulen neben Englisch, Französisch, Spanisch und Russisch nicht auch mehr Türkisch angeboten werden?
  • BILD: Könnten Sie sich einen türkischstämmigen Kanzler vorstellen, einen Minister, der vielleicht seinen Amtseid auf den Koran schwört …
    Özdemir: Genau das sollte sich ändern, dass vor allem gefragt wird, worauf ein Minister seinen Amtseid ablegt. Ich wünsche mir, dass unsere Gesellschaft farbenblind wird. Dass es völlig unerheblich ist, woran jemand glaubt. Entscheidend muss doch sein, wie gut, qualifiziert und überzeugend ein Politiker ist. Wichtig ist doch, wo ein Politiker hin will – nicht, wo er herkommt. In diesem Sinne wünsche ich mir, dass es in Deutschland bald die erste Ministerin mit Migrationshintergrund gibt, bei der genau das keine Rolle spielt.

Wobei die große Schlagzeile einen großen Haken hat: Sie stimmt nicht. Wer das Interview liest, muss nach einer Forderung Özdemirs lange (und vergeblich) suchen (siehe Kasten).

Noch falscher allerdings ist, was die Nachrichtenagenturen ddp, AFP*, epd und AP über das “Bild”-Interview zu vermelden wissen. In mehr oder weniger identischem Wortlaut heißt es dort:

Özdemir äußerte die Hoffnung, dass möglichst bald ein Muslim oder eine Muslimin in Deutschland ein Ministeramt bekleidet (…).

Dabei ist die Religionszugehörigkeit zukünftiger Minister in Özdemirs “Bild”-Interview selbst nirgends ein Thema (siehe Kasten). Und AP hat die Meldung inzwischen sogar korrigiert (“Er äußerte zugleich die Hoffnung, dass es möglichst bald die erste Ministerin mit Migrationshintergrund in Deutschland geben werde”).

Doch was kann “Bild” dafür? Oder anders: Woher hatten die Agenturen bloß ihre “ein Muslim oder eine Muslimin”-Behauptung, wenn doch das Interview selbst bereits komplett bei Bild.de nachzulesen war, als sie daraus eine Meldung machten?

Na, von “Bild”.

Wortwörtlich stehen Muslim und Muslimin in einer “Bild”-Vorabmeldung, verschickt von “Thomas Drechsler, BILD-Zeitung, Chefredaktion Politik”. Und niemand bei den genannten Agenturen sah sich offenbar veranlasst, daran zu zweifeln (oder zu überprüfen), was “Bild” behauptete – und nun auch fröhlich in den Online-Ausgaben der “Zeit”, des “Tagesspiegels”, des “Kölner Stadtanzeigers” sowie (naturgemäß noch abwegiger) unter Islamophobikern weiterverbreitet wird.

P.S.: Dass es auch anders geht, zeigt immerhin die Nachrichtenagentur dpa. Die nämlich fasst Özdemirs “Bild”-Aussage wie folgt zusammen: “Die Karriere von Politikern sollte nach Özdemirs Ansicht nicht vom Glaubensbekenntnis oder der Abstammung abhängen.”

Nachtrag, 18.16 Uhr: Özdemir antwortet uns auf Nachfrage, dass die “fordert”-Formulierung auf der “Bild”-Titelseite (“eine Entscheidung der Redaktion”) zwar “in der Sache nicht ganz falsch” sei, aber: “Die Kernaussage meines Interviews war (…) eine andere: Es geht mir darum, wie die immer noch existierenden Spaltungen in unserer Gesellschaft überwunden werden können. Da zielt so ein Aufmacher-Titel doch eher in eine andere Richtung.” Bezüglich seiner angeblichen Hoffnung auf eine muslimische Ministerin findet Özdemir indes klare Worte:

Das war nun wirklich eine Ente, die da offenbar an die Agenturen gegeben wurde.

*) Ach ja: Sechs Stunden nach der ungeprüften Übernahme der “Bild”-Vorabmeldung (und 16 Stunden nach Veröffentlichung des Interviews auf Bild.de) hat auch AFP festgestellt, dass da was nicht stimmte, und sich korrigiert.

