1. Interview mit Karl Lüönd (bernerzeitung.ch, Stefan von Bergen)
Der Publizist Karl Lüönd ist überzeugt, dass es noch auf vielen Redaktionen Fett gibt, das weggeschnitten werden kann. Er würde versuchen, Fixkosten in variable Kosten umzuwandeln: “Wenn derzeit gespart wird, werden als erstes die Honorare für freie Journalisten gekürzt, weil es dagegen wenig Widerstand gibt. Entlässt eine Zeitung aber drei fest angestellte Journalisten, gilt das schon als Krise und kommt in die anderen Zeitungen.”
2. “Journalismus: Das Ende der Geschichte?” (diepresse.com, Peter Krotky)
“Wenn man schon davon ausgehen will, dass Journalismus als Printmodell nicht zu retten ist und als digitales Modell wirtschaftlich – vielleicht – nicht funktionieren wird, wenn Journalismus aber trotzdem etwas ist, das eine Gesellschaft irgendwie braucht: Was bleibt dann? Für manche das, was man vom Kulturbetrieb her schon kennt: Spenden und Förderungen.”
3. “Mediengestaltung – Auf den ersten Blick” (message-online.com, Sebastian Feuß)
“Leserfreundliches Blattmachen hat nichts mit Bauchgefühl oder dekorativer Aufhübschung zu tun. Gute Zeitungsgestaltung orientiert sich an den Möglichkeiten menschlicher Wahrnehmung.”
Der Presserat hat die “Bild”-Zeitung mal wieder wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten gerügt. “Bild” hatte im Oktober vergangenen Jahres unter der Überschrift “Das letzte Foto – Drei Stunden später ist dieses Liebespaar tot” über einen Verkehrsunfall berichtet, bei dem drei junge Leute ums Leben kamen. Dazu hatte “Bild” Fotos der Toten veröffentlicht und “über die Unfallopfer mit Vor- und abgekürzten Nachnamen berichtet”, wie der Presserat in einer Pressemitteilung schreibt:
Durch die Veröffentlichung der Bilder und die Namensangaben wurden die Betreffenden eindeutig identifizierbar. Dies verletzt das Persönlichkeitsrecht nach Richtlinie 8.1, Abs. 1.
Laut Richtlinie 8.1 des Pressekodex ist die Presse verpflichtet, “bei der Berichterstattung über Unglücksfälle (…) in der Regel keine Informationen in Wort und Bild” zu veröffentlichen, “die eine Identifizierung von Opfern und Tätern ermöglichen würden.”
Außerdem beanstandete der Presserat eine Fotounterzeile, in der es hieß, eines der Opfer sei “zerquetscht” worden, als “unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid” gemäß Ziffer 11 Pressekodex.
1. Facebook-Gründer Zuckerberg: “Mann ohne Profil” (freitag.de/The Observer, Simon Garfield)
“Mark Zuckerberg vernetzt Millionen von Menschen mit persönlichen Daten auf Facebook. Über sich selbst schweigt der 24-jährige Gründer des sozialen Netzwerks lieber” – also nähert sich Simon Garfield dem reichsten jungen Mann der Welt persönlich. Und über Gerichtsakten.
2. “Österreichs Journalisten: Sie ticken anders” (Carta, Stephan Russ-Mohl)
“Österreichische Journalisten nehmen besonders gerne Einfluss auf die politische Agenda und neigen zu einer spezifisch österreichischem Form des Kampagnenjournalismus. Sie halten sich deshalb trotzdem für besonders kritische Aufklärer” – und mehr als doppelt so viele wie in Deutschland sehen es als ihre Aufgabe, Unterprivilegierten zu helfen.
3. “es hypt”: Blick am Abend druckt Twitter-Nachrichten (benkoe.ch, Thoms Benkö)
Der Nachrichtenchef von Blick am Abend erklärt: “wieso eigentlich twitter?” und “was muss ein tweet erfüllen, damit er als ‘tweet des tages’ in frage kommt?”
Auf die Gefahr, als Korinthenkacker verschrien zu werden, aber an der Geschichte, die da am 31. Mai vergangenen Jahres in “Bild” erschien…
…sind ein paar Details anscheinend nicht ganz richtig:
Die 16-jährige Tochter hatte für die Party nicht auf “Facebook”, sondern auf “Bebo” geworben.
Das Haus wurde nicht verwüstet, sondern es entstand nur ein kleiner Schaden an einer Tür.
Es gab keinen Alkohol.
Die Mutter war während der Party nicht weg, sondern anwesend.
Der Fernseher wurde nicht in den Pool geworfen.
Die Treppen wurden nicht zerstört.
Die Teppiche wurden nicht versaut.
“Mamas Schmuck” wurde nicht gestohlen.
Es entstanden nicht mehrere 10.000 Euro Schaden.