Lustknaben, virtueller Hinterhalt, RSS

1. “RSS: Beginnt das Umdenken?”
(georgholzer.at)
Georg Holzer fordert von den Medienhäusern brauchbare RSS-Feeds. Statt “verkrüppelt, verkürzt, auf den Titel und höchstens noch einem kurzen Teaser reduziert”, sollen sie vollständig sein. Werbung nimmt er dabei gerne in Kauf, solange sie nicht blinkt: “Dann hilft nämlich das ganze RSS-Zeugs nicht, weil man den eigentlichen Text dann schwerer lesen kann.”

2. “Freie beim Fernsehen”
(taz.de, Eckart Lottmann)
“Wer ist ärmer dran? Der unterbezahlte Fernsehautor oder der überarbeitete Fernsehredakteur? Eine Tagung in Stuttgart widmete sich dieser ‘schwierigen Liebe’.”

3. “Immer mehr Gift-Spritzen aus dem virtuellen Hinterhalt”
(onlinereports.ch, Peter Knechtli)
Peter Knechtli sorgt sich in einem langen Artikel um das Internet, das, so meint er, immer brutaler zur Kampfzone wird. Mit ihren Waffen, den “Buchstaben ihrer Tastatur”, würden “Schützen aus dem Hinterhalt” “gezielt Personen ins Visier” nehmen, “mit dem Ziel, sich über sie systematisch lustig zu machen, sie zu denunzieren, über sie gezielt Unwahrheiten zu verbreiten oder gar Psychoterror auszuüben”. Angegriffen werden im Text auch seit Jahren bloggende Journalisten auf dem Antville-Blog infam.antville.org. Die sind der Meinung, so anonym doch gar nicht zu sein.

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Filmkritik, Turi, Leyendecker

1. “Sperrfrist für PR-Meldung”
(blogmedien.de)
“Thomas Gottschalk hat irgendwann beim ‘Prominenten-Special’ von ‘Wer wird Millionär?’ eine Million Euro gewonnen. Nach den Vorstellungen der RTL-Öffentlichkeitsarbeiter soll’s aber erst am späten Donnerstagabend passiert sein.”

2. “Kleines Einmaleins der Filmkritik”
(zeit.de, Christoph Hochhäusler)
“Ich bin Filmemacher, der durstig auf dem langen Weg zwischen Film und Film 2006 angefangen hat, einen Blog zu betreiben. Parallelfilm heißt es. Ich notiere mir Gedanken, Ideen, berichte von meiner Arbeit und von Aktivitäten anderer. Das alles ohne Zwang, ohne Regelmäßigkeit und ohne ein klares Bewusstsein von einem Gegenüber. Manchmal kommt es zu Berührungen, ein Eintrag zieht Kreise, jedes Mal unerwartet eigentlich. Wenn sich nach besonders schönen Einträgen niemand rührt, schmolle ich und mache lange nichts.”

3. “Das Schweigen der Weblogs wird unterbewertet”
(newfilmkritik.de, Volker Pantenburg)
“Bei der new filmkritik fließt kein Geld, es gibt keine Werbung (außer von uns für Menschen und Dinge, die wir mögen) und niemand hat je ein Honorar bekommen. Das ist zu konstatieren, nicht zu glorifizieren. Ich bin nicht so naiv, damit irgendein Außerhalb zu den beschriebenen Markt- und Verwertungslogiken zu verbinden. Aber in bescheidenem Maße kann man natürlich versuchen, nicht mitzumachen beim abstrakten Linktausch, beim Werbebannerwettlauf oder beim USERCONTENTSERVICE-Rennen. Das geht nur, wenn man nicht davon leben muss, ganz klar.”