Alles andere könnte stimmen.
Das Märchen von der aus der Kontrolle geratenen “Facebook”-Party ist keine exklusive “Bild”-Ente. Die Geschichte ging um die Welt, und das Internet ist noch voll davon. (Der Kölner “Express” verwechselte in seiner Version, die mit den Sätzen endet: “Die Polizei musste die Party beenden. Und Mami hat ganz doll geschimpft”, zudem die Namen von Mutter und Tochter.)
Die Geschichte landete gestern vor einem Londoner Gericht. Der Anwalt der Mutter hat aber nach einem Bericht des “Guardian” seine Klage gegen eine ganze Reihe britischer Medien zurückgezogen, nachdem sie sich korrigiert und “erhebliches” Schmerzensgeld gezahlt hatten. “Daily Mail”, “Daily Telegraph”, “Daily Mirror”, “The Sun”, “The London Paper” und “Daily Express” entschuldigten sich öffentlich bei der Mutter.
2. Interview mit Walter Pincus (welt.de, Andrea Seibel) Walter Pincus über Journalisten, “denen das Haus im Grünen wichtiger ist als eine gute Geschichte”. Und über den Wandel der Zeit: “Als ich anfing, ging man einfach in das Büro eines Senators und redete mit ihm. Heute muss man durch eine Phalanx von PR-Figuren und Spin-Doktoren, die immer alles kontrollieren und kanalisieren wollen.”
3. Interview mit Jens Weinreich (11freunde.de, Daniel Wehner)
Der Journalist Jens Weinreich befindet sich im Rechtsstreit gegen den DFB, weil er den DFB-Präsidenten Theo Zwanziger einen “Demagogen” bezeichnet hatte. Seinem Spendenaufruf, um die kaum absehbaren finanziellen Folgen zu bewältigen, folgten viele, “es ist schon eine fünfstellige Summe beisammen”.
Mit diesen Worten beginnt die “Bild”-Zeitung heute ihren Bericht darüber, dass der thüringische Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) von einem österreichischen Gericht wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt wurde.
Das ist angesichts der vielfältigenKritik an dem Urteil und dem schnellen Verfahren (nur “Bild” spricht davon, dass Althaus nun “endlich” Gewissheit habe), eine erstaunliche Formulierung. Sie stimmt aber natürlich, wenn man “Thüringen” für gleichbedeutend mit der thüringischen CDU hält — wie es offenbar die “Bild”-Zeitung und ihr Autor Jörg Völkerling tun.
Und so macht sich “Bild” auch gleich die Interpretation der Partei zu eigen und erklärt schlichtweg:
Doch das Gegenteil ist der Falldas ist in dieser Eindeutigkeit falsch. Das Bundesjustizministerium hat inzwischen bestätigt, dass Althaus als “vorbestraft” gilt, sobald das Urteil rechtskräftig ist. In Österreich verhängte Geldstrafen würden auch ins deutsche Bundeszentralregister eingetragen. In Althaus’ Führungszeugnis wird die Strafe allerdings nicht erscheinen, weil sie gerade noch unter der Geringfügigkeitsgrenze liegt.
Die Fehlinformation stammt offenbar von Leuten, die ein Interesse daran haben, sie zu verbreiten: der CDU-Thüringen. Deren Fraktionschef Mike Mohring hatte gestern behauptet, der Ministerpräsident sei nach österreichischem Recht nicht vorbestraft. Und ihr Sprecher Heiko Senebald verkündete, mit dem Urteil sei kein Eintrag in das Strafregister verbunden.
Agenturmeldungen, die diesen Äußerungen gestern schonwidersprachen, hat “Bild” ignoriert und sich ganz in den Dienst der Partei gestellt. Immerhin scheint man heute gemerkt zu haben, dass der eigene Bericht nicht haltbar ist. Bei Bild.de erschien ein Artikel, der zwar sich zwar heillos in den unterschiedlichen Vorschriften über Einträge ins Strafregister und das Führungszeugnis verheddert und eine gewagte Interpretation der “umgangssprachlichen” Bedeutung des Wortes “vorbestraft” versucht. Die Überschrift aber lautet schlicht:
Mit Dank an Lars S.!
Nachtrag, 5. März. Bild.de hat den “Dieter Althaus vorbestraft”-Artikel gelöscht, warum auch immer.
Nachtrag, 23.15 Uhr. Geklärt ist nach Ansicht von “Bild” heute immerhin, dass die Frage der Vorstrafe “geklärt ist”. In der gedruckten Ausgabe heißt es:
Geklärt ist auch: Das Urteil gegen Althaus (180 Tagessätze) gilt als Vorstrafe, die auch in sein deutsches Führungszeugnis aufgenommen werden kann.