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Die Ausländer machen uns unser Pisa schief

Während andere noch über die Aussagekraft der neuen Pisa-Studie streiten oder nach Ursachen für ihre Ergebnisse suchen, ist “Bild” heute schon einen Schritt weiter und präsentiert eine mögliche Lösung, wie man das Abschneiden Deutschlands verbessern kann:

Würden nur die Schüler, die deutsche Eltern haben, gemessen werden, schnitten alle Bundesländer im internationalen Bildungsvergleich deutlich besser ab — sieben wären unter den PISA-Top-Ten bei Naturwissenschaften (beim Lesen ist das Bild ähnlich).

“Bild” illustriert das mit einer Grafik (Ausriss rechts), die die deutlich schlechteren Ergebnisse von Kindern mit Migrationshintergrund noch extremer wirken lässt, weil die Skala nicht beil null beginnt, und stellt angesichts dessen die scheinbar naheliegende Frage:

Brauchen wir eine Ausländer-Quote für alle Schulklassen?

Natürlich, kommentiert die Seite “Lehrerfreund” süffisant, denn die Vorteile lägen auf der Hand:

Die deutschen SchülerInnen würden bessere PISA-Noten holen, und die Welt würde entzückt auf die Nation Goethens blicken. Außerdem könnte man in kleineren Klassen unterrichten, die Kosten für den Schulbetrieb würden sinken, und kein Mehmed würde mehr einem Fritz das Pausenbrot auf erpresserische Art und Weise entwenden.

In dieser idyllischen, rein deutschen Welt müsste man nurmehr das Problem lösen, was man mit den zahllosen Ausländerkindern macht. Sie in reine Ausländerklassen zu stecken brächte nichts – denn bei PISA wären sie wieder dabei und würden den Schnitt drücken. Alternativ könnte man ihnen einfach kategorisch den Zugang zur allgemeinen Schulbildung verwehren. Dann würden sie analphabetisch auf der Straße rumhängen, kiffen und alte Omas ausrauben — und die Boulevardpresse hätte eine neue Schlagzeile: “Brauchen wir eine Ausländer-Quote für alle deutschen Straßen?”.

Mit Dank an Berthold!

Nachhilfe für Franz Josef Wagner

“Ein schlechter Schüler”, sei er gewesen, und “nie bei der Sache”, schreibt “Bild”-Kolumnist Franz Josef Wagner heute anlässlich der PISA-Ergebnisse an die “lieben klugen Sachsenschüler”, und wer möchte das bezweifeln?

Die erste Lokomotive der Welt, die Saxonia, wurde 1839 in Sachsen gebaut. ... Meine Bitte an Euch PISA-Sieger: Werdet keine Klugscheißer. Ich hasse Klugscheißer und Typen, die sich als Erste im Klassenzimmer melden.Herr Wagner, wir haben eine gute und eine schlechte Nachricht.

Die schlechte: Auch mit der gestrigen Kolumne wäre Ihre Versetzung wieder gefährdet. Bei aller Euphorie, in die Sie sich angesichts der vielen sächsischen Erfindungen schreiben — die erste Lokomotive der Welt wurde nicht 1839 in Sachsen gebaut, wie Sie behaupten, sondern schon 35 Jahre zuvor in Großbritannien. Und den ersten modernen Büstenhalter ließ 1889 Herminie Cadolle patentieren — nicht in Sachsen, sondern in Frankreich.

Die gute: Sie sind aus der Schule raus, Sie dürfen spicken! Lassen Sie sich erklären, was ein Nachschlagewerk ist, oder suchen Sie sich eine Zeitung, die noch einmal über die Texte drüberguckt, die Sie schreiben. Doch, das ist erlaubt, und es tut gar nicht weh.

PS: Ist nicht schlimm, dass Sie “Klugscheißer” hassen. Wir mögen Sie auch nicht.

Mit Dank an Peter K. und — für den Nachtrag mit dem BH — Daniel, JMM, Yannick S. und Pawel S.!

Demut, Freischützentum, Reich-Ranicki

1. Interview mit Marcel Reich-Ranicki
(cicero.de, Christine Eichel)
“Ich stimme zu, das war keine originelle Äußerung von mir. Nur – keiner hat gewagt, es zu sagen, daher (lacht) diese ungeheure Aufregung! Dabei wissen wir doch: Die Intellektuellen werden vom Fernsehen ignoriert, bagatellisiert, vernachlässigt, deshalb ist das Programm so schlecht.”

2. “Brotlose Künstler”
(blogmedien.de)
“Geringe Einkommen, zunehmende Ausbeutung und schlechtes Image – ein Traumberuf sieht anders aus. Wer heute noch Journalist werden will, braucht vor allem viel Idealismus und große Bescheidenheit, wenn es um eigene Ansprüche geht.”

3. “Von hier aus regierst Du die Welt”
(neues-deutschland.de, Hanno Harnisch)
“David Montgomery hat den Aufsichtsratsvorsitz bei der Heuschrecke Mecom abgegeben.”

4. “Sind 75 Jahre Weltwoche genug?”
(weltwoche.ch)
Die Weltwoche wird 75 Jahre alt, feiert sich mit einem neuen Web-Auftritt und lässt sich gratulieren. Der Bitte nachgekommen ist zum Beispiel der ehemalige Chefredakteur der NZZ, Hugo Bütler: “Seit dem unsäglichen Kotau Köppels vor der SVP – ihr Parteipräsident Maurer wurde uns als ‘letzter Staatsmann’ angepriesen – hat die Weltwoche doch wieder etwas mehr Denkselbständigkeit gewonnen. Es gibt aber nach wie vor einen Überschuss an intellektuellem Freischützentum von Autoren, die sich kreuz und quer in der Landschaft dort positionieren, von wo sich auf einen gerade erkorenen Gegner am besten feuern lässt. Aber daneben stösst man auch auf viel Interessantes und gut Recherchiertes, das man als Leser nicht missen möchte. Unser Land verdient klärende Debatten zwischen kontroversen Standpunkten und Milieus.”

5. “Bundesrat Schmid und die Rolle der Medien”
(nzz.ch, ras.)
Rainer Stadler konstatiert in der Debatte Schmid, dass es keinen Grund gibt, dass Journalisten pikiert auf Angriffe reagieren, denn schliesslich würden sie selbst fast täglich Personen angreifen: “Deren Urteile sind manchmal geradezu erbarmungslos, manchmal auch verächtlich. Man zweifelt, wie gut Medienschaffende solche Zuschreibungen selber ertragen würden. Ein bisschen Demut würde niemandem schaden.”

6. Bild-Blattkritik mit Broder (und Kerner)
(bild.de, Video, 17:12 Minuten)
Henryk M. Broder und Johannes B. Kerner sitzen bei Kai D. Diekmann im kuschligen Bild D. Büro und plaudern miteinander über die neuste Ausgabe.

Anmerkung: Gegenüber einer früheren Version wurde ein Link (3.) ausgetauscht, da übersehen wurde, dass dieser Text von September stammt.

H.-J. Jakobs, Lebrument, Nasenbluten

1. “Medien zwischen Geld und Geist”
(derbund.ch, Daniel Goldstein)
“Was bleibt vom Renommee, wenn die Rendite alles diktiert? In den Medien noch weniger als in anderen Branchen, meint der deutsche Journalist und Buchautor Hans-Jürgen Jakobs. An Fallbeispielen zeigt er auf, wie schlecht sich schnelles Geld und schürfender Geist vertragen. Er plädiert für Qualität – auch im Internet und auch mit Staatshilfe.”

2. “Die Schleichwerbelinks von sueddeutsche.de”
(stefan-niggemeier.de)
Hans-Jürgen Jakobs (siehe Link 1) schreibt nicht nur Bücher, er hat auch einen Daytime-Job, er ist nämlich presserechtlich verantwortlich für das Angebot von sueddeutsche.de, das sich unter anderem durch ungenaue Abgrenzung zwischen redaktionellem Inhalt und Werbung auszeichnet. Zitieren wir von oben: “An Fallbeispielen zeigt er auf, wie schlecht sich schnelles Geld und schürfender Geist vertragen.”