Online lautet derselbe Absatz im selben Artikel vom selben Autor so:
Geklärt ist auch: Das Urteil gegen Althaus (180 Tagessätze) wird weder in Österreich noch in Deutschland in das polizeiliche Führungszeugnis aufgenommen.
1. “Publizistik nicht relevant” (presseverein.ch)
Der Zürcher Presseverein, Vertreter von 1500 Journalisten, fragt sich, warum im Communiqué zum Zusammenschluss der Verlagshäuser kein Wort zur Publizistik fällt. Die Antwort: “Facebook und Google heissen nun die Konkurrenten. Die Publizistik ist nur noch ein untergeordneter Faktor.”
2. “Nous sommes tous des Zurichois” (tagesanzeiger.ch, Jean-Martin Büttner)
“Gerade Edipresse hat gezeigt, dass Grösse noch keine Qualität garantiert. Manche Edipresse-Produkte neigen zu einer Berichterstattung, die Journalismus als eine Art Bewegungsmeldung begreift. Ihre Artikel erzählen plastisch und farbig, was zwar attraktiv zu lesen ist, aber oberflächlich bleibt.”
3. Übernahmekandidat Ringier? (bundblog.derbund.ch, Artur Vogel)
Artur Vogel, Chefredaktor Bund (Tamedia), schätzt die Konkurrenz so ein: “Auch die NZZ-Gruppe wird einer Fitnesskur unterzogen, während Ringier eine klare Strategie vermissen lässt und damit längerfristig zum Übernahmekandidaten werden dürfte.”
1. Edipresse und Tamedia: Fusion in der Schweiz (tamedia.ch, Medienmitteilung)
Bedeutende Umwälzungen in der Schweizer Verlagslandschaft: Die Nummer 2 und die Nummer 3 der Verlagshäuser (Umsätze 2007) fusionieren. Als Konkurrenten verbleiben Ringier und die NZZ Gruppe. Und als kleinere Marktteilnehmer die Basler Zeitung Medien, die AZ Medien Gruppe, die LZ Medien Gruppe und die Südostschweiz Mediengruppe.
2. “Falsche Freunde” (blog.handelsblatt.de/indiskretion, Thomas Knüwer)
“Von der zweifelhaften journalistischen Qualität eines ‘Spiegel’-Titels.”
3. Interview mit Christoph Scheuring (reporter-forum.de, Ariel Hauptmeier)
Der Reportage-Journalist Christoph Scheuring in einem 11-seitigen Interview (PDF-File). Er rät jedem Anfänger, “sich nicht alles gefallen zu lassen” und bei den redigierenden Kollegen um Formulierungen zu kämpfen. “Du musst deinen Stil entwickeln, du musst um deinen Stil kämpfen. Nur so kannst du unterscheidbar werden. Aber der Grad ist schmal zwischen einer Leidenschaft für die Sprache und Renitenz.”
Die “Bild”-Redakteurin Angela Wittig wird sich demnächst wegen des Vorwurfs der Üblen Nachrede vor Gericht verantworten müssen.
Der Brief in “Bild”:
Der Leipziger Justiz-Sumpf – er wird immer tiefer… BILD wurde jetzt der Brief eines gewissenhaften Juristen (…) zugespielt. Schon 2001 beklagte der Briefschreiber die Existenz einer Immobilien- und Justiz-Mafia sowie die merkwürdige Rechtsprechung [von] Günther Sch. (…) “Nur leider die Großen der Politik und bei den Robenträgern können in Leipzig schalten und walten wie sie wollen. Da wird sich bereichert und die günstigen Immobilien (…) hin und her geschoben.” (“Bild”, 30.6.2007)
Wittig hatte im Sommer 2007 unter der Überschrift “Wie ein gewissenhafter Richter schon 2001 gegen Kollegen protestierte – Abrechnung mit der Justiz-Mafia” in einem “Bild”-Artikel über einen Brief an den früheren Präsidenten des Leipziger Landgerichts berichtet. In dem Brief hatte ein namentlich nicht genannter vermeintlicher “gewissenhafter Jurist” schwere Vorwürfe gegen die Leipziger Justiz und insbesondere den Richter “Günther Sch.” des Landgerichts erhoben. Wittig zitierte damals ausführlich aus dem in holprigem Deutsch verfassten Schreiben (siehe Kasten).
Wegen dieser Berichterstattung erließ das Amtsgericht Leipzig Ende vergangenen Jahres auf Antrag der Staatsanwaltschaft Strafbefehl gegen Angela Wittig, wie uns eine Gerichtssprecherin jetzt auf Anfrage sagt. Wittig habe Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt, weshalb es demnächst zur Hauptverhandlung kommen werde. Ein Termin dafür stehe noch nicht fest, so die Sprecherin.
Mehr über die “Bild”-Redakteurin auch hier und hier.