3. Interview mit Gerhard Henschel
(jungewelt.de, Reinhard Jellen)
“Die Bild-Zeitung führt sich auf, als ob ihr die Bundesrepublik gehört, inklusive Bundesregierung, Bundeskriminalamt und Bundesliga.”

4. Interview mit Hanspeter Lebrument
(tagesanzeiger.ch, David Vonplon)
Nach Artur Vogel vom Bund greift auch der Präsident des Verbandes Schweizer Presse die von der Regierung lancierte Debatte auf, die schweizer Medien hätten im Fall Schmid nur einseitig berichtet. Er zweifelt daran, dass die Studie des Soziologieprofessors Kurt Imhof überhaupt stichhaltig ist: “Nehmen wir als Beispiel die ‘Südostschweiz’ (SO), die ich verlege. Die Zeitung vertrat eine völlig andere Auffassung in der Affäre Schmid als die Zürcher Medien. Das hat SO-Chefredaktor Andrea Masüger Herrn Imhof auch mitgeteilt. Dieser hat dann aber verlauten lassen, dass seinem Institut das Geld fehle, unsere Zeitung zu abonnieren.”

5. “Samuel Schmids Nasenbluten”
(cr.blog.sf.tv, Ueli Haldimann)
Der Chefredakteur des Schweizer Fernsehens wehrt sich gegen den Vorwurf, es sei unstatthaft gewesen, den Ausbruch von Nasenbluten beim zurückgetretenen Bundesrat zu zeigen: “Was soll daran ehrenrührig oder verletzend sein, wenn ein Bundesrat Nasenbluten hat? Schmids Gesundheitszustand hat im Zusammenhang mit dem Rücktritt ja auch einen Aussagewert.” An seine Kritiker schreibt er: “Wollen wir uns in Zukunft vom Tages-Anzeiger vorschreiben lassen, was richtig ist?”

6. “Ausgebloggt?”
(dasmagazin.ch, Thomas Zaugg)
Thomas Zaugg ist es leid, “diese superkryptokritischen Medienbeobachtungsblogs” zu lesen: “Menschen, die vor ihren Laptops sitzen und alles beobachten und lesen und jeden Tag irgendetwas zu kritisieren haben”, kommen ihm nicht auf sein MacBook Air. Allerdings hat er gemerkt, dass er selbst längst Blogger ist – bei Facebook.

Allgemein  

Nur verletzt, nicht noch verhöhnt

Die “Bild”-Zeitung muss 36.000 Euro an eine Münchnerin zahlen, über die sie vor gut drei Jahren in einer Weise berichtet hat, die ihr Persönlichkeitsrecht verletzte. Der Vorstand der Axel Springer AG stimmte laut einem Bericht der “Süddeutschen Zeitung” einem entsprechenden Vergleich zu, den das Oberlandesgericht München vorgeschlagen hatte.

In der ersten Instanz hatte das Landgericht München “Bild” noch zu einer Zahlung von 50.000 Euro verurteilt und zur Haftung für gesundheitliche Folgeschäden der Frau verurteilt. Der Verlag war dagegen in Berufung gegangen. Das Oberlandesgericht gab Springer nun teilweise Recht: Die Summe sei zu hoch angesetzt. Und der Verlag habe die Frau im Prozess nicht noch zusätzlich verhöhnt.

In dem Artikel, um den es geht, hatte “Bild” die Frau identifizierbar gemacht, deren türkischer Ehemann bei seiner Einreise nach Deutschland unter dem Verdacht verhaftet wurde, elf Jahre zuvor seine damalige Freundin umgebracht zu haben. Der Bericht begann zudem mit dem Satz: “Mit Mitte 40 noch mal einen zehn Jahre jüngeren Mann abgreifen – für […] war’s wie ein Hauptgewinn im Lotto.” Der Justiziar Springers hatte danach erklärt, dieser Satz sei nicht negativ, sondern erwecke, wenn überhaupt, “Mitgefühl und Erleichterung” gegenüber der Frau.

Hochparterre, Sat.1, Harry Rowohlt

1. “Journalistenrudel auf Hetzjagd”
(bundblog.espace.ch, Artur Vogel)
Bund-Chefredakteur Artur Vogel nimmt die vom Bundesrat angestossene Debatte über die angebliche Hetze von schweizer Medien auf und studiert die Studie des Soziologieprofessors Kurt Imhof. Er kontert die Anklage mit drei Gegenargumenten und beklagt die fehlende Rücktrittskultur in der Schweiz.

2. “‘Auf keinen Fall auf Ratschläge von Businessleuten hören'”
(nzz.ch, ak.)
Interview zum 20. Geburtstag der Architekturzeitschrift Hochparterre. Verwaltungsratspräsident Benedikt Loderer erklärt, warum es die Zeitschrift immer noch gibt: “Zuerst einmal muss man ziemlich arbeiten – und auf keinen Fall auf Ratschläge von Businessleuten hören. Man muss an sein eigenes Projekt glauben und das durchziehen.”

3. “Sat. 1 – Sender ohne Profil”
(faz.net, Peer Schader)
“Sat. 1 zieht von der Hauptstadt nach München und muss gravierende Einsparungen vornehmen. Eine Gefahr für die Programmqualität? Eigentlich nicht, denn schon seit langem gleicht das Programm des Senders einer Recyclingstation des Immergleichen.”

4. Harry Rowohlt im Interview
(fr-online.de, Tilmann P. Gangloff)
Harry Rowohlt freut sich, dass Gert Scobel die Kulturzeit auf 3sat nicht mehr moderiert: “Ach wissen Sie, früher habe ich immer ‘Arschloch’ geschrieen, wenn Joschka Fischer auftauchte. Jetzt ist er aus den Medien verschwunden, deshalb muss Gert Scobel herhalten. Aber manche Moderatorinnen sind noch schlimmer, ich frage mich wirklich, wer diese Mäuschen aussucht; jede Backwarenfachverkäuferin hat mehr Kompetenz.”

5. “Klar muss dabei sein: Der Stellenabbau ist unvermeidlich”
(blog.handelsblatt.de/indiskretion, Thomas Knüwer)
Thomas Knüwer publiziert ein internes Mail aus der Redaktion der Süddeutschen Zeitung. Ein Ressortleiter wendet sich darin an seine Mitarbeiter.

6. “Über die befreiende Kraft des Onlinejournalismus”
(wissenswerte.wordpress.com, mscheloske)
“Der Onlinejournalismus gilt vielerorts (noch) als minderwertig. Es gibt Journalisten, die es sich inzwischen angewöhnt haben, in jedem zweiten Satz die Bemerkung einzustreuen, daß sie selbst ja Print(!)-Journalisten seien. Gar so, als ob es sich beim Präfix ‘Online-‘ um etwas Ansteckendes handele.”

Das Eier-Babel von Mönchengladbach

Haben die “Bild”-Redakteure etwa am Wochenende ein kühles Corona zu viel getrunken?

Nee, im Ernst: Über die Englisch-Kenntnisse bei “Bild” wissen wir hinlänglich Bescheid.

Über die Spanisch-Kenntnisse des im französisch-sprachigen Côte d’Ivoire geborenen und in Frankreich aufgewachsenen Fußballspielers Gohouri: "Ich habe Lucio gemeint. Der spielt wie ein Mädchen. Wälzt sich da rum, als hätte er Schmerzen. Dabei habe ich ihn gar nicht berührt. Der hat keine Corones." Das ist spanisch – und heißt Eier...Steve Gohouri hingegen wissen wir nichts. Doch mal abgesehen von der Frage, warum ein französisch-sprachiger Fußballer (Gohouri) einen portugiesisch-sprachigen Fußballer (Lucio) nach dessen mutmaßlicher Schwalbe ausgerechnet auf Spanisch beleidigen wollen sollte (siehe Ausriss):

Vulgärspanische Hoden heißen anders.

Mit Dank an Christian H., Linus K., Oliver M., Stefan H. & José-Antonio G.

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